Lebensräume
Gestern bekam ich eine Mail eines potentiellen Auftraggebers, der auch so einen Beitrag über “Social Networks” haben wollte. Nun bin ich in Italien, und habe trotz miserablem Wetter absolut keine Zeit dazu, und mutmasslich auch die nächsten Wochen nicht, die mit der Aufarbeitung der Mille Miglia beginnen und dann ins Nacharbeiten anderer Beschäftigungen übergehen.
Was mich dann aber doch erstaunt hat, war diese “Ihr Blogger seit doch sowieso immer im Netz”-Attitüde, mit der auf die Absage reagiert wurde. Sind wir? Ich war gestern sieben Stunden im strömenden Regen ganz ohne Netz, und ansonsten ist das Netz ein arbeitsbegleitendes Medium. Ich habe Deadlines, die ich einhalten muss, und während der Schreiberei läuft das Bloggen als Entspannung mit. Und ich denke, dass es bei vielen, sehr vielen so ist.
Aber der Ruf der Blogger scheint doch ein anderer zu sein. Möglicherweise auch der Anlass, der zu diesem Ruf führt. Denn tatsächlich fällt mir kaum ein Blog ein, in dem “Draussen” sowas wie ein bestimmendes Thema ist. Eine ganze Reihe “führender” deutscher Blogs bezieht seinen Inhalt weitgehend sekundär, schreibt Zeitungen ab und sucht irgendwelchen Entertainmentmüll im Internet. Oder beschwert sich über Medien, was genauso gut und populistisch ist, wie über den Benzinpreis zu jammern. Ganz zu schweigen von den Hanswursten und Rattenfängern, die darüber bloggen, wie man mit bloggen reich und berühmt wird.
Man kann es einfach entsprechend der Verlinkung und Besucherzahlen durchgehen: Basicthinking bezieht so gut wie nichts aus dem realen Leben, Bildblog klebt an einer Zeitung, Nerdcore und Spreeblick klauben sich den Content weitgehend aus Fundstücken zusammen, Niggemeier versucht sich mit Aufbauschen und Aufsexen für seine johlenden Leser und Spammer an Mediengegnern, die ein leichtes Opfer sind, der Werbeblogger hat das erkennbare Privatleben einer Werbeschaltung, das Lawblog dreht sich um den Beruf, Indiskretion Ehrensache nimmt sich Medien und PR vor, und die Blogbar als Metablog wäre für sich genommen die Quelle alles Üblen, hätte ich nicht noch zwei andere Blogs, die anders sind. Völlig krank wird es dann bei den selbstverstärkenden Blogs der rechtsextremen Verschwörungstheoretikern wie Kewil und Konsorten.
Man kann nicht umhin zuzugeben, dass die den Medien bekannten Blogs weitestgehend den Eindruck machen, als wären Blogger fetten, bleichen Kellermaden mit einem Identitätsproblem nicht unähnlich, das sie in Ermangelung eines “Draussen” in das Netz ballert, wo sie dann bittschön auch verfügbar zu sein haben. Es ist natürlich auch ein Problem der Wahrnehmung, die sich einmal auf ein Bild “des Bloggers” eingeschossen und Probleme hat, die Alternativen zu finden – zumal das Image eigentlich ganz gut in die Agenda passt.
Man muss etwas tiefer einsteigen, um zu erkennen, dass es auch, aber nicht nur so ist. Es ist ein Strukturproblem der verlinkenden Blogs und der Aufmerksamkeitsökonomie der Blogosphäre, in der Raushauen und das Nutzen von trafficstarken Zeiten bei vielen ein probates Mittel zur Reichweitensteigerung ist. Oberhalb dieses selbstgenerierenden Soges im Schlamm des Netzes mit seinen Hitler-Hillary-Parodien und den täglichen Aufregern über das, was Medien über Blogger behaupten, gibt es das, was eigentlich die Alternative dazu darstellt. Blogs mit sehr viel “Draussen” ohne 24/7 Erreichbarkeit und anderes, was das Internet als Lebensraum von denen fordert, die sich darauf einlassen.
