Ein Vortrag, der dann aus diversen Gründen am ZKM in Karlsruhe am Wochen ende in dieser Form nicht gehalten wurde, wie manche Dinge dann auch erst im Blog besprochen wurden.

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Blogs zur Zeit in der Öffentlichkeit stark präsent sind. Sie sind eine der wenigen Erfolgsgeschichten des Internets nach dem Crash der New Economy. Sie erlauben dem Journalismus, über sein Lieblingsthema – sich selbst – zu berichten. Sie passen sehr gut zu gesellschaftlichen “Trends” – ganz gleich ob wahr oder erfunden – wie Micromarketing, Peer-to-Peer-Netzwerken, Workgroups, Partnersuche im Internet – vermutlich gibt es nicht allzuviel, was nicht auf dieses neue, schnell wachsende Thema projeziert werden kann. Mit den Blogs kommen alle alten Heilsversprechen des Interents wieder, der ausgebrannte Zug des Cluetrain Manifesto zuckt in den Blogs wieder, und am Bahnsteig Richtung ungewisser Zukunft jubeln PR-Berater, Werbeleute und Marketingexperten.

Die Frage, was Blogs sind, ob das alles mit ihnen wahr wird, wird wohl nie schlüssig und umfassend beantwortet werden, aber: Es ist vielleicht ganz hilfreich, das, was sie unzweifelhaft sind, abzugrenzen gegen das, was sie nach dem Willen bestimmter Interessensgruppen sein sollen.

Was sie ohne jede Frage sind: Eine Kultur der Kommunikation, die ihre Vorläufer in den Mailboxen, Foren und Chatrooms hat, sich aber zu einem persönlichen Medium weiterentwickelt hat. In Blogs werden Texte und Bilder veröffentlicht, also kulturelle Leistungen erbracht. Wie immer in der menschlichen Kulturgeschichte mag man das Wort “Kultur” bei einem Text einer 15-jährigen über ihr Bauchnabelpiercing nicht anwenden – aber das ist lediglich eine Frage des Geschmacks, denn diese Unmittelbarkeit der Ãœberlieferung ist etwas, das wir im Falle einer Bürgertochter des 14. Jahrhunderts als erstklassige kulturgeschichtliche Quelle einstufen würden, wenn wir es denn hätten.

Diese Arroganz in der Beurteilung können wir uns nicht leisten: Tatsächlich ist Bloggen nicht nur schreiben, sondern ein Lernprozess im Umgang mit Schriftlichkeit und der eigenen Person, also einer literarischen Selbstreflektion und gleichzeitig Kommunikation mit der Umwelt. So banal das klingt: Wir müssen heute dankbar sein um jeden, der lieber über sich und sein Leben schreibt und nachdenkt, als seinen Schulfrust bei Doom 3 rauszuballern oder sich bei Gerichtsshows die Anregungen für neue Beleidigungen ihrer Umwelt holt. Kinder und Jugendliche sind einer gnadenlosen Konsumwelt ausgesetzt – dass sie sich in Blogs ihren eigenen, konsumfreien Raum schaffen, in dem sie sich mit sich selbst und ihren Bekannten beschäftigen, ist das Beste, was Blogs zu schaffen in der Lage sind. Da schreibt keine Virgina Woolf und kein Thomas Mann, aber es entstehen die Fähigkeiten, die es vielen in diesem Raum erlauben werden, mit Büchern, Kunst und gesellschaftlichen Prozessen anzuknüpfen.

Selbst die in Blogs so stark gescholtenen Medien müssen froh sein. Natürlich sind Blogs eine Konkurrenz. Und es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass Medien Marktanteile von den Blogs zurückgewinnen können; es wird aus einer Reihe von teilweise selbstverursachten Gründen noch lange eine Abwanderung zu den Blogs geben. Jedem sind die Horrorszenarien bekannt, in denen Zeitungen die junge Leserschaft wegbricht, und nach meinen Erlebnissen mit jungen Journalisten stimmt das. Dennoch sorgen Blogs dafür, dass ein grundsätzliches Interesse an Texten und an Berichterstattung auch bei Bloglesern erhalten bleibt.

Was nach nicht für Versuche gelten kann, auf Basis der Blogs gescheiterte Business-Modelle der New Economy wiederzubeleben. Gerade der Niedergang der Medien zu Crossmarketing-Plattformen voller Schleichwerbung im redaktionell angenehmen Umfeld, ihre Konzentration auf Massenmärkte und das Fehlen von Ecken und Kanten haben den Aufstieg der radikal subjektiven, authentischen Blogs gefördert. Was sich dabei abzeichnet, ist eine Renaissance des “New Journalism” und die Entstehung von Micromedien für bestimmte Gruppen. Aber daraus eine zahlungswillige Zielgruppe zu machen, die den Aufwand für den Betrieb eines guten Blogs gewinnorientiert rechtfertigen könnte, ist eine Kunst, ist bislang ähnlich erfolgreich wie das Goldmachen.