Viel spannender als die devote Fragenabhakerei der FAZ gegenüber StudiVZ finde ich die Analyse des Interviews zum Relaunch, die man bei Neunetz nachlesen kann. Dort blickt das Internet vom Standpunkt neuester Entwicklungen aus hinunter auf die archaischen Netzvorstellungen des bekannten Netzwerks. Im Prinzip wäre das die Arbeit gewesen, die man von einem Journalisten hätte erwarten sollen – aber zum Glück gibt es ja Blogs.

Eine sehr spannende Frage wurde überhaupt nicht gestellt, und die wäre in unserem Kontext äusserst wichtig: Wie hoch der Umsatz der Holtzbrincktochter StudiVZ ist, wenn man ihn um die Werbeleistungen für andere Holtzbrinckfirmen bereinigt. Rowohlt, Fischer, Die Zeit, Lovelybooks und Familyone sind nur ein paar Beteiligungen, die die bislang eher mässig erfolgreiche Werbeacquise aufhübschen. Es geht das Gerücht, dass es diese Werbeumsätze sind, die den weiteren Zusammenhalt von StudiVZ und seinem ebenfalls bei Holtzbrinck sitzenden Vermarkter faktisch erzwangen: Es wäre sicher nicht im Sinne des Verlages, wenn ein externer Vertrieb an der Werbung einer Holtzbrinckfirma bei der anderen profitieren würde.

Und damit nähern wir uns auch einer möglichen Erklärung für die Strategie von StudiVZ, die bei neunetz und vielen anderen auf Unverständnis stösst. Dass man ein weiteres Netzwerk für Nichtstudenten gründet, keine radikal offenen Schnittstellen für Drittentwickler bietet und auch keine komplette Durchlässigkeit zwischen den kommenden drei Produktfamilien zulassen will, ist die Folge einer ganz bestimmten Auffassung: Holtzbrinck will die Netzwerke wie Zeitungen betreiben, sie als teil einer Wertschöpfungskette mit anderen Projekten verbinden, und die Nutzer wie Abonennten mehrfach monetarisieren.

Man muss diese Netzwerke also wie Zeitschriften verstehen – etwa wie Bravo, Neon und Die Zeit. SchülerVZ hat eine klar umrissene Zielgruppe, die für bestimmte Themen und Angebote empfänglich ist, Studenten sind da schon etwas weiter und auch anders, jenseits des üblichen Schutzes mit Werbung ansprechbar, und Menschen im Berufsleben stellen sich mit ihren Bedürfnissen anders dar, als Studenten es tun. Gleichzeitig ändert sich bei jedem Ãœbergang der Lebenssituationen tatsächlich auch das persönliche Umfeld. Eine Aufsplitterung der Marke macht also gegenüber Nutzern und besonders der werbetreibenden Industrie Sinn, wie auch für die Synergieeffekte innerhalb des Holtzbrinckkonzerns: So könnte man StudiVZ nutzen, um das Nachrichtenportal Zoomer gross zu machen, und das Freundesnetzwerk für Erwachsene für Zeit, Handelsblatt und Parship nutzen. Ähnlich können Buchverlage arbeiten: Rowohlt Taschenbücher für Studenten, Fischer Hardcover für Erwachsene. Verschiedene Firmen des Holtzbrinckkonzerns können dadurch die Monopolstellung der Netzwerke in deutschland im Alleingang beanspruchen, ohne lästige Konkurrenz anderer Medienhäuser. Das ist meines Erachtens auch der Grund, warum Holtzbrinck den Zugang für Drittanbieter reglementieren will: Die Netzwerke sind eine Line Extension der Firma ins Digitale, so wie die Süddeutsche am anderen Ende der Verwertungsmaschinerie offline Wein verkauft. Andere Anbieter würden da nur stören.

Und gäbe es da nicht das nicht weniger unerfreuliche Startup Facebook, könnte es sogar funktionieren. Aber Facebook kommt nach Deutschland, und ist kein Medienkonzern, sondern nur ein vollkommen überbewertetes Startup, das Idioten sucht, die auf die Masche vom zweiten Google reinfallen und viel Geld dafür bezahlen. Facebook hat wie StudiVZ Probleme mit Werbeerlösen, aber keinerlei hauseigene Contentlieferanten und Firmenteile, auf deren Strategie man Rücksicht nehmen müsste. Statt dessen lässt man alles und jeden Applikationen entwickeln, weil man es selbst nicht auf die Reihe bringen würde. Facebook könnte gar nicht mehr als eine Art Betriebssystem für Applikationen stellen, selbst wenn sie wollten. Man konzentriert sich allein auf das Wachstum. Und trifft in Deutschland auf einen Markt, in dem ein Medienkonzern ein Monopol auf das Soziale Netzwerk besitzt. Und die anderen genau wissen, was Holtzbrinck da vor hat.

Und deshalb werden Spiegelgruppe, Burda, FAZ, Springer, derwesten und wie sie alle heissen, die amerikanische Datenkrake genauso unkritisch gross schreiben, wie sie vor zwei jahre die deutsche Kopie mitsamt ihrem fragwürdigen Personal gross geschrieben haben. Facebook ist ihre grosse Chance, bei Facebook können sie einfach mit ihren Angeboten rein, mit Facebook startet das Rennen um die Communities nochmal, und die Pläne dafür werden gerade umgesetzt. Mir ist bei der Sache speiübel, denn Facebook im fernen Amerika wird sich noch weniger um deutsche Datenschutzrichtlinien kümmern, als StudiVZ mit seinen kruden AGB.

Ich habe kurz vor dem endgültigen Crash der New Economy 2001 mit dem Thema der Internetökonomie abgeschlossen, und habe mir geschworen, nie wieder in den Krieg zu ziehen, auf welcher Seite auch immer. Man hat es überall mit Dreckschweinen zu tun, es gab kein Richtiges im Falschen, damals wie heute, und das, was ich mit der Blogbar bewegen konnte, war nicht wenig, aber auch nicht genug. Man kann den widerlichen Dreck, den das asoziale Netz darstellt, nicht effektiv bekämpfen, weil es von der unerschöpflichen Ressource der menschlichen Dummheit und Gleichgültigkeit lebt, und für jeden, den man aufrüttelt, klatschen hundert andere die nächsten Suffbilder ins Netz. In zwölf Monaten wird StudiVZ nur noch eine rauchende Müllhalde sein, falsch als Papierprojekt gegen das Internet konzipiert von den Erbauern und von Facebook im Sturm genommen, alles wird anders sein, und nichts wird besser. Vielleicht sollte man eher darüber nachdenken, Pläne und Modelle entwickeln, wie man die natürlichen Schwachpunkte des asozialen Netzes nutzt, um deren Vorteile anzubieten, deren Nachteile aber auszuschalten. Für die, die es wollen. Die anderen – mei. Irgendjemand muss immer für die Dummheit bezahlen.