Wie das mit dem Bloggen geht II
Für manche Journalisten mag es so scheinen, als wäre Bloggen eine Art Dahinschludern und Zusammenstehlen, wie sie es gar nicht so selten erleben, wenn sie sich in Blogs umschauen. Diese Leute glauben, irgendein Vorprodukt, das es nie in die Printausgabe schaffen würde, reicht schon für das Blog: Ein runtergeschmierter Absatz. Eine halbgare Meinung. Ein paar zusammengestohlene Kommentare aus dem Internet. Internationale Presse, die hoffentlich in Deutschland noch keiner kennt, und die entsprechend ausgewählt wird, wodurch das Thema eher klein und randständig ist. Es ist Bloggen ohne grossen Zeitaufwand, “die anderen machen es ja auch so”, Hauptsache man hat wieder was drin stehen und schleimt sich als “einer von denen die was bei uns im Internet machen” ein. Fotos werden entweder gestohlen, aus anderen Quellen übernommen oder, weil es ja nur Zeit kostet, erst gar nicht gebracht. Das müsste normalerweise die Bildredaktion machen. Es ist aber auch ohne Bilder ok – bei Bildern müsste man ja rausgehen. Und eigenes Erleben ist bei diesen Leuten ohnehin zu viel verlangt. wenn es im Internet steht, muss es auch im Internet machbar sein, gell? Charakterlosigkeit äussert sich dann eben auch im Beitrag.
Anders gesagt: Solche Leute behandeln Blogs wie eine Kleinform ihres eh schon versifften Johurnalismusbegriffs. Von oben herab, arrogant, aufgeblasen und inkompetent. “Für einen Klick wird es schon reichen”. Aber gerne mit aktuellen Themen, um auch mitzureden, und gaaanz viel Suchmaschinenoptimierung, um Klicks zu generieren, selbst wenn ihr Textscheisshaufen so dürftig wie ihre Person ist. Weil sie glauben, dass es reicht. Reicht auch, wenn man bei Myblog schreibt. Aber mit ihren miesen Versuchen schaffen sie nur zweierlei: Dass sie den Ruf ihrer Zeitung schädigen, und das Thema Blogs bei den Medien ruinieren. Es sind solche Figuren, wegen denen es allgemein heisst: “Ah ja, Blogs hatten wir auch mal”. Die Liste der Versager ist nicht nur lang, sie wird auch beständig länger. Immer wieder mal darf da einer ran. Weil der Nachwuchs an Textcretinismus unbegrenzt ist, ganz im Gegensatz zum Nachschub an Qualität durch Anstrengung und Engagement. Aber so wichtig ist das mit den Blogs dann auch nicht. Da kann einer hundert miese Beiträge schreiben, die keine Sau und noch nicht mal seine Grossmutter interessieren: Immer nur weiter damit. Kost wenig, geht schon.
So geht es aber nicht.
Es ist seltsam, das zu betonen, weil die Liste der dümpelnden Blogprojekte der Medienhäuser elend lang ist – und die Verantwortlichen, die sonst jede Klickhurerei für richtig empfinden, da einfach weiterwurschteln lassen. Man probiert halt mit dem rum, was vorhanden ist. Man schaut mal. Manchmal verschwindet so ein Ding, manchmal kommt ein Neues, mal reisst die Süddeutsche wieder das Maul auf, und dann blogstinkt es wieder bei SPON. Mir kann das eigentlich nur recht sein. Ist aber etwas ärgerlich, wenn aus dieser Haltung heraus “das Bloggen” beurteilt wird von, sagen wir es ruhig, den Totalversagern.
Gerade weil das Bloggen nich nicht überall angekommen ist, und es nicht unbedingt sofort verständlich ist, gerade weil es erst mal Freunde finden muss: Muss es besser sein. Es darf kein Vorprodukt sein, es muss opulenter, schöner und klüger sein. Es muss die Leser mitnehmen in das Leben, und nicht schon wieder in die langweiligen Stuben der Schreiberlinge. Bei der Gelegenheit sollte es aber nicht Borderline sein, wie man das ja auch immer wieder erlebt, nicht wahr… Leute, die angeblich was erleben und noch nicht mal ein Bild haben… Supertolle Dialoge und Quotes, die genau das sagen, was einem in den Kram passt – das fällt auf Dauer etwas auf.
