In den letzten paar Wochen gab es eine auffällige Häufung von Anfragen aus dem sog. “öffentlich-rechtlichen” Bereich des Rundfunkwesens, und dazu noch so ein paar Unter-der-Hand-Infos von Betroffenen, die mich zur Aussage verleiten: Bei einigen Anstalten wird sehr intensiv über das Bloggen nachgedacht. Und das ist immer ein schlechtes Zeichen.

Zur Ausgangslage: Es fällt schon irgendwie auf, dass es angesichts der Grösse des Komplexes ARD kaum Mitarbeiter gibt, die freiwillig bloggen. Wenn sie es tun, haben sie ohnehin mit dem netzauftritt der ARD-Anstalten zu tun. Das liegt mutmasslich auch an der Altersstruktur der ARD-Mitarbeiter, denn wer mal drin ist, bleibt bis zur Pensionierung in “der Behörde”. Und wer jung ist, hat im Moment wenig Chancen auf feste Anstellung und kann schauen, wo er als Freier bleibt. Zusätzliche Verwendung in anderen Medien oder gar das Ausplaudern von Interna wird gar nicht gern gesehen. Wenn es einen Medienbetrieb gibt, der schlechte Bedingungen für das Bloggen bietet, dann ist es die ARD. Die Onlineaffinität der allermeisten Mitarbeiter dürfte ohnehin gegen Null gehen. Wer sich mal die klassische Rechnerausstattung anschaut, wundert sich ohnehin, wo das Geld hingeht. Bei meinem letzten Studiobesuch einer ARD-Anstalt in Berlin standen nicht weniger als ein Dutzend extrem teure Neumann-Mikrophone leicht verstaubt in der Ecke, und in der Regie trödelten vier beschäftigungslose Techniker herum.

Dazu kommt, dass die meisten höheren Radio- und TV-Leute, die ich kennengelernt habe, mit Ausnahme einiger komplett abgehobener Diktatoren extreme Kontrollfreaks sind (siehe auch hier), die das Netz zuallererst als bedrohung empfinden, die unter Kontrolle gebracht werden muss wie ihr eigener Redakteursapparat. Die Sendekomplexe sehen oft nicht nur aus wie eine Szene aus Terry Gilliams “Brasil”, es geht dort auch so zu, mit manchen Anleihen bei der Bettlerszene von seinem Meisterwerk “Jabberwocky”, in der der Bettler zwar der Erfinder der besten Fässer ist, sich in der Stadt wegen der reglementierenden Zünfte aber ein Bein abhacken muss, um als Bettler durchzukommen. Sprich: Die Vorstellung, irgendwelche Externen könnten bei den ARD-Anstalten andocken, halte ich für extrem unrealistisch. Vielmehr wird es eine Art innere Ausschreibung geben, und nachdem das Internet immer noch BÄH ist, dürfte das geschehen, was bei der ARD nicht untypisch ist: Mit sanftem Druck schiebt man die Leute ins Netz, die man im Radio und in der Glotze nicht haben will. Am besten so, dass sie dann zwar vom Internetressort bezahlt, aber von der eigenen Redaktion kommandiert, gegengelesen und editiert werden. Und das Schlimmste ist: Wer lang genug in der Behörde war, findet den Einfluss nicht nur normal, er orientiert sich aus behördenpolitischen Gründen ohnehin danach. Und wenn er dann nach der untertänigen Minne für die Rundfunkräte noch ein klein wenig Freiraum hat –

kann er darin bloggen. Bei der sich selbst bejubelnden Tagesschau mag das so lala möglich sein, denn die müssen aktuell arbeiten und haben einen grossen Stab. Aber für die momentan angedachten Fachblogs der Fachredaktionen, die ohnehin ständig mehr Personal verlangen, um in elend langen Sitzungen und bei der Orientierung an die Amtspolitik deren Zeit zu vergeuden, wage ich zu bezweifeln, dass es signifikanten Erfolg haben wird.

Ich kann mich auch täuschen. Aber nach allem, was ich über die Behörden weiss, werden wir ein paar Dutzend sporadisch gefüllte Blogs sehen, die nicht nach draussen verlinken und im Verlautbarungston daherkommen. Kann sein, dass ein paar Jugendradios das anders machen werden – aber ausgerechnet die Jugendradios sind mit den ins Internet abwandernden Hörern ohnehin mit anderen Problemen konfrontiert, als die Jurassic Parks der sogenannten “Qualitätsformate” der sogenannten “offentlich-rechtlichen Anstalten” mit ihrem sogenannten “Verfassungsauftrag” und der sogenannten “Rundfunkgebühr”.