Ein paar Thesen zu Web2.0 und der Krise
1. Ich glaube nicht, dass Firmen gerade jetzt in der Krise ihre Werbeausgaben zugunsten von Internetstartups umschichten.
2. Ich glaube eher, dass der Werbemarkt generell in Folge der restlichen Wirtschaft zusammenbrechen wird, und das weitaus drastischer als die Wirtschaft allgemein.
3. Und wenn in dieser Situation jemand Werbung bekommt, dann sind es immer noch die etablierten Angebote von Google bis zu den klassischen Medien.
4. Dass ausgerechnet die bisher dominierenden Kräfte wie Banken, Automobile, Telekommunikation und Reisen wirklich übel betroffen sind, macht die Lage für alle, die was von denen wollen, auch nicht besser.
5. Ungeachtet dessen steigen Internetnutzung und Onlinezeit weiter an. Niedrigere Nachfrage trifft auf höheres Angebot.
6. Firmen, die Werbung als zentralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells sehen und noch nicht kostendeckend arbeiten, werden das auch 2010, bis die Krise bestenfalls abgehandelt ist, nicht erreichen. Oder sie gehen vorher schon pleite.
7. Angesichts von Inflation und Sparquote wage ich auch den diversen Shoppingangeboten für mehr oder weniger Überflüssiges schwere Zeiten vorherzusagen.
8. Produktions- und kostenintensive Internetformate, die wenig Quote liefern und nicht anderweitig sekundär verwertet werden können – also Video, Audio, mobile Content und Weblogs – werden von den Verlagen eingestampft.
9. Die Theorie des “long tail”, mehr von weniger zu verkaufen und spitze Zielgruppen zu bedienen, wird sich als Fehleinschätzung herausstellen: Die hohen Kosten bleiben, die Zielgruppen dagegen dünnen aus.
10. Communities sind ein Nicht-Geschäft, haben aber auch ihren Schweinezyklus: Alle paar Jahre begreifen die Betreiber, dass sie nur selten wirtschaftlich erfolgreich sind. Dann folgt das grosse Zusammenlegen. Spätestens 2009.
11. Eine ganze Reihe von Firmen, die für viel Geld in den chinesischen Markt gegangen sind, werden den dortigen Abschwung bitter bezahlen.
12. Firmenverkäufe werden äusserst schwierig und selten sein – wie schon der gescheiterte Verkauf von digg an Google zeigt.
13. Die hohe Inflation wird auch bei Neugründungen für höhere Kosten sorgen, ohne dass bei stagnierenden Realeinkommen mehr verdient werden könnte.
14. Und natürlich werden auch diesmal alle versuchen, Kosten auf Teufel komm raus zu drücken, statt endlich mal die Krise zu nutzen und in die Rezession der Inhalte hinein etwas Tolles dagegen zu setzen.
15. Trotzdem wird man uns 2009 erzählen, dass jetzt Web3,0 mit nich besserer Userintegration und Erlebniswelten kommen wird.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Zu 9.: Der Long Tail wird gerade begraben.
[…] Don Alphonso hat sich so seine Gedanken für die nähre Zukunft gemacht. Dem Luther’schen Thesenanschlag mag es noch nicht gleich kommen, lesenswert sind die Gedanken trotzdem. […]
11 der 15 Punkte könnten hinkommen. Manche Zahlen würde ich etwas nach hinten korrigieren, 1 bis 2 Jahre.
Punkt 5 verstehe ich nicht. Steigende Onlinezeit erhöht doch quasi die Nachfrage, oder verstehe ich da etwas falsch?