Geht raus und tut was
Nehmt die Leser mit. Traut Euch, mal etwas anders zu sein als das, was man so in der Redaktionskonferenz ausschleimt, um nur ja zu gefallen. Ja, das ist viel verlangt, es ist ohne Sicherheit, und es macht sogar mehr Arbeit als das Zusammenklauen von Themen im Netz. Das macht aber blöderweise jeder. Jede faule Blogsau konstruiert sich mit dem Netz seine schäbige Identität, die können das sogar einigermassen. Vom Gegenteil gibt es zu wenig. Da kann man noch was tun, gerade wenn man ein Blog hat. Und es wirklich gut machen will.
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Ach, immer dieser ewige Appell an die Journalisten und Verleger, die das Internet nicht begriffen haben.
Wichtiger ist doch, dass die Rezipienten sich endlich wehren :-):
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1856076_TV-Kritik-Illner-intensiv-Surreale-Verschwoerungstheorien.html&em_comment_page=14#show_comments
Wie ist denn deine Erfahrung der personellen Besetzung solcher “wir machen jetzt auch mal was mit diesem Internetz”-Projekte? Sind es wirklich bräsige Vollzeitredakteure, die lustlos mal ein paar Zeilen schrubben? Die Edelfedern werden sich dafür doch wohl kaum hergeben. Werden junge Talente verheizt, freie Mitarbeiter geknechtet – wie kommen solche unausgegorenen Projekte überhaupt zustande?
Das würde mich wirklich interessieren. Nicht zuletzt, um einen Ansatz zu finden, an welcher Stelle man die Fehlerkette unterbrechen kann, die ein so schlechtes Produkt hervorbringt, wie du es monierst.
Da könnte man eine Typologie aufmachen:
1. Der strebende Arschkriecher: Will dem Chefredakteur gefallen, der so etwas Neues haben will, um voran zu kommen. Sehe ich oft beim Thema Wirtschaft in Kombination mit PR-Schleimerei für Firmen. Das ist übrigens nicht auf Deutschland begrenzt, der Trend ist international.
2. Die sauöde Seelenbefreite, die journalistisch nichts bringt, aber glaubt, mit so einem Blog nach vorne zu kommen, wenn sie nur ihre Belanglosigkeiten weiterplappert.
3. Der Grosskotz, der nicht einen Funken Ahnung hat, aber meint, dass er es den paar Bloggern schon zeigen kann.
4. Die Textmüllablader, die einfach öfters in der Zeitung stehen wollen.
5. Die Spezialisten, die sich einen Dreck darum scheren, dass ihr Steckenpferd nicht mal Grossmutter interessiert.
Und das alles auch in Kombination.
Oder man fängt einfach mit Meta-Blogging an ;-)
Geht raus? Wenn die über draussen bloggen sollen, bekommt das deutsche Internet noch ein Dutzend mehr Medien-Blogs – zu den drölfhundertdreiunfufzig geschätzen.
Haben Sie eigentlich schon den Kommentar 25 zum
Blogeintrag Vodafail bei Horizont gelesen. Ich
glaube die PR-Abteilung von VF oder SF hat da
wieder mal abgelaicht.
Wo genau?
In dem “vodafail-bei-horizont” Posting der blogbar. Da hat ein überdrehter Werber sein Hochglanzgeschwafel abgelassen, mit dem er schon unter verschiedenen Namen durch andere Blogs gezogen ist
Ein schönes Beispiel für das schräge Blogverständnis vieler Medien ist der “Kontrasteblog” der gleichnamigen ARD-Sendung. “Bloggen Sie mit uns” rief einem die Moderatorin gestern entgegen, und was mich dann unter http://blog.rbb-online.de/roller/kontrasteblog erwartete war nichts anderes als ein banales Gästebuch, dem man einfach den hippen Namen Blog verpasst hat.
Meinen Sie mit “Hinausgehen und Bilder machen” die hübsch gestylten Fotos von Meran?
Wo liegt da die Brisanz?
