wenn sie Six Apart gekauft haben: Werbung war gestern. Das eigentliche Geschäftsmodell sind die Blogger selbst, und ihre Inhalte. Glaubt keiner, was? Aufgepasst!

Machen wir uns kurz klar, auf welche Probleme Jamba (oder Jamster, so der Name in den USA) treffen wird:

1. Das Geschäftsmodell Klingelton ist nicht grenzenlos skalierbar. Inzwischen erreicht es langsam eine gewisse Marktsättigung. Man kann eine Weile noch extremere, dümmere Sprüche fabrizieren, aber irgendwann sind die Sensationen dann durch, es gibt zu viel alten Content, das Thema wird für Kids so langweilig wie Panini-Bildchen früher oder später.

2. Klingeltöne und Screensaver kommen zwar mit einem Digital Rights Management, aber relativ bald werden die Töne auch im grossen Stil kopiert und über das Netz “getauscht” werden. Oder aus mp3 selbst gebastelt. Kurz: Jamba wird ein Problem bekommen, das dem der Musikindustrie ähnelt. Vielleicht macht auch jemand ein Kazaa nur für Klingeltöne, wer weiss. Die Nachfrage nach kostenlosen Tönen ist jedenfalls enorm; man schaue sich mal die Zugriffszahlen bei Don Dahlmann an.

3. Die Abos und die Natur der Klingeltöne rufen alarmierte Verbraucherschützer, Eltern und Politiker auf den Plan. Schon jetzt hat Jamba in der Frage von Abos für Minderjährige eingelenkt – das Geld wird zurückgezahlt, wohl um ungünstig verlaufende Prozesse zu verhindern und den Druck der Politik zu mindern. Aber: Die Bundesregierung hat schon gegen die 0190er-Dialer durchgegriffen; Jamba droht das gleiche Schicksal. Im anglophonen Raum formieren sich erste Proteste gegen die Geschäftspraktiken von Jamba.

Auch wenn Jamba auf Blogs als Werbeplattform setzen wird, wird sich das Geschäft sicher nicht mehr so leicht wie bisher entwickeln lassen. Man kann auch sagen: Das Wachstum hat seinen Höhepunkt überschritten, und der Markt wird schneller schrumpfen, als das die Studien bislang vorhersagen. Sage nicht nur ich, sondern auch die üblichen wohlinformierten Kreise im Mobilfunkbereich.

Aber was macht Jamba dann mit den Blogs? Nun, die Antwort ist denkbar einfach: Jamba wird – nach dem unten beschriebenen Szenario – versuchen, die Blogger zu melken. Und die Idee ist grandios – aber natürlich spekulativ, und erst mal nur meine Vermutung.

Diese Vermutung beruht darauf, in Zukunft nicht mehr 500 Mitarbeiter in Berlin schwachsinnige Küken produzieren zu lassen. Diese Leute sind denzufolge teuer und werden bald, in etwa ein, zwei jahren, verschwunden sein. Ausserdem hat Jamba überhaupt keine Lust, weiterhin Geld für Töne an die Musikindustrie zu zahlen. Auch das wird radikal reduziert.

Statt dessen wird Jamba an den Bloggern und deren Inhalten auf seiner Plattform verdienen. Und das geht so:

Sommer 2006 an der McAllister High in Nowhere Gulch, Nevada. Jennifer hat ein Jamster-Blog, former known as Six Apart/Livejournal. Jennifer trifft sich endlich mal mit Marc, dem Star des Rugbyteams. Natürlich ist kein Intenetanschluss in der Nähe, um das zu bloggen, obwohl es Jennifer schon reizt. Sie könnte es auf ihrem Handy eintippen, aber das kommt gar nicht gut, ist umständlich, und sie will eigentlich knutschen. Und dass Amber und ihre Clique vor Neid platzen, wenn sie das sehen. Nur ist Amber grad im Unterricht.

Das ist für Jennifer kein Problem. Statt mühselig zu tippen, hält sie ihr Handy mit Videokamerafunktion hoch und filmt sich beim Händchenhalten mit Marc. Und schickt es ab, mit dem sexy Titel “I get laid by Marc!”.

Und damit beginnt der grosse Reibach für Jamster. Das Video wird kostenpflichtig auf das Blog von Jennifer geschickt und dort zwischengespeichert. Alle dort regisitrierten Leserinnen erhalten ein kleines Bildchen und die SMS mit dem Inhalt: “Jennifer: I get laid by Marc! Click return and download the video for just 1,99$!” Und was werden Amber und all die anderen Gören dann tun?

So verwertet man also Blogger: Man gibt ihnen ein unzureichendes Tool, das sie zwingt, teure Inhalte zu erstellen, und verdient, indem man diese Inhalte ihrer kleinen, aber sehr interessierten Peer Group mobil, augenblicklich weiterleitet. Die Kosten sind minimal, man braucht keine Entwickler, die User machen den einzigartigen Content selbst und sorgen für den Kundenstamm. Ein Goldesel, ein sich selbst ständig neu füllendes Perpetuum Mobile, das Geld produziert. Da braucht man kein Abo und keine obszönen Klingeltöne, das kommt alles von selbst. Und sagt nicht, dass Ihr das nicht auch runterladen würde, wenn etwa Lyssa ein Video von ihrem knebelfressenden Hund anbieten würde. Derartige Inhalte ziehen bei kleinen Gruppen mit Interesse an einer anderen Person besser als das altbekannte Fussball-Tor auf dem Handy, von dem seit Jahren gelabert wir.

Aber, werden jetzt die Kundigen sagen, Moment. Das kann Jamba doch gar nicht, das ist eine Menge technische Infrastruktur, da muss man die Videos in Echtzeit an Dutzende Handies und die darauf installierten Player anpassen, und auch an die Netzbetreiber – davon hat doch Jamba absolut keine Ahnung, also, lieber Don, so einfach geht das doch sicher nicht.

Stimmt. Jamba kann das nicht. Aber die Infrastruktur hat die Jamba-Mutter Verisign. Die Bearbeitung der Videos kann eigentlich nur eine andere Firma im Moment richtig gut. Die heisst Lightsurf Technologies. Die haben das drauf. Die sind da echt gut drin.

Und die, hoppla, sind gerade von Verisign übernommen worden.

Und Ihr habt gerade eine Geschäftsidee gelesen, die selbst bei Jamba vielen bislang unbekannt ist. Vielen, besonders den kleinen, “wems nicht gefällt der soll doch gehen”-Mitarbeitern. Vielen, aber – vermute, spekuliere ich wild ohne Beweis – nicht allen.