Die Toplistenwichsereien der Quotengeilen
Vorletzte Woche schlug hier eine pampige Mail einer Zeitschrift aus dem Hause Burda auf, wir sollten doch mal eben ein druckreifes Logo rüberschicken, weil sie eine Topliste der Blogosphäre veröffentlichen wollten. Nach dem Motto, wenn sie schon für uns Werbung machen, könnten wir ihnen ja auch etwas die Arbeit erleichtern. Hätte ich ein Abo der Tomorrow gehabt, ich hätte es daraufhinh gekündigt.
Letzte Woche durfte ich dann allerorten kurze, wenig besagende Kommentare von Roman Libbertz (siehe Besprechung hier) aus München lesen. Klang wie der übliche “Nice site”-Spam, und irgendwann wurde es mir zu blöd, ich sprach ihn genervt an, und ich habe meine Ruhe. Trotzdem hat er es mit diesem Ausnützen der Berechnung der Topliste von Blogscout so weit gebracht, dass Dirk Olbertz jetzt den Algorithmus geändert hat. Super Aktion, echt. Und weil die Mutter der Idioten immer schwanger ist, versucht es ein Macher eines Suppenblogs diese Woche mit Linkspam in den Kommentaren.
Und danh meldete sich heute ausgerechnet noch die PR-Firma GlobalCom in Person eines André Puchta, die von den Menschenrechtsbeschränern von Cisco über die Pleitefirma Lernout & Hauspie bis zu einer Tochter der Atmosphärenschädlinge von Lufthansa für alles und jeden zu haben ist – und wollte, dass ich jetzt für sie und eine Wissenschaftlerin kostenlos als Helferlein den Arsch hinhalte, um das mal deutlich zu übersetzen:
gemeinsam mit der renommierten Wissenschaftlerin Dr. Maiken Winter von der Cornell University (USA) möchte die GlobalCom PR-Network GmbH als internationale PR-Agentur eine Klimaschutz-Offensive der “Top 100 Blogger” in Deutschland starten.
Ja ne is klar, immer nur die besten Aabsichten, um an Blogger ranzukommen. Gemeinsame Aktionen in Zusammenarbeit mit GlobalCom, die, wie erwähnt, Lufthansa Systems in den Referenzen führt. Zur Untermalung ihrer angeblichen guten Mission folgt nich dieser Satz aus dem Grundkurs “Blogger verarschen für Anfänger”:
In einem Zusammenschluss der “Top 100 Blooger” möchten wir der gezielten Manipulation von Klimaschutz-Informationen durch Klimakritiker den Kampf ansagen.
Eine PR-Agentur, die Manipulation bekämpfen will – klar, und morgen erzählen die Neonazis, dass sie nur vor die Asylunterkunft gezogen sind, um Flüchtlinge zu beschützen.
Was das Ganze aber besonders widerlich macht: Dieses erbärmliche Schielen auf die Topliste. Und “Topblogger”. Dieses widerliche Ranschleimen. Dieses komplett fehlende Rückgrat. Und umgekehrt, diese völlig Missachtung derer, die nicht in den Toplisten sind. Dem Don Alphonso der Blogbar kommen sie von hinten, der Don Alphonso des GTBlogs, der sich wirklich Mühe gibt und Stunden über der Auswahl von Bildern verbringt, ist ihnen egal. Qualität, Anspruch, oder auch einfach miese Linkwichser, die es über Linkspammereien “nach vorne” schaffen, das alles ist ihnen egal. Nur die Tops interessieren sie, und nur die bekommen den Schleim. Alle andere 1543.827 anderen deutschen Blogger sind egal. Die sollen dann bitte die doofen Topblogger informieren, die sich auf so eine
DUMME TOPLISTENWICHSEREI
einlassen.
Herrschaften: Kein Zweck ist so gut, dass ihn miese PR nicht kaputt machen könnte. Denn entweder ist man gut – oder man braucht PR, Manipulationen und Tricks.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Die bekommen noch ihre blogger, die sich nicht zu schade sind, da mit zu machen. Das ist das eigentlich Traurige an der Sache.
