Mille Miglia oder professionelles Schreiben im Blog und Internet
Neben dem Blogger Don Alphonso gibt es auch noch den Journalisten. Und damit verdiene ich Geld, es ist ein Job, den ich mag. In den vielen Jobs davor habe ich auch mal für einen grossen, alten, global agierenden Autozulieferer gearbeitet und kenne da bis heute jemanden, der sich dort mit dem Intranet und Corporate Communication auseinandersetzt. In ihrem Intranet geht es auch um Automobiltradition, und weil ich nächste Woche zur Mille Miglia fahre, haben wir ausgemacht, dass ich etwas für sie schreibe. An sich eine gute Sache, denn es ist für die Mitarbeiter des Konzerns sicher nicht schlecht zu wissen, dass ein paar in dem Konzern aufgegangene Firmen Geräte geliefert haben, die auch nach 60 Jahren noch perfekt funktionieren. Aber darum geht es nur am Rande, das eigentliche Thema ist die MM, Italien und schöne, alte Autos, die bauartbedingt nicht im mindesten den Irrsinn erlauben, der heute auf Autobahnen üblich ist. Um mal die Relation zu nennen: Der stärksten Ferraris dieser Epoche kamen auf heute eher banale 240 PS, ein normaler Ferrari hatte in etwa die Leistung meiner Barchetta, einmal gewann die Economyklasse auch eine Isetta (!) mit 70 km/h, und heute geht es nicht mehr um die Geschwindigkeit. Es ist ein Traumjob. Bezahlter Urlaub, und geschrieben hätte ich sowieso. Eigentlich.
Denn ich muss diese Tage nicht bloggen. Ich muss nicht schon beim Frühstück schreiben, am Laptop Bilder bearbeiten und nach einem Internetcafe suchen, das meinen Cardreader mag. Die Firma hat Zilliarden Notebooks rumliegen, die global mit UMTS laufen – ich werde keines davon mitnehmen. Ich stehe nicht unter Zeitdruck, ich muss danach meinen zusammenfassenden Text abliefern, das ist alles.
Andererseits entspricht wenig so sehr dem Geist des Bloggens wie eine Autofahrt über mehrere Tage. Wir erinnern uns, Blog kommt von WeBLOGbuch. Mit einem Blog könnte man zeitnah das Geschehen dokumentieren, dem Leser das Gefühl geben, hautnah dabei zu sein. Man könnte die Strecke bei Google Maps aufzeigen, vorbereitete Texte über die Strecke veröffentlichen und inzwischen mit nach Rom fahren, immer im Pulk, und dabei drei Tage durcharbeiten. Nachher steht es so oder so im Netz, aber nichts wäre frischer und eindrucksvoller als ein aktuell erlebtes Blog, und ich wage zu behaupten, dass ich das auch schreiben könnte. Und wollte.
Denn ich habe das diesem Konzern als Alternative vorgeschlagen. Sie haben sich das überlegt, und gestern Abend kam die Entscheidung, dass sie es doch lieber als einen grossen Beitrag am Montag oder Dienstag haben wollen. Bitte: Globaler Konzern, arbeitet mit allen bloggenden Automobilherstellern zusammen, weiss sehr genau, was Blogs sind, hat damit schon rumexperimentiert, weiss auch, dass der Journalist es kann – und der Beitrag danach ist ihnen lieber.
OK. Ein Viertel der Arbeit zum gleichen Preis. Jeder im Beruf weiss, dass drei Tage Liveberichte von Unterwegs aus dem Auto die Hölle sind und der eine zusammenfassende Beitrag danach ausgesprochen locker ist. Dem Journalisten ist es recht. Nur der Blogger erlebt gerade zum dritten Mal, dass er angeboten hat, die Mehrarbeit für so ein Blog freiwillig zu leisten, weil es angesichts des Geschehnisses sinnvoll ist – und statt dessen zu hören bekommt: Stress Dich nicht rein, schreib uns eine normale Geschichte. Ich schreibe das dann durchaus “bloggy style”, das kommt auch gut an, aber es ist nicht das gleiche. Und diesmal, selbst wenn es nur Corporate Publishing für ein Intranet ist – ärgert es den Blogger. Einerseits.
