Hätten Blogger Zoomer besser gemacht?
Die Chance wäre gewesen, eine internetaffine, mit der Blogszene und anderen interessierten Usern verzahnte Nachrichtenseite zu etablieren, die die Klaviatur des Netzes inkl. seiner technischen Möglichkeiten bedient.
Hier bei Don Dahlmann und an etlichen anderen Orten klingt an, dass das abgeschaltete Trashportal Zoomer vielleicht eine Chance gehabt hätte, wenn man mehr mit Bloggern gemacht hätte, Blogger gefragt hätte oder sich von Bloggern hätte beraten lassen.
Ich finde das etwas seltsam. Denn ich wüsste kein Medium, das so stark von Bloggern und Blogansätzen dominiert war. Es gab ein Redaktionsblog, mit Mercedes Bunz war eine bekannte Frontfrau der Blogpublizistik von Anfang an dabei und involviert, Redaktionsmitglieder waren selber Blogger, und bei den Meinungsmachern kaufte man sich einmal quer durch das Bloggemüsebeet, von Elsa Seefahrt über einen Kieler Möchtegern-Rapper bishin zu einem “Medienbeobachter” aus der wirren Neocon-Ecke. Man kann Zoomer vieles nachsagen, ohne ihnen in irgendeiner Weise unrecht zu tun, aber nicht, dass sie sich nicht um eine Anbindung an die Blogs bemüht haben. Die wussten sehr genau, was Blogs sind, und wie man sie nutzen könnte.
Was sie offensichtlich nicht verstanden haben, ist etwas anderes: Ein Blog ohne ordentliche Inhalte zieht nicht, wie auch ein Medium, das keine besonderen Inhalte bringt. Das ist das ganze Elend von Zoomer, und das Elend ihrer Bloggereiansätze. Natürlich ist ein Blog ein besseres Mittel zur Massenkommunikation als eine Steintafel, aber ohne kluge Texte bringt das nichts. Insofern: Blogger haben Zoomer zu dem Misthaufen gemacht, der es schon immer war.
Und Blogger, die es besser hätten machen können, waren offensichtlig gut beraten, sich nicht von diesem Projekt verheizen zu lassen, wie auch andernorts. Angesichts der mauen Professionalisierung der Blogosphäre könnte man vielleicht erst mal fragen: Können Blogger Blogs besser machen?
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Das sagst Du natürlich etwas Wahres, was ich in meinem Text nicht erwähnt habe. Allerdings sehe ich bei Zoomer nicht das Problem bei den Redakteuren, sondern eher im Bereich der Geschäftsführung. Mein Gefühl ist, dass Holtzbrinck eben immer wieder versucht mit Potemkinschen Dörfer zu agieren. Man baut eine hübsche Fassade, aber nur um einen Anschein zu erwecken, dass man tatsächlich an dem interessiert sei, was man da macht. Im Grunde steckt dahinter aber weiter altes Verlagsdenken. So als ob man eben die erfolgreiche Zeitschrift eines anderen Verlages kopiert. Layout stimmt, Buzzwörter stimmen, aber dahinter steckt dann halt nichts. Ich bleibe dabei – die Idee ist gut, die Umsetzung miserabel, eben weil die, ich sag mal unverfänglich obere Etage, die Inhalte nicht versteht.
Ich denke, das eigentliche Problem ist grundlegender. Dass unternehmerischer Erfolg sich nicht einstellen muss, “nur” weil die entsprechenden Entscheidungs- und Verantwortungsträger, oder aber die “vom Konzept begeisterten” Teilnehmer ihr unternehmerisches Handeln für geil halten, ist meiner Ansicht nach nichts, wofür man spezifisch das Internet kennen oder verstanden haben müsste.
Dazu kämen dann natürlich auch inhaltliche Fragen. Etwa, ob die Blogger, die am flottesten mit den Fingern schnippen, wenn ein Medienkonzern mit relativ wenig Geld winkt, auch die sind, die am “besten” schreiben können, das alte Thema, ob Massenunterhaltung nicht womöglich automatisch dazu führt, dass das Ganze inhaltlich auf einem möglichst niedrigen, gemeinsamen Nenner angesiedelt wird, und so weiter. Vielleicht ist es auch konzeptionell verquast, zu glauben, dass die Leute sich bei all der Weite und dem möglichen “Nebeneinander” im Internet sich an eine ihnen Nachrichten oder Infos eintrichternde Webseite zu binden, so dass der berühmt-berüchtigte Vergleich, dass die Leute sich um irgendwelche Marken wie einst um das Lagerfeuer versammeln würden unrealistisch ist? Könnte man alles mal analysieren. Unternehmerisch bequemer wird aber wahrscheinlich sein, jetzt gleichzeitig missmutig “Wirtschaftskrise” zu sagen und gleichzeitig zu betonen, dass schon bald alles wieder viel viel besser werde – um dann ggf. wieder mit den gleichen “Wir machen jetzt auch mal…”-Konzeptchen zu kommen.
