Ich habe hier gerade eine Interviewanfrage, die in die Frage mündet, wie das Verhalten eines professionellen Bloggers zu werten ist, der ein grösseres, ihn am Rande betreffendes Thema nicht behandelt. Normalerweise könnte ich nichts dazu sagen, ausser vielleicht, dass mich mein ganzes Leben betrifft und ich trotzdem nicht über alles schreibe. Einen erheblichen Anteil der deutschen Blogger betrifft das, was bei StudiVZ passiert, direkt als deren Mitglieder – trotzdem bringen das nur ein paar. Sind deshalb alle anderen schlechte Menschen/Blogger/Journalisten?

Ich kann da keine eindeutige Antwort darauf geben. Ich habe heute mit einem Mädchen ein Interview geführt, die bei StudiVZ wegen ein paar banalen Fragen in einer von der ZEIT finanzierten Gruppe durch eine Mitarbeiterin von StudiVZ gelöscht wurde. Es gab die Zusage der ZEIT, da nachzuhaken – passiert ist dann aber auch auf mehrfache Nachfrage nichts. Nun hatte die Zeit schon sehr früh Wind von den Problemen mit StudiVZ, und der Umgang mit dem Thema und denen, die es trotz Zugehörigkeit zum gemeinsamen Besitzer/Teilhaber Holtzbrinck machen wollten, vermittelt einen sehr guten Eindruck von der “Unabhängigkeit”, die man in dieser Redaktion hat. Ich persönlich empfinde solche amphibischen Existzenzenformen als ausgesprochen unerfreulich, aber wer den Roman “Bel Ami” kennt weiss, dass dergleichen schon früher üblich war. Maan sollte nicht glauben, dass dann einer von denen als Blogger mehr Freiheiten hätte als bei der WELT. Bei der Gelegeheit ist es mir dann auch egal, welcher Medienkonzern seine Leute gängelt.

Umgekehrt bin ich inzwischen auch mehr als skeptisch, was die Notwendigkeit angeht, sich als Trittbrettfahrer irgendwo dranzuhängen. Es ist in der Blogosphäre meines Erachtens nicht ganz so übel wie in den Medien, wo die dpa bundesweit die Portale mit dem Zeug flutet, das sie bei der BILD finden. Und natürlich können Mikromedien nur etwas erreichen, wenn sie ihren Einfluss zusammenschalten und ein Thema gemeinsam behandeln. Aber die Art, wie das bisweilen geschieht, ist mitunter mehr als problematisch. Da haben wir inzwischen durchaus finanzielle Interessen im Hintergrund, und generell ertappe ich mich inzwischen dabei, dass ich sehr genau hinschaue, wer was warum schreiben könnte.

Es ist nicht immer leicht, diese Motivation zu verstehen, aber die Spannbreite geht da eben vom Unterstützer über den Adabei und den, der seinen Trackback bei einer wichtigen Debatte haben will, über das bezahlte Mietmaul bis zum Trittbrettfahrer und zum Verbreiter von Lügen wider besseren Wissens. Die versuchte Kommerzialisierung ist sicher nicht allein dafür verantwortlich, da liegt vieles auch im Privaten begründet – aber die entscheidende Frage ist für mich eine andere:

Wieso nämlich gibt es so viele Dranhängende und nur so wenige, die den der Debatte zugrunde liegenden Inhalt schaffen?

Dieser komische Gegensatz zwischen wenigen, die aufwerfen und vielen, die mehr oder weniger qualifiziert beitragen, ist in meinen Augen das Kernproblem, warum es mit der (nicht zwingend kommerziellen) Professionalisierung nichts oder so wenig wird. Selbst die, die diesen Weg schin gehen, bringen mitunter erstaunnlich wenig Geschichten, aus denen etwas erwachsen kann. Da geht meines Erachtens die meiste Kraft verloren. Die deutsche Blogosphäre ist wie ein Muscle Car mit SO einem fetten Turbo medial sichtbarer Blogger der positiven Selbsteinschätzung auf der Kühlerhabe, einem gigantischen Motor von zigtausenden Mikromedien und so wenig Stoff im Tank, dass es allenfalls zum Aufjaulen an der Ampel reicht.

Die obige Frage ist also falsch rum gestellt. Man sollte können, wenn man bloggen will. Trittbrettfahren, nachplappern und stille Post bis der Abmahnanwalt kommt, ist was anderes. Das sollte man zumindest beherzigen, wenn man bei dem Thema antritt, um was zu bewegen – ansonsten halte ich Katzenbilder und Strickblogs für vollkommen legitim. Auch das ändert die Mediennutzung, nur eben ohne den entsprechend hohen Anspruch, den manche da im Moment formulieren.