Vielleicht ist diese Asymmetrie der Wahrnehmung auch mit dafür verantwortlich, dass Blogs in Deutschland auf viele eher komisch bis abschreckend wirken; viel mehr als ihre begrenzte politische und inhaltliche Relevanz. Oberflächlich betrachtet, sieht es nicht aus wie ein Umfeld, in dem man mit einem normalen Leben gern sein möchte. “Erklärungsbedürftig” ist ein Wort, das mir da einfällt. Ohne dass man sich besondere Mühe gäbe, das zu erklären. Es bleibt noch Zeit, es zu tun, und Alternativen zu schaffen, zumal der Grimme Online Award inzwischen die eigenen Freunde und Geschäftspartner unter den Bloggern weitgehend ausgezeichnet hat und sich bei den Medien die Erkenntnis durchsetzt, dass sie es auch nicht besser machen.
Rausgehen, tun, erleben, schreiben, das dürfte die Lösung sein. Das Internet als Kanal, den man nutzt, ohne in dessen Schlamm zu wühlen.
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Erster.
Nun, ich denke, du hast eigentlich nur die “A-Blogger” dabei im Blick. Z-Bloggern wie mir z.B. gehts am Arsch vorbei, wie die Reichweiten, Klickraten usw. sind. Ich freue mich über Leser, weil ich mit einem Schwerpunkt im politischen Bereich dazu beitragen möchte, daß sich etwas ändert. Das mag lächerlich klingen, ist aber so. Denn ich kann auf das deprimierte “Ich allein als Einzelner kann eh nix ändern” nicht mehr. Zudem bin ich ja auch nicht allein: es gibt einige blogs, die in ähnliche Kerben hauen, klar, da verlinkt man und tauscht sich aus. Auch Tropfen höhlen den Stein irgendwann aus. Vielleicht ist dein Focus da etwas zu eng.
Das Bloggen als eigenständige “Kunst”form ist tot. Die meisten A-Blogger haben’s nur noch nicht gemerkt. Blogsoftware ist bloß ein Typus Software zum Publizieren von Wasauchimmer im Web. Also quasi der legitime Erbe der Homepageprogramme.
Das Bauchnabelgepinsel einer seltsamen Szene, die selbstgerechten Heldentaten von Anwälten über Journalsten bis Bestattern oder die verquere Weltsicht grossstädtischer Tunichtguts unterhält unterhält nicht dauerhaft.
Mir als xyz-Blogger ohne kommerzielle Ambitionen und mit einem Job in der realen Welt ist die von Don geschilderte Blog-Elite schon eine ganze Weile zunehmend egal. Das hat auch mit der nach meiner Meinung schwindenden Bedeutung zu tun. Solange eine Aufbruchstimmung herrschte war das ganz interessant. Trotz gegenteiliger Aufassungen über die Bedeutung von Twitter, habe ich das Gefühl, dass Twittern Auswirkungen auf die Blogosphäre hat. Die Kommunikation läuft über einen anderen Kanal, was die blogs ein wenig blutleer erscheinen lässt. Wenn man im realen Leben was erlebt, wird man es twittern oder hinterher bloggen, aber kaum beides zusammen.
Was ich als Hindernis sehe: Es fehlt die Reflektion. Wie liest das? Wie wird mein Blog wahrgenommen? Wie werde ich wahrgenommen? Dazu müsste man aber der sich der Aussenwahrnehmung als “Internet-Kasperl” stellen. Was sicher nicht sehr reizvoll ist.
Ich bin der Überzeugung, dass einige deutsche Top-Blogs ihre Stammleser grossteils bei 15- bis 22-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen rekrutieren, die altersgemäss ihre Probleme mit der realen Welt haben und Orientierung suchen. Kann man wollen, aber sollte auch in Bezug auf die Relevanz, die eine 24/7-Erreichbarkeit rechtfertigt, zum Nachdenken zwingen. Da ist es jedoch einfacher sich keine Gedanken über die Nutzer zu machen, solange die Klicks stimmen und die Einnahmen den bescheidenen eigenen Erwartungen entsprechen.
Ach, wunderbar, mal wieder genau das beschrieben, was beim Betrachten der größeren Blogs weh tut. Das (in Klickzahlen gemessen) “erfolgreiche” Blog als eine medienrefenzielle Halde des neu aufgewärmten, fern vom Leben derer, die es eigentlich lesen sollten. Manchmal könnte man denken, das Bloggen habe fast nur Nachteile.