Ich denke, Menschen nehmen Angebote dann an, wenn sie sie brauchen. Und nicht, wenn irgendwelche mit fremdem Geld jonglierenden Manager meinen, etwas sei schick. Die Leute ersaufen in den üblichen tagesaktuellen Meldungen und Storys, und insofern ist der mangelnde Widerhall auf Zoomer sicher kein Nein zum Blog-Format, sondern zu den immer gleichen Inhalten.
Das Angebot an tagesaktuellem Schmonz und dem, was heutige Journalisten für journalistisch halten, überwiegt klar die Nachfrage. Vor diesem Hintergrund frage ich mich ohnehin, wie man da noch mehr Futter auftragen kann und sich dann wundert, dass keiner frisst. Auf diesem Gebiet sind Marketingphrasen wie “Nachfrage schaffen” einigermaßen fatal.
Vielleicht ist Zoomer ein Hinweis darauf, dass wir die Qualitätsdebatte im Journalismus stärker führen sollten.
Ich muss da deutlich widersprechen. Niemand braucht noch ein Projekt, dass ebenfalls die paar wenigen Tausend User anspricht, die intensiv in der Blogosphäre unterwegs sind. Von daher hat sich Zoomer technisch und von PR-Seite imho ZU sehr an der sehr internetaffinen Klientel ausgerichtet. Welcher normale User interessiert sich schon für einen MC Winkel? Man hätte inhaltlich spannender und diversifizierter sein müssen. DPA hat dort in der Tat nichts verloren.
Zoomer hat imho den Fehler gemacht, dass man ein neues Portal auf eine vorhandene Community aufsetzen wollte. Das kann nicht funktionieren, muss organisch wachsen.
Aber die These, dass Blogger vielleicht besser gewusst hätten, wie man ein kommerzielles Projekt hochzieht, finde ich etwas abwegig.
das war doch die typische verlagsdenke: wir entwerfen uns unsere zielgruppe am reißbrett und konzipieren ein möglichst maßgeschneidertes angebot für diese. läuft im internet aber leider umgekehrt: man erstellt ein angebot, und die user, die das interessiert, bilden dann den nutzerkreis. zudem ist es fatal, sich auf eine bestimmte – oft in der form, zumindest aber in der masse – gar nicht existierende besucherschaft zu spezifizieren. denn es geht um traffic und es hat ja eh jeder die möglichkeit, das informationsangebot zu testen – man kauft ja nix.
der nächste punkt, und das ist der balanceakt: wenn man es allen recht machen will, macht man alles falsch. in diesem fall: wer populärkultur betreibt, indem er statt einer qualifizierten redaktion die user über die themensetzung abstimmen lässt, erreicht ein niveau, auf dem keiner mehr bock hat, sich dort aufzuhalten. wenn ich nachrichten will, will ich nachrichten und keinen quatsch. zoomer war quatsch.
alles grundlegende, tiefgreifende fehler. von daher ist es nicht so, wie don dahlmann behauptet. denn schon die idee ist scheiße, die schlechte umsetzung spielt dann überhaupt keine rolle mehr.
Zur Anbindung der Blogger gab es doch keine Alternative. Deren pseudokontroverse Beiträge waren das geringere Übel gegenüber schlecht recherchierten Redaktionstexten. Leider hat die Anbindung der Blogger nur von oben her funktioniert. Blogs der Leser hätten ebenso zur Hebung der Qualität beitragen können, aber dafür hatte man gar keine Infrastruktur.
Das kommt davon, wenn man glaubt, die Qualität des Mediums hänge vorrangig von der Summe ab, die man dafür ausgibt. Das war ein sicheres Rezept, Geld und Qualität gleichzeitig zu versenken.
Von einem guten Nachrichtenportal erwarte ich, schnell, sachlich und kompetent informiert zu werden. Zoomer hatte davon leider nichts, dafür deutlich zu viel Boulevard und war auf Polemik und Provokation ausgelegt. Da wurde ziemlich platt versucht, Diskussionen auszulösen. Doch wer will wirklich eine Newsseite mit angehängter Community? Es gibt schon seit Ewigkeiten etablierte Foren aller Art, auf denen die Teilnehmer diskutieren, was ihnen in den Sinn kommt. Ich sehe keinen Markt für Newsseiten, deren Redakteure Themen vorgeben und dann dazu diskutieren lassen wollen. Da irrt meiner Meinugn nach auch Herr Dahlmann, wenn er mehr Vernetzung, Verzahnung, Diskussion etc. pp. anmahnt. Nachrichten sollen informieren. Punkt. Diskutieren kann man woanders schon ausgiebig genug.
Meiner Ansicht nach war der Grund für das Scheitern von Zoomer die absolut unterirdische Qualität des gebotenen. Frau Seefahrts pointenfreies Genöle, dieses Beinahe-Model, was offenbar ohne jegliche redaktionelle Betreuung unfallträchtige Bundesliga-Kommentare gestammelt hat, ein ständig in Weitwinkeloptik aufgenommener, bräsig vor sich hin onkelnder Ulrich Wickert… warum sollte ich mir das antun? Warum sollte irgendjemand sich diesen inhaltlichen und handwerklichen Offenbarungseid antun?
