Früher hiess es, eine Einladung mit einer veränderten Seite der Nazizeitung “Völkischer Beobachter” zur Feier von StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani sei nur ein Ausrutscher gewesen. Ein Ausrutscher sei auch die Mail eines StudiVZ-Mitarbeiters, der nachfragte, ob StudiVZ-Gründer Michael Brehm Mitglied einer tolerierten Gruppe von Nachstellern werden dürfte. Und nun will sich StudiVZ mit drei Ekelvideos – Stichworte Fäkalien, einen Menschen Schweinen vorwerfen – viral auf den internationalen Märkten positionieren. Das meldete zumindest am Mittwoch ein wenig begeisterter Olaf Kolbrück im Blog von Horizont.net, mitsamt dem geplanten Ablauf – und setzte die Videos verfrüht in die Welt. Die aufgeregte Debatte und Kolbrücks Erklärung für den Rückzug der i n Deutschland möglicherweise rechtlich problematischen Videos findet sich beim Werbeblogger.

Und ich habe jetzt auch noch was dazu zu sagen:

1. Ich bin froh, dass Olaf die Dinger rausgelassen hat. Ich bin mir sehr sicher, dass es ein Unfall war – ein kleiner Unfall für ihn, aber ein Riesenproblem für StudiVZ.

2. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Filme nicht verbreitet werden, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Holtzbrinck demnächst ein paar Personalien bei ihrer Tochter verbreiten wird, oder still ein paar stille Auswechslungen vornehmen wird.

3. Und ich wäre froh, wenn jemand die Videos nochmal leaken würde. Keine Sorge, das schadet diesmal den Richtigen.

Man kann diese Videos nur verstehen, wenn mansich die inzwischen weitgehend bekannten und in Interviews bestätigten Details der Veträge zum Verkauf von StudiVZ vor Augen hält. Die Verträge enthalten eine fixe Summe sofort und eine weitere Millionen-Komponente für das Erreichen gewisser Ziele in vergleichsweise knappen Zeiträumen. Eine wichtige Rollen für die Firma spielen die Fortschritte bei den internationalen Töchtern von StudiVZ in Polen, Frankreich, Italien und der spanischsprechenden Welt. StudiVZ muss in diesen Märkte einen Fuss in die Tür bekommen, bevor sie vom grossen Konkurrenten Facebook geschluckt werden. Aber leider ;) brach mit dem Start der internationale Sites im letzten Herbst die durch dieses Projekt hier gestaltete Krise über StudiVZ herein, und zusammen mit den internen Problemen sorgte es dafür, dass StudiVZ international nur schleppend vorankam.

Ganz im Gegensatz zu Facebook, gegen die StudiVZ ein winziger Player auf einem Regionalmarkt ist. Das ist das eigentliche Problem von StudiVZ, das entscheidet über die Frage, wo die heutigen und früheren Gesellschafter in der Schlussbilanz stehen werden, und dieser Druck erklärt vielleicht auch, warum StudiVZ es international jetzt mit einer Brechstange versucht, die ihnen in Deutschland den Kopf kosten wird.

Denn die Videos sind die Knaller, die man an jeder Schule, die man jedem Professor zeigen müsste. Weil die Videos sich mit real existierenden Gruppen mit Zehntausenden von Schülern und Studenten befassen. Und ich vermute, dass Mama Holtzbrinck genau diese Debatte auch fürchtet, mitsamt empörten Jugendschützern und der da erneut hochkochenden, widerlichen Vorgeschichte von StudiVZ.

Wir werden sehen. Meine auf gewisse Informaationen gestützte Vorhersage ist: Sie werden es nicht rauslassen. Aber genau deshalb wäre es dann nicht gerade unschön, wenn sich jeder anschauen könnte, für was StudiVZ steht.