Parteien ohne Blogs.
Und dafür gibt es mehrere Gründe.
Zum einem haben die Parteien aus den Pleiten ihrer Versuche beim letzten Mal Lehren gezogen. Das habe ich zumindest aus ein paar Diskussionen der letzen Wochen mitgenommen. Zumindest von zwei grösseren Parteien weiss ich, dass sie das Abenteuer Bloggen nicht wie beim letzten Mal handhaben werden und daher dazu tendieren, es beiseite zu lassen, oder es soweit freistellen, dass es nicht zentraler Teil der strategischen Planung ist. Vielleicht gar keine so dumme Entscheidung.
Weil, und damit kommen wir zu den Parteien, die in meinen Augen theoretisch wählbar sind, die Dummheit fortgeschrieben wird. Rot und Grün haben aus den Pleiten rund um die letzte Bundestagswahl meines Erachtens nur mitgenommen, dass da irgendwo “ihre” Wähler sind, und dass man die “damit” schon irgendwie bekommt. Die Grünen basteln nach meinem Wissen eher leise an ihrem Konzept, bei meiner eigenen Partei hat man dagegen einen grosskotzigen Internetbeirat installiert, den ich allein schon meiden würde, weil das gleiche auch schon der Stoiber peinlicherweise versucht hat, um dann nach draussen zu strahlen. Wirft man einen Blick auf die Beteiligten, stellt man fest, dass man diesmal das beeinflussende Werberpack nicht rausgekickt, sondern einfach blognäher ausgewählt hat. Ich bin schon gespannt, ob Adical Werbung für die SPD schaltet, womit sich dann meine Zugehörigkeit zu dieser Partei erledigt hätte.
Allgemein gesprochen: Es gibt das nächste Mal massive Unterschiede zur letzten Wahl. Das letzte Mal stand für die Linke die Verhinderung eines schwarzgelben Neocondurchmarsches auf der Tagesordnung. Rotgrünes Weriterwurschteln oder schwarzgelbes Durchregieren zugunsten der Wirtschaft war die Frage. Die Antwort heisst grosse Koalition mit Mehrwertsteuererhöhung, mehr Staat, mehr Staatsausgaben, keinesfalls weniger Bürokratie bei weniger Leistung, mühseelige Kompromisse wegen ein paar Cent Mindestlohn, eine CDU, die die SPD in der Aussenpolitik links überholt und ein Schäuble, den im Internet kaum einer leiden kann, eine irrwitzige, gemeinsame Politik in Sachen Vorratsdatenspeicherung und juristische Ermöglichung von Abmahnwahnsinn und Plattenindustrieterror. Lauter Zeug, das auch nicht im Sinne derer war, die für schwarzgelb geschrieben haben. Warum sollte man für etwas werben, was man noch nicht mal guten Gewissens wählen kann?
Ich gehe deshalb stark davon aus, dass die grösseren Player des letzten Wahlkampfes, unabhängig von der politischen Einstellung, dieses Mal weniger Lust haben werden, sich vor ein System der Pfründesicherung und der Machterhalts spannen zu lassen. Zumindest ist es das, was ich aus dem Verstunmmen vieler politischer Blogger herausgehört habe. Die Belange der Blogger sind CDUCSUFDPGRÜNESPDLINKE scheissegal, sie kommen wenn überhaupt erst zur Wahl angekrochen. Mal von den durchgeknallten Blogs am äussersten rechten Rand sehe ich momentan kein auch nur halbwegs einflussreiches politisches Blog, das Anstalten macht, sich gezielt für eine bestimmte Partei reinzuhängen. Würde man die alle nur in der Blogosphäre zur Wahl stellen und als zusätzliche Möglichkeit “Alle Abwählen und für 10 Jahre verbannen” – nach bestem Athener Demokratievorbild – bieten, hätten alle Parteien Gelegenheit, endlich ihre unerträglichen Führungsgesichter auszutauschen.
Oder? Ist hier irgendjemand für Beck und den Bloggerabmahner Gabriel? Für Merkel und den Spitzel Schäuble? Für Westerwelle und seine Einflüsterer von der bloggerverfolgenden INSM? Für den Huber und den Beckstein mit ihren Überwachungswünschen? Für den geifernden Oskar und seine alten Kader im Osten? Für die vor dem Vorstand kuschenden Grünen? Für sie alle, die ein paar Wochen für Unterstützung froh sind, um sich dann einen Dreck darum zu kümmern, wie es denen ergeht, die im Internet gerne so etwas wie Meinungsfreiheit ohne Abmahnung und Staatsschnüffler hätten?
Deshalb wird der politische Diskurs keiner sein, der die Wahlen im Sinne von Parteien beeinflusst. Muss aber auch nicht sein. Denn früher war es so, dass man halt nur bei den Wahlen mitentscheiden konnte. In den Blogs kann man aber immer mitreden, vorher, nachher, und dazwischen, wenn es ihnen weh tut. Und genau darum wird es diesmal gehen. Nicht denen da oben den Polante machen, sondern sie in den Diskurs zwingen. Nicht das Kommentiervieh der Internetbeiräte sein, sondern selbst aktiv sein für die eigene Sache. Nicht ein paar Wochen als digitale Plakatkleber helfen, sondern dauerhaft Druck machen. Wenn Parteien keine Politik mehr machen, muss man eben Politik ohne die Parteien machen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Am Anfang schreibst du das die Politiker sich einen Scheißdreck um Blogs und die dahinter stehenden Bürger kümmern so lange keine Wahlen anstehen.
Am Ende schreibst du, dass man via Blog Druck ausüben soll?
Wie willst du Druck ausüben, wenn dich niemand von den Verantwortlichen wahr nimmt? Genauso gut könntest du dich auch in den Keller stellen und deine Wünsche, Thesen und Probleme an die Wand schreiben.
Die Schwarzplakatiererei vieler Blogs (dieses komische Ding was oben rechts in der Ecke pappt) und Webseiten wie z.B. Vorratsdatenspeicherung.de haben schließlich auch niemanden in Berlin interessiert. Oder ist das denen da irgendwie mal aufgefallen dass das Volk über die Beschlüsse bezüglich Vorratsdatenspeicherung ein wenig ungehalten war?
