Man kann an Technorati viel kritisieren. Dass sie mit einer schlecht beleumundeten PR-Agentur namens Edelman in das Blogüberwachergeschäft einsteigen wollten. Dass der Service hochgradig unzuverlässig läuft. Dass der Laden offensichtlich eher an das Verkaufen der Anteile statt an die Nutzer denkt. Technorati ist unschön, und als Alternative zu Google Blogsearch nicht im Mindesten so gut, wie ich das gerne hätte. Und seit einer Weile ist es noch schlechter.

Denn wenn man die erste Seite öffnet, sieht man oben zuerst mal ganz gross die von Bloggern meist verlinkten Videos. Ich vermute mal, dass man bei Technorati mit der Zeit geht und Internetvideos für das nächste grosse Ding hält. Blogs alleine reichen Technorati nicht mehr aus, also geht man auf Multimedia. Und landet damit beim Internetvideoschrott, der von denen toll gefunden wird, die auch Paris Hilton regelmässig zum meist verwendeten Suchbegriff machen. Technorati setzt damit auf Quote, und man darf annehmen, dass die ohnehin schon tausendfach durchgereichten Videos jetzt eben nochmal verstärkt werden, wie auch die Leute, die sie lemminggleich verlinken und damit wieder bei Technorati landen.

Technorati geht damit einen weiteren Schritt zur Hierarchisierung der Blogosphäre, indem sie der Masse eine Qualität bescheinigen. Wer vorne mit dabei sein will, muss das tun, was die Masse tut. Technorati bastelt somit weiter an einem selbstreduplizierenden Medienbetrieb innerhalb der Blogosphäre, es generiert leichten Zugang zu dem, was fĂĽr die Masse “relevant” zu sein scheint. Der gleiche Mechanismus des selbstreduplizierenden Medienbetriebs, den Privatsender bis zum Erbrechen entwickelt haben, das BerĂĽhmt sein fĂĽr die BerĂĽhmtheit, wird bei Technorati mit einem weiteren Kreisgang perfektioniert.

Das gleiche geschieht, wenn man nach einem Blog sucht: Zuerst mal werden nur die drei “wichtigsten” der jĂĽngeren Reaktionen angegezeigt. Vielleicht will Technorati damit einen weiteren Click schinden von denen, denen die volle Information der jĂĽngsten Reaktionen wichtig ist. Aber auch hier wird die Selbstverstärkung derer, die schon gross sind, erneut gefördert.

Nun kann man darĂĽber debattieren, ob es nicht legitim ist, in Quote zu denken. Bloggende Profis mĂĽssen das ohnehin tun. FĂĽr die sind die Neuerungen bei Technorati auch ein echter Gewinn. Ich will nicht ausschliessen, dass grosse Teile der Blogosphäre die gleiche Medienkompetenz mitbringen, die auch schon 9Live gross gemacht hat. FĂĽr die Freunde der Guerillamarketing- und Schleichwerbungsfront ergeben sich dadurch geniale Chancen – um sein Video bei Technorati ganz vorne zu haben, muss man nur 80 billigste Kaufblogger dazu bringen, das Ding zu verlinken. Aus Erfahrung wissen wir, dass dergleichen in Deutschland mit ein paar Aufklebern, einem Link eines Pagerank-5-Blogs oder einer Verlosung von 100 Euro zu erreichen ist.

Ich persönlich finde das ausgesprochen unerfreulich. Ich glaube, dass die Blogosphäre die Chance bietet, einen egalitären Medienbetrieb zu erschaffen. GlĂĽcklicherweise wird auch den grossen Blogs nicht so viel nachgeblökt wie beispielsweise das Bildzeitung in den Medien. Die Blogosphäre ist zu gross dafĂĽr, und wenn wir vom Sautreiben der Blogosphäre sprechen, dann findet das heute nicht mehr auf dem Dorfplatz statt, sondern bestenfalls in einer der vielen Seitengassen. Bei manchen mag es eine bewusste Entscheidung sein, sich an so einem Betrieb zu beteiligen, andere begreifen nicht einmal, was sie da tun – aber tatsächlich lebt dieses Ding weitgehend unbehelligt von den unerfreulichen Mechanismen des klassischen Medienbetriebs. Dennoch gibt es eine Art Zapfrohr aus der Blogosphäre in die Medien, und das ist eben Technorati. Hier entscheidet sich, was gross wird und klein bleibt. Und solche Entscheidungen auf Basis einer Software, die gezielt das Kleine ausblendet und das Grosse fördert, ist alles andere als hilfreich fĂĽr das Wesen der Blogosphäre, das mir zusagt.