Bloggerkrise oder Blogkrise
Lustig. Bei Carta, diesem in “Umstrukturierung” begriffenen Projekt, fasst man die nicht gerade dolle Entwicklung der Blogaktivitäten von Robert Basic und seinem Ex-Blog Basic Thinking so zusammen:
Blogkrise verschärft sich
Manche Blogs werden zwangsgeräumt, andere versteigert oder verschenkt. Manche lancieren Spendenaufrufe, andere geben ganz auf oder relaunchen, was das Zeug hält. Und einige kommen gar nicht aus den Puschen oder sind eingefroren
Das ist amüsant, denn diese “Blogkrise” gab es schon immer. Treffender wäre vielleicht: “Bloggen mit kommerziellen Interessen in der Krise”. Das träfe es – was macht eigentlich Adnation? – schon besser.
Nur stimmt auch das nicht. Wenn man sich etwas umschaut, gibt es gerade einen enormen Blogboom mit bezahlten Autoren, guter Präsentation und mehr oder weniger neuen Ideen. Bei den viel geschmähten Holzmedien nämlich.
– Spiegel Online. 6 Blogs. Meiner bescheidenen Meinung nach berechenbare Aufreger (Fleischhauer und Augstein als Stichwortabspuler) oder sauöde (Kammerer, Lobo, Diez und Berg) Standardthemen. Aber hey, Spiegel Onschleim und wirklich phatte Präsi!
– Süddeutsche Zeitung Magazin: Hat gleich eine Woche später nachgezogen. Saulangweiliges Österreichding, der Sohn vom Witzigmann lernt kochen, leider aber nicht schreiben, PR-Frau in Kalifornien macht das 137.345ste Gossipblog. Als hätte sie nicht schon einen Haufen auch nicht gut laufender Blogs.
– Zeit: Macht ein Wikileaksblog, dem Vernehmen nach soll bald noch mehr kommen.
Und niemand nimmt einen Blogger dafür. Man kommt nicht mal auf die Idee. Man nimmt einen Werber, eine PRlerin, hauseigene und freie Journalisten. Aktive, handelsübliche Blogger? Nö. Will man nicht.
Ich will nicht sagen, dass es gerechtfertigt ist, denn fast alle Versuche mit normalen Journalisten sind schlecht gelaufen. Man braucht ganz andere Qualitäten als das, was Journalisten normalerweise mitbringen, und das Nichtfunktionieren sieht man sehr schön, wenn die gut präsentiert werden, und trotzdem kommen keine Kommentare. Und das ist das Paradox: Es gibt jede Menge – meines Erachtens falsche – Entwicklungen, Chancen und Projekte.
Aber die sind nicht für Blogger da. Die können weiter im Internet rumstöpseln.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Und bei der FAZ?
Hat Teresa Bücker, Mark793, Andrea Diener und eine anonym bleibende Bloggerin. Und um es positiv zu sagen, mit Paul Ingendaay auch jemanden, der als Journalist gute Geschichten in die Blogsoftware schreibt.
Aber echte lösungen weiss ich auch nicht; es gibt einfach zu wenig gute Blogger in Deutschland, was massenkompatible Themen angeht, und das Aufbauen von Autoren ist gar nicht so leicht.
Vielleicht liegt es auch daran, dass Blogger Meinungen haben werden Journalisten es gewohnt sind die Texte um die Werbeanzeigen herum zu schreiben und schon deshalb keine Meinung und schon gar keinen Standpunkt haben dürfen.
Deutsche Medien dienen der Erhaltung des Status quo und damit dem neoliberalen Raubtierkapitalismus. Und so gerne ich die Stützen der Gesellschaft lese, wenn du da einmal wirklich zur notwendigen Systemkritik kommen würdest, wäre die Freude deiner Chefs auch schnell vorbei.
Natürlich verdienen deutsche Blogger mit ihren Texten kein Geld. Dafür ist die Zielgruppe zu klein, die sie erreichen. Sie bekehren die Bekehrten, schmoren im eigenen Saft. Man kann sich mit anderen Autoren zusammentun um mehr Breite zu erhalten, läuft dann aber Gefahr, dass es immer wieder Krach um Meinungen gibt. Die Meinungsfreiheit des anderen zu verteidigen, ist in Deutschland nicht sonderlich üblich und auch anderswo sieht es meist nicht besser aus.
