Die kritische Masse und die Farben-Partner von der Telekom
Morgen Nachmittag kann man sehen, wie weit es beim Werberkongress der Re-Publica in Berlin eigentlich mit dem Motto “Die kritische Masse” ernst gemeint ist.
Denn einerseits haben wir hier und hier den Versuch der Telekom, das amerikanischem Blog Engadget von deren Seitenfärbung in Pink/Magenta abzubringen, weil die Telekom der Ansicht ist, auf die Farbe ein Recht zu besitzen. Der – meines Erachtens – Irrsinn, die die Telekom da seit Jahren auf dem Rücken von Websitebetreibern und Firmen austrägt, geht global in eine neue Runde und erreicht jetzt auch Blogs, die sich in solidarisch mit Engadget ebenfalls in Magenta einfärben.
Wenn sie nicht gerade zufällig mit der Telekom in ein Veranstaltungsbett steigen. Wie eben die Re Publica 08 in Berlin, auf der die Telekom als “Partner” der veranstaltenden – offensichtlich nichtpinker – Bloggervermarkter auftritt. Dort darf sie morgen zwei Stunden lang ihr Developerportal vorstellen, mit dem angesichts obigen Auftretens fast schon apodiktischen Motto “Partner-Workshop: Telekom meets Web 2.0”. Zu einem Promo-Video eines Mitarbeiters des Kongressveranstalters “New Thinking” heisst es dann auch im angenehmen publizistischen Umfeld direkt unter der durchgereichten Veranstaltungsinformation (http://re-publica.de/08/2008/03/28/partner-workshop-telekom-meets-web-20/):
Im Vorfeld der re:publica hat Andreas Gebhard ein Interview mit Bianca König über das Engagement der Deutschen Telekom im Bereich Social Software gemacht
Allerdings feht da ein Wort über das Wüten der Telekom wegen “ihrer” Farbe. Von einer kritischen Bloggermasse würde man vielleicht erwarten, dass sie die Telekom nach der Geschichte fristlos vor die Tür setzen, statt ihr weiterhin ein, sagen wir es deutlich, bezahltes PR-Forum zu bieten. So zwengs Solidarität mit Bloggern und Aufzeigen, dass man sich nicht von Alles und Jedem kaufen lässt. Aber hey, wer wie die Veranstalter Werbung für Yahoo schaltet und das ok findet, wird sich doch von sowas nicht den Partner vergraulen lassen – noch dazu, wenn es der einzige ist.
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Tja, die Frage, ob man sich kaufen läßt ist nicht die des Geldes oder der Höhe der Bezahlung, sondern eben einfach eine Gewissens- und Charakterfrage.
Es ist eine Systemkrankheit, und damit meine ich das Wirtschaftssystem, nicht nur web 2.0. Die Steuerhinterzieher, der Spam, die Gier nach “Markt-Anerkennung” bei Bloggern, alles das ist Bestandteil dieser Krankheit. Und deshalb wird es innerhalb dieses Systems leider auch nicht möglich sein, das überhaupt vernünftig zu thematisieren (ohne daß die Kranken wütend aufheulen), geschweigedenn dergleichen abzuschaffen.
Ich glaube, das mit dem ‘kritisch’ hast Du nicht ganz richtig verstanden :-) ‘Kritisch” im Sinne von ‘re:publika’ ist nicht als “kritisch” im Sinne von “Kritik” gemeint sondern im physikalischen Sinne. Etwa “das Erreichen einer kritischen Masse” von Neutronen um eine Atombombe zu zünden. Auf re:publika übertragen bedeutet dies das Erreichen einer kritische Masse von Rezipienten von Werbebotschaften, ab der sich der Absatz von Produkten nennenswert steigern lässt. “Neutronen” in der Physik sind quasi die Dummköpfe, welche auf Werbebotschaften hereinfallen oder auch die WebZwoNull-Schnullies, welche die schöne neue Konsumenten-Demokratie verkünden, wenn sie irgendwelche Produkte in irgendwelchen Weblogs bekakeln dürfen.
ja. peinlich!
Ich halte die Frage wie sich re:publica zur Telekom verhält ebenfalls für hochinteressant und habe beim Websenat gebeten die Frage für mich zu stellen:
http://blog.websenat.de/2008/04/02/republica08-die-zukunft-der-social-networks#comment-6460
Entweder gibt es eine Antwort oder nicht. Nein ich hätte die Telekom nicht eingeladen, weil ich keine Dopingspezialisten brauche und das was die von Computern, dem Netz und der Welt wissen, kann mein Dackel auf dem Schwanz wegtragen.
Andere sehen das anders, die haben sogar Verträge mit der Telekom.
Mir würde es übrigens reichen, wenn die re:publica sich aufrafft eine deutliche Botschaft in Sachen Telekom auszusprechen, den Nichtkonferenzablauf wird man wohl kaum noch ändern können, zumal es garantiert Leute gibt die diesen Vortrag unbedingt wollen.