Wenn Blogs keine Rolle mehr spielen, warum macht die SPD dann Blogs zu einem zentralen Angebot im Mitgliedernetz, warum öffnet Beck ein Videochannel und warum bloggen immer noch so viel Mandats- und Funktionsträger der SPD?
Das schwarze Bapperl ist in meinen Augen eher ein Placebo, und wird auch so wahrgenommen. Ein Bapperl ist kein Diskurs.
Bei den knappen Wahlausgängen kommt es heute auf wenige Prozent an. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass die Parteien bei den Bruchteilen im Netz auch einigermassen schmerzempfindlich sind. Nur ist es diesmal vielleicht ratsam, statt ein paar Wochen Schmusen schon vorher und nachher die Hühneraugen zu finden und darauf rumzutrampeln. Auch um denen zu zeigen, dass ihr gekauftes Vorratslobo hier draussen nur bedingt hilft.
“Wenn Parteien keine Politik mehr machen, muss man eben Politik ohne die Parteien machen.”
Genau!
Der Diskurs im Vorfeld ist immens wichtig: Gesagtes aufgreifen, Hintergründe beleuchten, gezielte Fragen stellen – eben all das, was in der Parteipolitik selbst so erbärmlich zu kurz kommt.
Und bei der Wahl selber… werde ich wahrscheinlich hingehen und ein großes fettes Kreuz quer über meinen Stimmzettel machen.
Warum?
Ganz einfach: ungültige Stimmen (also abgegebene ungültige, nicht Nichtwähler) verringern den Finanzzuschuß, der anteilig zu den Parteien fließt. Wenn schon das Geld die Welt regiert, dann sollte es zumindest an dieser Stelle ein wenig spärlicher werden… ;-)
In der Demokratie legitimiert der Wähler durch seine Stimme die Maßnahmen, welche später gegen ihn unternommen werden.
Nicht wahr ;)
Der Artikel klingt ja fast schon altersweise. Ich dachte allerdings, dass Sie Ihren Austritt aus der SPD schon lange hinter sich haben. Wie kann man nur in einer Partei mit dem Wiefelspütz sein?
Ich habe mich im letzten Wahlkampf für ein Ende des rot/grünen Weiterwurstelns eingesetzt. Das Ergebnis der letzten Wahl ist bekannt: CDU und SPD beschneiden unsere Grundrechte, legen die Grundlagen für die perfekte Bespitzelung des eigenen Volkes und nehmen vielen leistungsbereiten Menschen den letzten Rest an Motivation.
Im nächsten Wahlkampf werde ich mich höchstens noch mit dem Entlarven der besonders schlimmen Politpropaganda befassen, wahrscheinlich aber eher mit Kochrezepten oder einem Laufblog über meinen ersten Marathon. Es gibt so viel wichtigeres als den Wahlkampf in Blogs …
Der Idee von Karan muss ich entschieden widersprechen: wenn weniger Leute eine gültige Stimme abgeben, dann werden sich die Parteien einfach den Betrag pro Stimme erhöhen. Das bringt überhaupt nichts.
“Würde man die [Parteien] alle nur in der Blogosphäre zur Wahl stellen und als zusätzliche Möglichkeit “Alle Abwählen und für 10 Jahre verbannen” […] bieten, hätten alle Parteien Gelegenheit, endlich ihre unerträglichen Führungsgesichter auszutauschen”
So isses. Und längst nicht allein in der Blogosphäre. Morgen das Kreuzchen “willkeinenvondenen” aufm Wahlzettel aufführen und ich wär mal gespannt, was dann rumkommt….
In der Online-Bilanz sehen die Grünen derzeit gar nicht schlecht aus. Alles webrelevante wurde von Ihnen prominent thematisiert und das immer auf der richtigen Seite. Außerdem haben sie Metzger wundervoll abserviert. Die stehen hoch im Kurs bei mir.
Stefanolix, rational betrachtet ist das alles pervers: Nur die Spinner um Kewil und PI können mit den Ergebnissen zufrieden sein. Die kriegen Futter für ihre Träume vom Kontrolettistaat. Ausgerechnet. Was die Partei angeht: Da ist die Bindung halt 100 Jahre älter als die aktuellen Fehlleister und Falschbesetzungen.
@ #4, Karan
Ungültig zu wählen hat auf nichts anderes mehr Einfluss als auf die Anzahl der Nichtwähler.
Die Wahlkampfkostenrückerstattung ist unabhängig von der Wahlbeteiligung. =
Die Parteienfinanzierung ist unabhängig von der Zahl der ungültigen Stimmen.
Ungültig wählen = nicht wählen
Früher war es mal anders, da konnte man mit “ungültig” die Mittel schmälern, aber Helmut Kohl hat das recht kurz nach Amtsantritt geändert. Wird schon seine Gründe gehabt haben….
Ich mag Formulierungen wie “die da oben” nicht. Ich sehe es als Begegnung auf Augenhöhe an. Im Bereich Blogs und Internetkompetenz wäre ich ja bei einer überragenden Mehrheit der Bundestagsmitglieder oben und sie im Keller.
Wenn man ein wenig in den politischen Alltag schaut, dann ist es auch für die wenigen Politiker, die erahnen, was Blogs bedeuten können, sehr schwer sie zu nutzen. In meinem Wahlkreis hier in HH-Altona haben wir das ganze Jahr Gespräche mit den Kandidaten, was im wesentlichen an einem SPD-Politiker liegt, der die Abstimmungsfrequenz im Wahlkreis hoch und damit die Konkurrenz auf Trab hält.
Dennoch wäre dieser Politiker nicht in der Lage, bzw. sieht sich offen mir ggü nicht in der selbigen, einen Blog konsequent zu führen. Diese Erkenntnis, dass abgestimmte, von Referenten dann gepostete Blogartikel oder schlimmer, wachsweiche Kommentare Tage später geschrieben eher das Gegenteil dessen befördern, als sie sollten, diese Erkenntnis ist, da gebe ich R. Mayer recht, in den Parteien angekommen.
Vielleicht sind diese “Systeme” bereits zu weit voneinander entfernt. Das geschlossene Günstlingssystem der Parteien und die doch manchmal konfuse und an den politischen Rändern stark bepackte politische Blogosphäre in Deutschland.