Irgendwie bin ich froh, dass der große “Hype” schon so gut wie vorbei ist und in einer Form verlief, die jeden Gedanken ans Geschäftemachen mit den eigenen Mitteilungen in den Bereich der Dummheiten und Illusionen verbannt. Für mich ist jedenfalls eine Form von Software und eine mit ihr verbundene Form des Sich-Mitteilens übriggeblieben, die man hätte erfinden müssen, wenn es sie noch nicht gäbe. Und davon werde ich weiterhin Gebrauch machen.
Aber da draußen sind doch Menschen!
Ich als xyz-Blogger mit kommerziellen Interessen und einem realen Beruf …
… frage mich, ob man Blogs nicht ein bißchen zu wichtig nimmt. Wenn Zeitungen die Interessen ihrer Leser, Privat-TV die Interessen ihrer Geldgeber und der Ö-R die polit. Vorlieben ihrer Redakteure widerspiegeln, warum erwartet man dann so viel von Blogs ?
… und wer will den ersten Stein werfen ?
Sicherlich nicht die “ich-blogge-weil-ich-politisch-kritisch-bin” , die zu Recht nicht beachtet werden. Ich sehe bei “Bloggen” irgendwie nicht so die wirkliche Relevanz … :-)
Das echte Leben, das die meisten “draußen” führen, ist doch viel zu langweilig^^.
Nein.
Natürlich ist es nicht zu langweilig, denn man kann sehr lebendig über einen alten Tisch schreiben, den man geerbt hat. Und man kann auch überaus spannend über den Kampf eines alten Mannes mit einem Fisch schreiben. Zumindest hat es mal einer bewiesen, als es noch kein Internet gab, und einen Nobelpreis für diese Geschichte bekommen.
Es geht nicht darum, was man alles pannend von draußen berichten kann (im Grunde geht alles, auch über das Leben einer Amöbe). Es geht darum, dass sie die Wahrnehmung haben, es sei nicht spannend. Das ist ein Unterschied, die Wahrnehmung. Es ist fast ein literarisches Problem – oder auch: sie wissen um ihre Mediocrität.
Es geht darum, dass sie glauben, nur Youtube-Filmchen und Spassseiten seien spannend und fänden Leser.
Das andere ist:
Wer dennoch versucht hat, aus der inzüchtigen Medien-Referenzialität auszubrechen und echt über das echte Leben draußen zu berichten, stößt rasch an Grenzen: Den Schutz von Personen und Persönlichkeitsrechten.
Man kann weder ordentlich und lebensnah über Tante Ottilie, noch über merkwürdige Kunden (äußerst spannendes Thema, kann ich versichern…) oder über die Firma Abzocka.ltd schreiben, dass es keiner merkt.
Selbst das raffinierte inhaltliche Verschlüsseln (Verändern von Ort, Zeit, Namen, Teilen der Geschichte) gelingt manches Mal nicht gut. Denn die betroffene Figur merkt es dennoch, wenn sie halbwegs helle ist. Also lässt man es aus Vorsicht. Zumindest geht es mir so.
@Bör: 100 % agree.
[…] Die Blogger sind Freaks, die kommen ja nicht raus… Eine Replik auf Don Alphonos Lebensräume. […]
Deshalb finde ich das Blog von Frau Lyssa so klasse – leider habe ich es viel zu spät entdeckt, dafür stöbere ich jetzt umso mehr darin herum!!! Sie berichtet(e) in ihrem Blog fast nur vom Leben “draußen” und das auf extrem unterhaltsame Weise. Das kann man miterleben, das ist witzig, individuell und spannend. Die tausendste Betrachtung zu DSDS dagegen *gähn*
@Schnutinger: dazu sage ich nur:
http://weltenweiser.blog.de/2007/05/29/in_tiefer_trauer~2352407
Vorweg gesagt verwundert mich der Mangel an Kommentaren, während normalerweise beim Lesen dieser Seiten Mengen sowohl un- als auch qualifizierter Wortphrasen geschwungen werden.
Die ‘Kellerkinder’ waren doch schon immer da. Sei es in den 70ern bei Pen-and-Paper-Rollenspielen, als die ersten Konsolen für zuhause erschwinglich wurden, die ersten ZX81 bezahlbar wurden, am C-64 stundenlang rumgefrickelt wurde … bis hin … ich weiß, warum ich einen großen Bogen um WoW mache. DAS sind für mich die wahren Leute, die zu lange kein Licht gesehen haben.
