namentlich für Blogger und Johurnaille, die jeden Scheiss abschreiben und sich damit zum hirnlosen Büttel für Geschäftsinteressen höchst fragwürdiger Natur machen.

Wer in der ersten Runde von Web2.0, der sog. New Economy dabei war, weiss, dass man Journalisten, Beratern, Marktforschern, PRoleten und besonders Unternehmern aus diesem Bereich erst glauben sollte, wenn man sie vorher dreimal sorgfältig gefoltert hat. Wenn man selbst nichts im Kopf hat, ist das eine gute Methode, die Wahrheit aus ihnen mitsamt der Organe rauszukitzeln – ab der Milz werden sie gesprächig. Wem das zu brutal ist: Alternativ helfen Krankheiten wie “Hirn” und “Charakter” – die aber in diesen Kreisen als weitgehend ausgerottet gelten dürfen – um mal hinter die Fassaden des Drecksbusiness und der unvermeidlichen Kamarilla zu schauen.

Having said this, wollen wir uns nun zu Gemüte führen, wie man eine wenig erfolgreich operierende social networking Site mit Hilfe diverser Blog- und Mediengestalten sowie ihrer Abschreiber gross macht. Es geht um die Studentenplattform Facebook.com, die heute mutmasslich der Marktführer in der westlichen Welt sein dürfte. Das hat eine Menge positiver Medienberichte zur Folge, insbesondere die immer wieder aufflackernden Gerüchte, das Portal werde mit Milliarden bewertet und irrsinnig teuer an einen der grossen Player wie Yahoo oder Google verkauft.

1. Akt: Michawl Arrington, jüngst wegen einer Entlassung in die Kritik geratener Betreiber eines Hypemediums für Startups names Techchrunch.com, erwartet seine Leser am 12. Dezember mit einer ganz grossen Neuigkeit: Eine “Source” habe ihm Dokumente zugespielt, die zeigen, wie und weshalb Yahoo geplant hat, Facebook zu übernehmen. Nun ist es nicht das erste mal, dass interne Schriftstücke von Yahoo an die Medien weitergereicht werden – im November etwa hat das Wall Street Journal einen Brandbrief des Senior Vice President Brad Garlinghouse veröffentlicht, in dem die Web2.0-Strategie von Yahoo mit den Aufkäufen von Deli.cio.us und Flickr eine harsche Abreibung bekommt. Eine Rundmail ist aber nochmal etwas anderes als das, was da an Techchrunch weitergegeben wurde: Detaillierte Planungen und Vorhersagen zur Entwicklung von Facebook. Arrington hat dabei kräftig auf die Pauke und verweist auf irrwitzig tolle Erwartungen für die nahe Zukunft:

Things really heated up mid year. Yahoo proposed a $1 billion flat out acquisition price based on a model they created where they projected $608 million in Facebook revenue by 2009, growing to $969 million in 2010. By 2015 Yahoo projects that Facebook would generate nearly $1 billion in annual profit. The actual 2006 number appears to be around $50 million in revenue, or nearly $1 million per week. These revenue projections are based on robust user growth. By 2010, Yahoo assumes Facebook would hit 48 million users, out of a total combined highschool and young adult population of 83 million.

Fast eine Milliarde Umsatz für 2010! Und 48 Millionen User! Das vertickt Arrington GANZ GROSS seinen Lesern und markiert die Zahlen in der Aufstellung mit riten Kringeln. Eine Milliarde, so Arrington, wolle Yahoo für facebook zahlen.

2. Akt: Nur drei Tage später bringt Bloomberg eine fette Geschichte über die Pläne von Facebook. Peter Thiel, Mitglied im Facebook-Vorstand, will einen marktwert von sage und schreibe 8 Milliarden für Facebook erkennen. Von der bei Techchrunch veröffentlichten Milliardenofferte hat Blomberg auch schon gehört, und verkauft sie gleich weiter:

Facebook, having turned down a $1 billion offer from Yahoo, is taking a different path than YouTube, which sold itself to Google Inc. for $1.65 billion, and MySpace, now owned by News Corp. Thiel, one of Facebook’s three board members, said the company is focused finding the best way to make money from its millions of members. Started in 2004 by Harvard University student Mark Zuckerberg, Facebook is now one of the fastest growing sites on the Web. Thiel, 39, says the site’s college-aged users make it worth $8 billion or more, as much as Viacom Inc.’s MTV music video channel. Facebook’s visitors in the U.S. doubled to 11.6 million from a year earlier, according to Nielsen//NetRatings, a market researcher in New York.

