Ãœber das Verbrennen der Erde
Man muss natürlich nicht professionell bloggen.
Ohnehin gibt es hierzulande nur eine Handvoll Leute, die dazu in der Lage sind; die einen sind bei ein paar – und hier wiederum sehr wenigen – Medienhäusern, die anderen schlagen sich irgendwie selber durch, nachdem die Träumereien durch eine Vermarktung über Adnation/Adical und Lobo/Haeusler so ziemlich geplatzt sind. Insgesamt kann man angesichts der recht kümmerlichen Ergebnisse der Professionalisierung der Blogs nur begrenzt von einem Erfolg rund 10 Jahre nach dem Beginn der Welle sprechen. Aber es muss auch nicht sein. Man kann das als lustiges Hobby begreifen.
Nun gab es in der Debatte rund um das Ende des Blogs Ctrl-Verlust von Michael Seemann bei der FAZ ein paar böse Sager, in denen jene, die nicht mit dem Verursacher des Falles und seinen Freunden übereinstimmten, nicht eben die besten Stimmen machten: “Eure Sklavenmoral kotzt mich an” (Seemann aka mspro). “Bücherverbrennung” (Mario Sixtus). “Kleiner Blogwart” (Wolfgang Michal). Kurz, es wird so getan, als stünde auf der einen Seite die aufrichtige Freiheit, die sich gegen Unrecht und Meinungs- und Publikationsfreiheit wehrt, und auf der anderen Seute die unterdrückte Dummheit, die sich in kleinlichen Bedenken zum Büttel finsterer, kapitalistischer Mächte macht.
Dabei sind die drei Genannten selbst in den Medien tätig (gewesen), und sollten zumindest die Normalität des Berufes kennen. Ich kann in gewisser Weise verstehen, dass alle drei sauer sind, nachdem es mit der FAZ (Seemann), dem elektrischen Reporter und LostinDeutschland (Sixtus) und Carta (Michal) nicht gerade zum Olymp der Medien gereicht hat. In gewisser Weise liegt dieses Vorgehen auch auf einer Linie mit der Wut des ehemaligen Cicero-Online-Chefs Görlach, der als Chef seines eigenen Projekts gegen den neuen Chefredakteur von Cicero vom Leder zog.
Das wird einem dann als “Clash der Kulturen” verkauft, was doppelt blöd ist, denn das Gewinsel ist angesichts des eigenen Versagens eine glatte Lüge bar jeder Kultur, und Medien sind keine Kulturen der Unterdrückung, sondern im Normalbetrieb nur von Rabbatz angenervte, mit oft überarbeiteten Menschen besetzte Firmen, die froh sind, wenn alles seinen ruhigen Gang geht. Kein Mensch dort hat wirklich Lust, sich in etwas einzumischen, das von selbst läuft. Insofern sind Blogs im Profibetrieb eine angenehme Sache, wenn man davon ausgehen kann, dass die Mitarbeiter wissen, was zu tun ist. Wenn jetzt die bewusste Negation dieses Prinzips zur Tugend erhoben wird, kenne ich ein paar Leute, die ich ganz sicher nicht einstellen würde. Denn sowas ist enorm stressig, behindert die Abläufe, und zwingt einen am Ende auch noch in einen öffentlichen Konflikt zu internen Vorgängen, den man nur gewinnen kann, wenn man nochmal eine Ecke indiskreter ist.
Insofern können diese Leute natürlich ordentlich reinhauen: Zu verlieren haben sie dabei (und gerade beim Lieblingsgegner FAZ) gar nichts, zu gewinnen gibt es eventuell – so zumindest noch am Freitag – den Druck auf die FAZ, sich dem entfachten Sturm zu beugen, und zu zeigen, wie gross die Macht des Internets ist. Wenn es nicht klappt, hat man wenigstens mal wieder richtig Wind gemacht und sich als Hüter der Freiheit präsentiert, und allen anderen, die eventuell auch mal was aus der Bloggerei machen möchten, die Tür versperrt. Wer sollte sich nach dieser Nummer schon hinstellen, und dem Chefredakteur nochmal so einen Wilden aus dem Netz vorschlagen? Und mit etwas Glück bekommen die Nichtkollegen, die man ohnehin nicht immer schätzte, selbst Probleme, weil sich die Firma die ganze Bloggerei nochmal überlegt. Die ganze Nummer ist Wasser auf die Mühlen eben jener Betonköpfe im Verlagsgeschäft, über die sich Blogger so gern aufregen. Es ist absolut schädlich für Vertrauensverhältnisse, und bringt auch nichts voran: Es zeihgt exemplarisch auf, wie das vielgerühmte Web2.0 missbraucht werden kann, wie schnell sich leute einfinden, die dabei mitmachen, und mit welchen Strukturen und Methoden hantiert wird. Und danach sind wieder die bösen Medien schuld, wenn sie gemein zu Bloggern sind.
