Ich war gestern zu Gast bei einem monatlichen Stammtisch der DJU – Deutsche Journalisten Union, der Journalisten-Gewerkschaft von ver.di. Neben meiner Wenigkeit wurde auch Dirk Franke von Wikipedia eingeladen zum Thema: “Ist die freie Information Konkurrenz für bezahlte Journalisten oder eine neue ergänzende Sparte des Journalismus“.

Beim Reinkommen war es putzig die zirka 10-12 Journalisten zu beobachten, wie sie alle selbst bei einem Stammtisch, erst einmal den Notizblock und die Kugelschreiber rausholten und neben sich auf den Tisch legten, allzeit griffbereit.

Nicht dass ich denAbend als unangenehm empfunden hätte, aber er ließ sich am besten mit dem Begriff “Culture Clash” umschreiben. Vereinfacht ausgedrückt, war in der Runde eine deutliche Altersgrenze zu spüren, irgendwo zwischen 30 und 40 Jahren. Jenseits der Grenze wurde das Ganze größtenteils mit Skepsis und teilweise Unverständnis aufgenommen.

Ich und Dirk Franke erzählten vom Bloggen und der Wikipedia und von den dahinter steckenden Strukturen: Linkkultur, basisdemokratisch etc… Wir haben auch versucht das große Bild mit Begriffen wie Open-Source-Denke, fair use und CC-Lizenzen zu zeichnen. Und wie aus dem Lehrbuch für Klischees gab es dann an bestimmten Stellen auch die klassischen Bedenken:
Wie? Bei der Wikipedia kann jeder einfach so was reinschreiben? Das kann doch nicht funktionieren?
Wie? Blogger schreiben und bekommen es nicht bezahlt?
Woher weiß ich, dass das was in der Wikipedia/im Blog steht auch stimmt?
Woher nehmen Blogger die Zeit? Haben die nichts zu tun? Bekommen die Geld vom reichen Daddy?
Verarmt der Mensch nicht, wenn er die ganze Zeit vorm Monitor hockt?

Im Grunde genommen die klassischen Generationskonflikt-Fragen: “wir kennen es nicht, also kann es nix sein” und “früher war alles besser”.

Das Vertrauen in selbstregulierenden Mechanismen, wie z.B. bei der Wikipedia, war gleich null. Viele der Anwesenden machten ein Gesicht, als würden wir von einem fernen Land reden.

Immer wieder war auch deutlich zu spüren, das Wikipedia und das Bloggen vielfach als Stellvertreter für das Internet genommen wurde, mit all seiner Schlechtigkeit wie z.B. dem vereinfachten Bilderklau oder permanenter Urheberrechtschutzverletzung. Die Offenheit die man dem Thema Internet entgegen brachte, schien mir auch viel mit der wirtschaftlichen Situation der Beteiligten zu tun zu haben. Je schlechter die Finanzen waren, desto böser das Internet.

Nur mühsam entsannen sich einige der Anwesenden in den 70er Jahren selber in Sachen Raubdrucke ganz vorne dabei gewesen zu sein. Oder dass der NDR seinen Mitarbeitern vor Jahren Anweisungen gegeben hat, wie für lau an Bildmaterial heranzukommen ist. Z.B. durch Ausnutzung des Zitatsrecht, in dem das Bild via Zeitungsausriß gebracht wird. Oder das zahlreiche der Anwesenden inzwischen selber die Wikipedia als Recherchebasis verwenden.

Das Internet stand gestern mehr als “Billigmacher”-Medium im Mittelpunkt. Einer der freien Journalisten mit Spezialgebiet Reisen und Essen, sah nur dass er sich immer mehr mit Hobbyisten herumplagen müsste, die es for free im Internet machen würden.

Ich verglich seine Situation mit meiner, als freiberuflicher Webdesigner, der sich auch Billigkonkurrenz von Studenten und Schülern, die sich irgendwo billig Dreamweaver ziehen und dann einen auf Webdesigner machen, ausgesetzt sieht. Und trotzdem überlebe ich. Wenn die Dienstleistung des Journalisten nicht den Mehrwert besitzt, der ihn von den Freizeit-Schreibern unterscheidet, sind dann die Hobbyisten das Problem, oder er? Auf diese Bemerkung von mir, kam Gelächter und ein Schwall der handelsüblichen Schlagwörter “5 Millionen Arbeitslose”, “Hartz IV” etc…, aber keine Antwort. Verschränkte Arme statt weiter zu denken.

Der große ironische Moment des Abends kam, als einige der Anwesenden von einem Skandal in Hamburg erzählten, in denen ein hochrangiger Verlagsangestellter verwickelt ist, der aber unter Deckel gehalten wird. Kein Hamburger Medium will die fertig recherchierte Story veröffentlichen und der Frankfurter Rundschau wurde die Sache zu heiß. Von den Altvorderen am Stammtisch kam nicht einer auf die Idee, mal via Internet die Sache steigen zu lassen. Nicht einer sah im Internet oder den Blogs die Chance, vorbei an den “Gatekeepern” so eine Sache publik zu machen. Auf Nachfrage wurde müde mit der Hand abgewunken.

Mein Eindruck war, das viele die neuen Medien aus Borniertheit oder Voreingenommenheit ablehnten und kein Verständnis für die sich verschiebenden Wertevorstellung der jüngeren Generation haben.

Natürlich bringt das Internet Probleme mit sich. Beim Stammtisch waren auch Besitzer von kleinen, unabhängigen Bildagenturen zu Gast. Sie sind in den letzten Jahren komplett an die Wand gedrückt worden. Durch Fusionen der Branchengrößen haben sich 2-3 Kolosse gebildet, die nahezu den kompletten Mark besitzen. Durch den Vetriebsweg Internet werden Bilder inzwischen fast nur noch digital akzeptiert. Und die Digitalisierung der Papierbilder ist für die kleinen Agenturen kaum zu leisten. Diese Bildagenturen haben 50.000 – 100.000 Bilder. Das Geld ist nicht da, um die Bilder auf einem Schlag zu digitalisieren. Einer der Agenturbesitzer scannt derzeit zirka 3.000 Bilder pro Jahr ein und gibt sie inkl. aller Metadaten händisch in eine Datenbank ein, wozu er pro Bild ungefähr eine halbe Stunde braucht.

Der Umsatz der kleinen Agenturen ist im Laufe der letzten zwei Jahre um die Hälfte eingebrochen. Die Papierbilder werden kaum noch nachgefragt und sind stattdessen kostenfressender Balast. Die Archivierung verlangt aufwändige Klimatisierung die Kosten von monatlich 300-400 EUR verursacht. Viele Agenturen haben zugemacht, andere werden dicht machen. Keiner will die Papierbilder übernehmen und das Material riskiert für unwideruflich verloren zu gehen.