Manager, die sich so gerne als Entscheider betrachten, haben, so glaube ich, ebenfalls oft keine Ahnung mehr von der ‘echten Welt’ da draussen.
BÖR meinte sehr schön, dass den meisten Leuten das ‘Draußen’-Leben zu langweilig sei. Wenn der Don es schafft, seinen Po bei strömenden Regen in eine umweltverschmutzende Karre zu zwängen und darüber zu schreiben, zeigt doch, dass es auch anders gehen könnte.
Apropos ‘gehen’. Vielleicht einfach mal wieder die Beine ‘so richtig’ benutzen. Kann auch sehr interessant sein, zu merken, wozu man fähig sein kann … so nach 5, 10, 20, 30km zu Fuß.
Ein Gelegenheitsposter, dem Gejammer von Special-Interest-Fixierten echt nerven kann, Verzeihung.
@Schnutinger: Um das Leben draußen im Blog so unterhaltsam und spritzig zu verarbeiten wie beispielsweise Lyssa, braucht es halt auch ein gewisses Schreib- und Erzähltalent, wie es nicht jedem gegeben ist.
Und so eine Episode nicht nur zu erleben, sondern auch wiederauffinfbar abzuspeichern und sie dann in roundabout 2.500 Zeichen unterhaltsamen Text umzusetzen: Wir (die wir ansonsten unser Geld mit Textproduktion verdienen) nennen es Arbeit.
Von daher kann es eigentlich nicht wundern, dass sich nur wenige der Top-Blogger diese Arbeit machen. Der eine referiert halt irgendeinen Nerd-Kram, den er bei techcrunch ausgegraben hat, der andere freut sich öffentlich über Fundstücke à la “hey, Loide, guckt mal, hier gibts die Cartwrights aus ‘Bonanza’ jetzt auch als Simpsons-Figuren zu sehen”, der dritte opfert seine Lebenszeit, um den Beweis anzutreten, dass die Medien alle mehr oder weniger Betrüger und/oder Stümper sind, die das Internet nicht verstanden haben. Und so weiter.
So macht halt jeder das, was er entweder am besten kann oder was für den Aufwand die meiste Awareness bringt. Wirklich verwerflich oder beklagenswert finde ich das auch nicht. Abgesehen davon, dass es halt schade ist, wie wenig beachtet viele erzählerische Perlen vor sich hinfunkeln. Das war ja auch eines der Probleme, die Aggregatoren wie Blogscout und rivva nicht wirklich gelöst kriegten, dass die feinen Geschichten nicht unbedingt die sind, die auch viel verlinkt werden. Insofern kann man schon von einem Strukturproblem der verlinkenden Blogs und der Aufmerksamkeitsökonomie der Blogosphäre sprechen.
Ansonsten hat Bör (#7) auch einige Punkte genannt, denen ich entschieden beipflichten würde. Gerade weil ich auch private und selbsterlebte Geschichten blogge, ist es eine permanente Gratwanderung, von drauß vom Walde herkommend und lebensnah zu bloggen und gleichzeitig nicht zuviel preiszugeben über meine Familie, andere Kontaktpersonen, Orte und Zeiten. Aber das Thema hatten wir hier ja neulich schon mal unter dem Stichwort “Entlokalisierung”…
“Wenn der Don es schafft, seinen Po bei strömenden Regen in eine umweltverschmutzende Karre zu zwängen und darüber zu schreiben, zeigt doch, dass es auch anders gehen könnte.”
Öhm. Wenn das Ding a) Mille Miglia heißt und b) zwar im Nieselregen, aber in Italien stattfindet…
dann klappt das auch.
Aber fahr mal hier im Regen in Stövelbröck mit dem Klapprad 20 km auf Bundesstraße. Hast zwar vielleicht auch was Spannendes zu berichten (Raser, Beinaheunfälle, Dreckspritzer) oder interessante innere Monologe (wenn es denn keine Flüche sind), die einen Reich-Ranitzkel o. ä. entzücken würden^^. Aber ich garantiere dir, es wird im Internet kaum einer als “tolle” Reportage empfinden oder glauben, es wäre lesenwert.
Siehe auch: Wahrnehmung der Leser. Habe ich bei meinen Wahrnehmungsbeobachtungen nämlich vergessen. Es gibt nicht nur die “gestörte” Wahrnehmung des Bloggers, der lieber die künstlichen Prominenzia bekakelt: Leser sind schon auch oft so. sie wollen Einzigartigkeit.
