Diskursmächtigkeit von Facebook
Ich traf vor ein paar Monaten mal einen Mann, der ein Webprojekt ohne Kommentare betrieb. Er hätte gern Diskurs haben wollen, aber der fand bei ihm einfach nicht statt. Allerdings sagte es, dass seine Themen ja bei Facebook diskutiert werden.
Ich habe dann mal nachgeschaut und das Ganze als ziemlich, sagen wir mal, optimistisch eingestuft. Da war nicht wirklich was los. Und auch, wenn momentan bei mir ein paar Beiträge ziemlich grosse Resonanz haben, ist die Anzahl der Leser, die über Facebook-Verlinkungen kommen, allenfalls mau. Mag sein, dass es nicht an den spannendsten Stellen debattiert wird, aber nach über einem Jahr mit einem sehr gut besuchten Blog bei der FAZ hätte eigentlich was passieren können. Das mag bei den ganz grossen Themen vielleicht anders sein, aber bislang habe ich den Eindruck, dass normal relevante Themen da keine grosse Rolle spielen. Das “Beste” war mal ein studienrelevantes Thema, das bei einer relativ grossen Gruppe mit ein paar 10.000 Mitgliedern angebracht wurde, aber selbst da war der Traffic um die 0,5% des gesamten Aufkommens bei mir. Also praktisch vernachlässigbar. Sehr viel schlechter als Blogverlinkungen, wenn man es in Relation zu den theoretischen Nutzerzahlen setzt.
Hat da jemand andere Erfahrungen gemacht? Ich frage, weil mir in einem ganz anderen Zusammenhang wahre Wunderdinge erzählt wurden, die ich absolut nicht nachvollziehen kann. Über die Intensität einer Nutzerbindung kann man bei Kontakten ja noch diskutieren, aber gerade die Sache mit den zu Facebook verlagerten Diskursen leuchtet mir beim besten Willen nicht ein.
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diskurse auf facebook? hab ich noch nie gesehen. das muss ein gerücht sein.
facebook ist das passivmedieum par exellence, was vielleicht auch etwas mit einer gewissen gesunden skepsis gegenüber exzessiven datensammel- und verknüpfungsdiensten zu tun hat. ein bisschen knöpfchen drücken hier, ein bisschen knöpfchen drücken dort und pro quartal maximal ein blick in die eine oder andere “interessante” gruppe. über den einen oder anderen erwähnenswerten diskurs bin ich dort zwar auch schon gestolpert, jedoch an der verlinkbarkeit gescheitert.
Aus meiner Erfahrung heraus funktionieren vor allem junge Themen bei Facebook. Außerdem müssen sie stark unterhaltend sein. Diskussion findet eher in Gruppen statt. Zum Beispiel in der Starbucks-Gruppe.
Das Rauslinken auf lange Text ist selbst auf Facebook schwierig, da man dort eigentlich hingeht, wenn man gerade keine langen Texte haben möchte.
Videos funktionieren dagegen schon deutlich besser.
Aber allgemein gilt: Facebook ist ein Unterhaltungsmedium, Blogbar-Texte im persönlichen Newsfeed sind wie Afghanistan-Dokumentationen bei ProSieben. Es würde einfach nicht funktionieren.
Die meisten Gruppen (i.e. Foren) sind relativ tot, echte Diskussionen kommen da nicht wirklich ins Rollen. Es gibt zwar eine erstaunliche Vielfalt – kaum ein relevanter Schriftsteller ohne eigene Gruppe -, aber außer ein bißchen anfänglicher Euphorie gibt es dann nur noch gelegentliche Postings à la “Hallo, ich bin jetzt auch Mitglied”. Manche Gruppenverantwortliche posten immerhin ab und zu mal ein paar Veranstaltungshinweise, insofern hat das Ganze dann wenigstens einen gewissen Nutzwert. Ich vermute mal, die meisten Nutzer – wenigstens die, die dem Teenageralter entwachsen sind – sehen Facebook eher als eine Art Online-Rolodex zur gelegentlichen Kontaktpflege, für den Rest ist Facebook = Farmville.
