Horror Vacui
Als ich begann, mich mit Blogs zu beschäftigen, gab es auf der einen Seite die Webseiten der Medien, die mit allerlei Krimskrams oben, rechts, links, ganz links vollgestopft waren. Sehr bunt, sehr klicklastig, unübersichtlich und von vielen Servern aus mit den unterschiedlichsten Applikationen gespeist.
Und es gab Blogs, mit einer Textspalte in der Mitte und noch etwas aussen rum, eine Blogroll, ein paar Hinweise. Ein Server, dazu eigene Texte und eigene Bilder. Manchmal noch ein Werbedingens.
Ich fand – und finde – diese Reduktion schön. So, wie ich lieber ein Buch als eine Gazette lese, gefällt mir ein auf den Text reduziertes Blog besser als all die bunten Zeitschriften, bei denen man sich die Texte aus Werbemüll rauskramen muss.
In den letzten Jahren hat sich das bei vielen, oft auch bekannteren Blogs geändert. Es fing an mit den kleinen, durchaus sinnvollen Bapperln für Creative Commons oder Tipps für Firefox, oder made with a MAC. Ganz klein und versteckt, nach dem dritten Besuch merkte man das nicht mehr. Das Schlimmste waren die 90 mal 15 pixel grossen Gifs, die manche sammelten, um ein paar Dinge über ihr Blog zu sagen.
Und heute haben wir wegziehbare Seitenecken, die sich jeder als lässige alternative zur politischen Aussage rechts oben reinpappt. Wir haben Tag Clouds und Facebook-Profile, wir haben Geotagging-Widgets und Shopping-Widgets, wir haben Amazonlisten und Werbung, die sich zwischen Beitrag und Kommentare drängtelt, und die die Seite wieder hochspringen lässt, weil der Werbeserver mal wieder langsamer war, aber dennoch sein Recht fordert, dass man sich die Scheisse, für die sich diese Leute verkaufen, anschaut. Es ist verdammt unhöflich so etwas zu machen, und damit es auch extra viele Clicks gibt, ist oben der Anreisser und dahinter, wenn man geklickt hat, oft nur noch Langweile, als wäre es ein dpa-Zusammengeschreibsel wie beim SPON. Die Texte werden an den linken Rand gedrückt, rechts ist massenhaft Platz für jede Form von weiterer Belästigung, und damit es auf der Site auch ordentlich optisch klingelt, gehen kleine Fenster mit sinnlosen Vorschauen auf. Unten links im Browser rauchen die zig Server durch, die etwas auf dieser Seite abladen. Und die Bilder sind von irgendwelchen CC-Datenbanken genommen.
Was soll das sein? MySPON? Ein Blog, das zum Fanzine des eigenen Fanzines wurde? Oder vielleicht nur eine Fassade, die vor die eigene, innere Leere geklebt wird, die sich vor dem direkten, privaten des Blogs fürchtet und gerne eine Bedeutung simulieren möchte, die zu Ertrag und Ansehen führt – auch wenn der Elan schon lange verschwunden ist?
Ich weiss es nicht. In der Kunstgeschichte nennt man das “Horror Vacui”, die Angst vor der Leere. Das kann die schönsten persischen Teppiche formen. Aber im Web erscheint mir das alles auf eine sehr ungesunde Art überladen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Das web zieht nur nach. Schau dir eine durchschnittliche Einkaufspassage in einer Großstadt an.
aber du hast schon recht. Widgets sind das neue Viagra des Nets.
Aber klickt da einer drauf? Mich erinnert das an all die URLs auf irgendwelchen Autos. Macht jeder, aber wer ruft das dann auf? Wo ist der Nutzen für den Leser? Wen will man mit der Viagrapotenz nehmen, wenn man zwar Widgetkraft, aber keinen Charme hat?
Das ist es, was ich nicht verstehe.
Fühl mich irgendwie angesprochen. Tut mir ja auch leid. Ich spiel halt gerne rum. Nicht weil ich Geld verdienen will. Weil es Spass macht.
Komisch, Dich meinte ich absolut nicht. Das fleigende %-Zeichen ist wirklich witzig, mitsamt seinen Gedichten. Ich meinte konkret so Zeug wie Blogfever-Widgets. Nimm einfach ein typisches Trigamibloggerblog.
Dieser Zwang zu den Symbolfotos in den blogs ist grottig. Fotos ohne Mehrwert.
Wäre besser, viele blogger würden die Zeit in Texte investieren als in das Design und die web2.0-Einbettung.
“mySpon” trifft es gut. Wobei interessant ist, dass langsam alles wie Spon aussieht, selbst B*ld.de.
Ich muss ja gestehen – ich war einer der, die sich das “Blogfever”-Plugin auf die Seite geholt hat.