Und die wird oft genug nur im Anlass/Event gesucht. Und nicht in der Schreibe.
Evant, ja und nein. Ich habe mal eine 4-tägige Journalistenfahrt organisiert. Während die meisten ihren Pflichtartikel abgeliefert haben und sich ansonsten während der 4 Tage die Kante gegeben haben, hat eine Kollegin aus der Reise mind. 4 interesante Artikel “gesaugt”, die mit dem Thema der Informationsfahrt oder dem Sponsor nichts zu tun hatten. Geschichten gibt es überall, man muss sie nur entdecken.
Ist doch klar, dass ein Bildblog um die Bild kreist, dass ein Werbeblogger über Werbung schreibt (auch wenn es manchmal so aussieht als ob ich mein Privatleben offenherzig darlege, ich tue es sicherlich nicht wie einige vermuten), und ein Herr Vetter schreibt eben über seinen Job.
Das sind klassische Themenblogs. Autoren sind mittlerweile austauschbar. Natürlich mische ich private Eindrücke auch mit Themen aus der Werbung (wobei ich selbst feststelle, dass diese Thematik immer mehr ausgelutscht ist oder um es drastischer auszudrücken, ich habe einfach keinen Bock mehr über den neuen Soundso-Spot zu schreiben, ganz einfach weil ich viele Dinge schon tausendmal gesagt habe. Da könnte ich gleich bei der W&V oder Horizont anheuern)
Ich will aber auch nicht über andere spannende Themen schreiben, ja es gibt genug außerhalb von “Werbeschaltungen” (über mein Privatleben allerdings sicherlich nicht) und das Label “Werbeblogger” drüberschreiben. Das passt einfach nicht.
Ich fürchte, einige haben den Spaß schon lange verloren, kleben aber noch ein Stück weit an ihrem Erfolg.
Von daher kann ich das “rausgehen” für mich auch wunderbar ganz anders interpretieren. Hat dann eher was mit “loslassen” zu tun.
Dass ein Werbeblogger über Werbung schreibt und ein Lawblog über Law ist doch mehr als logisch.
Ansonsten empfinde ich nicht, dass wir nun einen irgendwie gearteten “erweiterten Auftrag” hätten, die Themenvielfalt, die es völlig zurecht gibt, im eigenen Blog abzubilden. Es ist wie bei Youtube: Mindestens 90% der Angebote sind Bullshit. Aber es sind eben nicht immer die gleichen 90% bei den Menschen. Relevanz ist persönlich und subjektiv.
“Diese “Ihr Blogger seit doch sowieso immer im Netz”-Attitüde”.
Diese Attitüde gibt es tatsächlich.
Erweitert um “Ihr Webdesiger/Grafiker/IT-Leute seid doch eh immer am Rechner”.
Nur weil die mit diesem Klischee Beladenen Anfragen zügig per Mail antworten (unter zügig verstehe ich am gleichen Tag antworten) und man sehen kann, wann sie Beiträge einstellen. Da herrscht eine böse Diskrepanz in der Vorstellung gewisser Landsleute, ab wann man “ständig am Rechner” sei. Vielleicht haben diejenigen, die “ständig am Rechner” präsent wirken, nur ein besseres Kontaktmanagement und eine zügigere Schreibe (d. h. sie öckeln nicht wochenlang über einem Artikelabsatz oder brüten sinnlos über Excel-Dateien).
Denn gleichzeitig mit dieser Erwartungshaltung sind genau die Protagonisten solcher Klischee-Aussagen oft selber feedbackfaul, und machen Ihre Mails auch nach 3 Tagen nicht auf, geschweige denn sie zu beantworten. Das ist zumindest die Erfahrung, die ich oft mit Kunden habe, die zu mir sowas sagen.
Es sind zwei Welten, die da zusammenprallen.
Wie Don schon sagte, dass er zwischendurch zur Entspannung an einem Blog weiterschreibt. Das begreift diese Klientel noch weniger. Dass man sowas schafft, meine ich. Bösartig ausgedrückt: Das sind wohl auch die Kandidaten, die in der Schule am längsten mit ihren Hausaufsätzen brauchten und dann mit mit Mühe und großer Schrift schrieben, um die vorgeschriebenen zwei Seiten zu schaffen. Die sind das.
