WAZ soll das bitteschön?
Manchmal liest man an sich recht harmlose Texte, bei denen einem trotz allem die Spucke wegbleibt. Heute steht bei horizont.net etwas, da höre ich ganze Almwiesen wachsen, über die Nachtigallarmeen marschieren:
Die WAZ will mit der Kampagne vor allem die Vorteile ihres Printmediums in den Fokus rücken. Online habe natürlich seine Berechtigung, wer wirklich Bescheid wissen wolle, komme um die Lokalzeitung nicht herum, so der Tenor.
Die WAZ? War das nicht die Verlagsgruppe, die vor einem Jahr noch mit grossem Bohei in die Web2.0-Zukunft starten wollte? Und dabei einen recht holprigen Start hinlegte, um heute unter Westeins.de und Westropolis.de zumindest ansatzweise versucht, von der grauenhaften alten Website wegzukommen?
Das geht jetzt nicht im Mindestes gegen die Arbeit der neuen Onlineredaktion, aber da gab es in letzter zeit wirklich einen Haufen komischer Vorzeichen aus dem Printbereich: Die Meinung des Chefredakteurs Reitz, Blogger wären “ein paar Wilde“, und “Online First” scheint er auch nicht zu bevorzugen. Und dann das absurde Gerede von Stefan Holthoff-Pförtner, eines Vertreters von WAZ-Gesellschaftern, der Blogger nicht unter dem Schutz von §5 GG sehen wollte, was dann zu dieser gewundenen Erklärung führte. Und nun auch noch eine grosse Kampagne für Print im Gegensatz zum Internet, mutmasslich in zeitlicher Nähe zum Start des neuen Internetportals der WAZ mit Blog, Podcast und Co.
Kann ja sein, dass die WAZ so eine absurde Behörde ist, dass jeder gegen jeden arbeitet. Aber angesichts der enormen Kosten für den Weg in das digitale Mediengeschäft und dem Niedergang von Print fragt man sich als aussenstehender Betrachter schon, was in den Printleuten eigentlich so abgeht. Denn eigentlich sollte das Ziel der neuen WAZ online eben sein, die Leute im Pott umfassend Bescheid wissen zu lassen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Erster ;)
Zweiter. Und die WAZ ist so was von überflüssig, ob online oder auf Papier…
Das ist doch wieder das gleiche Phänomen, was wir andauernd beobachten – da wird mit einem Riesentrara eine neue, Web2.0-geschwängerte Zukunft ausgerufen, die dann in spätestens einem halben Jahr wieder passé ist.
Vielleicht haben die Verlage IMMER noch nicht verstanden, dass es auf Dauer nicht funktioniert, das Web nur als Werbemittel zu nutzen, ohne mit Inhalten aufwarten zu können. Ich glaube, wäre es bei der blogbar so gewesen, dass Du, Don, nur “Hurra, mein Buch ist das Beste” geschrieben hättest für die kommenden 3 Jahre, dass dann keine Sau mehr hier wäre. Da merkt man mal wieder, worauf es im Internet ankommt: Einfach mal etwas geben, ohne den großen Erfolg mit Launch der Site zu erwarten. Kommerzieller Erfolg für egal welches Geschäft (seien es Autos, Sportartikel oder eben Zeitungsabos)wird sich bei einer hohen Qalität und daraus resultierender guter Leserbindung an das häufig aktualisierte Internetangebot wie von selbst einstellen.
Aber nicht, wenn man von vorneherein das Prjekt als Mittel zum Zweck verachtet.
Hinweis: Art. 5 GG – nicht § 5 GG. ;)
Aber als ich das bei horizont.net gelesen hatte, war ich auch verwundert. Habe das ganze daher nicht umsonst bei mir zusammen mit der möglichen Regionalisierung von SPON erwähnt. So nach dem Motto “Es könnten Leute diesen Fehler nutzen”.
[…] Zumindest mutet es seltsam an, wenn man die WAZ in den letzten Wochen beobachtet, und WAZ-Chefredakteurs Reitz Blogger plötzlich “ein paar Wilde“ hält, Miteigentümer-Sprecher Holthoff-Pförtner Bloggern Artikel 5 des Grundgesetz strittig machen will und nun die WAZ auch noch mit einer großangelegten Kampagne zur Stärkung ihres Print-Titel daher kommt, deren Tenor dazu auch noch ist: Online habe natürlich seine Berechtigung, wer wirklich Bescheid wissen wolle, komme um die Lokalzeitung nicht herum. […]
die waz… ah ja… bei denen hab ich (wenn überhaupt mal) vorbeigeschaut wenn ein von mir geschätztes blog auch was inhaltliches bei denen verwiesen hat. wird in zukunft vermutlich noch seltener vorkommen…
das wars dann wohl mit damit… wenn sie gut waren (das mögen die regelmäßigen leser beurteilen) drücke ich hiermit schonmal mein bedauern aus…
rip
Der Horizont (den ich seit langem nicht mehr lese, wozu) entnehme ich, dass der WAZ-Chef US-Entwicklungen angibt, in denen wieder mehr zur (lokalen) Papierzeitung gegriffen werde.