Es gibt aber auch nationale Unterschiede. In den USA findet man durchaus einige Organisationen, von Graswurzel-Initiativen bis zu Unis, die Facebook für Orga-Angelegenheiten nutzen und dann, zumindest phasenweise, durchaus lebendige Diskussionen auslösen können. Haiti z.B. war durchaus ein Thema, bei dem man einige sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten für Facebook sehen konnte. Ob die praktischer sind als das, was es sonst im Web an Möglichkeiten gibt, lass ich mal dahingestellt.
Populär scheint Facebook da zu sein, wo es große Exil-Communities zu sein: Südamerika, Iran, China. ist vielleicht das Twitter-Phänomen: Eine bekannte Marke garantiert eben, dass man da auch einigermassen zuverlässig jemanden trifft, der zumindest die gleiche Sprache spricht.
Ich denke Gruppen sind weniger Orte des Diskurses als vielmehr hippe Lifestyle-Buttons, die man sich an sein Profil pinnt. Bei den VZ-Dingern ist das noch viel extremer ausgeprägt, wo die Gruppen i.d.R. keinen Kommunikationskanal Gleichgesinnter darstellen, sondern v.a. auf der Pinnwand für eine Darstellung der eigenen Persönlichkeit sorgen sollen…
Das Missverständnis ist: Facebook-Gruppen haben überwiegend nichts mit Diskussionsforen zu tun.
Zu mir kommen Facebook-Leute, wenn jemand einen Beitrag, den ich in Facebook angeteasert habe, empfiehlt. Und dann nicht wenige…
Im Grunde verhält es sich bei Facebook genauso, wie in der Blogosphäre auch. Es gibt Diskussions-starke Gruppen/Seiten und weniger starke. Um Nutzer aus Facebook heraus zu einem Blog zu lenken, muss man in dieser Gruppe mitdiskutieren – das ist dort nicht anders als hier.
Je stärker Blog und Gruppe einen Bezug zueinander haben, desto größer die Menge an Nutzern, die rüberschauen. Kann es daran liegen, dass dieses und das FAZ-Blog und deren Themen einfach nicht prominent genug bei Facebook diskutiert werden?
Das Phänomen, dass sich Facebook-Nutzer verlinkte Seiten ansehen, sie aber bei Facebook diskutieren kenne ich aber vom Thema St. Pauli auch.
[…] Vielleicht aber geht es nicht um Blogs alleine, sondern auch – gerade in Social Media – um den Beitrag der Leser selbst! Und dieser Beitrag ist laut Don Alphonso zumindest in Facebook quantitativ nicht allzu hoch “Diskursmächtigkeit von Facebook”. […]
Facebook-Gruppen interessieren mich persönlich eigentlich gar nicht, die Version bei VZ & Co. sind das einzige, was dort wahrscheinlich wirklich besser lief. Statt zu diskutieren sind die Gruppen bei Facebook doch eher Bekenntnisse zu bestimmten Dingen, Meinungen etc – wie auch immer die Gruppe benannt wird.
Von der Diskussionsverlagerung zu Facebook halte ich ehrlich gesagt noch weniger. Ich hatte dort mal eine “Fanpage” für mein Weblog und hab mich dann über jeden Kommentar geärgert, der dann bei Facebook gelandet ist, statt unter dem entsprechenden Beitrag im Blog. Und das was man an Klicks von dort bekommt, lässt sich auch mit simplen Posten mancher Beiträge über einen normalen Account generieren.
In Sachen Gruppen kann ich mangels Mitgliedschaft nicht mitreden, und vielleicht ist mein kleiner sichtbarer Ausschnitt in Facebook auch nicht repräsentativ, aber soweit ich sehe, findet da praktisch keinerlei Diskurs statt, der diese Bezeichnung verdient. Klar, es laufen in die Timeline auch tweets und retweets rein, mancher teilt auch einen Link, aber mehr als “*** gefällt das” steht da selten drunter.
Facebook-Diskurse verlaufen in der Regel wie die Diskurse von Beavis und Butthead.
Das einzige was mir da einfällt ist die Networked Blogs-Erweiterung (http://apps.facebook.com/blognetworks). Ob sich darüber aber ein wie auch immer gearteter Diskurs in relevanter Größe generieren lässt? Ich habe Zweifel.
