Normalerweise informiere ich mich online beim Handelsblatt über Wirtschaft. Managermagazin ist genauso gossig wie Spiegel Online, und die Financial Times Deutschland ist immer noch der lackaffige Abladeplatz für Neocon-PR. Wer ein Mindestmass Anstand besitzt, kann FTD.de beim Frühstück nicht ohne Magengeschwüre ertragen.

Seit drei Tagen ist die FTD dennoch meine erste Anlaufstelle, und zwar wegen des “Tickers” zur Finanzkrise. Ein Blick genügt, um die Ähnlichkeit mit einem Blog zu erkennen: Der einfache Aufbau, die chronologosche Reihung, der Verzicht auf nervige Weiterklickerei und affige Teaser. Schnelle, umfassende Information, gut aufbereitet und im Kontext dargestellt. Das perfekte Mittel für den schnellen Ãœberblick, wenn man nicht alle zehn Minuten das Wall Street Journal, Bloomberg und FT.com durchsuchen will. Ich sage ganz offen: Ich bin von diesem Ansatz wirklich positiv überrascht und würde mir mehr davon wünschen.

Aber, und nun wird es traurig, die FTD bleibt an dieser Stelle stehen. Vollkommen unbegreiflich, wieso sie so einen tollen Landeplatz hat und weiter nichts daraus macht. Sechs Dinge sind mir besonders negativ aufgefallen:

– Keine Permalinks zu den einzelnen Themen. Nachdem die amerikanischen Texte, auf denen das FTD-Blog basiert, für Deutsche nicht immer leicht zu verstehen sind, wäre es schön, wenn ich darauf verlinken könnte, um eine für meine Leser angemessene Information zu zitieren. Geht aber nicht.

– Keine Themen oder Schlagworte. Will man alles zu einem bestimmten Komplex finden, etwa Lehman Brothers, muss man sich mühsam durchscrollen.

– Keine Suchfunktion. Die Nachrichtenlage ist so schnell und wechselhaft, und dadurch wird es sehr unübersichtlich. Eine Suche könnte wirklich helfen, aus diesem Malstroem spezifische Informationen rauszupicken.

– Keine Links nach drinnen. Viele Themen werden nachher auf der Website nochmal ausfühlich behandelt. Aber sie sind im Ticker nicht verlinkt. Auch hier muss man sich, wenn man etwas Wichtiges im Ticker gelesen hat, den Krempel mühsam selbst zusammensuchen und hoffen, es schnell zu finden. Ich mein, ein banaler Link, das kann doch nicht so schwer sein.

– Keine Links nach draussen. Ich verlange nicht, dass die FTD Bigpicture zitiert, aber beim befreundeten Blog Alphaville der FT gibt es teilweise komplette Transkripte von wichtigen Telefonkonferenzen, die Leser als Primärquellen interessieren könnten.

– Und das Schlimmste: Keine Kommentare. Der Ticker hat mittlerweile 438 Bewertungen, vollkommen zurecht, aber warum zum Teufel gibt man den Lesern gerade in dieser existenziellen Situation keine Möglichkeit, sich einzubringen?

Wir schreiben das Jahr 2008. Es ist toll, wenn man auch wie im Jahr 2008 publiziert. Aber dann sollte man bitte auch die Möglichkeiten von 2008 nutzen, und nicht eine Version online stellen, die man genauso auf eine Papyrusrolle des Jahres 8 n.u.Z hätte schreiben, abphotographieren und einfügen können.