Ich hasse Tchibo. Ich mag keinen Kaffee, es könnte mir also egal sein, aber ich kriege die Krätze, wenn ich an dem Trash vorbeilaufe, den sie jde Woche neu anbieten. Zum Beispiel eine schäbige Kopie der feinen Tivoliradios. Oder aktuell eine kleine Ausgabe eines grauenvollen leuchterhirschs, dessen Existenz auch in den letzten beiden Jahren nicht besser wurde. Einer der Leute, die auf Seiten von Scholz & Friends an diesem Trashvermakten beteiligt sind, sass gestern in Mittweida bei der Debatte, an der teilzunehmen ich das Vergnügen hatte. Und schon im ersten Statement ging ihm eine Begeisterung voll ab, als es um das Thema “Medien produzieren Ãœbertreibungen um Firmen wie Second Life” ging. Da mekrt man schnell, was so einer gern hätte: Nette, devote Medien. Angenehmens publizistisches Umfeld. Leider gab es auf dem Podium nichts dergleichen, sondern nur mich.

Und ich war ohnehin in famoser Stimmung, wie man sich das nach ein paar Runden in Mittweida im Hagelschauer so vorstellt. Da kommt es wirklich prima, sich eine Stunde Ideen anzuhören, wie man als Werber möglichst nah an die Menschen und ihre sozialen Bindungen rankommt, wie man das alles noch e-mo-tio-naler macht, sozialer, einfach noch näher dran oder am besten gleich drin im Menschen. Und es kotzt mich, gradraus gesagt an.

Denn wenn es eine Gefahr gibt für das, was man als soziales Netz bezeichnet, und von denen leider auch so erkannt wird, dann ist es eben dessen werbebasierte Kommerzialisierung. An dem Tag, an dem Blogger nicht mehr miteinander reden, sondern Blogs nur noch als Möglichkeit begreifen, einander Werbetafeln ins gesicht zu halten, ist da nichts mehr soziales. Das ist eine virtuelle Tupperwareparty, sonst nichts.

In meinen Augen sind das parasitäre Wirtschaftsformen auf der Suche nach einem Wirtstier. Und Leuten, die Leuchterhirsche bei Tchibo verkaufen, glaube ich keine Sekunde, dass ihnen die Gesundheit des Wirtstiers irgendwas bedeutet. Unsere modernen Parasiten sind nicht mehr einfache Blutsauger, sie begreifen das Wirtstier als nach Möglichkeit kostenlos im Internet verfügbaren Wertschöpfungsmechanismus, dessen Regeln sie verstehen wollen, um ihm möglichst lang möglichst viel abzapfen zu können. dazu muss das Wirtstier erhalten bleiben, und der Parasit muss sich so geschickt wie möglich tarnen, oder besser noch Teile des Organismus finden, die ihm gegen Bezahlung bei der Tarnung helfen. Und dass es darum geht, das “Soziale” ihres Kommerzes möglichst authentisch rüberzubringen, haben sie auch schon begriffen. Das machen sie mehr oder weniger gut, und manche von Innen suchen durchaus Parasiten, denen sie behilflich sein können.

Ich glaube durchaus, dass es sowas wie “social commerce” geben kann, der Soziales mit Geschäftlichem verbindet. Das muss noch nicht mal Prostitution sein, und es gibt gute Gründe, gute Produkte zu empfehlen und billige Plörre verächtlich zu machen. Aber der Werber ist da die absolut falsche Person, so etwas zu arrangieren, Kuppler tun Liebe nie gut, Gefühl lässt sich nicht kaufen, und eigentlich müsste man jeden Morgen einen Werber aufsuchen und mit ihm darüber reden, wie krank und sozial unverträglich eigentlich sein Job oft, allzu oft ist.

Was ich – neben dem guten Gefühl, genau das getan zu haben – aus der Veranstaltung mitnehme, ist die Erfahrung, dass meine Katze in Sachen Vegetarismus ein besserer Gesprächspartner ist, als ein Werber beim Thema Soziales. Sie sehen, dass es passiert, und alles, was sie darin erkennen, ist ihr Profit. So nicht, Freunde der Blasmusik.