Kurz: Warum versuchen Sie, verehrter Don A., nur immer die Mainstream-Medien-Edelfederschreiber auf “Vordermann” zu bringen. Ist es nicht vergebene Müh?
Mir sind Webtagebücher am liebsten, wenn darin Menschen schreiben, die sich Gedanken machen über ihre Situation, die immer eingebettet ist im Kontext dessen was um uns herum geschieht. Und dies geht bei Manchem janz ohne hübsche Bilder.
Vielleicht sollte man mal versuchen, statt Blogs einen neuen Begriff zu suchen und “Blogprojekte”, wenn sie denn gut sind, einfach anders zu positionieren. Ich meine die Kernpunkte dessen was so benannt ist, sind doch eigentlich nur Kommentarfunktion, sequentielle Organisation der Webseite und meist Personalisierung. Denn bislang steckt im Begriff ja dieses Logbuch- und Tagebuchschreiben drin und ich merke im Gespräch mit Nichtbloggern oft, dass das für viele Leute einfach Belanglosigkeit heißt. Da wird von “Blogs” nichts anderes erwartet. Und wie auf der Nutzer- so auf der Produzentenseite. Wer in (s)einem Blog nur ein Blog sieht…
Nur mal so dahergedacht…
Morla, ich mag vergebene Mühen. Natürlich wird es nicht besser, aber man kann ja mal darüber reden. Wie über eine unheilbare krankheit, zum Beispiel.
Die “hübsch gestylten Bilder aus Meran” sind einfach so, wie sie sind. Meran ist so. Da muss man nichts mehr erfinden und retuschieren.
Es ist Arbeit. Aber wir nennen es nicht Blog.
Nun denn, wenn es Ihnen hilft. Nur, wenn im Wartezimmer beim Arzt immer über die Krankheiten, ob heilbar oder nicht, gesprochen wird, verlasse ich lieber den Raum – und fühle mich sofort “geheilt”.
Was die Fotos anbetrifft, da haben Sie mich erwischt – der Neid auf sowas Schönes (wie lange noch?) brach aus mir heraus.
Blank geputzte Wohlstandsutensilien vor einem azurblaustrahlenden Himmelchen – hach, lieber Don, genießen Sie es, solange alles noch so schön steht.
Der Don hat sich mit substantiellen Beiträgen über Jahre hinweg meinen Respekt erschrieben. Letzterer fällt nicht jedwedem in den Schoß, der in der Lage ist, eine Tastatur zu bedienen. Von daher möchte ich meinen, daß er durchaus praktiziert, was er predigt.
Apropos substantielle Beiträge: Ich vermisse immer noch die Fortsetzung der “Bibliothek der Aufklärung” bei “Rebellen ohne Markt”. Aber ich kann warten.
Echte Alphajournalisten gehen nicht raus!
http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Florian-Roetzer-Telepolis-Alpha-Journalisten;art15532,2773384
Reisen ist ja Arbeit!
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30818/1.html
Und kostet Spesen und damit den Job…
Da kann man als Blogger natürlich viel lockerer sein. Würde ein Journi von ‘nem Oldtimer-Rennen berichten, würde sofort gefragt “wer hat den dafür bezahlt?”…
Der Journalismus geht vor die Hunde. Wenn man ihn kritisiert, noch schneller.
[…] Mein Besuch bei “Blogbar” die sich ausschließlich mit Blogs und Bloggern beschäftigt, brachte mir die ersten Erkenntnisse, vor allem der Artikel “Wie das mit dem Bloggen geht II” und ich habe einmal aufgeräumt in der WebBassena. Raus mit jeglicher Werbung und unnötigem Kitsch, der Versuch, weg vom Artikel abschreiben und lieber Themen die mich interessieren, selbst kommentieren, was das schwerste ist. Aber da ich an sich ein sehr gelehriger Schüler bin, versuche ich jetzt Qualität vor Quantität zu setzen. […]
— Der Journalismus geht vor die Hunde. Wenn man ihn kritisiert, noch schneller.
@Anonymus (17.)
Nein. Auch Journalisten, egal ob für ein Print- oder ein Onlinemedium tätig, haben sich (konstruktiver) Kritik zu stellen. Damit der (unabhängige) Journalismus in Deutschland eben nicht vor die Hunde geht!