16. Nichts wird so funktionieren, wie ihr es geplant habt.
17. Ihr werdet scheitern, denn ihr habt euch alle geirrt.
18. Es wird sehr weh tun.
19. Die anderen werden euch weiterhin verarschen und davon profitieren.
20. Ihr werdet dann noch an meine Worte denken.
@3: Andersrum Nachfragende sind diejenigen, die Werbung schalten wollen und Angebot sind diejenigen, die den Raum auf ihren Seiten dafür anbieten. Dabei ist das “Klickvieh”, dass die Werbung sehen und anklicken soll, auch weiterhin “klickfaul”. Und das drückt die Preise…
Auf die Wurzeln zurückgeführt: Wenn es nicht geschafft wird, den Binnenkonsum durch mehr Geld in den Taschen von Otto Normalverbraucher wieder so anzukurbeln, dass die Binnenwirtschaft, deren Kunden national betrachtet ja ihre eigenen Mitarbeiter sind, wieder einen Schub bekommt, geht hier sowieso alles den Bach runter. Natürlich auch das Web 2.0. Amen.
10. Habe ich schon Anfang diesen Jahres erlebt….
21. kann mir egal sein, da mein blog sowieso nichtkommerziell ist.
22. da geplant ist, ab 2009 1-Euro-Jobs auch an Firmen zu vergeben, wird sich im Internet einiges tun bei genau den Firmen, die von den Punkten betroffen sind.
23. für die “Noch”-Beschäftigten wirds dann richtig [Zynismus an] lustig ]Zynismus aus].
Gerade Nummer 11. versteh ich nicht. Bei Pleiten auf diesem Gebiet geht es doch bisher vor allem darum, dass die meisten ausländischen Investoren das chinesische Internetverhalten komplettamente nich verstehen und Deswegen auch Schwierigkeiten haben, deren Internetverhalten wirtschaftlich zu nutzen.
Und Rezession wird da auch wohl mit dem Zusammenbrechen der amerikanischen Finanzmärkte nicht so schnell geschehen. Vielleicht ein paar Baustopps an der Ostküste, aber naja ich glaub wir unterschätzen das Reich der Mitte da ein wenig.
halbwegs off-topic mal ein paar gedanken zur krise:
rezession ist doch ein äußerst dehnbarer begriff. das geht von der stagnation bis zum negativwachstum. und setzt die negative einschätzung der allgemeinen wirtschaftslage voraus. (ergo: je mehr in die kerbe hauen, umso wahrscheinlicher wird die rezession.) das ganze erscheint noch mehr hausgemacht, wenn man mutmaßt, dass oftmals eher auf massives wachstum als auf langfristige absicherung gesetzt wird. wenn die gewinnerwartung um ein paar milliarden zurückgefahren wird (weil es eben kein konstantes gleichförmiges wachstum geben kann, da man nicht nur von sich selbst abhängig ist), aber trotzdem noch milliarden-gewinne gemacht werden, dann geht die welt gleich unter. schon klar. dann muss eventuell entlassen, auf jeden fall aber gespart werden, damit man wieder auf die straße der exorbitanten gewinnsteigerung zurückfinden kann. und ins eigene fleisch schneidet man sich gleich auch noch, wenn man den menschen angst macht. die überlegen sich dann zweimal, ob sie geld als notgroschen sparen oder es verkonsumieren…
sehr schön sind auch einschätzungen, wie heute gelesen: das institut xy sagt eine rezessionswahrscheinlichkeit von 50% voraus.
zu Nr. 9 – Du meinst ev. “weniger von mehr zu verkaufen” … oder? Mehr von weniger wäre ein ziemlich buschiger Schwanz.
Grundsätzlich 100 % d’accord.
Online-Werbung macht in Deutschland jedoch nur 4 % aller Werbung aus (ungefähr auf dem Niveau von Polen, nur zum Vergleich wie weit D. hinter USA und Asien zurück liegt), 96 % entfällt immer noch auf “old media”: gedrucktes, versendetes, an die Wand geklebtes.
Deshalb wird es auch dort, alleine aufgrund des geringeren Media-Volumens, sehr hart zugehen; Fixkosten lassen sich kaum reduzieren, ohne am Produkt selbst zu sparen (wodurch dann wieder Käufer/Leser/Inserenten abspringen).
Bei gekürzten Budgets wird teilweise sogar zu Online umgeschichtet, weil man dort auch mit wesentlich geringeren Summen messbare Effekte erzielen kann.