Sind wir bereit und in der Lage für eine neue APO, frage ich mich? Eine, die Politik diskutieren kann, ohne in akademische linksextreme oder menschenverachtende NEOcon-Rhetorik zu verfallen? Ich befürchte nicht.
Wenn das System sich nicht selbst ändern kann oder will, muss es eben über den Druck der Straße geändert werden. Weg mit den Lobbyvasallen namens Merkel, Schäuble, Röttgers, Po falla, Kauder, usw.
“Politics is the art of looking for trouble, finding it whether it exists or not, diagnosing it incorrectly, and applying the wrong remedy.”
Ernest Benn, engl. Publizist (1875 – 1954)
Diese “Kunst” geht mit blogs nicht. Da schon bei der Diagnose die Leser/Kommentatoren mitreden und jegliche Therapie hinterfragen. Das symbiotische Verhältnis Presse/Politik wird durch blogs aufgelöst.
[…] Ob an der Blogbar, beim Diskutieren über Parteien im digitalen Wahlkampf oder in Paris, wo Loic LeMeur dieses Jahr vorsichtiger mit Breitstrahl pissenden Politikerkollegen umgeht. In diesem Zusammenhang fiel mir ein Satz von Jason Calacanis auf, der für die weitere Standortbetrachtung aller Seiten interessant werden könnte: […]
Lol, hier ist ein spamfilter ja schon geradezu Zensur
Die Unregierbaren! Die Piraten! Aleister Crowley!
Es wird eher die Ausnahme sein, wenn ein Mandatsträger oder hohes Parteitier sich als regelmäßiger und leidenschaftlicher Blogger betätigt. Wer in der Politik unterwegs ist, wird den Zeitverbrauch vielleicht kennen, der damit verbunden ist – da bleibt nicht viel Zeit zum bloggen. Olle Oswald, die “Eurobomberin” und ein paar Grüne sind da eine Ausnahme, wobei das Bloggen dann (mit Ausnahme: einiger Grüner) weniger als Diskursinstrument dient, denn als ein Marketinginstrument, das von Referenten und PR-Arschenturen gehandhabt wird.
Ich erinnere mich z.B. noch mit Grausen an das Blog der Merkelfreundin und Industriellengattin Katherina Reiche, welche deutich erkennbar eine PR-Arschentur merkeln werkeln ließ. Dort wurde fast jegliche Form von kritischer Nachfrage oder verhaltener Kritik herausgelöscht, umso konsequenter dann, wenn die Kritik subtantiviert und höflich war, sodass sie Wähler der eigenen Zielgruppe nachdenklich stimmte.
Zwischen dieser Form eines Gutsbesitzerverständnisses von Öffentlichkeit und Demokratie und der Haltung moderner Grüner gibt es zahlreiche Zwischenstufen.
Das hier von Don und anderen formulierte Desinteresse (z.B. von Stefanolix) wird voraussichtlich beim nächsten Wahlkampf erledigt sein – behaupte ich mal ganz frech. Gesteigertes Interesse wird es auch, leider, von Seiten professioneller Polit-PR-Arschenturen geben, denn sie wissen,dass die Wahlen knapp sind und Blogs, auf eine nur schlecht verstandene Art, auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken.
Insofern, und auch vor dem Hintergrund eines fast durchweg fehlbesetzten politischen Spitzenpersonals, halte ich eine Doppelstrategie (*ups*, zu großes Wort) für sinnvoll. Erstens, die eigenen Anliegen zu verfolgen, sich – und sei es in kleineren Kreisen – zu organisieren, um politische Anliegen auch fernab klassischer Parteistrukturen (aber durchaus auch in diese hinein) zu verfolgen. Zweitens aber, wie gehabt, den leidigen Weg auch innerhalb von Parteien bzw. innnerhalb der klassischen Kommunikationswege zu suchen.
Der Kampf um Partizipation und eine lebendige Demokratie ist kein einfacher Kampf, oft sogar frustrierend – Blogs und auch ein von Parteien unabhängiges Verständnis von Politik mögen da ein sinnvolles Mittel sein, und sei es zur notwendigen Auflockerung.
Aber eben nur ein Mittel unter vielen.
Ekel vor dem Innenleben von Parteien kann ich gut verstehen, aber dennoch: Politik wird auch, und das nicht einmal wenig, innerhalb von Parteien gemacht, auch mit Hilfe etablierter Strukturen.
Man könnte auch strategisch optieren: Zum Beispiel so, dass überall in der Republik ein Fünfparteiensystem entsteht. Dass sie am Ende ihre Pfründen mit gleich ZWEI anderen teilen müssen, wenn sie nicht in einer großen Koalition versacken wollen, das bringt die Parteienverhältnisse mehr zum Tanzen als rotglühende Kohlen.
Politische Blogs bringen nichts, schon gar nicht, wenn sie künstlich hervorgehoben werden. Wenn jemand wirklich ein SPD-Blog machen will, dann tut er das, egal ob die Partei etwas anbietet oder nicht. Allerdings sind alle freiwilligen Blogs, wie zum Beispiel der “mein-parteibuch-schrott” elendig gescheitert.
Kurt Beck oder seinen Referenten dazu zu nötigen ein Blog zu machen, wobei der erste keine Ahnung und der Referent kein Bock hat, bringt nichts und ist eher schädlich.
Erst wenn die Mandatsträger aus eigener Initiative haraus so etwas gut finden und schon über einige Blogger-Erfahrung verfügen, kann so etwas funktionieren. Dann aber nur, wenn man bereit ist, den Leser hinter die Kulissen blicken zu lassen und nicht die weichgespülte Politpropaganda zu verbreiten.
es ist auch schön, das viele Personen vielschichtiger sind und sich nicht unter Parteien subsumieren lassen.
Dr. Dean hat da den Optimismus, den man eben haben kann, man darf sich durch das PR-Theater nicht einschläfern lassen.
Meine im spamfilter verlorene Idee eines online Scherbengerichts versuche ich nocheinmal
zu schmuggeln
Mein Desinteresse an den Streitereien im nächsten Wahlkampf ist erstens echt und zweitens sehr gut haltbar. Ich habe bessere Dinge zu tun ;-)
Die Wahlen in diesem land sind doch zu einer Werbeveranstaltung verkommen. Menschen, die nicht sauber informiert werden, können doch gar keine vernünftigen Entscheidungen treffen.