Ich fand die Idee gut, dass man dadurch ein wenig “über den Tellerrand” schaut und auch mal andere Blogs entdecken kann, als die die man eh immer besucht.
Die Enttäuschung machte sich aber schnell breit.
a) ist der Dienst teilweise sehr langsam, was die Seite “einfriert”
b) funktioniert(e) da lange Zeit nichts richtig (3x die gleiche Schlagzeile usw.)
c) gibt es einfach in der Sparte, die mich interessiert kaum Blogs, die dort mitmachen.
Ergo – ich hab den Kram wieder rausgeworfen, weil weder ich neue Blogs dadurch entdeckt habe, noch andere Blogger bei mir vorbeischaut (weil eben Zielgruppeninkompatibilität herrscht)
Lesson learned.
– Layer und “Eckengucker” mag ich nicht – auch nicht, wenn sie wie bei der Vorratsdatenspeicherung “gut gemeint” waren.
– diese “Icon-Riege” (Yigg, Digg, Wasweisich) find ich auch überflüssig. Wenn ich was gut finde, dann packe ich die Seite zu “Lesezeichen / Favoriten” und nicht zu so nem Sozialdingsda.
Ich muss zugeben, “Horror Vacui” hört sich wesentlich besser an, als “uncoole Todsünde” (wie ich solche Blinkeblogs nenne). Ich habe mich gefragt, warum die Leute so etwas machen. Und die Antwort: Weil sie es können. Ich finde es bedenklich, wie viele Blogger mit solchem Firlefranz Inhalte simulieren. Und wie viele andere Blogger sich durch so etwas beeindrucken lassen.
Neue StudiVZ AGB
…Zudem erkläre ich mich einverstanden, dass studiVZ meine personenbezogenen
Daten nutzt, um mir Marketing-Mitteilungen unter Verwendung elektronischer Post
zuzusenden (z.B. zum Versand von E-Mails an die von mir für die Nutzung des
StudiVZ-Netzwerkes verwendete E-Mail-Adresse, SMS-Werbung an die von mir
hinterlegte Mobilfunk-Rufnummer sowie von Nachrichten mit werbendem Charakter
über den Nachrichtendienst von studiVZ oder einen von mir angegebenen
Instant-Messenger).
…..na dann gute Nacht
Würde das mal nicht so eng sehen. Das ist der Spieltrieb mit einem neuen, noch weitgehend unerforschten Medium. Mehr als ein Traffic-Strohfeuer kann man mit solchen Methoden ohnehin nicht erreichen. Und zumindest die meisten Leser dieses Blogs fühlen sich ja eher abgestossen davon.
@#8
Das ist der Grund, weshalb man sich bei Studivz nicht mit echten Daten eintragen sollte, auch die EMail-Adresse sollte eine der Ramschadressen sein, von denen jeder sich eine schnell mal machen kann. Wenn man sich schon nicht abmeldet, sollte man wenigstens den Zugriff auf einen verhindern.
Wir?
Ich nicht!
Mich hat diese Wichtigkeit und Überbewertung von Fassade schon genervt, bevor es überhaupt das Internet, ja, PCs gab.
Diese inhaltsleere Kacke, die hübsch bunt angestrichen wird und auf die die Leute immer noch reinzufallen scheinen.
Die gabs immer und es wird sie immer geben, befürchte ich.
Es ist die alte Geschichte der Verpackung, die über den beschissenen Inhalt hinwegtäuschen soll.
Der (äußere) Schein ist alles – sonst zählt nix.
Auch von daher gesehen ist das www nur eine Widerspiegelung realer Gegebenheiten.
Traurig, aber wahr.
The medium is the message – das haben einige wohl vom Studium noch behalten. Deswegen ist das alles so schön bunt da …
Wenn viel buntes Blinkeklicki auf einem Blog ist, dann fühle ich mich als Leser bzw. mit meiner Aufmerksamkeit missbraucht.
Die “wabernde Ecklasche” aber finde ich, rein optisch, garnicht übel. Für meinen Geschmack sollte sie kleiner und etwas ruhiger sein. Mir ist sie, jedenfalls für mein Blog, noch zu aufdringlich – aber ich finde es auch nicht schlecht (manchmal freue ich mich sogar), wenn ich sie auf fremden Blogs sehe.
Tja.
Mein Blog müsste ich mal gründlich aufräumen und neu strukturieren. Wertvoller als irgendwelches Tag-Gewolke wäre m.E. ein sinnvolles Stichwortverzeichnis. Das macht aber viel Mühe – und bei den relativ geingen Leserzahlen, die ich habe, wäre es wohl auch etwas zu eitel, sowas zu veranstalten.