Aber eins steht fest. Die Themen von Blogs und sogar Sprachstile schwappen immer wieder in die Systemmedien und auch in die Politik. Es bewegt sich etwas. Damit werden Blogger nicht unbedingt im Einzelnen bedeutungsvoller. Aber in der Masse schieben sie schon etwas an.
Wer dicke Bretter bohren will, der muss vor allem Geduld haben und sich nicht alle paar Wochen die Sinnfrage stellen.
gerade mal beim besagten artikel auf basicthinking vorbeigeschaut. uah, ist das ekelhaft. fast die hälfte der kommentatoren posten dort eindeutig nachvollziehbar mit werbelink ausschließlich zur promotion ihrer kommerziellen webangebote. liest sich dann so: “tolles interview, was ihr da miteinander geführt habt. super idee, sich gegenseitig zu befragen. weiter so!”.
das ist spam, nix anderes. da sich der wert eines blogs für den leser auch an anzahl und qualität der kommentare festmacht, kann man in diesem fall nur von billiger ramschware sprechen. eine redaktion, die solche auswüchse unredigiert zulässt, tut sich und den lesern keinen gefallen und hat ihren namen nicht verdient. die von den betreibern behauptete trafficsteigerung dürfte fast ausschließlich durch das massive aufkommen von besuchern mit eigenen kommerziellen absichten begründet sein (übrigens der grund, warum auch networks wie twitter als unvermarktbar anzusehen sind).
kein wunder, dass die monatarisierung solcher blogs nicht klappt, denn die finanzielle verwertung eines publikums, das sich zum großteil aus pr-hanseln rekrutiert, die sich einen dreck um die inhalte scheren, ist im grunde genommen ausgeschlossen.
Jochen Joff, ich denke, man kann das System so oder so kritisieren, nur, nimmt man das leise Gift oder den schweren Knüppel? Ich glaube, dass es Sinn macht, die anderen zum Nachdenken zu bekommen.
Spltny, das ist inzwischen bei den meisten Internetgeschäftsblogs so: Gründerszene Excited Commerce, egal ob das Kommentare sind oder die typischen 200-x Twitterverlinkungen, weil die ganze Blase sich gegenseitig hochpusht. Web2.0 und Social Media ist reiner, asozialer Spam von Leuten, denen man nicht vorgstellt werden möchte.
[…] Blog III: Bloggerkrise oder Blogkrise?…Blogbar […]
Was ist eigentlich mit den Leuten, denen es humpe ist, wie viel ‘kommerziellen Erfolg’ sie haben, oder wie viel ‘Kommentare’ in ihrem Blog aufschlagen? In meinem kleinen ‘Stilstand’ komme ich täglich auf ein paar hundert der allseits beliebten “unique visitors” – aber ich schreibe trotzdem nicht primär für sie, sondern weil mir mal wieder ein Thema quer im Hals saß oder mich neue stilistische Spielformen interessierten, die im ambulanten Mediengewerbe schlicht (noch) nicht möglich sind. Oder weil Ironie und Sarkasmus in diesem großen Zirkus immer noch Tabuzonen sind, vor deren Betreten der Große Schneider immer warnte wie der Papst vorm Kondom.
Wenn mein Gemöhre dann noch jemand anderen zum Leser macht – gern doch. Aber bewusst “für den Erfolg beim Publikum” texte ich woanders – und dann immer auch bezahlt. Müsste ich in meinem Blog auch noch ‘professionell’ daherklimpern, demütig und tausendfach verlinkt vor den Altären des ‘SEO’ und der ‘Awareness’ kniend, dann hätte ich – der Begriff ‘professionell’ sagt es ja – wieder einen Beruf aus etwas gemacht, wozu ich – dank des Netzes – jetzt auch einfach nur ‘Lust’ haben darf …
@ Klaus,
ja solche wie deinen einen gibts viele. die ganze welt der katzen, strick, bastel oder urlaubsblogs, die machens auch für 20 uniques im monat.
die sind aber auch mit sicherheit nicht das ziel der kritik in der blogbar.
Man müsste schon auch mal die Frage aufwerfen, ob ein blog überhaupt als Medium dazu taugt, “gut schreiben” zu lernen.
Wenn so wenige aus der blogosphäre ins Establishment durchstarten, weil ihre Klasse anerkannt wird, könnte es doch auch daran liegen, dass das Meidum einen selbst irgendwie nicht darin schult, “besser zu werden”.