Meine Erfahrung: Selbst Leute, mit denen man anderswo intelligente Gespräche führen kann, verwandeln sich auf Facebook in Quatschköpfe. Hier kommt stark die gute alte deutsche Opposition E versus U zum Tragen. Da soziale Netzwerke dem Unterhaltungssektor zugeschlagen werden, zeigen sich dort hinter verschlossener Tür manche, die ansonsten offiziell über das Web 2.0 die Nase rümpfen, als Karikatur des Internettrottels: Games, Glücksnüsse, das tausendste Muppet-Video. “Diskurs” findet nicht statt, One-Liner, meist off topic, sind die Regel. Was vielleicht, wie Ugugu oben anmerkt, mit Vorbehalten gegenüber Data-Mining zu tun hat, aber mehr noch mit der mangelnden Erfahrung mit dem Schreiben im Internet – der Facebook-Account, wegen des Hypes angeschafft, ist für viele die erste Begegnung mit dem Web 2.0.
In Russland ist zwar nicht Facebook, aber das LiveJournal seit einigen Jahren zum heimlichen Leitmedium geworden.
Dort schreiben die Leute in ihren Tagebüchern vollwertige Blogs, und es gibt heftige Diskussionen zu gesellschaftlich relevanten Themen.
Es funktioniert auch als Auskunftsquelle. Will man wissen, was gerade in Berlin am Helmholtzplatz los ist: Fragen Sie einfach in ihrem Freundeskreis herum, unter denen kennt jemand mit Sicherheit jemanden, gerade in Berlin ist (oder sowieso dort wohnt) und Ihnen bildgestützte Antworten schickt.
Es funktioniert auch mit New Orleans oder Astrachan.
Und mit Kochrezepten.
So ist das in einem Land, wo selbst die Bildungselite in der Regel keine Zeitung abonniert hat.
hallo
facebook ist gar nicht für derartige diskussionen erschaffen worden. Es gibt zwar gruppen udn fanseiten aber die sind wie schon gesagt realtiv tod oder es werden nur kurz sätze gepostet. Einge richtige diskussion entsteht selten oder ich habe sie bisher noch nicht gesehen. Facebook lebt eigentlich dardruch um mit anderen menschen zu kommunizieren und zu erfahren was jemand anderes gerade tut. Dabei möchte man aber nicht gleich romane schreiben sondern nur kurze beiträge auf denen man eben so kurz antworten kann.
gruss
0,5 % sind imho sehr hoch gegriffen, da muss das Diskussionsthema, der Ort der Diskussion (also Timeline, Diskussionsforum o.ä.) und der Kreis der Diskutanten schon außergewöhnlich aktiv sein. Kann ich mir in Facebook nicht vorstellen, selbst nicht in Diskussionsforen, die innerhalb einer einschlägigen “Fan-Seite” laufen.
Die “Klickfaulheit” von Facebook-Nutzern kann man an einer anderen Stelle hübsch sehen, nämlich dann, wenn man sein eigenes Blog in seine Timeline per RSS-Import abkippt. Wenn es überhaupt Kommentare gibt (Blog-Artikel sind im Gegensatz zu üblichen Facebook-Nachrichten bibeldicke Wälzer), dann quasi nur als Facebook-Kommentar, in den seltensten Fällen geht ein Facebook-Nutzer raus aus Facebook, rüber ins Blog und kommentiert da hinein.
Weitere These: Die Hürden zum Mitdiskutieren von Dingen oder über/mit Personen sind weiterhin hoch, man muss in den meisten Fällen erst mal Freund/Fan/Befürworter werden.
Andere Insider-These, dass Facebook zum Trafficsteigern kaum taugt: Facebook ist praktisch spammer-frei. Untrügliches Zeichen dafür, dass die Klickraten nach draußen unterirdisch sein dürften.
Wenn der Mann Traffic und Diskussionen haben will, soll er ein Diskussionsforum einsetzen oder, wenn er unbedingt das Social-Networking-Paradigma haben will, eine BuddyPress-Installation. Beides allerdings recht pflegeintensive Geschichten.
