Mindestens haltbares Epicore
Irgendjemand muss in den letzten Monaten mal aufgefalen sein, dass Bloggen ohne Inhalte nicht so der Brüller ist. Und die Texte da draussen so eine Art Literatur sind. Was bedeutet, dass man sie sammeln und veröffentlichen kann, im Buch – old school, zum Bestellen clicken – , als bezahlter, aufs Urheberrecht scheissender Contentaufsauger in der Zeitung oder im Intenet, wobei alles seine Vor- und Nachteile hat. Ein Buch etwa ist dauerhafter und ohne Strom und Netz lesbar, das Internet dagegen ist nach höheren Anfangskosten für den Rechner eher billig und schnell. Und der Klau sorgt für Hau-e aus der Blogosphäre, ist also nicht wirklich zu empfehlen. Auch, wenn heavy User des Netzes das nicht glauben wollen, ist Papier immer noch beliebter als das Netz, dessen Wachstum stagniert und für die meisten im Bereich Literatur eine völlig untergeordnete Rolle spielt.
Wie auch immer, mit dem neuen Buzzword “Blog” versuchen zwei Projekte, 2005ff das zu schaffen, was 1999ff gründlich daneben ging: Von Nutzern geschriebene Inhalte auf Plattformen zu bündeln und selbst davon auf die eine oder andere Art zu profitieren. Dass wir es hier – historisch gesehen – faktisch mit einem Rückschritt auf kleinem Niveau zu tun haben, muss erst mal nicht stören. Schliesslich sind Blogs technisch gesehen ein runtergekürztes, rudimentäres Content Management System und dennoch erfolgreich.
Leise und eher auf Texte des eigenen Hosting-Geschäfts bezogen kommt im Moment das Online-magazin “Mindestens Haltbar” des österreichischen Anbieters Twoday.net daher. In der Konzeption erinnert es ein wenig an das Portal der Zeitschrift Neon, vor allem wegen der Texte, die teilweise – vielleicht ist das auch nur mein Gefühl – der alten Neon/Jetzt-Schule ähneln. Sehr viel Konsens, a wengal fad, nachdenklich, nicht schlecht bis sehr gut, ohne grosse Ausrutscher und so anarchisch wie ein Ministrantenausflug in Altötting. Die Kategorien/Ressorts und das layout erinnern an Printprodukte, und durch die monatliche, statische Erscheinungsweise nutzt es nicht wirklich alle Vorteile des schnellen Netzes. Aber der Name sagt es schon – die Texte sollen über den Tag hinaus weisen.
Epicore aus dem Hause Spreeblick ist dagegen ein aktueller Rosinenpicker in der Blogosphäre, also auch ein reiner Sauger der leistung und Inhalte anderer Leute. Das team rund um Do Dahlmann scheint von alten Contentkriegen in der Blogosphäre gelernt zu haben, wenn sie nach einigem Bauchpinseln für all die tollen Blogs und ihren Autoren schreiben:
Dabei werden die Geschichten, die für diese Seite ausgewählt werden, nicht komplett hier zu lesen sein. Das wäre nicht nur aus rechtlichen Gründen schwierig, sondern auch aus zeitlichen. Denn für jede komplette Geschichte müsste man die Rechte erfragen, was nicht immer direkt möglich ist. Deswegen werden die Geschichten hier nur zu einem Teil zu lesen zu sein. Der Link Weiterlesen führt dann auf die Seite des Autors, auf der die ganze Story zu lesen ist. Das ist auch nur fair, denn dies soll eine Linksammlung sein, in der es nicht um die absoluten Klickzahlen geht, sondern um die Autorinnen und Autoren.
So wie gerade, ist das Zitat übrigens durch das Urheberrecht abgesichert. Es wird spannend sein zu sehen, wie das Team die rechtlichen Probleme behandelt, denn allein schon eine unkommentierte Auszugssammlung ist schon problematisch – und das darf man an dieser Stelle auch sagen, nachdem Spreeblick eine Firma ist und dergleichen nicht ausschliesslich aus den im Text angegebenen menschenfreundlichen Gründen macht. Sondern eher, um eine Art Portal für Qualität in Blogs unter dem eigenen Dach hochzuziehen. Ich persönlich kann ausgezeichnet mit dem Spreeblick-Boss Johnny Haeusler, aber bei all den netten Worten stellt sich bei mir ein etwas fader Beigeschmack ein; die geschätzten Autoren sollen mal schreiben, die anderen vermarkten das Zitat, und zwar genau über die Klickzahlen, um die es angeblich nicht geht.
Also sollte man mal die Frage stellen: Wird beim Autor wenigstens gefragt, ob es ok ist? Werden die wirtschaftlichen Details irgendwann auf den Tisch gelegt? Denn Rechte, mit Verlaub, müsste man auch beim Zitat erfragen. In dem Moment, in dem das Zitat woanders steht, beginnt das Geschäftsverhältnis.
Nicht böse gemeint, nur Fragen. Um Präzendenzfälle zu vermeiden. Ich hatte erst vor ein paar Wochen so einen Fall, der dann ausgesprochen unschön verlief, mit einem anderen Blognetzwerk. Also lieber vorher Fragen. An Leuten, mit denen ich persönlich gut kann, aber hier gehtŽs ums Geschäft. Nicht, dass es mich zwingend betrifft, aber ich darf um Antworten bitten, oder?