Sowas kauft keiner, der noch alle Tassen im Schrank hat. So etwas vertraut keiner, so etwas möchte niemand als Partner sehen. Ich bin weiss Gott kein Freund der Nibelungentreue, mit der sich andere Blogger für ihre miesen Werbepartner von Coke bis Vodafone hergaben, aber ich denke, es gibt so etwas wie einen vernünftigen Weg, wie man das Bloggen auch in einem professionellen Umfeld gestalten kann, ohne sich selbst und seinen Idealen und dem Partner untreu zu werden. Wenn man dazu keine Lust hat, soll man einfach die Finger davon lassen und auf das bedingungslose Grundeinkommen warten.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Eine wirklich schwache Leistung von Carta. Wie man so vehement weltfremd argumentieren kann ist mir schleierhaft.
Oder bin ich jetzt durch eine betriebliche Ausbildung einfach zu sehr “eingenordet” worden, als dass ich überhaupt noch in dieser entrückten “Freigeist- Liga” mitspielen könnte?
Ich sehe das mittlerweile so: Bei Carta & Co., schreiben/veröffentlichen Journalisten, die ihr Geld mit den Medienhäusern verdienen. Für Indiskretionen und interne Veröffentlichungen sind Blogger gut, weil sie das Risiko/die Dummheit auf sich nehmen und die “Profis” das dann “ins Blatt” bringen können. Blogger sind aber Konkurrenz, wenn sie Artikel in den online-Medien unterbringen oder gar ein Verlagsblog füllen. Da gibt es einen Haufen von Leuten, die ein Interesse haben, Blogger als halbwilde, unberechenbare Partner der Verlage zu diskreditieren.
Merkesatz: Nur mit Presseausweis kann die Redaktion ruhig schlafen.
du hast schlecht recherchiert: der sixtus dreht inzwischen reportagen fürs zdf auslandsjournal:
das kann man schon “olymp der medien” nennen, wenn man will.
als Leser ärgert mich die Löscherei der FAZ aus ganz banalen Archivierungsgründen.
Statt interessante Quellen und Texte in Zeitschriftentürmen oder PDF-Silos zu horten bin ich seit einiger Zeit zum Sammeln der Links (social Bookmarken nennen die Webzwoer das jetzt) übergegangen.
Sehr praktisch und auch unterwegs besser im Zugriff wie das heimische PDF-Silo.
Das Blogs gelegentlich verschwinden hat mich nicht weiter überrascht. Aber bei einer Institution wie der FAZ hatte ich irrtümlich von etwas mehr Nachhaltigkeit erwartet.
Auf die Fotos, war wohl der Auslöser für die Aktion, kann ich gut verzichten.
Danke für diese klaren Worte! Ich habe mich lange gefragt, warum sich ein Don Alphonso mit diesen Spinnern überhaupt noch abgibt. Wenn ich es nicht schon verstanden hätte, dann spätestens nach diesem Vorfall.
Es ist wie damals in der Schule: Da gibt es einen großen Jahrgang, der etwas demokratisch beschließen möchte und am Ende drängen sich immer die Lautesten, die Dümmsten und die Selbstdarsteller in den Vordergrund (die natürlich alle miteinander gut “vernetzt” sind). Zum Kotzen!
Und in diesem Fall um so mehr, weil man sieht, was mit Blogs eigentlich alles möglich wäre. Ich habe zwar zunächst um das GTBlog getrauert, aber von mir aus können die Verursacher zur Hölle fahren, wenn dieser Konflikt am Ende womöglich das Ende Stützen der Gesellschaft bedeuten würde…
@Pablo: Sixtus? nach der “büchverbrennung” nicht mehr lang. Man fragt nämlich nach dem rationalen Einschätzungsvermögen des Mannes in anderen Fragen, wenn die schon so daneben geht.
Ach Don, du reisst dir ja für deine
Chefsdein professionelles Arbeitsumfeld ganz schön den Arsch auf.Mal so aus Interesse: Wen, bzw. wie viele Leute würdest du denn gerne “einstellen”? Und wo läge denn für dich als Herr einer eigenen Medienfirma der Medien-Olymp verortet? Steht da oben womöglich Schirrmachers [edit: so nicht. Don] Sessel?
Ich denke, es ist zuerst mal leichter zu definieren, was NICHT Olymp ist – Carta ist ja angetreten, die deutsche Huffington Post zu werden, Lostindeutschland wurde kassiert, über die Hintergründe des Endes des elektrischen Reporters gibt es neben der Selbstausage von Sixtus auch nich Informationen, die von einem geringen Interesse bei den Auftraggebern sprechen.