Es gibt da nach meiner Einschätzung eine ganze Gemengelage an Mißachtung, management by karotte und eben dem Glauben, dass es noch ausreicht, Ende der ersten Dekade des 3. Jahrtausends einfach mal ein paar Zutaten zusammen zu rühren, ohne Geschäftsfeldanalyse, ohne Marktkenntnis und vor allem ohne Vision für ein kommerzielles Social Media Projekt, dass es nie war, aber das es immer simulierte.
Entweder man macht General Interest und begibt sich damit in Konkurrenz zu web.de, gmx.de, GoogleNews oder SpOn. Oder man will den Probloggern aufs Hirn spucken und bastelt ein ScobleCrunch oder gar ein BuzzScripting. Allerdings braucht man dazu Menschen, die sowohl das Standing als auch die Reputation haben.
Gab es dort nicht. Dave Winer kommt nicht nach Düsseldorf.
Das Einbauen der alten Welt mit altem “Qualitätsjournalismus” der jovial Bemerkungen zum Tagesgeschehen absondert, ist schon seit 15 Jahren tot.
Investigative Recherche wäre eine Chance gewesen. Chistiane Schulzki-Haddouti hätte denen schon ein paar Themen (INA) genannt, die noch anfassen kann.
Aber das größte Potenzial wurde sowieso bei der Idee verschenkt, einfach eine Art Redaktion mit Bloggern abzubilden. Wie oben angesprochen kann das mit einer Öffnung für Benutzerinhalte besser klappen. Mit extremer Nischenbildung und zwar vielen glaubwürdigen Nischen an einem Ort UND natürlich, was bei Social Media in .de immer vergessen wird:
Bewertungen.
Einfach ein paar Sternchen anklicken und gut. Wer keine Kommentare schreibt, kann wenigstens mal ein bißchen abstimmen. Es wäre dazu noch mehr zu sagen. Man könnte auch zu turi2 rübersehen – haben die aber offenbar nur mit einem Banner gemacht. Wer heute noch Werbung mit Bannern im Web macht, an dem sollte man eigentlich lächelnd vorübergehen. Was anscheinend viele taten.
Weiter so!
Jörg W.
Pauschal von “den Bloggern” zu sprechen, ist eigentlich auch nicht mehr angebraucht. Wenn man wie Yigg auf die falschen Blogger hört, dann mutiert man schnell zur Pagerank-Zapfstelle für SEOs, Affiliate-Pyramidenspieler und Made-for-Adsense-Blogger.
@Kris: So isses. Und nachdem im Ursprungsbeitrag ja schon dargelegt wurde, dass zoomer im Vergleich relativ viel mit Bloggern machte, habe ich mich gefragt, ob der Subtext der Dahlmannschen Einlassung nicht ganz einfach und brunzbanal der gewesen sein könnte: “Wie blöd, dass die mich und meine Connections nicht angefragt haben”. Aber nachdem bei “mindestenshaltbar” die beste Bloggeranbindung der Welt ja auch nicht verhindert hat, dass das interessante Projekt eingestampft wurde, glaube ich dann doch nicht, dass es in diesem Sinne gemeint war.
Einen der strukturellen Geburtsfehler von zoomer sehe ich in dem “Du entscheidest, was wichtig ist”. Was zuunächst mal sicher richtig gedacht war, aber in der Art, wie es umgesetzt wurde, diesen Ansatz dann doch konterkariert hat. Ãœberspitzt gesagt: Wenn hunderte oder tausende anderer Nutzer irgendwelchen Boulevard- und Dschungelcamp-Trash nach vorne klicken, dann ist “Du entscheidest, was wichtig ist” nur eine Mogelpackung. Ich könnte darauf nämlich locker verzichten, befinde mich damit aber in der Minderheit, ohne daran viel drehen zu können. Da hätte man dann schon auch andere (sprich: viel weitergehende) Personalisierungsoptionen anbieten müssen.
Aber gut, aus dem anvisierten Alterssegment von zoomer bin ich eh schon raus, schon allein von daher war das nicht für mich gemacht.
[…] Das Nachrichtenportal Zoomer wollte die Online-Berichterstattung in ganz neue Sphären heben. Allerdings ist hat es sich erst einmal ausgezoomt: Holtzbrinck hat beschlossen, das Portal kurzerhand aus Kostengründen bzw. mangelnder Erfolgsaussichten zu schließen. […]
Bei der heutigen Informationsflut ist es an der Zeit Qualitätsmerkmale über die Quantität zu stellen, auch wenn darunter unter Umständen die Vielfältigkeit leidet. In Zeiten in denen die frei verfügbare Zeit immer knapper wird, muss Information gefiltert werden – und das bitte sehr auch professionell!
wer weiß, vielelicht packt es zeitjung.de?