Andererseits freut es mich auch, weil es zeigt, welchen Stellenwert Blogs in der Wirtschaft auch unter Idealbedingungen heute haben: Gar keinen. Ich finde es gut, dass Firmen “Nein danke” zu Blogs sagen. Weil es in den allermeisten Fällen wirklich nichts bringt. Weil sie die bitteren Lektionen von Siemens, Sun, General Motors, BMW und Opel verstanden haben:. Diese ganze globale Gülle, wo die falschen Leute zum falschen Thema am falschen Ort geschrieben haben, angefangen vom gekauften Testbericht über bezahlte Pseudo-Umwelt-Kunst-Aktivisten, die ihre “Ãœberzeugung” für “Clean Energy” an einen eh schon leidenden Gletscher beamen – kein Witz, das ist BMW – bis hin zu einer selten blöden “Style Tour”, die sich bemühte, alle Vorurteile gegenüber Frauen am Steuer bayerischer N***enflitscherl zu bestätigen. Oder noch schlimmer: Auch ein Blog des Organisators oder des vielleicht am wenigsten bescheuerten Teams haben nichts geholfen, als sich die Deppenveranstaltung Gumball 2007 in einen widerlichen Alptraum aus Toten, mutmasslicher Fahrerflucht und peinlichen Ausreden verwandelt hat (Ich verlinke hier jalopnik wegen der intensiven Berichterstattung zum Thema, möchte aber darauf verweisen, dass die früher genauso dummdreiste Scheisse wie alle anderen aus dieser Szene geschrieben haben und für andere “Rennen” immer noch schreiben). Bloggen muss echt nicht sein.
Aber es könnte sein. Und diese Unfähigkeit der publizistisch Tätigen, sich auf das Thema Blogs einzulassen, die nervt mitunter etwas. Selbst, wenn es das Dasein des Journalisten massiv vereinfacht.
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jetzt tu mal nicht so, als würdest Du es nicht trotzdem tun ;-)
Also, bis nächste Woche dann im GT.
Einen schlechten Blog zu schreiben oder schon gedanklich falsch an eine Sache heranzugehen, ist nach meiner Meinung nicht das Problem. Es geht um Sicherheit, die sich nicht mit der Qualität beschäftigt.
Unternehmen kommunizieren in Form einer Einbahnstraße. Sie verlautbaren. Es wird keine Reaktion erwartet sondern nur der Konsum der Meldung.
Das geht mit einem Blog nicht. Ein Blog kann auch nicht wirklich kontrolliert werden. Es ist eine Art Livekommentar, der zeitkritisch ist und raus muss. Da bleibt keine Zeit für ein Lektorat oder eine Sitzung der Bedenkenträgervereinigung.
Live bedeutet aber zwangsläufig Fehler. Komische, traurige aber manchmal auch gravierende Fehler, die mehr über ein Unternehmen aussagen als dessen Führung lieb sein kann.
Genehmigte Interviews, abgenommene Reportagen. Wir haben uns schon so an einen angepassten, rückversicherten Journalismus gewöhnt, das es kaum möglich ist, noch jemanden zu einem Risiko zu bewegen.
Kein Kommentar zu einem direkten Vorwurf gegen ein Unternehmen, wird eben nicht mehr als stillschweigendes Schuldeingeständnis gewertet sondern ist Normalverhalten. Wir sitzen aus.
Aussitzen und Livejournalismus beißen sich aber.
Wäre es denn nicht schade oder irgendwie dem Medium Blog nicht angemessen, wenn dort nur ein begrenzter Zeitabschnitt betrachtet wird?
Oder was würde aus dem “mille Miglia” Blog werden, wenn die Mille Miglia vorbei ist und Don kein Geld mehr fürs Schreiben bekommt?
Oder war der Vorschlag eher in Richtung “Ich nehms mit aufs GTBlog” ?
Das würde ich als Unternehmen auch nicht wollen – da verliert das ganze ja jeden Bezug, oder?
Der Vorschlag war, in deren Intranet eine Serie von begleitenden Artikeln zu schreiben.