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Aber klar doch.
Manche Projekte muss man vielleicht erstmal laufen lassen, um sehen zu können, was daraus wird. Ich weiß es bei Epicore zum Beispiel nicht. Tatsächlich gibt es erstmal nur die meinentwegen naive Grundhaltung, dass es sowas bisher in der Blogszene nicht gibt, weswegen es vielleicht gut wäre, sowas zu machen. Nicht hinter allem steckt direkt eine ausgeklügelte Marketingstrategie nebst einem LOI mit Bertelsmann.
Zur Vermarktung: Wie soll man damit Geld verdienen, ausser man ist so verrückt wie Du und Kai, und man macht ein Buch draus? Klar, ist es vorstellbar, dass man sowas aus den gesammten Texten macht. Aber das sollte man sich, wie du ja selber weißt, sehr genau überlegen.
Was die Zitate angeht: Alle Autoren werden angeschrieben und können selber entscheiden, ob sie ihre Geschichte da sehen wollen, oder lieber nicht. Eingereichte Artikel von Autoren werden vor der Vß noch mal abgesichert, ob die Autoren auch wirklich noch eine Vß wollen.
Grüße
auch Don :)
Also:
Impressum
Anbieter:
Spreeblick Verlag KG
Eine gemeinnützige GmbH ist was anderes. Ich begrüsse durchaus eine Professonalisierung, zumal wenn es die richtigen Leute machen, aber wenn da nun mal eine Firma das Ganze durchzieht und dort gute Vermarkter sitzen, klingt so ein “ischweissnix ischkenndennisch undplänehabischauchnischt” ein klitzeklein wenig, hm, unglaubwürdig. Ich wünsche guten Leuten allen finanziellen Erfolg der Welt – solange sie mir nicht witzschenergänzt erzählen, dass es hier nur und ausschliesslich um das Wohl der armen, ungelesenen Blogger geht.
Grüsse
Dito Don :-)
Den endlosen Text, den ich gerade hier getippt hatte, habe ich wieder gelöscht, denn na klar habne wir uns all diese Gedanken auch gemacht. Aber: Entspann dich, Don (A.). Wer nicht bei epicore erscheinen will, der wird nicht erscheinen. Wer es per Lizenz verbietet, auch nicht. Anders gesagt: ja, wir fragen vorher. So leicht ist das. Und ob’s gelesen wird (epicore), entscheiden wie immer die Leserinnen und Leser.
Die rechtliche Situation ist nebenbei bemerkt wie von dir beschrieben nicht ganz richtig. Kommt auf die Lizenz an.
“Sauger der Leistung und Inhalte anderer Leute” sind übrigens sehr viele Blogs, aber nicht epicore. Denn die Leistung liegt im Filtern und Auswählen, dafür sollen die Leute zu epicore kommen, nicht für die Texte, für die sie in Gänze zu den jeweiligen Sites klicken müssen und sollen. ßhnlich wie zoomo, die auch nicht selbst TV oder Radio machen, sehe ich epicore als Dienstleistung, als Wegweise für Leute, die nicht wie wir 10 Stunden am Tag vor der Kiste sitzen. Und ja, auch dafür kann man sich bezahlen lassen. Wenn das dann einer tut. Oder zwei.
Wenn du magst, kannst du die Typos korrigieren. :)
och, ich bin entspannt – ich fand nur, dass im Ankündigungstext unter viel Wohlwollen ein paar Umklarheiten und Interpretationsspielräume sichtbar waren – und vorher nachfragen ist ja auch ganz hilreich.
Hm… kennt jemand zufälligerweise noch das Startup Texxas aus Berlin? Nur mal so in den Raum gefragt.
[…] Epicore sammelt Geschichten. Geschichten, die in Blog vorkommen. Eine Antholgie des Lesens- und damit, so die Intention, des Sammelwerten. Indem man mittels und im Internet schreibt, verändert sich Sprache und Form, läßt sich eine Verdichtung und Verknappung beobachten, so die Initiator sinngemäß in seinem einleitendem Beitrag. Wird durch die Blogosphäre die Frage einer genuinen Netzliteratur erneut aufgeworfen? Don Alphonso findet für dieses Vorhaben den Ausdruck “Rosinenpicker”; er macht sich auch Sorgen darum, daß die Rechte der Autoren ins Hintertreffen geraten könnte und schwingt quasi die Googlekeule. Für mich selbst eine schöne Sache: man sehnt sich nach Geschichten. Menschen wollen etwas erzählt bekommen. Da Geschichten ursprünglich aus einer oralen Kultur stammen, würde es mir nichts ausmachen, wenn sie irgendwann wieder dahin zurückkehrten. Geschichten brauchen das Medium Buch nicht zwangläufig, was nicht heißen soll, daß das Klischee eines vor einem Kamin in ein Buch versunkenen Leser, der gedankenverloren nach einem dampfenden Glas Punsch angelt, nicht unheimlich gut tut. Trackback: http://blog.literaturwelt.de/archiv/epicore/trackback/ […]