Nicht jeden Pups aus Amiland muss man gleich folgen (vor allem wenn ich die Hintergründe der Erkenntnisse nicht kenne), die Europäer ticken oft schon noch mal anders.
Das einzige, was ich hilfloserweise aus diesem glatten und gefönten PR-Text rauslesen kann, ist Hilflosigkeit: Man versucht zwei Eisen im Feuer zu halten. Negativ ausgelegt: Wackelkurs. “Könnt ja sei, dass des in US auch zu uns schwappt.”
Wackelkurs ist aber nicht: Marke.
Mit dem Begriff “Bürgernaher Journalismus” versuchen sie, eine Markenklammer zu schaffen, die alles umfasst, was sie je treiben werden.
Was ich mich frage:
Was meinen die zum Kuckuck in der Praxis mit “bürgernah”. Klingt gut, aber imho eine verblasene Marketing-Positionierung, die nichts sagt, außer man bekennt, was das sind der Praxis heißt. Was steckt dahinter, private Bildjäger und Hobbyreporter? Sie sollten Butter bei die Fische tun und keine solchen schwammigen Presserklärungen verzapfen.
Ob sie wirklich bürgernah sind, wenn sie “kompetenter” berichten (wie berichtet man noch kompetenter über die Stadtratssitzung des Viertels über Baumaßnahmen an der neuen Bushaltestelle?). Oder über Vandalismus im Viertel und die eingeschlagene Scheibe des SPAR-Supermarkts. Wie geht “kompetenter” berichten über so Standard-Mäusekram. Da bin ich aber man gespannt.
Oder zeitnäher. Ist zeitnah “bürgernah”? Zeitnäher als online kann keine Zeitungsdruckmaschine über das Kanninchenzuchtvereinstreffen und den nächtlichen Disco-Unfall mit Toten publizieren. Dauert mindestens 4 Stunden (Seitenumbruch inkl. Druck) plus Auslieferungszeit.
Online ist zeitlich nicht zu toppen.
Also was meinen die mit “bürgernah” und “kompetent”. Neusprech? Hilflose Werber, denen nichts einfällt? (Tippe immer öfter auf letzteres)
Ja, die Kampagne rollt: Samstag versuchte mir ein Ferienjobber an seinem Stand ein Probeabo der WAZ anzudrehen. Natürlich kostenlos. Munter rief ich ihm zu: “Print ist tot!” und freute mich auf Widerspruch. Aber er verstand nicht.
Es ist manchmal schwierig, der böse Onkel zu sein.
‘… bei Altona auf der Chaussee,
Da taten ihnen die Füße weh.
So beschlossen sie weise
Zurückzutreten von der Reise.’
Komisches Konzept wiederspricht sich komplett. Naja vielleicht ist es auch der Version sowohl online als auch auf Papier zu führen. Kann zwar gelingen, aber nicht der WAZ und außerdem ist es ziemlich otodox. Gruß Alex
Fragt mal die Banken, was die davon halten, dass die “Verleger” hunderte Millionen in Druckereien, Weiterverarbeitungen, Speditionen, Papierfabriken etc. “investiert” haben und jetzt soll das alles auf einmal nur noch “Abschreibungsbedarf” sein ?
Solche Verleger müssen geradezu Print hochhalten, sonst müssten sie ja ihre Bilanzen mit Sonderabschreibungen belasten.
Die zarten Online-Pflänzchen wachsen nicht so schnell, dass sie die morschen Print-Bäume ersetzen könnten.
Also spielen die Verleger auf Zeit, hoffen, dass die Online-Dinger mal was abwerfen und flüchten aber im Kern in andere Branchen: Reisebüros, Kistenschieber/Händler, Postdienstleistungen etc.
In diesen Branchen spielen Journalisten keine Rolle, entsprechend springen sie mit diesen inzwischen auch um, v.a. mit ihren Volontären.
Wo bitteschön gibt es denn in Deutschland noch eine Lokalzeitung, die umfassend, neutral und sauber recherchiert berichtet? In der Regel ist der Zeitdruck der Redakteure so groß, dass für ordentliche Recherche gar keine Zeit ist. Da werden die Seiten dann halt irgendwie vollgemacht. Und wenn der größte Anzeigenkunde ein Problem mit einem Redakteur hat, dann wird eben der Redakteur kaltgestellt. Der Mantelteil wird eh nur aus Agenturmeldungen zusammengeschustert, über deren Qualität man nach den letzten Glanzleistungen der dpa auch kein Wort mehr verlieren muss.