Für das GT-Blog hätte es sogar andere Angebote gegeben, aber das will ich wiederum nicht haben.
genau, man könnte hinreißend-verrückte-begeisternde dinge mit blogjournalismus machen. irgendwann kommt das. irgendwann kommt auch ein genuines, FUNDIERTES interesse dafür, ob von zeitungen oder verlagen oder werbeagenturen. qualität setzt sich immer durch.
Wie kriegt man die Zahnpasta wieder in die Tube?
Foto flickr.com
Schwierige Aufgabe – zum üben mal klickenDie Zahnpasta kriegt man nicht zurück in die Tube und Flöhe hüten ist zwar auch nicht leicht, aber zumindest lösbar. Das was einmal, wenn auch nur für kurze Zeit im Internet stand ist auch ni
Das biedere KMU (= Kleine und Mittelständische Unternehmen) ist ausdauernd: liest definitiv keine Blogs und bloggt nicht. (Bieder, trotz intranet: Intranet ist verglichen mit dem Bloggen durchaus schon alt und daher nicht unbedingt ein Kennzeichen für herausragende kommunikative Innovativät oder Vorreiterrolle.)
(Bloggende Ausnahmen: ein Safthersteller, ein Möbelhersteller und ganz neu ein KMU für Dichtungen und technische Verbindungen. Recht offen, aber noch ohne Blog, kommuniziert auch ein Solartechnik-Unternehmen). Das ist das, was ich über kreuzbrave KMU/Mittelstand-Unternehmen (10- 500 Mitarbeiter, meine Kundschaft) weiß und weitergeben kann.
Zum Teil vielleicht auch, weil die “Großen”, die Vortänzer, Edelmans, AGs, BMW und Co (und nicht die KMUs) es unrühmlich und nicht sehr überzeugend vormachen? Manchmal kann ich den Mittelstand verstehen.
Auch wenn der biedere Mittelstand mich stellenweise gscheit nervt mit “Was des soll neu sein, des hent wir ja noch nirgendwo gsähe.”
Bei all diesen Vorbedingungen: a) dem natürlichen Widerstand gegen ganz neue unvorgetrampelte, kommunikative Wege UND b) dass sie sehen, wie saublöd genau dies die Großen gerade vortrampeln), so kriegt man den – technisch durchaus hoch-innovativen – Mittelstand nie dazu, kommunikativ etwas Neues auszuprobieren.
Nachtrag: Unter Mittelstand verstehe ich Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern, die durchaus global operieren.
Ausnahme sind da sicher die Automobilzulieferer, die global enorm gewachsen sind, wie z.B. ein großer mit Sitz in Coburg, der mittlerweile global bis über 9.000 Mitarbeiter zählt, der hochinnovativ, hochgetaktet auf Perfektion getrimmt ist, aber noch recht mittelständisch denkt. Zumindest habe ich ihn so wahrgenommen, als ich mal ein Layout für automatische Fensterheber machen musste. Komunikativ ist da nix mit innovativ. Und Hochgetaktete werdne den Teufel tun, sich auf zeitraubende Blogs einzulassen :-).
Es ist völlig uninteressant ob ein Unternehmen heute so oder so oder anders. Weil das gleiche Unternehmen es morgen wieder anders machen wird. Sowohl als auch ist die Devise. Ob der Blogger Don nun Journalist oder der Journalist Alphonso Blogger spielt ist wurst. Ist es gut, was er schreibt, ist es gut. So einfach kann es sein. Die Nabelschau der Blogger oder Journalistengemeinde ist schon nervtötend und das aus einem einfachen Grund. Sie sind irrelevant, austauschbar, gekauft und zu 99,97% ohne eigenen Einfluss. Ein Journalist ohne Anstellung ist ein Nichts. Ein Blogger ist es per se. Die Handvoll Ausnahmen bestätigen es nur. Wie aus einer Masse irrelevanter Menschen Einfluss entsteht, ist nach wie vor eine spannende Frage. Ganz kurz blitzte auf was möglich ist. Aber nur ganz kurz. Momentan ist Langeweile mit Adical angesagt.
Du magst es einfach?
Wennst ka “Nabelschau” mogst, derfst halt aa net auf am Metablog iwe Blogbar aufschlong.
So einfach ist das. Und jetzt langweil dich weiter.