Ich glaube, es gäbe Deutschlandweit ein paar Dutzend Autoren, deren Potenzial man bei einer guten Plattform nochmal steigern könnte, Das sind nicht zwingend Leute, die ich schätze, aber es gibt sie. Das eigentliche Thema wäre aber die Abstimmung, das Bespielen, das Einfügen in die Plattform. Es würde nicht ohne Restriktionen gehen, und dabei braucht man sicher keine Shitsturmtruppen, sondern Leute, die sich zumindest etwas anpassen können und nicht jeden Eingriff gleich als Angriff auf die Verfassung werten.
Die FAZ – nun, ich denke, sie ist eine Basis, um recht hoch zu kommen, aber auch dort gibt es welche, die tolle Leistungen bringen, und andere, deren scheiterndes Bemühen bestenfalls heroisch ist.
Das war doch diesmal eher kein ‘Sturm’ – nur die üblichen Verdächtigen rumorten in ihrer Rappelkiste. Um es mit Kachelmann zu sagen: “Der Wind kam aus unterschiedlichen Richtungen …”
[…] Internet: Ãœber das Verbrennen der Erde…Blogbar […]
Leidensgenossen:
http://www.gefuehlskonserve.de/axolotl-aftermath-29042010.html/comment-page-1#comment-7626
@ robert
wer „opfer“ ist, bestimmte ich. oder was? sehr lustig, wieder mal.
Don, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – es stellt sich natürlich die Frage, was Sie unter professionell bloggen verstehen. Geld damit zu verdienen allein sicher nicht. Wenn man es definiert als mit Bloggen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, dann würde ich fast behaupten, dass es kaum jemanden gibt, der das tatsächlich tut. Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass Sie das nicht tun und diese Tatsache macht vermutlich auch einen nicht unerheblichen Teil Ihrer Unabhängigkeit als Blog-Autor aus.
Man könnte das ‘professionell’ natürlich auch anders, zum Beispiel im Sinne der gesellschaftlichen Bedeutung (sprich als Stufe auf dem Medien-Olymp) abgrenzen.
Ich kann hier durchaus sagen, dass ich von dem, was die FAZ bezahlt, durchaus leben könnte. Nicht in Saus und Braus, aber durchaus. Bei mir kommt halt dazu, dass ich keine Miete bezahle. Aber auch ohne das könnte ich damit leben.
Don, so habe ich das auch in etwa eingeschätzt. Und meiner Beobachtung nach sind solche Konstellationen (Anspruch einer gewissen Qualität und Kontinuität ohne materielle Notwendigkeit) bei vielen wirklich lesenswerten Netzautoren (um mal über den engen Bereich der Blogs hinaus zu gehen) die Rahmenbedinungen.
Womit wir dann beim Thema bürgerliche Tugenden wären was ja dann wieder zur FAZ führt…
Man könnte aber natürlich auch sagen, dass ein solches Projekt erst dann professionell einzuordnen ist, wenn es zum Lebensunterhalt nicht nur ausreicht, sondern auch tatsächlich dazu dient.
Da dieser Punkt immer wieder von Don aufgegriffen wird, eine sachliche Darstellung zur Causa “Lost in Deutschland”.
Das Format habe ich, damals noch in Diensten der WAZ, vertragsgemäß zum Ende des Jahres 2009 auslaufen lassen.
Eine mögliche Erweiterung der Laufzeit war aufgrund der allgemeinen internen Umstrukturierungen – im gesamten Online-Bereich – nicht möglich.
Dies hatte weder etwas mit der Qualität noch den Abrufzahlen des Formates zu tun, sondern war ausschließlich des für Anfang 2010 auf Null eingefrorenen Budgets geschuldet.
Ist es nicht vielleicht doch so, dass man es behalten hätte, wenn es signifikant von den Besuchern genutzt worden wäre? Man friert doch kein Projekt ein, das grandios läuft und begeistert. Statt dessen wurde es eingestgellt, und Klagen deshalb sind nicht bekannt.
Politik hat leider oft nichts mit Zahlen zu tun…
Mag sein, aber die Frage ist doch: Was kostete der Spass, was hat er gebracht, und wie hat er sich entwickelt. Und das ist keine Politik, sondern einfach nur wirtschaftliche Erwägung. Darüber kann man auch ganz offen reden.
Wen interessieren noch Blogs? Selbst der in der aktuellen Focus (s. S. 126) vorgestellte aufwändig gemachte WM-Blog “Mission: 11. Juli” von Amir Kassaei hat nur 25 Abonnenten. Sein aktueller Blog-Beitrag “Die spanische Eröffnung…” wurde bisher 0x kommentiert. Soviel zur zahlreichen Leserschaft von Blogs…
Bei dem Blog von Amir Kassaei kann man nur eines klar sehen: Qualität bringt Leser. Dass die Ergüsse von Kassaei so wenig Auifmerksamkeit bekommen, spricht für die Leser.
Man nennt die 5. auch die Schicksalssymphonie. Das Schicksal will es, dass Maradonna im unberechenbaren Hagel und Rhythmus einer deutschen Symphonie untergehen wird.
Da schüttelt es einem…