Oder bildet sich die Masse der “Verkannten” heute nur deutlicher ab, weil die früher von vornherein unterhalb jeder Publikationsschwelle blieb?
Naja – in der FAZ zumindest führen die ‘Blogger’ mit weitem Abstand vor den FAZ-Journalisten … nur mal so als Antidot und ausweislich der hauseignen FAZ-Statistik. Die meisten Journalisten kommen dort auf weniger als einen Kommentar je Beitrag. Aber vielleicht werden die Blogger ja deshalb gelesen, weil sie nicht schreiben können. Weiß man’s?
Ich glaube, dass Leser klug genug sind zu begreifen, wenn jemand mit ihnen reden will.
Und ich glaube auch, dass Journalisten zu dumm sind zu begreifen, dass es keinen, wirklich gar keinen Grund gibt, mit ihnen zu reden, wenn sie nur ihren Text ablaichen wollen.
Den Unterschies sieht man übrigens sehr schön an Paul Ingendaay, der seine Kommentatoren betreut – da geht es nämlich.
Don, volle Zustimmung. Ich lese regelmäßig die andere Frankfurter Zeitung, dazu noch zwei regionale Internet-Zeitungen, um mal bei den journalistischen Angeboten zu bleiben. Als Leser fällt das direkt auf, wenn mich ein Autor anspricht. Bei der gedruckten Zeitung sind es häufig die Schüler und die Kolumnen, bei den Internet-Zeitungen die Texte, hinter denen keine Organisation, sondern ein Mensch steckt.
Ansonsten ist vielleicht auch die Frage, was oder wen man als Blogger definiert. Don, du schreibst für die FAZ, als was siehst du dich da, als Blogger? Sind Blogger nur die Webseitenfüller aus Berlin Mitte, „wenn sie mit Bloggern sprechen wollen, sprechen sie mit uns“?
Oder ist es vielleicht günstiger, naheliegender, „einen Werber, eine PRlerin, hauseigene und freie Journalisten“ bloggen zu lassen, weil die eh schon da sind und in gewisser Weise „schreiben können“, anstatt erst Autoren zu finden und aufzubauen?
@ Robert B.: Das Wort ‘Autor’ kommt von ‘Selbst’, ein eigener Stil oder Sprachgebrauch sollte also erkennbar sein. Wo aber ist das im Alltagsjournalismus der Fall? Da sind überall die gleichen Wortstanzen zu finden, kein ‘Ich’ im Text mehr weit und breit. Ja, man könnte bei der üblichen Stanzendrescherei heute doch noch nicht einmal mehr sagen, ob ein Text in der FR, der FAZ, der Welt oder der SZ erschienen ist. Das alles ist ‘eine Soße’ geworden – austauschbar wie die Blätter auf einer Klopapierrolle. Alle sind sie nur noch auf ‘Inhalt’, ‘Information’, ‘Scoop’ oder ‘Sensation’ fixiert, wie der Jagdhund aufs Apportieren.
Mit anderen Worten: Die Grenze verläuft gar nicht zwischen ‘Journalisten’ und ‘Bloggern’. Es gibt jede Menge Blogger, die so ‘entindividualisiert’ schreiben, wie der letzte Provinzjournalist oder PR-Heini. Und andererseits gibt es Journalisten, die den Weckruf gehört haben, ich nenne mal den Spreng oder sogar den Kai Diekmann, der während seines ‘Blog-Experimentes’ ja auch einiges begriffen hatte: ‘Phrasenjournalismus’ und ‘Autorenjournalismus’ sind folglich auf beiden Seiten zu finden. Nur bieten Blogs mehr Möglichkeiten zu letzterem, so dass das Netz gewissermaßen zu einem Reservat wurde. Serengeti soll nicht sterben! – das wäre dann vielleicht auch der Grund für den größeren Publikumszuspruch. Tucholsky müsste heute ‘Blogger’ werden.