Das größte Problem scheint mir aber auch hier die “Geiz ist geil”-Mentalität der Kunden zu sein. Wer ist schon bereit für eine ordentliche Lokalzeitung ordentliches Geld auszugeben? In wirtschaftlich schwachen Regionen mit geringem Anzeigenaufkommen verschärft sich dieses Problem noch. Aus meiner Sicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann es in einzelnen Regionen in Ostdeutschland gar keine Lokalzeitung in gedruckter Form mehr geben wird.
Die WAZ hat heute in der Zeitung auch noch mal voll gegen die Blogger gewettert:
http://cynq.wordpress.com/2007/07/10/waz/
Ja, ja, die WAZ .. ein besonderes Thema.
Die absoluten (Print-)Regionalkönige mit extrem effizientem Kostenmanagement und …äh…irgendwie nicht sooo großem Impact. ;)
Die Online-Version(en) ihrer Blätter ist die User-feindlichste: Online-Artikel verschwinden binnen weniger Tage von der Zugriffsmöglichkeit und ihr “Intellektuellen-Blatt” NRZ bringt dann und wann Artikel, die ein paar Monate alt sind, “auf die Scheibe”. :))
Insofern ist Dein Beitrag nur eine Bestätigung – der WAZ-Konzern klammert sich (verständlich ?) an seine Printmedien und sein Regionalkonzept.
@2 “Zweiter. Und die WAZ ist so was von überflüssig, ob online oder auf Papier…”
Eine Zeitung die täglich von mehreren Millionen Menschen im Ruhrgebiet gelesen wird und für viele dort neben TV und Radio das einzige Informationsmedium ist würde ich nicht unbedingt als überflüssig bezeichnen.
Mir ging das beim Lesen der Meldung ganz genauso. Aber es wäre ja nicht das erste Mal (es gab Ende der 90er beim Vorgänger cityweb ein “Joint Venture” mit Springer und Bertelsmann, das damals der größte regionale Online-Anbieter Deutschlands werden wollte; man hat dann schnell mal ein paar Millionen und sich die Finger verbrannt), dass man groß angelegte und geplante Online-Aktivitäten still und leise wieder beerdigt. Die Meldungen der letzten Wochen lassen diesmal Ähnliches erwarten. Schließlich sollte Westropolis ja der “Testballon” sein. Doch dieser steigt wohl noch nicht so richtig in den Himmel (kaum Kommentare, sondern viel internes Geplänkel, keine IVW-Ausweisung). Für den gelernten WAZ-Manager ist dies in der Regel der Moment, in dem die Reißleine gezogen wird. Dass man darüber hinaus kaum noch etwas von Westeins hört und Lyssa noch kurz vor dem angekündigten Start in den Urlaub fährt, ist dann in diesem Zusammenhang schon komisch. Aber warten wir’s mal ab…
Die persönlichen Umstände und Westropolis sind meines Erachtens nicht wirklich entscheidend, ich denke, es geht eher um die “Denke”, die in der WAZ herrscht. Wenn die Oberen schon so ticken, wi soll dann der normale, internethassende Redakteur mitspielen? Wie soll ein Newsroom funktionieren, wenn die Mannschat das Internet als Plage begreift, und der Verlag die Devise ausgibt, dass man es nicht für voll nehmen kann?
Die in der Tat weit verbreitete online-feindliche “Denke” in den Printredaktionen der WAZ ist immer schon eines der größten Hemmnisse für die Online-Aktivitäten gewesen. Aber bei den Oberen der WAZ zählt NUR die Kohle. Und wenn man die mit Westeins nicht verdienen kann, dann hat man auch kein Problem damit, das Reitz-Geschwätz von (vor-)gestern zu vergessen. Dann wird Online eben wieder auf Sparflamme weitergeköchelt. Und irgendwie ist das ja schon komisch, was man da in den letzten Wochen hört. Auch das Ende des Bundesliga-Podcasts (kurz vor Beginn der neuen Saison) passt da ins Bild.
@ Morgenstern: Ich bedaure es zutiefst, daß du wahrscheinlich recht hast. Auch ich befürchte, daß der WAZ-Konzern leider wohl das einzige “Informationsmedium” des überwiegenden Anteils der Ruhrgebietsbevölkerung darstellt – ebendrum votiere ich umso mehr dafür, daß WAZ und NRZ und alles, was sonst noch zu diesem Konzern gehört, schnellstmöglich verschwindet.