Einige Referenten auf der Re:Publica haben heute schon in Wort und Folie ihren unmut bekundet – und das wurde auch beklatscht. Das Publikum liest mit …
Selbst Blöd-Online hat ein Interview mit einem re:publica-veranstalter, ohne anzugeben, dass dies über dpa lief.
Ich weiss, dass die das hier lesen. Aber man muss sich halt auch mal oben überlegen, was man will. Und es gibt Verhaltensformen, da macht man sich auch allein schon durch die Kollaboration und das Anbieten eines kritiklosen Raum zum Helfer. Dass die telekom ein grosser Laden ist, steht ausser Frage, aber irgendwo muss man mal anfangen, denen die Grenzen aufzuzeigen. Und damit meine ich nicht die da unten.
So lange die re:publica Organisatoren die Kritiker nicht mundtot machen halte ich es für durchaus vertretbar, dass sie sich mit magenTa eingelassen haben. Irgendwo muss das Geld schließlich herkommen.
“Irgendwo muss das Geld schließlich herkommen.”
In diesem Wort Irgendwo liegen ganze Welten zwischen Moral, Heuchlertum, Lüge, Versprechen und Anstand. Es muss eben genau nicht irgendwo herkommen. Irgendwo kann auch Liechtenstein heissen. Yahoo. Abmahnanwälte. Internetabzocker. Irgendwas.
Dass die Leute schon bei Yahoo Pech mit dem Timing hatten – mei. Irgendwann muss man sich halt entscheiden, was einem wichtiger ist. 1000 Tacken oder Unabhängigkeit von denen, die beweisen, dass sie sich einen Dreck um Blogs scheren.
Zunächst brauch so eine Veranstaltung tatsächlich Sponsoren, wie sonst solle sie sich finanzieren?
Zurecht wirfst Du, Don Alphonso, dann ein, dann das Geld “eben nicht irgenwo herkommen” darf. Aber ist ein Vergleich mit Lichtenstein wirklich angebracht? Und was steckt hinter dem “Irgendwas”? Ein Grundmißtrauen? Wenn ja, dann hat es doch erstaunlich viel Schmiss, zuviel Schmiss meines Erachtens…schließlich klagt die Telekom nicht nur und mit besonderer Härte gegen Blogger, sonder auch gegen andere, siehe den Fall von “My favourite book”…
http://www.heise.de/newsticker/Telekom-verliert-Magenta-Prozess–/meldung/25342
…was den Magenta-Unsinn allerdings auch nicht besser macht.
Ähm – genau das habe ich auch oben verlinkt.
Diese Abwägungsproblematik ist für die Betroffenen nicht nett und kein Vergnügen, aber genau dann zeigen sich eben Grenzen der Verantwortung und des Selbstbildes. New Thinking wollen ganz doll alternativ mit Blogdingens machen, statt dessen geben Beckedahl & Co. die braven Mikrophonhalter. Wenn beckedahl Eier in der Hose hat, sagt er, dass ihm seine hehre Netzpolitik irgendwie wichtiger ist und zieht Konsequenzen. Oder er lässt es. Dann muss er halt damit leben, wenn man ihm nachsagt, dass er zwar ganz tolle Sachen in sein Blog schreibt, aber für ein paar Euro ganz schnell zum PR-helfer derer mutiert, die Blogger wegen einem bescheuerten Klacks angehen. Manchmal gibt es eben keine einfache Lösung. Ohne dass man jetzt deren Lieblingsscheisse zitieren dürfte, dass es nichts Richtiges im Falschen gibt.
[…] Die Sache mit der Telekom und Engadget ist wieder einmal ein exemplarisches Beispiel. Blogger-Kollegen aus den USA werden abgemahnt – die Telekom wird Partner der re:publica. Es drängt sich der Eindruck auf, egal welches Regime, egal welches Unternehmen – was auch immer man auf dem Kerbholz hat – im Berliner Bloggernetzwerk und den angeschlossenen Lemmingen kann man sein Gewissen jederzeit reinwaschen. Vorausgesetzt das Geld stimmt. Die re:publica dieses Jahr trägt den Beinamen kritische Masse – sie sollte den Beinamen käufliche Masse tragen. Und bevor jetzt wieder wer mit dem Blogfundi – der eh eine Auszeichnung war – wedelt: Man kann es richtig und falsch machen. Robert Basic zum Beispiel macht es richtig und lässt sich nach seinen Maßstäben, egal ob ich dem immer zustimme oder nicht, angemessen bezahlen, nicht kaufen. Sollten wir uns irgendwann entscheiden, uns auch bezahlen zu lassen, wird ein ähnlicher Weg gegangen, wie ihn Robert geht. Kaufen lassen werden wir uns nie. Glaubhaft, mit Rückgrat und klaren Vorgaben, Robert-like. Die oben genannten Blogger und die angeschlossenen Lemminge, und dieser Eindruck ist mittlerweile nicht nur bei mir verfestigt, lassen sich nicht bezahlen – sie würden sich von Allem und Jedem kaufen lassen. Mal völlig abgesehen davon, was im Hintergrund privat gegen die Kritiker läuft. […]
Ist angesichts des deutlich rowdyhafteren Verhaltens in der Vergangenheit bei der Telekom nicht sogar von einem Lernprozess zu sprechen? Immerhin ist das keine Abmahnung, sondern ein recht freundlicher Hinweis – und es werden (afair) auch keine rechtlichen Schritte angedroht. Ein einfaches “Hey Leute, da isn Problem mit der Farbe, lass’ das mal lösen”. Wie es woanders auch schon stand: Da gibts mit der Telekom viel dringendere Probleme.