Das klingt doch alles prima, Riesenwachstum, schnelle Gewinne.

3. Akt: Die Scharlatane der Blogosphäre kochen seitdem über vor Freude, sowas hört man gern. Zumal allgemein schon länger betont wird, dass Facebook eine Million Umsatz pro Woche, 50 Millionen Umsatz im Jahr…

MOMENT MAL

Woher wissen wir das eigentlich? Wer behauptet das? Nun, amüsanterweise ist das eine Sache, über die nur aus der Ecke von Facebook.com gemunkelt wird, wie etwa hier im Oktober dieses Jahres:

Consider some of the figures bandied about for Facebook. Last January, Facebook founder Mark Zuckerberg, now 22, reportedly turned down a $750 million offer from Viacom, holding out for $2 billion, according to news accounts. This fall he is said to be mulling over a $900 million offer from Yahoo. Those are big numbers considering that the business, started early in 2004, has a modest nine million users and is believed to have annual revenue of around $50 million, though some experts expect that to double soon.

Alles nur Gerüchte, könnte man meinen. Aber da gibt es eine überraschende Parallele, und zwar im schon erwähnten Dokument von Techchrunch: Dort sagte man vor einigen Monaten für 2006 einen Umsatz von insgesamt 50 Millionen voraus. Komischer Zufall, was? Die alten, offensichtlich aus dem Facebook-Umfeld verbreiteten Umsatz-Zahlen entsprechen dem, was Yahoo erwartet hat. Na schön, könnte man sagen, dann passt ja alles, zumal wir Dank Bloomberg, Facebook und Nielsen, siehe oben, auch wissen, dass sich die Besucherzahlen verdoppelt haben, 11,6 Millionen Besucher allein in den USA könnte ja hinkommen… aber… und jetzt bitte nochmal genau, ganz genau hinschauen, da, wo ich den grünen Kringel gesetzt habe:

Yahoo legt für die 50 Millionen Umsatz das Erreichen von insgesamt 14 Millionen registrierten studentischen Nutzern in den USA/evtl. englischen Sprachraum zugrunde, die dann die Basis für das weitere Wachstum sein sollen. Da passt es natürlich prima, dass Facebook genau diese Woche noch schnell seine Nutzerzahlen nach oben korrigiert hat: Laut Google-Cache vom 11. Dezember waren es noch über 12 Millionen Nutzer, jetzt sollen es über 13 sein. Nachdem man Ende September den Laden für alle Arten von Usern – und nicht nur Studenten – weltweit geöffnet hat – damals waren es nur 9,5 Millionen. Von 6.2 Millionen Ende 2005 auf 9,5 Millionen – das sind 3,3 Millionen, dafür hat Facebook 9 Monate gebraucht. Von 9,5 auf 13 Millionen sind es dagegen 4,5 3,5 Millionen, und das soll innerhalb von nur 2,5 Monaten gelungen sein. Sprich, die Wachstumsgeschwindigkeit hätte sich in der letzten Zeit, bis zur jetzt laufenden grossen Geschichte mit der 8 Milliarden Dollar Bewertung rund verfünffachtvervierfacht. Aber hallo.

Man kann das drehen und wenden, wie man will, mit allen best case Szenarien für Facebook: Das Ziel von 14 Millionen US-Studenten verfehlen sie immer noch meilenweit, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das exponentielle Wachstum, das die Yahoo-Erwartung prognostiziert. Nur redet keiner darüber. Aber dieses Yahoo-Leck bei einem unkritischen Jubelperser Blogger, die grosse Bloomberg-Geschichte, die passenden Zahlen von Nielsen, die in der Aussendarstellung die für Facebook weniger schmeichelhaften Zahlen von Comscore ersetzt haben, die nochmal hochgeschraubten Zahlen der Eigenangabe, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommt – sorry Leute, diese Geschichte stinkt zum Himmel. Und alle schreiben es ab.

Und deshalb bin ich für die Prügelstrafe für Journalisten und Blogger. Wir hatten diese – mit Verlaub – Scheisse schon von 1998 bis 2001, und wenn die jetzt noch immer nichts im Guten gelernt haben, dann hilft nur der Stock. Und die Peitsche, von mir aus auch nicht trocken. Und dann in den See, mit einem Gewicht an den Füssen.