Hinzu kommt, dass das Netz einige Möglichkeiten bietet, sich am großen Meinungsmonopol, an der gelenkten Öffentlichkeit und ‘an den Medien vorbei’ zu organisieren, siehe Stuttgart 21 oder auch Tunesien …
basicthinking ist vielleicht kein gutes beispiel, denn dort sind die probleme eher hausgemacht: null uniquer content, wenig eigene interpretation. wirkt oft wie 1:1 aus techblogaggregatoren abgeschrieben. hinzu kommt diese naiv vorgetragene blut-schweiss-und-tränen-herzblut-blogger-attitude, die man dort gern mal raushängen lässt. das wirkt unprofessionell und albern. wenn man gewerblich unterwegs ist, hat man entweder etwas zu bieten, oder eben nicht. rührselig auf seinem bloggerstatus rumzureiten bindet doch keine leser. wer will da ernsthaft debatten führen?
dabei zahlen die nichtmal schlecht.ist eigentlich für einsteiger durchaus attraktiv.
thematisch ist man auch nirgends führend: webökonomie wird von holgerschmidt und trends von netzwertig besser bedient, und in tech/mobile-tech gibt es ein halbes dutzend dt. blogs, die die materie besser aufbereiten.
basicthinking ist vielleicht kein gutes beispiel, denn dort sind die probleme eher hausgemacht: null uniquer content, wenig eigene interpretation. wirkt oft wie 1:1 aus techblogaggregatoren abgeschrieben. hinzu kommt diese naiv vorgetragene blut-schweiss-und-tränen-herzblut-blogger-attitude, die man dort gern mal raushängen lässt. das wirkt albern. wenn man gewerblich unterwegs ist, hat man entweder etwas zu bieten, oder eben nicht. rührselig auf seinem bloggerstatus rumzureiten bindet doch keine leser. wer will da ernsthaft debatten führen?
dabei zahlen die nichtmal schlecht.ist eigentlich für einsteiger durchaus attraktiv.
thematisch ist man auch nirgends führend: webökonomie wird von holgerschmidt und trends von netzwertig besser bedient, und in tech/mobile-tech gibt es ein halbes dutzend dt. blogs, die die materie besser aufbereiten.
mobil versendet
Es gibt eben nur einen, der es wirklich gut kann: Don Alphonso. Nicht mal Gott könnte es besser.
[…] Das ist also gemeint, wenn von der Krise der Blogs die Rede ist: die Anpassung der wirtschaftlichen Blütenträume an die ökonomische Realität. Insofern ist es wirklich treffender, von Problemen der Blogs zu sprechen, die mit ihrer Bloggerei kommerzielle Interessen verfolgen. (Und seitdem Blogs “nicht mehr die dominierenden Verbreitungsstellen im digitalen Umfeld” (Robert Basic) sind, sondern Facebook und Twitter, glaubt auch niemand mehr so recht daran, dass sich der große Erfolg für einzelne Weblogs noch einstellen wird.) […]
Irgendwie ist es im Moment so eine Art sich selbst stabilisierendes negatives Gleichgewicht:
Die überregionalen Zeitungen werden immer schlechter, weil die Leser ins Internet abwandern (damit geringere Anzeigenpreise Stellenstreichungen, Frust, fehlende Relevanz, dpa-Abschreiberei usw. usf.).
Die Blogger dagegen sind noch nicht so weit, weil weit und breit das Vertrauen in eine starke Marke fehlt.
ich finde diese abgrenzung zwischen bloggern und journalisten nicht sonderlich hilfreich.
was beim “bloggen” bestenfalls als toll empfunden wird, ist doch schlichtweg die art und weise das publikum zu bedienen. rein vom anspruchsdenken her, sollen die inhalte ja sogar noch besser sein als das, was journalisten liefern.
also über dem liegen, was eine journalistische ausbildung generieren kann. und dieses anspruchsdenken konnte und kann die blogosphäre einfach nicht erfüllen. während journalisten zu viele pr-nebenjobs haben um die art und weise anzubierdern, die man in der blogosphäre bräuchte.
die schnittmenge ist da erstaunlich groß… das ganze lebt aber seit jahren auch nur von seinen ressetiments.
alle paar monate jammert bspw. einer lautstark darüber, dass es keine gescheiten politischen blogs gibt .. und vergisst, dass alles, was niocht tendenziell links ist, ohnehin nicht zur szenerie passt und das linke zu viele splittergruppen hat, die sich gegeneinander statt miteinander gegen die anderen beschäftigen.
das ist kein konstruktives umfeld, in dem etwas entstehen könne in dem es wächst. die berichterstattung der massenmedien tendiert entsprechend auch immer weiter weg von den harten themen, hin zur unterhaltung um sich die breite erhalten zu könnnen.
schlussendlich aber steht man da und fragt sich: warum sollte ich`mir mühsam die paar wenigen blogschriften zusammensuchen, wenn mir doch ständig jemand einen link zu kaum schlechteren zeitungsartikel sendet?