Don, Alex Roy, der “Chef des vielleicht am wenigsten bescheuerten Teams” ist einer der fanatischsten Gumballer überhaupt. Letztes Jahr hat er die innoffizielle Geschwindigkeitswertung gewonnen.
Dieses Jahr haben sie, soweit man das nachvollziehen kann, im Lichte der Ereignisse selbst den Stecker gezogen und sich vom Veranstalter und seinem Verhalten als einzige sofort distanziert. Was aber, was die eigentliche Aussage ist, auch nichts bringen wird: Gumball ist tot und wird es hoffentlich immer bleiben. Die Debatte, ob ein erfahrener Pilot, der nach sowas klare Worte findet, besser ist als eine Grinsefratze wie der Organisator, der davon spricht, dass seine Teilnehmer in einem Unfall “verwickelt” sind, wenn ein Porsche 911 einen Golf aufschlitzt, oder anders zu bewerten ist, als die Leute, die es einfach nicht können und dennoch in so eine Karre steigen, ist irgendwo müssig.
P.S.: Wobei, wenn ich jetzt sagen würde, dass team Polizei komplett irre sind und der Umstand, dass auf ihrer Karre geworben wird für Electronic Arts und man deshalb neben der Gumball auch noch gleich alle Raserspiele verbieten sollte – wäre ich mir sicher, dass in der Blogosphäre eine Menge Leute das dann so eng mit dem Irrsinn auch nicht sehen würden.
Ich sehe einen vollkommen anderen und nachvollziehbaren Grund für den Verzicht auf die blogartige Berichterstattung: Der Termin. Wieviele Mitarbeiter sind denn Himmelfahrt, am Brückentag oder dem Wochenende auf Arbeit UND liest die Berichte? Da hat ein Artikel nach dem Wochenende den gleichen Effekt und ist noch einfacher einzupflegen.
@ Martin H.
Gut beoabachtet, es fällt mir wie Schuppen aus den Haaren`´`´: Der Zeitraum der Mille von 17. bis 20. Mai 2007 ist ein idealer Brückentermin. Ein Angestellter kommt sofort drauf, Selbstständige denken da oft nicht mehr dran, sie haben andere Arbeitszeiten im Kopf …
Nu, wenn es in D regnet, lesen die Mitabeiter dann dennoch – aber nur die zuhause gebliebenen…
Wäre die Mille unter der Woche: Kann mir vorstellen, dass die meisten Arbeitgeber es nicht gerne sehen, wenn währen der Arbeitszeit Blogs gelesen werden, selbst wenn sie indirekt mit der eigenen Auto-Materie zu tun haben und vom eigenen Korrespondenten sind. Auch das Lesen und Kommentieren von Blogs frisst Zeit. Ein einziger Bericht, auch wenn er lang ist, ist rascher gelesen, so klar wie schnöd.
Ich denke, Blogs werden auch von Firmen irgendwann ander betrieben. So wie eine Art Firmenzeitung – nur werden dann auch die Verantwortlichen sehr genau sehen, wie viele Leute so etwas lesen wollen. – Fast keiner.
“Andererseits freut es mich auch, weil es zeigt, welchen Stellenwert Blogs in der Wirtschaft auch unter Idealbedingungen heute haben: Gar keinen.”
– Mir ist aufgefallen, dass du gekonnt positive Beispiele erfolgreicher Blogs, zB des GM-Fastlane-Blogs, ausklammerst. Soweit ich weiß gibt´s dieses schon ein wenig länger und soll auch ganz erfolgreich sein. :-)
Apropos Gumball:
Wer ist dämlicher dran: Organisatoren, Teams oder Sponsoren wie Adidas oder T-Com?
Breaking News aus Italien
Egal, wie man zu Don Alphonso stehen mag: Wer einmal die ganz, ganz hohe Schule des Bloggens bewundern möchte, nehme sich ein Weilchen Zeit und besuche sein GT Blog.
Die italienische Oldtimer-Rallye Mille Miglia, die der Don für einen Autozu…
Der Vortei von Blogs ist, das die Leserschaft in die
Disskusion miteinbezogen werden kann, der Betreiber sieht sofort,
wie die Leser zu den einzelnen Themen stehen.