Diese Demokratie besteht doch nur noch auf dem papier.
Vielleicht ist ja das Tool “Weblog” gar nicht das richtige. Es schürt Erwartungen (@Dean, da bin ich Deiner Meinung), die die meisten Politiker allein schon wegen der Parteiräson zu Wahlkampfzeiten halten können. Es ist zu schnell in einem Abstimmungsprozess, der auf harmonisches Wiederholen von politischen Essenzen optimiert ist.
Aber vielleicht wäre es ein Weg, die in Blogs diskutierten Themen in einer Art politischem BarCamp zu verdichten. Da könnte dann die SPD, oder wer auch immer, die Themen aufgreifen und auf einen vorbereiteten Zeitpunkt hin aggregiert dikutieren. Das Feedback dazu fliesst ja dann wieder in die Blogosphäre zurück. So entstünde ein permanenter politischer Tiedenhub auf dessen Flutspitze so dikutiert würde, wie wir uns das alle wünschen. Pointiert und mit Themen, die aus der Blogosphäre kommen.
Spinn ich jetzt, oder wäre das ein Ansatz?
[…] In Blogs diskutierte Themen in politischem BarCamp verdichten. SPD, oder …, die Themen aufgreifend, aggregiert diskutieren. Feedback fliesst wieder in Blogosphäre zurück. Permanenter politischer Tidenhub mit real life Flutspitze. […]
[…] Eingestellt am 11. Dezember 2007 um 19:44 Uhr » Kommentar Gesellschaft Zitat des Tages Großkoalitionäre Zeiten sind ein Graus für die Opposition, die Medien, das politische Kabarett und leider auch den Bürger. Gegen die glatte, rundgeschliffene Konsens-Einheitspolitik muss man sich schon etwas einfallen lassen, vor allem wenn die Parteien ihren Auftrag zur politischen Willensbildung des Volkes anders (nämlich gar nicht) verstehen: Wenn Parteien keine Politik mehr machen, muss man eben Politik ohne die Parteien machen. Das kennen wir doch: Daher mein Aufruf, wartet nicht bis die Parteien vielleicht Bildung zum Wahlkampfthema machen, macht es selbst zum Wahlkampfthema, nehmt es ihnen weg, so dass sie es nichtmehr für sich beanspruchen können, drängt sie alle miteinander in die defensive Position, lasst sie Wahlkampf aus der Defensive machen … übernehmt die Herrschaft über die Strasse bevor der Strassenwahlkampf der Parteien ins Rollen kommt. Wie groß könnte denn das Potenzial einer politischen Gegenbewegung in Form einer Protestpartei sein, die genau bei den Schwächen der aktuellen „Helfer bei der Willensbildung“ ansetzt? Und wie kann es eigentlich sein, dass in den Medien so unreflektiert über die Politik der großen Konsens-Koalition des Machterhalts berichtet wird? Fast vergaß ich: Nächstes Jahr jährt sich 68 zum vierzigsten Mal. […]
Ich hatte letzten Herbst den „Spaß“ mit dem Blog einer hessischen FDP-Landtagsabgeordneten, die dort mit uns Studenten über Studiengebühren „diskutieren“ wollte. Das einzige, was letztlich dabei herumgekommen ist, dass sie keinen Millimeter zurückgewichen ist, unseren Argumenten gegenüber inhaltlich nicht aufgeschlossen war und ihre Äußerungen 1:1 aus dem Parteiprogramm stammten/der Parteiideologie entsprachen. Man hat also viel diskutiert ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Bei Minister sieht das genauso aus, auch wenn man ohne Blog versucht mit ihnen zu diskutieren.
Ich glaube, dass man als Politiker ganz schön aufpassen muss, dass man in seinen Bahnen nicht den Kontakt zum Wähler, zur Realität verliert.
Zu Eriks Frage (12) möchte ich noch kurz anmerken, dass wir wahrscheinlich noch nicht reif genug für eine neue APO sind, aber ich mir vorstellen kann, dass das noch kommt. Einzelne Menschen tragen schon vernünftige Gedanken mit sich herum, es braucht nur noch Kondensationskeime und ein wachsamer Blick auf die Ränder einer Protestbewegung.
Ich bin schon gespannt, ob Adical Werbung für die SPD schaltet, womit sich dann meine Zugehörigkeit zu dieser Partei erledigt hätte.
Warum werden die “Jovial”demokraten für Dich erst unwählbar, wenn adical ins Spiel kommt?
Den Nato-Doppelbeschluss kann ich als Gerade-Jung-Gewesener” noch so eben durchgehen lassen. Die Änderungen am Asylgesetz — getragen damals von der SPD als Opposition im Bundesrat — schon nicht mehr. Und mit der Manifestierung der Hartz IV-Gesetze durch die SPD kann ich das gar nicht mehr verstehen.
Die Hartz IV-Gesetze sehen im Menschen eine Verfügungmasse zur Kapitalerzeugung — durch ARBEITSZWANG! Ob das in Deinem Sinne ist? Ich hoffe: NEIN!
Bitte: Erkläre Dich!
“Kondensationskeime” – ja schöne Vorstellung.
Oder anderes gefragt:
Wie kann eine Werbung — durch adical– dazu führen, die SPD nicht mehr zu unterstützen, wenn die Zwangsarbeit — durch Hartz IV — weit vorher zur alltäglichen Politik geworden ist?
Weil ich nicht mein Geld an eine über weite Strecken immer noch linke Arbeiterpartei bezahle, wenn ein paar strategische Geisterfahrer und Bullshitkäufer in den oberen Etagen damit – nach meiner Meinung – neben den sicher Zilliarden höchst ehrenwerten Adicalteilnehmer auch möchtegernkulturtotalitäre Proletenwerber, Serienpleitiers und andere Schnorrer, Pornospammer, Opeltester und Koofmichs finanziert, die ich zu allem Überfluss auch noch aus eigener Anschauung kenne. Das ist wie mit einem Unfall: Man liest in der Zeitung über das Schlimmste hinweg, aber wenn man dann vor einem gebrochenen Bein steht, kommt alles hoch. Ich bin lange genug in der Partei um zu wissen, wo man intern noch was bewegen kann und was man bei so einer grossen Orga hinnehmen muss, und ich bin lang genug Blogger, um zu wissen, wer trotz pseudorebellischer Bapperl oben rechts jeden Anus bekriecht, aus dem Geldschein stinkt. Bei mir ist die Grenze erreicht. Ich werde tun, was ich kann, damit die da oben merken, was sie sich geholt haben, und die sollen wissen, dass es kein Spass wird.