> das Nichtfunktionieren sieht man
> sehr schön, wenn die gut präsentiert
> werden, und trotzdem kommen keine
> Kommentare
Das liegt daran, weil die potentiellen Kommentatoren ob ihrer vergleichsweise miserablen Schreibfähigkeit sich schämen, Kommentare abzusetzen, vulgo eine Hemmschwelle entwickeln. In deinen Blogs gibt es dagegen keinen qualitativen Unterschied zwischen original posts und thread entries. Du machst es deinen Lesern leicht. Danke dafür.
Muss Kritik an dir erst als vergiftetes Lob daher kommen, um stehen zu bleiben? Mann-mann-mann.
OT, aber wichtig:
EWS +++ BREAKING NEWS +++ BREAKING NEWS ++
Sascha Lobo war jahrelang als verdeckter Ermittler von Scotland Yard tätig.
Er wurde mit Erfolg in die linken Szenen Europas eingeschleust. Hier der Fotobeweis:
http://s5.directupload.net/file/d/2416/cmmrabie_jpg.htm
Kein Zweifel: http://www.zentrale-intelligenz-agentur.de/docs/public/FriebeLobo.JPG
Heiner (#20) scheint mir – leider – recht zu haben: Es gibt offenbar (echte oder vorgeschobene) Hemmschwellen, an die man als Autor oder Herausgeber eines Blogs anfangs nicht unbedingt denkt…
Zum Exempel: Ich versuche seit dem Sommer letzten Jahres, in Deutschlands kleinster Großstadt ein anspruchsvolles Bürger-Blog als offenes Gemeinschaftsprojekt zu etablieren, siehe
http://www.fuerther-freiheit.info
Monatelang habe ich potentielle Autorinnen und Autoren (auch offline) angehauen und ihnen jegliche technische Unterstützung zugesagt. Aber es läuft zäh, momentan packt niemand die relevanten (und durchaus vorhandenen) Streit-Themen der Lokalpolitik an, die Seite entwickelt sich derzeit eher zum schöngeistigen Spielplatz für Lyriker (was an sich ja auch nix Schlechtes ist).
Bei der Handvoll wirklich kritischer Beiträge zur Lokalpolitik, bei denen wir die betuliche Lokalpresse eindeutig überholt haben, blieb die Zahl der Kommentare trotz hoher Leserzahlen recht überschaubar. Immer wieder hat man mir persönlich gesagt: “Ich wollte ja was kommentieren in dieser wichtigen Sache, aber nicht einfach nur ein paar banale Sätze schreiben. Ich wollte mir Zeit nehmen für eine fundierte Antwort, bin dann aber drüber hinweggekommen, weil ich nicht die Zeit fand etc. pp.”.
Berührungsängste haben insbesondere auch die örtlichen Amts- und Würdenträger, wenn man sie um (konfliktpotentialfreie!) Beiträge aus Ihrem Fachgebiet bittet. Selbst wenn es “nur” um die Zweit- oder Drittverwertung von lokalhistorischen oder wissenschaftlichen Arbeiten, Reden, Würdigungen usw. geht, die wenigsten wollen sich in einem neumodischen Medium betätigen, dessen mögliche Auswirkungen auf die eigene Reputation sie nicht abschätzen können. Könnte man ihnen ja als Illoyalität (gegenüber dem Arbeitgeber, dem Rathaus, der “richtigen” Zeitung) ankreiden. Dabei ist unser Blog ja alles andere als eine extremistische Kampfpostille, wir achten schon auf die Wahrung der Formen und der gutbürgerlichen Gepflogenheiten.