Glaub ich nicht. Sie zahlen ja nichts. Und die Blogs, die Partner sein könnten, sind eben keine Topblogs. Aber so tickt PR natürlich nicht. Hauptsache DIE grosse Blogs.
Was die Top-Blogs angeht. Der Klimawandel ist eine grosse Sache, da kann man sich nicht mit irrelevanten bloggern befassen. Nur Top-KOLs sind angesagt. Immerhein ist die Wissenschaftlerin eine eine von 1400 Menschen, die Al Gore weltweit ausgesucht hat, um seinen Klimaschutz-Aufruf auf dem ganzen Globus zu verbreiten. Und die blogbar ist eins von nur 100 deutschen blogs, die GlobalCom für seine bezahlte Message ausgesucht hat. Ein wenig Respekt wäre angebracht.
Und weil das ganze mit Gore nichts zu tun hat, sich aber auf ihn beruft, gibt es hier genau zwei Arten von Respekt für PR: Den Respekt in die Fresse, und den Respekt in das Hinterteil. Schlag und Tritt, das sind die beiden Respektgrundarten, die ich für PR empfinde.
Ich könnte mir vorstellen, dass da auch “Top-Blogger” mitmachen. Vielleicht nicht mehr, nach dem Artikel in der blogbar, aber grundsätzlich ist Klimaschutz ja ein Trendthema. Kann man sich nach dem dauernden Kommerzblogger-Bashing mal ein wenig poistives Image abholen. Sozusagen von Al Gore persönlich.
Hat jemand Interesse an den Varianten? Ich bin grad in Stimmung.
Mit Aal Gore hat das, wie erwähnt, nichts, nul, nada zu tun. Das wird nur als Testimonial für eine PR-Kampagne aufgeführt. Der Wurm, der den Fischen schmeckt.
Ich finde es echt nicht mehr gut, wie dieses Jahr mit dem Thema Klimaveränderung umgegangen wird. Wie eine Zitrone wird das Thema durch die PR-Maschinerie ausgepresst. Ich dachte, mit Live Earth wäre der Gipfel der Unverschämtheit erreicht, aber es geht immer weiter. Da vergeht mir wirklich die Lust, mich auf diesem Feld weiter zu engagieren. Ist doch eh alles verlogen.
Was habe ich mir denn jetzt wieder unter “Klimakritikern” vorzustellen? Leute, die das Klima jetzt generell nicht so toll finden und lieber keins hätten? Was meinen die bloß?
Für mehr Deutschunterricht in den Schulen! Wenn die Leute nicht nur alle (mehr oder weniger) schreiben, sondern auch lesen KÖNNTEN, würde der eine oder andere vielleicht auch mal vorher in einem der Blogs lesen, die sie da gerade anschreiben.
Tut das nicht irgendwann weh, wenn man von einem der “größten” Blogs auf die Fresse kriegt? Gibts dann nicht irgendwann eine Rundmail, die jeder an die Pinnwand klemmen kann: “Niemals den Alphonso von der Blogbar anschreiben”???
Regel Nr. 1: PRler sind schmerzfrei. Liegt wohl am Bolivian marching powder.
Regel Nr. 2: PRler lernen nicht. Liegt wohl am …
Regle Nr. 3: PRler sind “full of it”. Liegt wohl am …
Huch, einen der Namen kenne ich aus meinem Blog.
Und überhaupt Klimaschutz-Offensive mit Bloggern? Wie soll das gehen? Alle mal wech mit den Rechnern vom Netz, Strom sparen?
“möchten wir der gezielten Manipulation von Klimaschutz-Informationen durch Klimakritiker den Kampf ansagen”
Klimakritiker? Was ist denn ein Klimakritiker? Und was ist Klimaschutz? Die Bewahrung unseres Klimas? So wie die Bewahrung unserer Wälder?
PR macht jedes Ansinnen lächerlich glaube ich langsam. Meine Herrn..
