Mit Vorsicht, aber zu geniessen
ist dieses persönlich.com-Interview mit Tom Kummer, dem Journalisten, der es geschafft hat, etliche Chefredakteure mit Fakes zu beliefern und seitdem sowas wie der Schachterlteufel des deutschen Journalismus ist:
Heute machen im Journalismus alle mehr oder weniger das gleiche. Die Qualität ist hoch, doch der Überaschungsfaktor gleich Null. Nichts unterscheidet grundsätzlich ein Aussenseiterblatt wie Faces vom Spiegel, oder das Böblinger Tagblatt von der Weltwoche oder dem Lufthansa Magazin.
Im weiteren Verlauf spricht er einige unschöne Wahrheiten über den Journalismus aus, die letztlich den Fall Kummer erst möglich gemacht haben: Die Gier nach Subjektivität und extremen Stories, das Fehlen neuer sprachlicher Konzepte, die Enge in den Redakteursköpfen, die dergleichen dann zukaufen, das Erfolgsmodell Andersartigkeit.
Natürlich hat Kummer ein Interesse daran, seinen Trip entlang der Selbstschussanlagen des Journalismus als etwas Ehrenhaftes und Spannendes zu verkaufen. Aber manchmal nicke ich doch mit dem Kopf, wenn ich ihn lese. Weil Kummer fraglos ein Faker ist, aber wer in diesem Beruf arbeitet, sollte wissen, wie wenig der Realitätskonstruktion der Medien nicht gefaked und radikal subjektiv mit Blichk auf Verwertung ist. Wie wahr ist denn eine abgeschriebene Pressemitteilung, ein Making of, ein eingeladener “Experte”, der seine Studien verticken will?
Vielleicht muss man mal überlegen, ob man statt der Perpetuierung des manichäischen Dualismus wahr/falsch nicht besser versucht, die Qualität von Fakes, Unausgewogenheit und Subjektivität zu beurteilen. Damit könnte man vielleicht auch den Boom der Blogosphäre erklären, den es nach den Gesetzen der Publizistik eigentlich nicht geben dürfte.
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Um das Problem mal etwas zu erklären: Ich habe gestern einen Artikel über das neue Versammlungsrecht geschrieben, mit Verweis auf Nazi-Demos in Wunsiedel (Bayern) und Balde (Brandenburg). Ich kenne den Aufmarsch in Wunsiedel aus eigener Anschauung, den in Balde kenne ich nicht, da muss ich mich auf das verlassen, was ich recherchiert habe. Im Beitrag erwecke ich den Eindruck, ich könnte beide Fälle gleich gut beurteilen, stelle ihre individuelle Problematik dar und vergleiche. Und da fängt es schon an mit der Konstruktion einer Realität – subjektives Erleben in Wunsiedel gegen Nachgelesenes in Balde. Ich glaube als Journalist, dass ich den Gegensatz kontrollieren kann, ich glaube so sehr an mich, dass ich mir da fast keinen Gedanken darüber mache. Aber das Problem zu negieren würde mich, fürchte ich, erheblich unehrlicher als Kummer machen. (vielleicht habe ich auch nur zu wenig geschlafen).
Möglicherweise ein wenig an der Stossrichtung des Beitrags vorbei, aber weil der Begriff der Qualität gefallen ist: Die “Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft” hält Anfang Mai in Hamburg ihre Jahrestagung mit dem Schwerpunktthema “Medien-Qualitäten” ab (siehe http://www.dgpuk2005.de/). Etwas enttäuschend: Mit dem Internet befasst sich anscheinend nur ein Beitrag (was man so aus den Titeln rauslesen kann), mit neueren Entwicklungen wie Blogs etc. wohl gar keiner (ausser in den offenen Panels passiert noch was). Dabei gäb es da natürlich jede Menge interessante Fragen für die Komm.wissenschaft zu stellen und zu beantworten.. :)
Das hier -> “Die Qualität ist hoch” <-- versteh' ich ja schon gar nicht, auch wenn ich Dons Zitterigkeit in Sachen Kummer-Bewertung teile. Die Qualität ist eben nicht hoch! Eigentlich sollten Kummereien heute wesentlich leichter sein, weil sie soweit pseudoqualitativ aus der Abschreibemaschinerie herausstechen! Zu Dons Orte-Problem: Im US-Journalismus a la New York Times, wo sie nur an einen Ort fliegen, um die Ortsmarke mitnehmen zu können, wärest Du mit der Herangehensweise schon grenzwertig. Schreib' doch einfach die Wahrheit: Dass Du das eine aus erster Hand, das andere nur aus Berichten kennst. Was ist daran so schlimm? (In den USA wird auch jedes E-Mail-/Telefon-Interview gekennzeichnet.) Die Blogs mit ihrem "via"-Wahn machen es doch vor. Sagt, die Waldfee
Das hier -> “Die Qualität ist hoch” versteh’ ich ja schon gar nicht, auch wenn ich Dons Zitterigkeit in Sachen Kummer-Bewertung teile. Die Qualität ist eben nicht hoch! Eigentlich sollten Kummereien heute wesentlich leichter sein, weil sie soweit pseudoqualitativ aus der Abschreibemaschinerie herausstechen!
Zu Dons Orte-Problem: Im US-Journalismus a la New York Times, wo sie nur an einen Ort fliegen, um die Ortsmarke mitnehmen zu können, wärest Du mit der Herangehensweise schon grenzwertig. Schreib’ doch einfach die Wahrheit: Dass Du das eine aus erster Hand, das andere nur aus Berichten kennst. Was ist daran so schlimm? (In den USA wird auch jedes E-Mail-/Telefon-Interview gekennzeichnet.) Die Blogs mit ihrem “via”-Wahn machen es doch vor.
Sagt,
die Waldfee
Ich sollte noch dazu bemerken, dass der Teil, in dem es um die beisen Orte ging, nur ein Teil eines grösseren Beitrags war, gerade mal 8 Sätze. Trotzdem ist da ein Unbehagen, weil ich das, worüber ich schreibe, nur indirekt beurteilen kann.
Nochmal, dann schreib das doch. Was hindert Dich außer Deinem Ego?
Ich weiß nicht, was an dem Interview zu genießen ist. Es ist belanglos. Hätte es geheißen: ich bereue nichts, ich bin kein People-Journalist und ich setze mich aus dem Hollywood-Zirkel ab, was anderes (be)schreiben, dann wäre das vielleicht eine Information. So ist es Paddle-Tennis. Vielleicht auch eine Aussage zum Zustand der Medien. Aus aktuellem Anlass ein Interview, das ich wirklich aufschlussreich gefunden habe:
http://mediamatters.org/items/200503290005