Neben der TAZ ist das Handelsblatt einer der grossen, professionellen Bloganbieter in Deutschland. Vor einem Jahr hat Julius Endert, der Chefredakteur von Handelsblatt.com, bei einer Tagung in Berlin weitreichende Innovationen in diesem Bereich angekündigt. Tatsächlich sind fast alle Blogs des Handelsblatts sehr aktiv, und werden entweder von erfahrenen Journalisten oder Wirtschaftsvertretern gefüllt. In einem gewissen Gegensatz zu den Amateurblogs spielt hier also die erste Liga, sollte man meinen. Hier sind die, die sich auskennen, vom BWL-Professor bis zum Chefvolkswirt. Grosse Namen. Und bei der Blogsuchmaschine Technorati sieht man, wie ihre Blogs bei uns draussen rezipiert werden, wenn man durch die Software von Blogg.de verursachten Fehlzählungen bei Technorati hoffentlich richtig rausrechnet:

Hartamwind: 3 Verlinkungen
Ziesemer: 6 Verlinkungen
Konjunktur: 1 Verlinkung
Klima-Blog: 4 Verlinkungen
Grünerblog: 0 Verlinkungen
Mediawatcher: 2 Verlinkungen
Ordnungsruf: 2 Verlinkungen
Makroökonomie: 1 Verlinkung und die einzige aktuelle Leiche des Handelsblatts
Arabien: 4 Verlinkungen
Webwatcher: 2 Verlinkungen (etwas unsicher)
Weitwinkel: 7 Verlinkungen
Adhoc: 10 Verlinkungen (?)
Madagaskar: 1 Verlinkung
shaddowcounsil: 1 Verlinkung
Letzterschub: 5 Verlinkungen

Und dann ist da noch Thomas Knüwer, der täglich über 2000 Besucher auf seinem Blog hat:

Thomas Knüwer: 758 Verlinkungen.

Rund 18 mal so viele Links wie der gesamte Rest zusammengenommen. (unter der Bedingung, dass Technorati nicht zu viele Links verschluckt hat und ich sie nicht fand) Auch das unabhängige, neoliberale, inzwischen etwas ziviler gewordene Blog Statler und Waldorf, das von ökonomisch bewanderten Personen geschrieben wird, kommt allein auf 148 Verlinkungen, Bissige Liberalalalae auf 115. Das sind Welten Unterschied, sie sind beide eingebettet in ein gut funktionierendes Umfeld, da gibt es auch Kommentare – was das ist, erfahren die Autoren des Handelsblatts nur sporadisch.

Links sind erst mal nur ein Indiz für die Wahrnehmung von Blogs. Man kann darüber streiten, was es bedeutet, wenn ein Blog mit 1000 Besuchern täglich 800 Links hat, und ein anderes mit 2000 Lesern nur auf 500 Links kommt. Links haben eine unterschiedlich Bedeutung, sie können Ablehnung ausdrücken und Fundstellen, Lob und sogar Käuflichlichkeit. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein Blog gibt, das mit unter 20 Links auch nur halbwegs “draussen” gelesen oder rezipiert wird. Nicht, dass so etwas im Alltag eines normalen Bloggers wichtig wäre, aber das Handelsblatt hat Vollprofis. Und einen hohen Anspruch. Von Deutschlands führender Wirtschaftszeitung erwartet man sich eigentlich mehr als eine Ausnahmeperson auf 15 Rohrkrepierer weniger erfolgreiche Blogs. Und es sieht auch nicht so aus, als ob der Anlaufpunkt Thomas Knüwer Interesse für die anderen Blogs wecken könnte.

Gründe? Die gleiche wie bei der Taz: Langweilig präsentierte Themenfelder und Nischen, unpersönliche Autoren mit wenig erfreulichen Texten, und das Schmoren im eigenen Saft. Keiner versucht, den Leser einzufangen und mitzunehmen.

Vergeudete Liebesmüh. Darf ich mal eine ketzerische Frage formulieren? Wenn es Medien nicht gäbe, und jeder Journalist müsste sich allein mit einem Blog durchschlagen – wo wären die dann?