Gerade eben waren diverse Leute auf dem Werbevermarkterkongress Re:Publica so freundlich, den auch von diesem Blog hier geleisteten Bemühungen gegen eine Dominanz der Blogosphäre gegen Käuflichkeit und das, was sie “Professionalisierung” nennen, eine recht hohe Effizienz zuzusprechen. Es ist immer nett zu wissen, dass auch so ein Blogvermarkter-Auditorium immer an einen denkt, wenn man fern den Berliner Niederungen in angenehmer Umgebung, mit guten Freunden und vorzüglichem spätem Frühstück verbleibt.

Eines vielleicht voraus: Es schmerzt mich schon, dass ich das widerlichste präsentierte Geschäftsmodell der dort Vortragenden, die PR-Agentur Trigami und ihren Gründer Remo Uherek noch nicht in folgende Empfehlungen einschliessen kann, denn wenn ich einem eine wirklich unerfreuliche Tätigkeit wünschen dürfte, wäre er es. Ich halte Trigami in seiner Gewissenlosigkeit und vollkommen unreflektierten Koofmichtum für das grösste Problem, das es innerhalb der Blogosphäre zu lösen gilt, da helfen auch keine Versuche, zu Weihnachten drittklassige Schokolade, offensichtlich deren Begriff von Medienarbeit, zu schicken.

Aber die anderen, namentlich Sascha Lobo von Adical und Peter Hogenkamp von der Blogwerk AG: Wenn das wirklich stimmt, dass die Umsätze so lächerlich niedrig sind, knapp 250.000 Euro bei Adical und nur 50.000 bei Blogwerk, wenn ich mich nicht verhört habe, bei Lobo kommen die Fahrtkosten raus und Blogwerk hat mit 300.000 Views von Bannern 0 Euro verdient – sorry, ganz klare Ansage: Lasst es bleiben und geht kellnern. Das wird nichts mehr.

Der Werbemarkt hat ein Überangebot von Werbeplätzen. Blogs sind da nur eine Alternative unter vielen, und das mit nicht wirklich guten Informationen über die Leserschaft. Ich sehe nicht, wie da noch signifikante Zuwächse bei den Lesern kommen sollten, und selbst wenn: Nehmen wir mal an, die Blogwerk AG schafft das Kunststück und vervierfacht ihre Nutzerzahlen, kommt damit mit allen Blogs unter die Top 20 der meist besuchten deutschsprachigen Blogs – wie gross sind dann die Jahresumsätze durch Werbung? 200.000 Euro? Oder vieilleicht mit etwas Glück 300.000? Selbst dann wird man Problme haben, ordentliche Leute ordentlich zu bezahlen. Ein halbwegs passabler Journalist kostet fest angestellt 50.000 im Jahr, mit allen üblichen Abgaben, oder man macht es eben weiter so wie bisher: Viele Artikel raushauen, die den Schreibern jetzt nicht wirklich viel Geld einbringen. Wie das lokale Schmarrnblatt für freie Autoren, nur eben jetzt die Nische als Ersatz für den Kaninchenzüchterverein. Bei vier Gründern, die 1/3 des Umsatzes von Adical erhalten, und dazu den ganzen Verwaltungs- und Vertriebsaufwand haben, ist das am Ende auch nicht viel mehr als ein Praktikantengehalt in Berlin.

Jenseits aller persönlichen und ideologischen Vorbehalte, die man gegen die Blogvermarktung haben kann: Es lohnt sich nicht, selbst wenn man den ganzen damit verbundenen Ärger rausrechnet. Kellnern ist sicher lukrativer. Wenn die Leute klug wären, würden sie die Re:Publica zu einer ganzjährigen Bloggerkneipe “Zum lustigen Twitter-Iro” umbauen, schliesslich sind 800 Stammgäste so einiges, auf die Viraleffekte setzen, und Hogenkamp eine Lizenz für Zürich geben. Das Problem ist weniger, dass die aktuellen Zahlen schlecht sind, das eigentliche Problem sind die Aussichten für die kommenden Jahre. Sehr viele vermarktete Blogs werden nicht mehr grösser, das zu erwartende Wachstum beim Umsatz wird also nicht so stark ausfallen, dass es oberhalb der Fixkosten sehr viel mehr zu verdienen gibt.

Vielleicht sollten sich die Leute also mal eine grundsätzliche Frage stellen: Gibt es überhaupt einen Markt für Werbung in Blogs, ist das Angebot ordentlich entwickelt, und wenn nein, was würde es kosten, das zu tun, und lohnt es sich dann? Übertragen würde ich das Bloggen vielleicht mit einem Bergbau vergleichen: Lobo und Co. glaubten, dass das gewonnene Erz hohe Marktpreise erzielt, eine einzigartige Qualität hat und da noch viel mehr zu finden ist. Nun sind die Marktpreise aber wegen des Überangebots und der Finanzkrise nicht mehr so gut, die Einzigartigkeit wird vom Markt nicht erkannt, und recht viel mehr gibt das Bergwerk auch nicht her. Das ist natürlich blöd, wenn man im Jahr davor Sturzbäche von Geld versprochen hat, das nervt Investoren , Beteiligte und diejenigen, die daran glaubten. Aber hey, der wilde Westen ist voller aufgelassener Goldminen, und es sind und waren Werber, die das grosse Geld versprachen. Lobo bohrt längst woanders.

Das sollte einem zu denken geben, und die Entscheidung für das Kellnern leichter machen.