Gleich die Keynote auf der re:publica begann mit einer Folie in Magenta. Das sei heute wahrscheinlich das letzte Mal, dass man diese Farbe frei sehe, so der Politologe Viktor Mayer-Schönberger. Ein netter Einstieg…
@ Don Alphonso
Sorry, wegen dem Link. Es ändert aber nichts. Gerade das zeigt einem ja, dass die Telekom es eben nicht per se auf die Blogger abgesehen hat und es daher auch kaum einen Grund für die Veranstalter aka die “kritische Bloggermasse” gibt sie von der re:publica auszuschließen.Zumal Mark S. uns ja darauf hinweist,dass die Veranstaltung an sich nicht allzu unkritisch ist. Ob es so bleibt, muss sich allerdings erst zeigen…
Und natürlich ist die Abwägungsproblematik für die Betroffenen nicht nett, das ist sie nie – man sollte nur versuchen, ein objektives Bild zu zeichnen.
Zu Sabine Bunz und zoomer nur soviel: Die Zugriffszahlen von zoomer.de und tagesspiegel liegen wohl weit weit unter den erwartungen. die qualtität gerade von zoomer texten ist wirklich bescheiden, keine frage holtzbrinck wird sich vom dem projekt wahrscheinlich noch 2008 wieder verabschieden. vielleicht wird sabine bunz wieder zitty texterin?
Kaffeefahrt in die Kalkscheune.
Werbeverkaufsveranstaltung gegen €40,– Eintritt.
Nur ohne Rheumadecken und Kochtöpfe.
160 Referenten für 100 Themen/Veranstaltungen.
Teilgepflegte Adabeis gähnend auf Stühlen lümmelnd.
Wenn die kritische Masse sich zu einer Frage erhob,
folgte live gestreamte Selbstdarstellung.
Teilzitat Knüwer: “Weil digitale Kommunikation niemals die
direkte, menschlich ersetzen kann.”
Der Plausch beim Bier im Innenhof. Das wird’s sein.
Kann ich auch hier haben. Die einzige Werbung ist der
Getränke-Aufdruck auf dem Sonnenschirm.
So mein lückenhafter Eindruck gestern aus der Ferne.
Ja, ja, diese Sabine, total erfolglos, die Frau! Oder hieß sie Claudia? Oder Helga? Egal. Hauptsache, wir haben mal wieder ein Gerücht gestreut, nicht wahr?
@18: Und das am zweiten April, anstelle des Ersten…
[Pokerwerbung hat hier nichts verloren. Don]
@ Stefan
Die Idee hinter dem Begriff verstehe ich eigentlich als recht hübsche Idee: Eine wachsende Gegenöffentlichkeit von freien und kritischen Bloggern entwickelt sich zur “kritischen Masse”, gewinnt an Gewicht und trägt gegenüber dem bisherigen Zustand (z.B. bei käuflichen/unkritischen Medien) zur Veränderung bei.
Die Idee mag also gut sein, aber die Umsetzung: Das ließe sich verbessern. Meiner Meinung nach gehört dazu auch eine gewisse Unabhängigkeit und sogar Kritik gegenüber dem Kommerzbloggen.
Nicht nur darüber reden, “wie” man es macht, sondern auch, was daran schlecht sein könnte.
Statt Trigami ein Forum zur unkritischen Selbstdarstellung zu bieten, hätte man mit guter Vorbereitung zeigen können, warum Trigami tatsächlich wenig taugt bzw., allgemeiner formuliert, welche konkreten Probleme beim Kommerzbloggen auftreten.
Schleichwerbung? Publikumsverarschung? Käufliche Meinungen? Ausspionierung von Nutzern für Werbezwecke? Datenschutzprobleme bei StudiVZ ignorieren?
Ich will nicht in Abrede stellen, dass das Organisieren und Durchführen der re:publica eine wirklich gute Leistung darstellt. Johnny, Markus und andere haben da durchaus Respekt verdient. “Kritische Masse” stelle ich mir aber noch etwas anders vor, oder, konstruktiver formuliert, man könnte das m.E. etwas besser hinbekommen.
Sofern der Wille dazu da ist.