(Nachgerade entdeckt, dass einer meiner Kunden, der jahrelang diese Attitüde mir gegenüber pflegt mit entsprechender eigener Feedbackschwäche versteht sich, sich in Wolrd oft Warcraft rumtreibt. Jetzt weiß ich, warum ich tagelang von dem nix hörte … ^^^)
Ach ja, rausgehen, um was zum Bloggen zu haben, hab ich am Wochenende mal praktiziert. Hier mein Bericht. Sorry für die Selbstverlinkung, aber ich möchte anhand dieses Beispiels mal die Frage aufwerfen, warum so ein Blogbeitrag die Leser mehr interessieren sollte als Werbefachliches von Patrick und Kollegen, Nerdiges von Robert oder Medienkritisches von Stefan.
Über die Außenwirkung der Blogosphäre und wie mein verschwindend kleiner Beitrag dazu sein könnte, darüber mache ich mir (wie wahrscheinlich 95 Prozent aller Blogger) überhaupt keinen Kopf. Tatsächlich werden es aber eher die monothematischen, von Experten geschriebenen Blogs wie das Lawblog und ähnliche Veranstaltungen sein, die “da draußen” am ehesten als seriöse Quelle entdeckt werden und weniger die “Mein schönster Reisebericht”-Verfasser, oder?
Hochinteressante Diskussion – in erster Linie, weil man hier so schön die Selbstauffassung von Bloggern sehen kann…
Zunächst mal würde ich aber das “draußen” ganz anders auffassen – und zwar nicht als ein 1:1 Erleben der Natur, das Betreiben die allerwenigsten wieauchimmer gearteter Print- oder audiovisueller Medien. Nach meinem Verständnis geht es hier um das “medienreferenzielle” vs. das “selbstgemachte”, sprich Schnippselsuche (die ich nicht abwerten möchte, das ist bisweilen ein wichtiger Verstärker) vs. den eigenen Gedanken zu realen, “primären” ;), ich kann z.B. einen Artikel über das “draußen” der deutschen Außenpolitik schreiben, ohne dafür auf Knien durch afghanischen Schlamm rutschen zu müssen…
Oder auch interessant: “Das Bloggen als Kunstform ist tot” – es passiert, ihr macht es, es verändert sich ständig, wie kann es tot sein?
Wie ich auch die ganzen Generalisierungen (“Blogs sind..”) seltsam finde… Für mich ist die Möglichkeit über das Internet zu veröffentlichen eine Art “Guerrilla”-Presse. Jeder kann es tun, und zwar in jeder erdenklichen Gestalt, vom ernsthaften Magazin bis zum Sammeln von pornografischen Links. Wie kann diese mehr _Möglichkeit_ denn geschlossene _Kunstform_ geschlossen gefasst werden? Ich zweifle da etwas.
@ Flo
Natürlich ist “draußen” als Metapher für alles mögliche außerhalb der Selbstbezüglichkeit zu verstehen. Hab ich auch so verstanden. Muss nicht die Pampa sein, muss kein Reisebericht sein.
Ein Blogger, der Berichte aus der echten Welt nicht nur als Hobby-Nische sieht und das ernsthaft betreiben will, ist gut um die Uhr beschäftigt, wenn er relevante Berichte erstellen will. Entweder braucht er dann eben gute Informanten (als dpa-Weiterreicher scheidet er ja hoffendlich aus) oder er muss selber sich tummeln. Weiß nicht, ob da 4 Stunden Aufwand pro Tag reichen.
Und das isses: der Aufwand.
Den man dazu noch auch nicht sieht.
Ein Gemecker über DSDS ist da deutlich wirtschaftlicher, ähm, rascher abgelaicht^^.
@ mark793
Don meinte die großen Blogs in D. Warum sie nicht fähig sind, was Eigenes zu berichten. Sie bieten tatsächlich unisono nur so eine Art – zwar meinungsstarken aber – schon mal gegessenen Zweitverwertungsfleischwolf aus der eh künstlichen Medienwelt an.
Das zeigt Mangel an eigenen Ideen und Mangel an eigener Wahrnehmung gepaart mit Aufmerksamkeitssucht nach Links und Reichweiten. Im Grunde sind sie SEO-driven statt Content-driven. Was zählt, sind aber echte Inhalte.