Die Idee ist nicht übel, aber es ist halt so was, das man sich hinmacht und keinerlei Folgen tragen muss. Ein fancy Gadget. Wenn das bei Dir ist, sagt es dauerhaft, was bei Dir immer wieder auftaucht. Aber bei vielen anderen: Show. Sonst nichts.
diesmal hats nur fuer den 15. platz gereicht.
ich gruesse alle die mich kennen!
Zu diesen ganzen bunten JavaScript-AJAX-Schei** fallen mir nur zwei Plugins für den Iceweasel (Firefox für Leute, die sowas wie Windows verwenden) ein:
* Adblock Plus
* NoScript
Ich habe schon seit Jahren (oder besser gesagt, seit ich die Extensions installiert habe) keine Werbung und sonstigen blinkenden Nervenräuber gesehen. Denn der ganze Scripting-Kram ist erst einmal deaktiviert (NoScript sei Dank), dank Platzhaltersymbolen, kann man dann z.B. ein gewünschtes Video wieder aktivieren (und zwar nur dieses und auch nur temporär). Und die ganzen Werbeserver und Server zur Nutzerverfolgung kommen auch nicht mehr zum zuge (entweder Adblock Plus oder NoScript).
Insofern kann ich nur jedem Surfer empfehlen, die beiden Extensions zu nutzen (und damit auch gleich auf einen Browser umzusteigen, der sich größtenteils an gängige Webstandards hält).
Grüße,
Drizzt
an sich sehe ich das Problem der überladenen Seiten nicht so eng, soll doch jeder so handhaben wie er Lust drauf hat (wobei ein Layout wie beispielsweise blog.fefe.de als absolutes Minimaldesign durchaus auch seinen Reiz hat).
Problematisch finde ich bei dem Klickibunti nur zwei Dinge: Wenn die Texte selber durch unglaublich große Werbebanner unterbrochen werden (die Server landen dann unverzüglich als 127.0.0.1 im hosts-File) und wild flimmernde und blinkende Dinge – Gif-Animationen habe ich deaktiviert, Flash nutze ich gar nicht, die Extension noscripts erledigt den Rest.
Once upon a time, als SpOn noch halbwegs brauchbar war, aber bei einem Layoutwechsel die Werbeflächen überhand nahmen, gabs halt nur noch:
[x] Javascript -> aus
[x] Flashplayer -> raus
[x] Grafiken blockieren von _spiegel.de_
Scheiße, was hab ich mich neulich erschreckt, als ich die Seite bei einem Bekannten aufgerufen hab, der diesen ganzen Schrott anzeigen ließ.
Inzwischen bin ich der Meinung, dass die nützlichste Funktion beim Firefox der Schnellzugriff “rechte Maus” -> “Grafiken blockieren von” ist. Mittlerweile ist meine Grafik-Blockier-Liste größer als meine Bookmark-Liste…
Zu:
Die Frage, die sich daraus stellt, ist ja tatsächlich gut: Was machen all diese vielen bunten Erweiterungen, was bringen sie, wohin führen sie?
Ich glaube, den meisten dieser Dinger, mit denen Blogs vollgekleistert werden, leiden unter dem Problem, dass sie der Formensprache der Werbung entlehnt sind – oder schlimmer noch: selbst nur Marktgeschrei darstellen.
Vieles, was als kurze Aktion noch sein Recht hat, wird stattdessen zur bequemen Dauergestaltung. Es addiert sich und die Summe der Addition wird zu einem Minus.
[…] Ein Post von Don Alphonso (Rainer Meyer) auf blogbar.de geht kritisch mit der Entwicklung von Blogs und Webseiten um. Inhalte werden in Randzonen verdrängt, User werden zu Klicks auf Widgets, Werbeanzeigen und Tag Clouds verleitet. In meinem privaten Blog achte ich darauf, dass der Content und der Nutzen für den Benutzer an erster Stelle steht. […]
Horror Vacui, das Gedicht:
http://molochronik.antville.org/stories/1536287/
Kostprobe:
Den letzten Rest zupflastern. Die letzte Lücke überkleben.
Nur keine Flecken des Nichts zwischen all dem Plunder,
sonst könnte man ergrausen beim Anblick;
oder erbleichen wegen der Aussicht dahinter
wäre noch Platz, für ganz neue Wesen.
[…] Angst vor der Leere? http://blogbar.de/archiv/2007/1… […]
Salve
Einer davon bin möglicherweise ich.. auch wenn ich keine Werbung reinschmeiss in meinen Blog, ein paar Favicons habe ich drin, auch ein Bannerchen für mein Verzeichnis.
Egal… Die Botschaft ist rübergekommen und auf fruchtbaren Boden gefallen. Zweimal nachdenken vor dem einsetzen ist angesagt.
Gruss
Christian
[…] Don Alphonso bringt das gewohnt bissig sachlich auf den Punkt. […]