@Besim: Den eigenen Blog per RSS-Import auf Facebook einzubinden hat tatsächlich hohes Kränkungspotenzial: Da schlägt die Stunde der Wahrheit, man bekommt zumindest mit, wie viele aus dem Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis sich tatsächlich mal dorthin verirren. Aber vielleicht sollte man das gar nicht wissen wollen.
Die Notlüge (“Ja klar, ich lese gelegentlich deine Artikel, ich habe deine Ausstellung, dein Portfolio gesehen etc.”) ist ansonsten in sozialen Beziehungen ein Mittel, unsere verletzlichen Seelen vor der Realität zu schützen, dass auch Leute, denen man sich nahe fühlt, sich den eigenen Schöpfungen gegenüber indifferent verhalten.
Die ganze Ökonomie der Aufmerksamkeit in den Netzwerken (samt den Tools, mit denen man sozusagen Marktforschung betreibt), entkleidet das Schauspiel der Schummelei in den Beziehungen. Übrig bleiben Statistiken, die nur zynisch machen können.
@Besim: Die Klickfaulheit kann auch daher rühren, dass Facebook ziemlich gut verschleiert, dass ein Text nicht aus Facebook selber kommt.
Bei per RSS importierten Blogbeiträgen muss man schon sehr genau suchen, um den Link nach draußen überhaupt zu finden.
Was die Wunderdinge anbelangt: Nirgendwo wird soviel Unsinn erzählt wie im Internet. In den meisten Fällen dürfte es sich als wenig erfolgsversprechend herausstellen, Versuche zu unternehmen, von FB oder anderen Social Media Portalen viele Besucher zu generieren.
@Andreas: Das Verschleiern ist Programm, Facebook ist kein Dienst mit einer nach außen gerichteten Kommunikation. Die Facebook-Folks haben schon genügend Probleme damit, ihre eigene Welt monetarisiert zu bekommen und versuchen krampfhaft jeden auch nur halbwegs brauchbaren Weg, die Benutzer für Werbemöglichkeiten einzuspannen. Aus diesem Grund tut Facebook wirklich alles, um ja keinen Content nach außen fließen zu lassen und alles zu integrieren, was halbwegs integrierbar ist.
Hat man das einmal verstanden, kann man versuchen, statuen-artig ein Projekt oder Ding derartig in die Facebook-Welt einzubauen, so dass andere Teilnehmer ihre Zuneigung dazu bekunden kann. Der Rest ist uninteressant. Der Sinn von all diesem allerdings auch.
Richtige Diskurse habe ich bei Facebook bisher nicht erlebt. Ich bin auch schon mancher interessant erscheinender Gruppeneinladung gefolgt, nur um fest zu stellen, dass dort kaum kommuniziert wird. Und ansonsten sind da ja eher Kurznachrichten zu sehen. Das einzige, was man bei Facebook meiner Ansicht nach machen kann, ist auf interessante Artikel in Blogs oder auf anderen Webseiten hinweisen und so an Besucher kommen. Für Diskussionen gibt es jedenfalls bessere Medien.
Für Diskussionen gibts aufjedenfall bessere Medien – bestes Beispiel ist hier ja wohl ganz klar das arg verstaube Forum. Zum Diskutieren trotzdem immer noch ungeschlagen – weil man nicht von vielen Fotos abgelenkt ist, die man bewerten muss. Auch ist man nicht von allen möglichen Statusupdates abgelenkt, und einen Chat gab es meistens auch nicht. Man hat also einfach nur seine Meinung zu einem Thema losgelassen – und andere haben das wieder gelesen.
Ist wohl auch der Grund warum Newsgroups immer noch existent sind, auch wenn sie doch eigentlich total “un-web2.0” sind.
Gruß Simon
Ich habe jetzt lange an einer Freundschaftsanfragenabsage einer mir nicht unbedingt sympathischen Kollegin gearbeitet. Sie ist jetzt Gottseidank raus, äußerst manierenhaft, und habe ihr dafür eine Kontaktanfrage bei Xing angeboten.
Facebook ist nützlich, wenn man ohne viel Aufwand Kontakt zu alten Bekannten halten will. Und es ist ab und zu nützlich für einen Kampagne, bei der man heutzutage einer Gruppe beitritt während man früher irgendwo auf einer Liste in der Fußgängerzone unterschrieben hat.
Diskurs ist woanders.