Die Blogger, die sich auf so was einlassen, müssen genauso gehirnamputiert sein wie die PR-Leute, die das initiieren…
hmm, schade – ich wünschte ich hätte gerade ein eigenes Blog. Und dazu noch unter den Top100.
Dann würde ich auf deren eMail eingehen.
=8O
Nee, natürlich nicht richtig – aber mich würde doch mal interessieren, was dann eben von denen weiteres kommt. Und in welche Richtung die manipulieren wollen.
Oder bauen die nur eine Adressdatenbank über käufliche/merkbefreite Blogger auf?
@11: Richtig, Erwin: Der weiße Staub wurde einst als Schmerzmittel entwickelt, daher nennen Lebenserfahrene diese Figuren ja auch ‘schmerzbefreit’. Und weil das Zeug betäubt, gilt es fälschlicherweise als *F.ckpuder*. Dabei merken die ‘User’ auch dabei nur einfach nichts mehr. Was wiederum am Nixmerken schön sein soll, das hat sich mir noch nicht erschlossen …
Nur mal so als Bericht über die Folgen des geänderten Blogscout-Algorithmusses im wahren Blogger-Leben. Die neue Formel (hört sich nach Zahnpasta an…) brachte mir einen Absturz von einem regelmäßig TOP-100-Platz auf um die 250 ein – bei steigenden Besucherzahlen. Da weint die Eitelkeit, iss klar.
Aber nach drei Tagen im Niemandsland der Hitparade sind ebendiese Besucherzahlen um fast 50% gesunken, weil ich traditionell immer sehr viele Besucher hatte, die von Blogscout kamen … und blieben.
Unter diesen, meinen lieben Besucher sind, wie unter meinen registrierten, noch lieberen Leser auch, kaum Blogger. Ergo wird mein Blog selten verlinkt, weil meine Fans ja keine Seiten haben, auf denen sie mein Blog verlinken könnten.
Im Klartext bedeutet die veränderte Blogscout-Formel wachsende Inzucht, denn populärer werden nur Blogs, die vorwiegend von Bloggern gelesen werden. Ob das im Sinne des Erfinders ist?
[Diesen Beitrag habe ich auch im Blog von Blogscout zur Diskussion gestellt.]
Tröste dich, Rainer – auch ich habe einen Freundeskreis, der mitliest, aber selbst nicht bloggt. Und trotz der aktuellen Verlinkung dort oben in diesem Blog – was ja bekanntlich immer für den einen oder anderen Klick gut sein sollte – hat’s mich von 120 auf irgendwat bei 500 oder so runtergesemmelt. Bleibe ich eben irrelevant … ;-)
Glaube ich auch nicht. War halt Notwehr.
Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Ich habe blogscout bei mir rausgeschmissen, als Dirk, den ich sonst sehr schätze, diese “Top-Blog-Liste” erstellt hat. Das war von Anfang an eine reine Liste der TOP-Kuscheler. Jetzt wenn das eigene blog nicht mehr oben drin ist über wachsende Inzucht zu klagen, macht den Eindruck von Pikiertheit.
Wer oder was ist denn eigentlich Blogscout?
P.S.: Wer auf die Quote schielt, sollte lieber zum Fernsehen gehen – sogar die öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten (Gerhard Schramm im Scheibenwischer) machen da mittlerweile mit.
(Schade, WordPress mag weder das q- (Zitat) noch das cite-Element (Zitatquelle).)
Ich habe nicht über ‘Inzucht’ geklagt, strappato, ich habe nur einen eingetretenen Effekt beschrieben: Steigende Zugriffe, absteigende Platzierung und rin in den ‘Longtail’, wie Dirk das nennt. Von meinem mechanistischen Verständnis her geht das logisch nicht zusammen. Wer mich aber einen Kuschel-Blogger nennen wollte, der hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank …
RainerSachte was von Inzucht.
