“Jeda Schmoan aus Amerika kummt zu uns nüba”, pflegte meine Grossmutter zu sagen, und sie hatte natürlich Recht. Ein stümperhafter Schmarn amerikanischer Bauart, sozusagen ein defekter Virus, grassiert gerade in einigen Blogs – Dutzende scheinbar zufällig ausgewählte Blogger bekamen Briefe, die sie auf die Spur einer jüngst verstorbenen Helena Stavros und eines bloggenden Restaurators namens Philipp Retingshof (http://www.philippretingshof.de/, ich verlinke keinen Werberdreck) bringen sollte. Brav fanden sich die Blogger bereit, darüber heftig zu schreiben und zu linken.

Es dauerte ungefähr die Trocknungszeit zwischen Grundierung und Farbfassung eines Wiener Barockstuhles, bis ich wusste, wer dahinter steckt. Die Agentur im Hintergrund hatte zwar einiges getan, um Spuren zu verwischen – verschiedene Absendeorte der Briefe, falsche Namen bei der Domainregistrierung, und so weiter – sich ansonsten aber gnadenlos stümperhaft abgestellt. Unter all den eher belustigten und neugierigen Postings ragte eines heraus, das eines gewissen Patrick Möller, der natürlich gleich in heller Aufregung bibberte und zitterte, bis er ein Wiki zum Thema aufgesetzt hatte. Als jemand, der Experte sogenannter ARG-Spiele rumblogt, ein erstaunliches Verhalten. Das Blog des Restaurators war etwas zu durchdacht und gut gemacht, um das Werk eines Amateurs zu sein, und weil der gute Mann auch seine Handschrift bei Flickr präsentiert, die so gar nicht zu der Schrift auf den Briefen passt, ist klar, dass da noch mehr mitspielen. Mutmasslich eine Agentur mit mindestens drei Leuten, Schreiber, Teckie, kreativ-graphischer Kopf. Lustigerweise war Patrick Möller erst vor Kurzem Praktikant bei der Agentur VM-People. Die wiederum sind Spezialisten für Viralkampagnen. Also, behaupten sie. Internet halt.

Der Rest ist dann nicht mehr schwer. Schon bei ihrer ersten ähnlichen Kampagne “Rettet den Fussball” ging es um Historisches, das mit einem gefakeden Institut begründet wurde. Das alles liest sich für einen Laien recht schlüssig, nur hat der Verfasser blöderweise Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Historische Hilfswissenschaften studiert und begreift beim ersten Durchlesen, dass hier die gleiche Mischung aus Publikumsverarsche und bullshitgetünchter Ahnungslosigkeit ist, die auch einen Restaurator mit “Diplom für Restaurierung von archäologischem Kulturgut” auzeichnet, der sich dann mit hochgradig unarchäologischen Kleinmöbeln, Kommoden und Spiegeln abgibt – nur mal ein Tipp, Holzmöbelrestaurierung spielt mangels existierender Gegenstände der klassischen Antike nicht so die Rolle. Sowas kotzt mich zwar fachlich an, ist aber ein deutliches Indiz, dass die gleichen Leute am Werk sind. Dass der Restaurator und die Agentur bei Flickr das gleiche Parkett haben, nagelt am Ende den Sarg zu.

In meinen Augen sind VM-People nichts anderes als – sorry, ich muss leider dieses Wort verwenden – Werber. Werber, die Schleichwerbung ohne Gegenleistung platzieren wollen, die nach Awareness geifern wie alle ihrer Sippe, aber auf Leute abzielen, die sich für cleverer halten als der Rest, und trotzdem mitspielen. Ironisch distanziert zumeist, aber VM-People könnten sich freuen, und ihr Kunde, den vorzeitig aufzudecken ich hier auch schon mal ankündige, ebenso. Solange keiner sich hinstellt und das Schmierentheater Schmierentheater nennt.

SCHMIERENTHEATER!

So, und nun zur eigentlichen Fragestellung. Wie geht man mit solchen Versuchen in Zukunft um? ich möchte hier betonen, dass some of my best friends are advertisers, aber dennoch halte ich eine Bestrafung Interaktion für diese Art des Ranmachens an Blogger für angemessen. Aber welche?

1. Die Methode “Stirb Stavros!”: Ich mein, es sind Werber. Ãœberhebliche Werber, die sich für klüger halten. Da sind Fehler unvermeidlich. Suchen, finden, aus allen Rohren Blogs und Kommentaren mit Aufmerksamkeiten überschütten. Denn lustiger als jedes virales Ballerspiel ist die Vorstellung so eines su-per-klu-gen Werbers, der gerade den Scheiterhaufentanz bei seinem Kunden aufführen muss, dem er vorher sicher nichts davon erzählt hat, wie eklig es sein kann, nach wenigen Stunden aufzufliegen und durch die Blogs gejagt zu werden. Vielleicht werden wir jetzt nie erfahren, wie Helena Stavros starb – aber wir können uns ausmalen, dass die Verkaufe der nächsten blogbasierten Aktion kein Spass wird.

2. Die Methode Erpress CDU-Schatzmei verantwortungsbewusste Geheimhaltung. Endlich mal Geld für Nichtbloggen! Da kann kein Notebook- Opel- oder Asktester mithalten. So eine Kampagne kostet locker einen sechsstelligen Betrag, da sollten doch 2, 3% für die Erhaltung der guten Kundenbeziehung, gerne auch viral in kleinen Scheinen, kein Hindernis darstellen. Vielleicht wird die Agentur dann auch Dauerkunde. (Please use Ironiemodus!!!!)

3. Die Methode Virus mit fiesen Bazillen austreiben: Adressen der betroffenen Sammeln, falsche Briefe mit falschen Spuren verschicken, eigenen Plot ausdenken, falsche Hinweise beim Gegner streuen, etwa “ONASsis STAVris sagt: Helena ist nicht tot! Sie lebt, OH GOTT SIE KOMMEN! SCHNELL! WÄHLT …..” und dann die Nummer einer Berliner Viralagenur mit Wunsch nach Epidemien angeben. Oder sowas. Der Phantasie wären beim interctive multiple player 1st person Ad shooter keine Grenzen gesetzt. Jeden morgen ein neuer Streich. Jeden Abend was zu lachen. Und zu wissen, dass sie auch weiterhin mitspielen müssen. Sie werden ja dafür bezahlt. Und sie dürfen nicht aus der Rolle fallen.

4. Tot stellen, weil man will ja wissen, wie es ausgeht und am Ende vielleicht noch einen Kasten Brause, die mit den Todesschwadronen in Kolumbien und den Pestiziden in Indien, gewinnen.

Alle Varianten haben was für sich, wobei ich Nummer 2 für unmoralisch und sogar rechtswidrig halte, und menschlich fast so enttäuschend wie Nummer 4. Nummer 3 ist auch jetzt noch möglich, denn ich glaube nicht, dass die jetzt einknicken werden; die werden das durchziehen.