Das bin ich meiner linken Partei oder was davon übrig ist im Kampf gegen die neoliberale Beliebigkeitsbagage, egal wie sie sich anzieht oder frisiert oder nennt, schuldig. Und ich halte Hartz IV immer noch für besser als Abzocker, die von öffentlichen Stellen Geld für einen Kongress nehmen, auf dem sie Tipps zur auf den Sozialstaat abgewälzte Ritalinbeschaffung zur Behebung eigener Motivationsprobleme erteilen.
@ Don
Wenn es um fragwürdige Gestalten geht, bieten Großparteien reiche Nahrung, auch die SPD. Da musst Du nicht erst auf den Blogkulturermöglicher warten. Falls Du Dich ekeln willst (richtig ekeln!), dann hätte ich da ein halbes Dutzend äußerst widerlicher Geschichten. Da ist er im Vergleich eine ganz kleine Nummer, egal was er unternimmt.
Du hast Recht, als Mitglied einer Großpartei muss man allerhand Kröten schlucken und dafür einen unempfindlichen Magen haben. Ob das von Dir gewünschte Bollwerk funktioniert, zumindest gelegentlich, hmm …
– das kann man durchaus als Ansicht plausibel finden. Aber Leute wie Clement und der ganze Dunstkreis um ihn rum inkl. Steinbrück usw. lassen eher das Schlimmste erwarten.
Leute wie JO Spiller (finanzpolitischer Sprecher der SPD – ich fasse es nicht) sind nicht nur intellektuelle Tiefflieger der beeindruckensten Sorte, nein, sie finden “die Wirstschaftspolitik der CDU viel besser” als die der eigenen Partei und sind glühende Anhänger von jedem neoliberalen Mistdreck. Was sie keineswegs daran hindert, sich bei Wahlen für die SPD aufstellen zu lassen.
Die Tatsache, dass der NE-Kerl mit der gelegentlichen Irokesenfrisur nicht nur im Internetbeirat, sondern überhaupt seit über drei Monaten intensiv in der Partei herumspringt, stimmt mich nun leider auch nicht unbedingt hoffnungsfroh, und das, obwohl ich ihn nicht so negativ beurteile wie Du, sondern nur für durch und durch unzuuverlässig. Ich tipp in seinem Fall auf ein massives Interesse an Aufträgen, und zwar ganz sicher nicht für adical.
Wenn da kein Wunder geschieht, wird es uns noch ziemlich warm den Hals herauflaufen.
Nun, glücklicherweise weiss ich aus zwei sicheren Quellen, dass die SPD beim Internet eine irrwitzig knickrige Partei ist, da denke ich eher an den Weg aller Loics von denen, die hoffen, nach der Wahl dann von den Fleischtöpfen des Staates belohnt zu werden. Zumindest war das in bayern oft so, würde mich überraschen, wenn das im Bund anders laufen würde.
@Don (32)
“dass die SPD beim Internet eine irrwitzig knickrige Partei ist”
Parteien sind beim Thema “Internet” seltenst “kompetent” oder ähnliches. Wenn Du ihnen Kompetenz abforderst, dann sag doch bitte deutlich, was Dich von den armseligen “Ich mach mal Gestalt mit Pseudo-Inet-Wissens-Eindruck”-Laberbären unterscheidet.
Ich kann mich gerade im Rahmen dotcomtod noch sehr gut an Situationen erinnern, wo Du den Wissensfaktor bez. Internet freiwillig an für Dich angebliche, aber trotzdem “Wissende” abgetreten hattest, um Dich von der “Gehirnblase” der angeblich “Wissenden” abzusondern. Ist nearby fashionised, aber in Deinem Artikel relativ unterbelichtet.
“sie kommen wenn überhaupt erst zur Wahl angekrochen.”
Ja. Natürlich. Warum früher?
>Kompromisse wegen ein paar Cent Mindestlohn
Ist nur mir dieser irrwitzige Nebensatz aufgefallen? Was soll das denn bitteschön?
@#34: Die ganze Mindestlohn-Diskussion der letzten Monate ist irrwitzig und ein Musterbeispiel für Scheinpolitik. Wenn es der SPD wirklich um schlecht entlohnte Arbeitnehmer gegangen wäre, dann hätte sie nicht bei den Zustellern von PIN und anderen Dienstleistern begonnen. Es gibt wesentlich schlechter bezahlte Jobs, die unter wesentlich schlimmeren Konditionen erledigt werden müssen.
Ich meine nicht, dass ein allgemeiner staatlich festgesetzter Mindestlohn die Probleme lösen kann, ich meine eher, dass er noch mehr Probleme schaffen würde. Aber es ging der großen Koalition in dieser Sache einzig um den Erhalt der Monopolstellung des Postkonzerns.
@Don Alphonso: Ich ziehe die Frage mit dem Wiefelspütz zurück. Er kam mir nur in den Sinn, weil er auf SPD-Seite gemeinsam mit CDU-Schäuble für die “Sicherheitsgesetzgebung” verantwortlich ist. Und das ist ja wohl die größte Schande der Großen Koalition.
Sie hat nicht bei PIN und den andere Dienstleistern begonnen.
Die SPD hat – das lässt sich als Verdienst werten – von Anfang an einen harten Kampf für Mindestlöhne betrieben, gegen den eigenen Koalitionspartner, sie hat beim Mindestlohn der Briefzusteller den Koalitionspartner taktisch ausmanövriert und es ist ihr (zusammen mit den Gewerkschaften und weiteren politischen Faktoren – übrigens auch in kleinen Anteilen Blogs) gelungen, den öffentlichen Diskukrs zu drehen.
Inzwischen liegt die Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn im Mainstream, sogar im Mainstream der von Lobbyismus und Korruption durchzogenen professionellen Politikberatung.
Es war für die SPD, wie diesmal für die Mehrheit der Bevölkerung beachtliche Erfolge.
Der Kampf ist noch nicht vorbei.