Wichtig ist die Konzentration auf kaufkraftstarke Bevölkerungsgruppen – ob die sich nun gerade stundenlang in Social Networks rumtreiben, wird jeder für sich beurteilen können.
und alle werden sie wieder das scheitern ihrer webprojekte auf “die krise” zurückführen, anstatt zu bemerken, dass in erster linie ihr geschäftsmodell lumpig ist. war vor sieben jahren auch schon so – schuld sind ja eh immer die anderen. dabei könnte die bubble2.0 ganz gut mit einer allgemeinen rezession zusammentreffen. allein, die beiden haben kaum etwas miteinander zu tun.
@ moti: d’accord
Solange sie _glauben _, die Krise käme (von Gott oder irgendeinem meatphysichen Wesen) über uns, werden wir bitter lernen müssen, dass Zertifikate auf die Zukunft nicht essbar sind.
Die SIND die Krise!
“5. Ungeachtet dessen steigen Internetnutzung und Onlinezeit weiter an. Niedrigere Nachfrage trifft auf höheres Angebot.”
Versteh ich nicht. Wenn die Internetnutzung steigt, warum soll dann die Nachfrage niedrig sein?
“12. Firmenverkäufe werden äusserst schwierig und selten sein – wie schon der gescheiterte Verkauf von digg an Google zeigt.”
Nein, Firmen werden nicht seltener verkauft. Es werden nur niedrigere Preise für sie erzielt.
“14. Und natürlich werden auch diesmal alle versuchen, Kosten auf Teufel komm raus zu drücken, statt endlich mal die Krise zu nutzen und in die Rezession der Inhalte hinein etwas Tolles dagegen zu setzen.”
Wenn alles so böse den Bach runter geht, wie hier prophezeit, warum soll dem Trend dann irgendjemand “etwas Tolles” entgegensetzen wollen?
@Mark S:
“Wenn alles so böse den Bach runter geht, wie hier prophezeit, warum soll dem Trend dann irgendjemand “etwas Tolles” entgegensetzen wollen?”
Weil “das Tolle” hoffentlich “Qualität” bedeutet. Wenn ich im Abschwung überhaupt noch Kunden haben will, muss ich sehr gute Qualität und eben echten Inhalt bieten.
In China wird es ungemein böse krachen und die “Analysten” werden sich erst wundern und dann alles schon immer so gewusst haben.
@Markus Väth:
“Wenn ich im Abschwung überhaupt noch Kunden haben will, muss ich sehr gute Qualität und eben echten Inhalt bieten.”
Wie bekommst Du denn die “sehr gute Qualität” refinanziert unter denkbar schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, wenn sich schon bisher Online-Inhalte nicht rechneten?
Niedrige Preise für Firmen?
Beispiel heute: Tomorrow Focus kauft 51% an einem Ärztebewertungsportal. Für 500000 Euro. Bei 4 Gründern, die nach Kapitalerhöhung und Einstieg vom Focus-Verlag am Ende nur noch 30% der Anteile halten werden, ist das kein Modell um reich zu werden.
Im Blog “Deutsche Startup” wird der Preis diskret verschwiegen. Passt nicht in die Hurrah-Stimmung.
sind 188.000 für jeden. macht vielleicht nicht reich, aber soooo schlecht ist das auch nicht. und sie haben ja noch (marginale) anteile, wenn ich dich richtig verstehe. wenn das ding dann doch noch durch die decke geht (haha) werden sie spätestens dann reich ;)
Nein, eher nicht. Sehr häufig sind solche Beteiligungen auch zweckgebunden, das heisst, das Geld wird auch zum Betrieb der Seite genutzt. Das kann sehr schnell unspäktakulär wenig werden.
zu Punkt 1.
Ich vermute das Gegenteil könnte eintreffen: Onlinewerbung wird weiter wachsen* (zum Nachteil der klassischen Medien), da den Agenturen/Kunden bessere Tools zur Analyse z.B. des Erfolges/bzw. Nicht-Erfolges zur Verfügung stehen.
