Momentan gibt es ja einige Gerüchte zu Wikileaks in echten Presseorganen. Bekannt ist, dass der Guardian sein Material an die New York Times gegeben hat, es gibt Berichte über angesäuerte Mitarbeiter des Guardian, der Spiegel hält sich inzwischen mehr als nur bedeckt, und die Süddeutsche wird von Assange gnädig empfangen, der bei der BBC und der Times gegen die Veröffentlichung der schwedischen Untersuchungen rantet, die gleich in zwie unterschiedlichen Versionen an den Guardian und die New York Times gingen… sehr undurchsichtig, das Ganze, enorm viele verdeckte Aktionen, wo es doch eigentlich um das Gegenteil geht. Und dann gibt es noch Aufrufe, Serverspiegelungen und Apelle, denen sich nicht die Zeitungen anschliessen, die beim Cablegate mit an Bord waren. Hin und wieder – Süddeutsche, FAZ, Zeit – schimmert auch durch, dass die Medien dazu nicht eine Meinung haben, sondern in der Einordnung vollkommen überfordert sind – heute etwa mit der Frage, was “Nerds” eigentlich sind und wollen. Der Wunsch, es einzusortieren, ist da, aber auch danach muss man weiter damit irgendwie umgehen, egal, wie sich Assange dabei verhält. Im Kern sollte das auch kein Problem sein, als Journalist hat man es laufend mit Leuten zu tun, die nicht einfach sind.

Ich denke, das Kernproblem im Verhältnis zwischen Medien und Internetpublizität ist aber ein anderes: Dass beide “Partner” nur scheinbar die gleiche Öffentlichkeit wollen. In Wirklichkeit haben sie andere Interessen: Wikieaks plant offensichtlich, alle Informationen mit maximalem Effekt zu veröffentlichen – es soll genug Zeit sein, sich das Elend genau anzuschauen und zu wissen, was passiert. Die Öffentlichkeit der Medien, die ich bislang sehe, ist halt das übliche Erregungszeug. Was nicht passiert ist – und vermutlich auch gar nicht gewollt ist – ist eine Aufarbeitung grosser Komplexe, wie etwa: Venezuela/Chavez. Oder War on Terror. Oder Umwelt. Oder amerikanische Firmen. Ich glaube auch, dass es – nicht nur, aber auch – angesichts der schieren Menge von Material genug gäbe, was erst mal in die Giftschränke ginge, um es beizeiten auszupacken Und dann noch die Vorstellung eines Aufeinandertreffens zweier grosser Egos, eines Chefredakteurs, der genau weiss, wie man das macht, und eines Wikileaks-Chefs, der es genauso weiss…

Die ganze Geschichte ist halt undurchsichtig; ich würde mich wetten trauen, dass Wikileaks aus den letzten Wochen viel gelernt hat über Medien, und dafür ist Eingland ja auch nicht das schlechteste Pflaster. Es wird vermutlich immer jemanden geben, der als erster an das Material will, insofern wird man andere Medienpartner suchen und finden können. Aber vielleicht geht man auch einen anderen Weg. Wenn der Guardian seine Leser losschicken kann, um die Depeschen zu durchwühlen, könnte das Wikileaks eigentlich genauso machen.