Dass andere Bereiche der SPD-Politik grottenschlecht sind, z.B. beim Abbau von Bürgerrechten, welcher von der SPD nur unzureichend gehemmt wird, dass Dieter Wiefelspütz grausam versagt hat, sich wie eine reaktionäre aufführt und besser Buchhändler geblieben wäre, darüber muss man nicht lange diskutieren.
Eine fundierte Mindestlohn-Diskussion kann man nur auf der Grundlage des Prinzips »Was man sieht und was man nicht sieht« führen. Es geht hierbei nur vordergründig um die »gerechte« Entlohnung. Das ist: »was man sieht«. Wer die anderen Seiten des Problems nicht sieht oder nicht sehen will, behandelt das Problem nur auf der Ebene der Scheinpolitik.
Ich werde das ökonomische Problem hier nicht im Detail vertiefen, darauf sollte schon jeder selbst kommen.
[speziell zum Post-Mindestlohn]
Bekanntlich liegt die Forderung nach einem »allgemeinen Mindestlohn« für Deutschland bei etwa 7.50 Euro, was für viele Beschäftigte schon eine große Steigerung darstellen würde. Volkswirtschaftlich wäre es immer noch falsch, aber lassen wir die 7.50 Euro mal gelten.
Der ausgekungelte Post-Mindestlohn liegt nicht zufällig viel höher: es ist nämlich ungefähr der Lohn, den der Monopolist seinen Beschäftigten aufgrund der bestehenden Ansprüche ohnehin zahlen muss. Die Mitarbeiter der Gelben Post erhalten Löhne, die unter den Bedingungen eines Monopols entstanden sind. Hätte man den Post-Mindestlohn bei 7.50 Euro angesetzt, dann hätten die seriösen Konkurrenten der Post diesen Lohn ihren Mitarbeitern anstandslos gezahlt (weil sie das i.d.R. jetzt schon tun).
OT
(Mindestlohndebatte)
Eine bei Konservativen sehr beliebte Ansicht wird formuliert sich so:
Irrtum. Die Post zahlt mehrheitlich über 12 Euro.
Im Übrigen teile ich die Ansicht von Stefanolix, dass ein gesamtgesellschaftlicher Mindestlohn, quer über alle Beschäftigungsbereiche, in Höhe von 7,50 mutmaßlich überteuert ist. Ich persönlich würde eher für 6,80 € plädieren (in Kombination allerdings damit, dass die ersten 500 Euro Vollzeitlohn von Sozialabgaben befreit sind) bzw. für ein Niveau, welches rund 8 % der Löhne auf dem Arbeitsmarkt anhebt.
Sollte das weitgehend reibungslos und sogar mit einer verbesserte Konjunktur über die Bühne gehen (was nicht ausgeschlossen ist), könnte man evtl. auf 7,20 erhöhen. Die Aufgabe des gesamtgesellschaftlichen Mindestlohns besteht im Übrigen nicht darin, gerechte Löhne zu schaffen, sondern nur darum (immerhin!), krassen Fällen von Ausbeutung und Machtmissbrauch einen Riegel vorzuschieben.
Notwendig ist das.
Ich greife einige Sätze aus dem Artikel auf
und komme direkt zum Diskurs des Mindestlohnes ;-)
Es ist nicht relevant, ob die Post »mehrheitlich« 12 Euro pro Stunde bezahlt, sondern es ist relevant, wieviel sie mindestens bezahlt. Was ich geschrieben habe, ist auch nicht die Ansicht eines Konservativen, sondern einfach die Ansicht eines mitdenkenden Bloggers.
Ich habe nicht die Ansicht vertreten, dass ein Mindestlohn von 7.50 Euro zu hoch ist, sondern ich habe im Gegenteil die Ansicht vertreten, dass ein Mindestlohn keine Lösung ist. Nur als Gedankenexperiment habe ich die 7.50 Euro gelten lassen, um die absurde Höhe des Post-Mindestlohnes zu verdeutlichen.
Bei den Postdiensten geht es um Arbeiten, für die man die Fähigkeiten lesen, schreiben und Fahrradfahren beherrschen muss. Solange viele Facharbeiterinnen und Facharbeiter viel weniger bekommen, ist der Post-Mindestlohn eben kein Mindestlohn, sondern dient der Absicherung des Quasi-Monopols.
Mehr Geld bekommt man nicht durch »Kämpfen« und immer weniger Marktwirtschaft, sondern durch möglichst ungehindertes Arbeiten und in weitgehend freien Märkten. Damit ist nicht gesagt, dass keine Regeln, Gesetze und Arbeitnehmerrechte mehr gelten sollen. Im Gegenteil: ohne Regeln, Gesetze und Arbeitnehmerrechte kann keine Marktwirtschaft funktionieren. Aber wenn zur Lösung von Problemen falschen Regeln eingeführt werden sollen, muss man darauf hinweisen.
OT
(Mindestlohndebatte)
Zunächste eine Bemerkung zum Postmindestlohn: Natürlich spielt für den Wettbewerb nicht allein der theoretische Mindestlohn der Post eine Rolle, sondern auch der tatsächlich gezahlte Lohn. Schließlich wirkt sich dieser – und weniger das theoretisch Mögliche – auf den Wettbewerb aus. Dass die Konservativen nicht wahr haben wollen, dass die Post weit überwiegend über 12 Euro zahlt, finde ich ziemich bemerkenswert.
Und nun ein paar Argumente pro Mindestlohn:
Stefanolix, selbst radikale Verfechter der theoretischen Gesetzmäßigkeiten von Märkten werden zubilligen (eine gewisse Offenheit allerdings vorausgesetzt), dass in den untersten Lohnbereichen die Marktgesetze eher nicht so sonderlich gut wirken.
Sehr häufig ist dies deshalb der Fall (natürlich: nicht immer), weil da sehr ungleiche Marktteilnehmer aufeinander stoßen. Der Marktmechanismus, soll er funktionieren, setzt allerdings eine Mindestmaß an Autonomie, Wissen und Macht bei allen Marktteilnehmern voraus.
Ist dieses allzu unzureichend gegeben, funktionieren Märkte nicht. Nimm es hin, Stefanolix, es wird Dir wegen deinem radikalisierten Wirtschaftsliberalismus sehr schwer fallen, dies zu akzeptieren. Märkte setzen – sollen sie gut funktionieren – weit mehr voraus als lediglich einen lockeren Gesetzesrahmen.