[…] blogbar – Deutsche Blogosphere ist nie “draußen” (tags: draußen bloggen) […]
@Bör: Habe den Beitrag schon auch so verstanden, aber ich würde die Diagnose nur partiell unterschreiben. Bevor einige Protagonisten der Bloggerei den protoliterarischen Anspruch oder die journalistische Ambition für sich entdeckten, waren viele Blogeinträge der Pioniere nichts anderes als regelmäßig aktuelle Linksammlungen nach dem Motto: “guckt mal hier, coole Seite.” Dass es (auch vielbesuchte) Blogs gibt, die diese Tradition weiter pflegen, finde ich weiter nicht beklagenswert – wenngleich ich auch sagen muss: Für mich ist da nur selten was dabei.
Richtig ist auch, dass die kumulativen Effekte der Aufmerksamkeitsökonomie solche Blogs begünstigen, die sich an irgendwas dranhängen, was eh Welle macht. Aber dem Lawblog oden Werbebloggern würde ich keine eigenen Inhalte absprechen, nur weil sie keine Erlebnisaufsätze bieten, wie sie der Don immer wieder mal unterhaltsam zu schreiben versteht. Aber dieses Genre als DIE Lösung für alle zu deklarieren, ich weiß nicht. Das klingt dann doch irgendwie zu sehr nach “Ihr seid doof, weil Ihr anders seid als ich.”
Ich bin auch eher ein “Z-Blogger” (großartiger Begriff) und bekomme von der sogenannten Blogosphäre nur dann was mit, wenn ich alle vier Wochen mal auf “Blogbar” lese, über was man sich in der Blogosphäre offensichtlich aufregt. Blogs sind für mich eine Fortsetzung der Fanzines, und da bin ich völlig zufrieden, wenn am Tag einige Dutzend Leute (aus welchen Gründen auch immer) über meine Seite stolpern. So dürfte es genügend anderen Bloggern (die ich teilweise “von draußen” kenne, also privat) gehen.
Insofern ist mir die Ansicht sogenannter Fachjournalisten relativ egal; die haben in den 80er Jahren die Fanzines ignoriert, dann können sie jetzt gern auch die Blogs ignorieren oder vor allem doof finden.
“Denn tatsächlich fällt mir kaum ein Blog ein, in dem “Draussen” sowas wie ein bestimmendes Thema ist. Eine ganze Reihe “führender” deutscher Blogs bezieht seinen Inhalt weitgehend sekundär, schreibt Zeitungen ab und sucht irgendwelchen Entertainmentmüll im Internet. Oder beschwert sich über Medien, was genauso gut und populistisch ist, wie über den Benzinpreis zu jammern. Ganz zu schweigen von den Hanswursten und Rattenfängern, die darüber bloggen, wie man mit bloggen reich und berühmt wird.”
= schlichtweg falsch. Ein Blick auf Google News genügt, um zu sehen, wer eigentlich abschreibt. Blogs sind hochindividuell, bestückt mit tausenden von Varianten und Meinungen, was keiner mehr überschauen kann. Angefangen von den A-Blogs bis hin zu super special Blogs, die jeder der will entdecken kann, nur der exaltierende Don Alphonso scheinbar nicht, um sich ein Bild von der faszinierenden Vielfalt zu machen. Und nirgendwo anders wirst Du mehr Erdbezug spüren oder schreiben neuerdings Roboter Blogs?
“Vielleicht ist diese Asymmetrie der Wahrnehmung auch mit dafür verantwortlich, dass Blogs in Deutschland auf viele eher komisch bis abschreckend wirken; viel mehr als ihre begrenzte politische und inhaltliche Relevanz.”
auch schlichtweg falsch, nur weils geschrieben steht, muss das nicht richtig sein, im Gegenteil. Ich kenne keinen, der von Blogs abgeschreckt ist. Ich kenne aber viele, die keine Bewandtnis darin sehen, ins Netz zu schreiben, das ist aber was anderes und hat mit der angeblichen Assymmetrie, die völlig sinnlos herbeikonstruiert wurde, null zu tun.
@ Robert
“Ich kenne keinen, der von Blogs abgeschreckt ist. ”
Ja, du klar nicht. Du lebst in diesem Umfeld der early adopter (behaupte ich mal so).
Ich kenne sehr wohl welche, die von Blogs abgeschreckt sind. Zum Beispiel meine Schwester. Nicht (nur) wegen des Tons. Nein, wegen des Inhalts, um den es geht.