* Oder genauer: Das Geld wird nur aus der klassischen Werbung umgeschichtet auf Online-Medien.
Viele der Thesen treffen durchaus zu, aber was die generelle Aussage von These 1 angeht, so muss ich da auch Wingthom und Oliver zustimmen. Unser Kunden (USA, aus der Tourismusbranche) leiden zwar derzeit alle unter der Krise in den USA, aber die Verteilung der Mittel geht derzeit eindeutig in Richtung Online. Wir sind gerade bei den meisten Kunden in der Budgetplanung und da lassen sich eindeutige Tendenzen erkennen – ob man das nun für gut hält oder nicht. Es ist halt wesentlich einfacher, im Web klar messbare Resultate zu erzielen (egal wie sinnvoll diese Kriterien sind, Stichwort “Klickmaschinen”).
So einfach ist das nicht mit No. 1
1. Haben wir ja noch keine echte Krise. Ob z.B. die Tourismusbranche demnächst überhaupt noch was für Werbung raushauen kann und welche Preise bezahlt werden, ist offen.
2. Kommt das auf die Branche an. Sachen, die schon jetzt praktisch kaum klassiches Marketing existiert (IT, Teile des Reisens, usw.) werden weiter online fahren, aber der Kuchen wird absolut kleiner.
Wenn wir bei den USA bleiben als Beispiel: Pharmawerbung. Da wird umgeschichtet. Der Kuchen stagniert, aber online wächst – jedoch werden die Zuwachsraten geringer. Nur hat online nur einen Anteil von 1,3%. Selbst bei Zuwächsen von 30% im Jahr verhungern Internet-Medien, bis das wirklich das erhoffte und nötige Geld fliesst.
http://d0mber.blogspot.com/2008/08/save-cheerleader-steal-studivz-pictures.html
Studivz hat anscheinend gerade mal wieder nichts im Griff. :-/
Sowas gehört ja auch zur Web-2.0 Krise.
“5. Ungeachtet dessen steigen Internetnutzung und Onlinezeit weiter an. Niedrigere Nachfrage trifft auf höheres Angebot.”
Trifft nicht eher eine höhere Nachfrage (Mehr Nutzer) auf ein niedrigeres Angebot (weniger Start-Ups/andere Firmen)?
Oder missverstehe ich?
noch ne these (von der, btw, die etablierten druckerzeugnisse profitieren werden): blogs als marketing-modell werden, nicht erst seit dem schlämmerblog, immer schwieriger als solche zu erkennen sein. felix schwenzel hatte unlängst mit dem vorwurf zu kämpfen, er betreibe schleichwerbung. er lobte das frosta-café im Hamburger Rathaus. prompt kommentierte der offizielle frosta-firmen-blogger bei ihm in den comments und nahm ihn in schutz. nein, es sei kein geld geflossen. blöd, wenn man sich so rechtfertigen muss. heute wird doch jeder, der qypt, blöd angeguckt.
Immer diese Rumhackerei auf der Long Tail-Theorie.
Ich glaube dass wurde irgendwie nicht richtig verstanden: Der Long-Tail funktioniert so oder so NUR dann, wenn die Kosten für das Angebot eines zusätzlichen Produktes gegen Null laufen.
Das zusätzliche Video von der Tante im Urlaub auf youtube
Das zusätzliche Produkt im Online-Shop, dass von einem Drittanbieter vertrieben und gesourced wird.
Das zusätzliche Buch im Shop, dass erst gedruckt wird, wenn es verkauft wird.
Die Spatzenhirne in der Web-Economy, die dachten sie könnten NUR mit dem Long Tail überleben, oder sie müssten nur mal ihr Angebot verzehnfachen, weil irgendein amerikanischer Journalist ein Buch und einen Artikel bei wired geschrieben hat…die lernens eh nie
von welcher krise reden sie? wirtschaftlich kann ja wohl kaum sein, da rockts seit jahren wie noch nie… und zu web 3.0 – das wird kommen, nicht im browser als seite sondern als app in der runtime, mit der eizigen noch großen frage: air oder silverlight?