Ich bin weiterhin der Meinung, dass diese link-Zählerei, ob Technorati oder blogscout, nicht weiterbringt. Ein Problem sehe ich darin, dass es in Deutschland bisher nur Gesamtlisten gibt – von dieser ominösen business-blogger-Liste abgesehen. Katzenblogs mit intensiver Interaktion mit anderen Katzenbloggern, neben anspruchsvollen Themenblogs, die zum Teil höhere Zugriffszahlen haben, aber eben nicht in der blogscout-blogospähre verlinkt werden. Impact misst das nicht und es hat auch nichts mit Ansehen zu tun. Dazu: Netzwerker werden tendenziell bevorzugt. Die Konsequenz müsste dann sein: Nicht soviel Zeit in den Text und die Recherche stecken, sondern lieber andere blogger verlinken, kommentieren, Kontaktpflege per E-mail, IM usw. Das kann es doch auch nicht sein?
Mal zugespitzt: Nicht nur Kuschel-Liste, sondern auch Top-Liste mit Leuten mit zuviel Zeit.
Zurück zu Dons Ausgangsposting: Einfach mal die Top 100 anszuschreiben – da ist man als PRler auf der sicheren Seite. Kann man immer gegenüber den Kunden rechtfertigen. Solange der sich diese Top-Blogs” nicht mal selber anguckt…
Auch ich beklage mich nicht über das wachsende Maß an Inzucht, sondern frage mich nur, ob das so gewollt ist.
Es hat ja – und das im Sinne von Dons Ausgangsbeitrag – auch eine politische Wirkung, dass nämlich von draußen (wo immer das sein mag…) zunehmend Blogs wahrgenommen werden, die miteinander verlinkt sind, weil ja Links auf Blogs außerhalb von Blogs so gut wie nicht vorkommen. Bei gleichzeitiger Begehrlichkeit von Marketing- und Medienfuzzis nach dem Dialog (bru-har-har) mit Bloggern, werden halt die TOP-100-Blogger zunehmend belästigt.
Soweitsogut.
Wenn ich aber nicht bloß blogge, weil ich der Welt täglich meine Meinung und/oder Befindlichkeit um die Ohren hauen will, sondern beispielsweise mehr Lesepublikum für mein literarisches Treiben begeistern will, dann habe ich schlechtere Karten, weil mich interessierte Leser einfach schlechter aufspüren können.
Ein weitere Effekt der neuen Formel dürfte die Außenwahrnehmung rasanter Selbstreferenzialität der Blogger-“Szene” sein, denn am meisten werden Blogs untereinander verlinkt, in denen viel und gern über das Bloggen gebloggt wird. Das finde ich persönlich schade.
Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, Klein-Bloggersdorf in Ortsteile aufzusplitten, also für interessierte Nicht-Blogger thematisch zu gliedern und diese Themenviertel statistisch auszuwerten. Insofern gebe ich Strappato ein dickes ACK, um es mal ganz hip auszudrücken.
Ortsteile? Ich hol schon mal den Stacheldraht.
Wie? In Bayern werden die Teile einer Ortschaft mit Stacheldraht voneinander abgegrenzt? Das erklärt vieles…
Eh ich’s vergess… Gerade eben wieder einmal empirisch nachgewiesen: Kommentieren in der Blogbar bringt mir pro Stunde um die 25 Besucher ;-))) Alles voll total selbstreferenziell in Klein-Bloggershausen (Dorf kann man das ja nicht mehr nennen).
Ich verlinke meine Kommentare nicht, weil es mir um die Diskussion geht und nicht Besucher abzugreifen, die mit meinem blog eh nicht viel anfangen können.
Klingt dünkelhaft: Mit 16-jährigen Gymnasiasten, die sich ihre Welt zusammenreimen, auf einer Liste zu erscheinen, würde mich demotivieren.
So eine Liste wirft alles in einen Topf. Nicht gerade ein kulinarisches Erlebnis.
In Bayern nicht. Aber in Berlin hat das gewirkt.
Ich mein, die Idee als solche ist zumindest nicht doof.