Der Konzern betreibt nichts anderes als Des-Information, und das schon seit Jahren. Die journalistische Qualität läßt sehr zu wünschen übrig, und die Blätter des Konzerns tragen erheblich mit dazu bei, daß im Ruhrgebiet Unwahrheiten noch und nöcher im Umlauf sind über diesen Staat, die Politik usw. – darum halte WAZ und co für überflüssig, ja sogar gefährlich…
@ Don,
deine journalistische Recherche, die du ja gerne so gerne bei anderen anprangerst, lässt – von Post zu Post – immer mehr zu wünschen übrig.
Eine treue Leserin
[…] DonAlphonso hat gestern auf Blogbar einen schönen Artikel über die WAZ geschrieben. Die WAZ scheint ihrem ersten Ruf nach “Online-First” nicht gerecht zu werden und muss daher erstmal kräftig die Blogger dissen. In diesem Kontext steht auch die Aussage von Chefredakteur Reitz, Blogger wären “ein paar Wilde”. Aber was ist, wenn die Leser der WAZ Blogger doch toll finden und eigentlich “Online-First” wollen, gegen den Tenor der WAZ? Dann muss man auch im Printmedium Stimmung gegen die Blogger bzw. “Online-First” machen, um die Vorstellungen und Wünsche der Leser zu manipulieren. Auch der WAZ-Artikel von heute morgen steht wohl in diesem Kontext: Blogger sind unzivilisierte Barbaren, die brandschatzend und mordend durch das Internet rasen. Und diese getarnte Kampagne nur um die WAZ vor einem großem Imageschaden zu bewahren. Soviel zur journalistischen Unabhängkeit in der deutschen Presselandschaft. […]
@Lucas (13):
Das “Wettern” gegen die Blogger kann ich aber in diesem Einzelfall nachvollziehen. Aber sieh es doch mal positiv – die WAZ reagiert langsam auf Blogs…
@Christoph (16):
Kaum Kommentare? Welches Westropolis liest Du?
Warum sollte eine Seite, deren “Schicksal” besiegelt ist (ich meine mal gehört/gelesen zu haben, dass Westropolis in WestEins aufgehen soll), noch eine IVW-Ausweisung aufweisen?
Das man derzeit nichts von WestEins hört könnte u.a. daran liegen, dass die da derzeit so viel dran arbeiten, dass man keine Zeit hat irgendwelche Blogbeiträge dazu zu schreiben und auch Lyssa hat das recht mal so nach geschätzt einem Jahr mal Urlaub von 10h+x-Arbeitstagen zu machen.
@Christoph (18):
Das mit der LigaShow finde ich auch schade, aber vielleicht gibt’s ja was neues. Ich glaube nicht, dass es an den Protagonisten lag, die haben ihre Arbeit sehr gut gemacht, nur könnte ich mir vorstellen, dass eine Finanzierung eines Podcasts schwieriger ist als z.B. einer Website.
@Mariana (20):
Was genau ist denn inwiefern falsch recherchiert? Das es eine entsprechende Print-Kampagne geben soll wurde berichtet – und wenn das falsch gewesen wäre, hätte es sicherlich auch ein Dementi gegeben.
Mariana, diese “treuen Leser”, die sich dann plötzlich mit Fundamentalkritik zu Wort melden, ohne zu erklären, warum sie das jetzt kritisch finden, sind nicht ganz neu und werden allgemein als wenig glaubwürdig eingestuft.
Und was den Wankelmut gerade unter Berücksichtigung von Westropolis angeht: Das Ding kann man nun mal so und so sehen. Die einen nennen es ein gelungenes Partizipationsprojekt, andere als einen Vorboten des kommenden Scheiterns, denn wann das alles ist, was so viele Autoren auf die Beine stellen…
Ich sehe Westropolis durchaus als Piloten und Testplattform. Und die Ergebnisse sind jetzt nicht so, dass die Werbebotschaft der WAZ völlig abwegig wäre. Nur ist halt die Frage, ob Print das so viel besser kann.
@Frank (19): Dem ist – von einem Noch-Westfälische-Rundschau(WAZ-Tochter)-Lesendem – nichts hinzuzufügen, ausser daß die von der WAZ ja so hoch gepriesene “Journalismus-Qualität” im Print dort mittlerweile bei Unter-Aller-Sau-Niveau angelangt ist.
@ Jens (22):
“Das man derzeit nichts von WestEins hört könnte u.a. daran liegen, dass die da derzeit so viel dran arbeiten”
Auch wenn es nur ein Testbetrieb ist – wer bis heute schon mal auf WestEins war, der wird dort nie wieder hinwollen. Warum auch?? Die Gelegenheit zur “besten Werbung” fürs offizielle Portal wurde dermassen dilettantisch kaputtgeschrieben, daß es einen graut.
Ich kann ebenso nicht nachvollziehen, daß Lyssa bei ihrer Suche nach Bezahlbloggern das Thema Urheberrecht, welches Don ja eben auch noch mal verstärkt anspricht, dermassen naiv und unvorbereitet angeht.