2006 erschien das Buch “The long Tail” von Chris Anderson. Anderson stellte plausibel dar, dass angesichts der Veränderungen des Internets und der Gesellschaft die Luft für grosse, schnelle und vor allem planbare Verkaufserfolge recht dünn geworden ist. Grob gesagt, die Individualisierung tötet den Mainstream, und durch das Internet findet man Alternativen. Beispiele findet man bei Medien, Plattenfirmen und Verlagen zuhauf. Weniger plaudibel waren meines Erachtens die Schlussfolgerungen, die das intensive Beackern von – am besten mehreren – lukrativen Nischenmärkten.

Denn unser grosses Thema hier, die Blogs, waren klare Vorreiter dieser Idee. In Amerika schienen zwei grosse Blogverlage mit genau diesen Nischenmedien die alten Medien des Internets zu revolutionieren: Gawker Media lieferte Beiträge für Yahoo, und Weblogs Inc. wurde von seinem Gründen Calacanis für 25 Millionen Dollar an AOL verkauft, und er wechselte dort in das Management. Das war 2005.

2006/7 sieht es dagegen so aus: Der Vertrag von Gawker und Yahoo wurde gekündigt, Calacanis hat AOL verlassen und die weniger erfolgreichen seiner ursprünglich 85 Blogs werden gnadenlos eingestampft, was ihm offensichtlich nicht behagt. Offensichtlich ist es doch nicht so leicht, mit Nischen Geschäfte zu machen, die den Aufwand lohnen.

Die Idee der Nischennetzwerke hat auch in Deutschland entsprechend harte Dämpfer bekommen: Der Spreeblick Verlag findet hauptsächlich wieder bei Spreeblick statt, das Netzwerk Medienrauschen rauscht hauptsächlich beim Namensgeber und ansonsten unter Ausschluss nennenswerter Öffentlichkeit, der französische Vorreiter the social Media Group lässt 4 seiner 5 deutschen Blogs in einem sozialen Massengrab ruhen, und so weiter, und so fort. Nun kann man in all diesen Fällen zu Gute halten, dass hier mehr oder weniger Amateure am Werk sind, die etwas ausprobieren und mit ein paar Freunden was machen – mehr steckt faktisch nicht hinter diesen Netzwerken.

Es gibt allerdings eine hier nicht unbekannte Ausnahme: Dir Holtzbrincktochter Germanblogs. Es ist das grösste Blognetzwerk dieser Art in Deutschland, mit 37 Nischenblogs, der Agentur Boogie Medien als Betreuer, angeheuerter PR und sogar echter Bezahlung der Autoren – allerdings im niedrigen dreistelligen Bereich, was dazu geführt hat, dass manche ihr Heil und ihren Profit in Schleichwerbung für eigene Zwecke suchten. Und es sind viele Autoren: 102 Namen listete das Intra Blog vor drei Wochen auf. Damit hatte Germanblogs formal so viele Autoren wie Weblogs Inc. beim Verkauf an AOL.

Ich habe mal durchgeschaut, wie viele davon real bis heute bloggen: Ganze 32 schreiben noch aktiv, bei 8 weiteren ist schon seit einem Monat nichts mehr gekommen, und 62 haben ziemlich eindeutig aufgegeben. Und viele der 32 Aktiven haben gerade erst begonnen. Bei den “Alten” gab es Anfang November ein ziemlich grosses Sterben – keine Ahnung warum, aber 6 Monate nach der Gründung war bei vielen einfach Schluss. Und obwohl Germanblogs zu Holtzbrinck gehört, die eigentlich das nötige Potential haben sollten, habe ich dort schon länger keine Werbung mehr gesehen. Der traffic von Germanblogs ist dann auch eher mau.

Ich will nicht sagen, dass es keine erfolgreichen Nischenblogs geben kann. Aber ich denke, man sollte sich schon klar machen, warum manche in diesem Bereich teilweise trotz Erfahrung oder viel Geld im Hintergrund warum Gescheites ins Netz bekommen – sofern sie es überhaupt so weit schaffen und nicht nur blöd daherschwätzende Pleitiers sind. Meines Erachtens kann keine Blogsoftware der Welt und keine Linkorgie des eigenen Netzwerks helfen, wenn die Autoren mies sind – und gerade als Blogger geht man nicht im Brei der Kollegen unter wie in der Zeitung, man muss was leisten und schreiben können, sonst geht nichts, und die Nische wird zum dunklen Loch, das niemanden interessiert.