Womit haben wir es in den Segementen von Niedrigstlöhnen häufig zu tun?
Nicht selten sind da Arbeitgeber, die nach herkömmlichen Vorstellungen mit “Abschaum” noch zurückhaltend bezeichnet wären, welche ihren Vorsprung an Wissen, Macht und Drive rücksichtslos ausspielen, und die auf gut funktionierenden Märkten notwendigen Transparenz scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Dann – als Verhandlungsgegenüber – haben wir es hier oft mit Arbeitnehmern zu tun, die kulturell, von ihrer Lebenspraxis her (Stichwort: geringe Autonomie) und in Bezug auf ihr Wissen und ihre Schutzbedürftigkeit diesen Arbeitgebern strukturell unterlegen sind.
Ein Hayekianer würde jetzt sagen: “Na, und! Selber schuld.” und diese Unvollkommenheiten beispielsweise als notwendigen “Anreiz” oder “natürliche Ordnung” wegerklären.
(Damit will ich jetzt nicht Stefanolix zu einen einseitigen Hayekianer erklären)
Das Problem nur ist bei solchen Verhältnissen – reinweg aus Marktperspektive betrachtet – dass in solchen Verhältnissen das, was die Funktionstüchtigkeit von Märkten bedingt, eben nur in geringen Maß vorhanden ist.
Kurzum: Hier funktionieren Märkte nur sehr unvollkommen – und sie funktionieren oft besser (!), wenn es hier einen Mindestlohn gibt.
Dies ist zum Beispiel deshalb der Fall, weil Menschen dann nicht aus Not oder Unwissen heraus in Verträge hereingelockt oder gezwungen werden können, wo sie pro Stunde nur zwei bis fünf Euro verdienen.
Niedrigstlöhne entwerten nicht nur die davon betroffenen Menschen (in beachtlicher Weise auch sichtbar dann an den Arbeitsbedingungen und einem in einigen Bereichen entwürdigenden Arbeitsumfeld), sondern sie vermindern auch die Effizienz, mit welcher der “Faktor Arbeit” eingesetzt wird.
Das mag erstaunlich klingen und für Vertreter radikaler wirtschaftsliberaler Ansichten sogar absurd, aber wird vielleicht verständlicher, wenn man sich einfach mal eine Branche konkret vorstellt, wo das eben beschriebene unangenehm häufig Usus ist.
Nehmen wir: Das Hotelgewerbe. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass die Zahl der Übernachtungen davon abhängt, dass die Beschäftigten teils Beträge von deutlich unterhalb von 6,80 Euro verdienen. Gleichwohl gibt es raffinierte Hotelmanager, welche z.B. mit trickreichen Vorgabezeiten und haltlosen Versprechungen ihre Arbeitnehmer in “Selbstständigkeit” hereinzwingen, um diese dann besser ausbeuten zu können.
Würden die Marktgesetze funktionieren (hier: tun sie es nicht), hätte so ein von Hotelmanager erst gar keine Mitarbeiter gefunden, und mehr noch, die Nachfrage nach derartiger Arbeit würde mit dem Lohn sinken.
Ein schlechter Arbeitgeber bekäme die “Strafe des Marktes” sofort zu spüren.
Indes, in den Elendsbereichen von Lohnarbeit und Ausbeutung verhält sich die Arbeitsnachfrage nicht rational nach “Marktgesetzen”. Kürzt man brutal schlecht bezahlten Mitarbeitern den Lohn, dann bieten diese oft sogar Mehrarbeit (!) an, um den Verdienstausfall auszugleichen.
Das mag individuell rational sein (ist es oft aber auch nicht), es stellt aber kein rationales Marktgeschehen dar.
Der “Faktor Arbeit”, jedenfalls in diesen Niedrigslohnbereichen, verhält sich oft, sehr oft, nicht entsprechend angeblicher Marktgesetze – und das hat schwerwiegende Konsequenzen, beginnend damit, dass der Wettbewerb in diesen Marktbereichen nur in eine Richtung wirkt. Es hat Konsequenzen beispielsweise auch dahingehend, dass Arbeit ineffizient (z.B. schlechte Schulung/Ausbildung) organisiert und erbracht wird, einfach, weil bei einem Niedrigstlohnniveau es für Arbeitgeber unattraktiv ist, Aufwand dafür zu treiben, dass der “Produktionsfaktor Arbeit” effizient eingesetzt wird. Im Gegenteil, der Arbeitgeber wird stärker darauf achten, seinen (so könnte man es nennen) Einkaufvorteil zu bewahren oder sogar auszubauen, zum Beispiel, indem er seinen Mitarbeitern mit schlechten Zeugnissen und anderen Schwierigkeiten droht, falls diese sich eine besser bezahlte Stelle suchen. Seine “dispositive Leistung” erbringt ein Arbeitgeber in den Bereichen von Niedrigstlöhnen eher selten.
All das ist real – und nicht etwa ein Gräuelmärchen, Stefanolix. Ein Mindestlohn könnte derartige Missbrauchspraktiken begrenzen.
Schwer wiegende Funktionsmängel gibt es in reiner Marktperspektive, jedenfalls wenn man genauer hinschaut, sogar in höheren Lohnbereichen.
Beispielsweise könnte es, wenn ein bestimmtes Erpressungsmuster (ich spreche von der Erpressung von Belegschaften) sich als erfolgreich herausgestellt hat, es attraktiv sein, den Unternehmenswerfolg vor allem dadurch zu suchen, dass man die Löhne drückt.
Es werden verschiedene Standorte gegenseitig ausgespielt, und die jeweiligen Belegschaften trickreich angelogen, dass andernfalls eine Werkschliepung “unumgänglich” sei.
So spielt man mit den Existenzängsten von Menschen – aber sind das noch “Marktgesetze”, wie sie auf die Verbesserung von Disposition, Produktionsverfahren und Produkte zielen?
Eher nicht. Und das, was ich hier gerade beschrieben habe, das findet sich in Niedrigstlohnbereichen auffällig häufig.