Manchmal bin ich sogar von meinem eigenen Blog abgeschreckt :-). Denn: kapieren nur Insider. Eine formvollendete Abschreckung, honneurs.
Es gibt schon einige “da draußen an den PC´s”, die Blogger für “bekloppt” halten.
… allerdings teilt man dieses Schicksal auch mit div. Zeitungs- oder TV-Redakteuren.;-)
Vllt. muß man sich (vorerst ?) davon verabschieden, tatsächlich “relevant” zu sein und sich wieder auf “sein eigenes Ding” konzentrieren … auf die Themen, die einen selbst und die eigenen Leser interessieren. Ich glaube sogar, daß das Thema “Blog” noch längst nicht an seinem Höhepunkt angekommen ist. Zumindest erscheint Blogsoftware als ein Medium, wo noch “content is king” gelten kann, während andere um die Finanzierung ihrer “Kanäle” ringen.
@Robert: In einigen Fachpressezirkeln, in denen ich mich beruflich bewege, und bei Interviewpartnern aus der traditionellen Medien- und Werbeszene würde ich mich ohne Not nicht unbedingt als Blogger outen.
Abgeschreckt sein von Blogs ist da immer noch der Nomalzustand, da schreckt der rotzige Ton mancher Kommentare, der Aufwand, den sich einige damit machen ohne dafür Geld zu sehen, das Hobbymäßig-unprofessionelle, das dieser einfachen Publizierungsmöglichkeit für jedermann immer noch anhaftet, die Einschätzung, dass einige, die sich da tummeln, schlicht zu viel Zeit haben, und und und.
In den Kreisen, in denen Du Dich überwiegend bewegst, mag das anders sein. Aber das steht der Diagnose vom Don nicht völlig entgegen.
Ich erlebe das nicht vollständig so. Bin Teil der neuen Generation von Bloggern (der wirklich ganz neuen) und ich kenne viele Blogger ib meinem Alter (nicht nur z-Blogger wie mich), in denen es ausschließlich um das draußen persönlich Erlebte geht. Vielleicht erlebt das personal blog ja ein revival, ich fänds nicht schlecht.
@bör:
Schlag mich, aber ich finde sogar DSDS-Gemecker kann “primär” und “draußen” sein. Wichtig ist in diesem Kontext das Liefern einer ‘uniquen’, selbstgefassten Perspektive der Gegenwart. Wenn ich etwa einen Artikel über das Verhältnis DSDS – Gesellschaftszustand schreibe, dann ist das nicht “medienreferenziell”, weil es nicht “referenziell” im Sinne einer bloßen Weiterreichung ist, sondern mit dem substantiell eigenen vermischt wird…
Glaub einig sind wir uns, dass ein guter Blogartikel einiges an Zeit frisst. -Qualität fällt eben nicht von den Bäumen ;) – aber ich glaube nicht, dass das der Fall ist, weil allein die Aufnahme relevanter Eindrücke so umständlich wäre. Man tut’s die ganze Zeit. Denken und formulieren muss man halt zudem noch, und das ist nicht so trivial wie’s klingt…
[…] Nun werde ich also erstmal nach “draußen” gehen um wieder einen freien Kopf zu bekommen. Ich werde meinen derzeitigen Urlaub dazu nutzen mehr Zeit mit den Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind und mehr Zeit mit Themen verbringen, die ich für unsere Gesellschaft als wichtig empfinde. Dazu gehört sicherlich nicht die Diskussion ob eine Werbung mit Affen gelungen oder nicht gelungen ist. […]
[…] Es gibt Vorbehalte und Vorurteile auf beiden Seiten – berechtigte und unberechtigte! Diese Diskussion an der Blogbar macht das sehr gut deutlich. […]
Ich sehe es ähnlich… Die bekannten deutschen Blogs drehen sich um IT und Web 2.0 und Medien und Blogs und IT und Web 2.0 und Medien und Blogs und… und alle sind miteinander verlinkt.
Wieso gibt es nicht mehr kreative Formate a la Matussek? Wieso tun sich verschiedene Blogger nicht zusammen und “gründen” eine Art Medium?
[…] Und wieder bringt es Don Alphonso auf den Punkt und wieder nutzt auch der Spiegel dieses Zitrat: […]