Paradoxer Schluss daraus
Damit wird auch zugleich klar, dass ein gesamtgesellschaftlicher Mindestlohn in ihrer Höhe recht stark begrenzt sein muss, denn er soll im Wesentlichen nur dorthin zielen, auf den Niedrigstlohnbereich, wo von “Marktgesetzen” im Sinne eines fairen Leistungswettbewerbs eben nicht gesprochen werden kann.
Zudem gibt es eine humanitäre Verpflichtung. Einer Banane mag es völlig egal sein, zu welchem Preis sie verkauft wird. Es wird sie kaum sonderlich beeinträchtigen. Ein Mensch hingegen wird durch Elendslöhne in seiner Würde massiv beeinträchtigt.
Und das ist kein gering zu nehmender Grund.
Elendslöhne sind zudem ein gesellschaftliches Problem, und die Tatsache, dass diese mit HartzIV aufgestockt werden können, begründet sogar noch mehr, warum es Mindestlöhne geben muss. Nämlich als Schutz der Gesellschaft vor
den vielmillionenfachen Missbrauchsmöglichkeiten.
Umgekehrt ist der Einwand, dass zu hohe Mindestlöhne das Marktgeschehen auf den Arbeitsmärkten beeinnträchtigen, durchaus bedeutsam. Wenn beispielsweise 20 Prozent der Arbeitnehmer vom Mindestlohn betroffen wären, so würde m.E. ein zu großer Anteil des Arbeitsmarktes betroffen sein. Es gäbe dann ganze Branchen, wo der Mindestlohn – fernab jeglichen Marktgeschehens – die allgemeine Lohnhöhe bestimmt.
Ich glaube, man kann beim Mindestlohn so gut wie nichts falsch machen, wenn man bei der Festsetzung der Höhe darauf achtet, dass gesamtgesellschaftlich nur etwa 10 Prozent der Arbeitnehmerschaft davon betroffen wäre. Dann bleibt immer (!) genügend Wettbewerb, beispielsweise dergestalt, dass sich Arbeinehmer verbessern wollen.
Wäre der Anteil hingegen 20 Prozent, würde dieser notwendige und sinnvolle Wettbewerbsmechanismus in einigen Branchen entfallen.
Das muss noch kein allzu großes ökonomisches Unglück sein, aber ich vermute, dass man mit ökonometrischen Methoden belegen kann, dass Mindestlöhne ab einem bestimmten Niveau die Wirtschaftstätigkeit hemmen.
(Ich vermute allerdings auch, dass moderate Mindestlöhne neutral – oder sogar leicht positive Wirkungen auf das Wachstum haben)
Wobei man nicht aus dem Auge verlieren sollte, dass Wirtschaftswachstum kein Selbstzweck ist, sondern nur dann wirklich Sinn macht, wenn es bei der Mehrheit der Bevölkerung auch ankommt.
Insofern könnten Mindestlöhne den durchaus erfreulichen Effekt haben, dass künftig größere Teile des Wirtschatswachstums in der Breite der Bevölkerung ankommen.
(Einen radikalen Wirtschaftsliberalen interessiert das allerdings sehr wenig, vermute ich)
Im Übrigen empfinde ich ausgesprochen wenig Respekt, wenn die FDP Mindestlöhne als angebliches Teufelszeug verdammt. Ich habe noch nicht davon gehört, dass sie ihrer Klientel die Segnungen des Lohn-Unterbietungswettbewerbs aussetzen will. Sie möchte das nicht – weder weder für Rechtsanwälte, noch für Ärzte, noch für Notare, noch für staatlich versorgte Hochschulangestellte oder andere Teile ihrer Klientel.
[…] Die Befürworter eines Mindestlohns werden spätestens jetzt laut »Ausbeutung!« rufen und mich als neokonservativ-liberalen INSM-Agenten bezeichnen. Recht so! Aber kann man wirklich von Ausbeutung reden, wenn die Kunden nicht bereit oder in der Lage sind, einen höheren Preis für bestimmte Waren und Dienstleistungen zu bezahlen? Kein Arbeitgeber kann die Differenz aus eigener Tasche drauflegen, so wie es die Betriebe in der DDR tun mussten. […]
Um ehrlich zu sein: als ich mir die ironische Wendung vom neokonservativ-liberalen INSM-Agenten ausdachte, hatte ich Deans Antwort noch nicht gelesen. Aber er war auch viel phantasievoller, als ich dachte …
Dean, in Ihrer Antwort ist viel vom Wert des Menschen und vom Wert der menschlichen Arbeit zu lesen. Wir beide werden keine Einigkeit darüber erzielen, auf welche Weise man das Selbstwertgefühl steigern kann. Ich will es durch Freiheit schaffen und Sie favorisieren anderen Methoden. Aber ich darf Ihnen sagen: /mein/ Selbstwertgefühl würde garantiert nicht steigen, wenn ein Arbeitgeber mir zwangsweise 7.50 Euro für eine Arbeit bezahlen müsste, die in Wahrheit nur 5.00 Euro wert ist …
Ihre “moderaten Mindestlöhne” werden niemals zufriedenstellend sein und auch niemals auf zehn Prozent der Arbeitnehmer begrenzt werden können. Es wird in eine Planwirtschaft führen und was dann passiert, habe ich in unserem Blog beschrieben.
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich mich ungern in irgendwelche Kollektive einordnen lasse — und dann auch noch in so viele! Könnten Sie freundlicherweise im weiteren Verlauf der Diskussion darauf verzichten?
[…] Ich hab einige Zeit überlegt, ob ich auf diese Diskussion an der Blogbar eingehen sollte. Nicht etwa, weil der Ausgangsbeitrag eher flache Ressentiments bedient und ich mich an der einen oder anderen Stelle nach den Informationsquellen des Don sehne, sonder eher, weil mich der Diskussionsverlauf an die Tribüne eines Fussballklubs erinnert. […]
Viral von unten/hinten?
Bitte mal ‘hh- heute .de’ anschauen. Und dann noch mal schauen, wo dieses ‘nachrichtenblog für hamburg’ überall als Hamburger Nachrichtenquelle eingebunden und/oder verlinkt wird.
Bei stetigen ~5 Beiträgen am Tag und vor dem Abschalten von blogscout mit erinnerten/gezählten ~200 bis ~300 Lesern am Tag stellen sich mir da doch Fragen.