Schon schade: Die technischen Möglichkeiten sind so umfassend und so bedienerfreundlich wie nie zuvor, aber vorauseilender Gehorsam, die innere Schere im Kopf und diffuse Karriereängste halten augenscheinlich viele Menschen davon ab, ihr Grundrecht auf das freie Äußern ihrer Meinung wahrzunehmen. Aber vielleicht braucht es einfach nur noch etwas Zeit, bis das Bloggen an sich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und nicht mehr mißtrauisch als Freak-Phänomen beäugt wird…
@ zonebattler: Das “Sich-trauen” kannst du niemandem abnehmen … das ist eine Frage des Charakters und seiner biographischen Verflochtenheiten. Davon sich frei zu machen – – – ja, Herrgott! Erst, wenn’s auf den Fingernägeln brennt, findet jeder zur Stimme …
Schon richtig, Klaus, ich hätte nur nicht gedacht, daß das “Sich-trauen” so früh anfängt (bzw. aufhört). Da wird mancher, den man auf früher mündlich geäußerte Absichten zum Mitmachen konkret anspricht, recht unvermittelt blaß und beginnt sich rauszuwinden. Wobei der aufzubringende Mannesmut ja so dolle nicht wäre, es geht ja hier weder um revolutionäre Umtriebe noch gälte es das eigene Leben zu riskieren…
– OT –
@zonebattler
Ich will Dich nicht entmutigen, aber: dass Du Leute schon früher durch mündliche Absprache aufs Mitmachen “verpflichten” wolltest, zeigt doch, dass Du selbst in irgendeiner tieferen Schicht nicht davon überzeugt bist, dass dieses Projekt mit der “Fürther Freiheit” von selbst läuft.
Zu Recht! Ich hab mir die Seite mal angeschaut, und es wär mir jetzt auch nicht recht einsichtig, warum ich dort etwas beitragen sollte. Ich stell mir Fürth wie so ein kleines Kaff vor, wo ich von öffentlichen zivilcouragierten Äußerungen/Stellungnahmen eigentlich nur Nachteile habe. Weil, wenn ich wirklich politisch was will, dann muss ich dort in die Lokalzeitung, die alle lesen.
Bei Dir hab ich den Nachteil, greifbar und festnagelbar zu sein, ohne den Vorteil, die Leute wirklich zu erreichen (mangels Reichweite). Ist auch nicht wie bei der wikipedia, wo ich aus der Begeisterung über ein bestimmtes Gebiet auf Gleichgesinnte treffe, die ich sonst nicht erreichen würde. Wenn ich mich in Fürth über Fürth unterhalten will, kann ich ja einfach mit meinem Nachbarn, Arbeitskollegen etc. ein Gespräch anfangen. Wozu also die Seite?
Dies meine kostenlose Mini-Analyse, sorry, dass sie nicht positiver ausgefallen ist.
Urs
– OT-Ende –
Danke für die Analyse, mit der Du sicherlich nicht ganz daneben liegst. Anderseits gibt es ja durchaus Beispiele boomender Bürgerblogs, auch in Gemeinden von überschaubarer Größe und mit vergleichbaren Rahmenbedingungen!
Die mündliche Akquise war bei uns in der Anfangszeit das probate MIttel der Wahl, um das Projekt überhaupt bekannt zu machen, zumal bei jenen, bei denen aus Altersgründen die Internet-Affinität nicht allzu ausgeprägt ist. Die damaligen Reaktionen stimmten mich auch durchaus optimistisch, zumal Fürth mit > 110.000 Einwohnern ja nun nicht in jeglicher Hinsicht ein Provinz-Kaff ist…
Der Wunsch nach einer Ergänzung zur Lokalpresse kommt einem hier durchaus öfters zu Ohren, namentlich dann, wenn Themen akut sind, die die Bevölkerung polarisieren (Privatisierung der Wasserversorgung, geplanter Abriß denkmalgeschützter Bausubstanz zugunsten eines Einkaufszentrums etc.). Fehlt das brisante Thema und/oder das “Feindbild”, dann schläft auch das öffentliche Engagement bei vielen wieder ein. Ist so.
Gut, dann überwintert man halt auf Sparflamme, bis wieder ein Reizthema auftaucht. Dann steht die Plattform bereit, die ausweislich der Zugriffszahlen mittlerweile durchaus bekannt ist. Kostet ja auch nix, müssen schließlich weder Büros noch Mitarbeiter bezahlt werden.
Unbeschadet des bislang bescheidenen Erfolges war das Projekt für mich persönlich dennoch ein großer Gewinn: Erstens, weil ich es als Verpflichtung empfand, meiner Wahlheimatstadt etwas zurückzugeben (und das solcherart tun bzw. zumindest probieren konnte), zweitens, weil sich aus der virtuellen Betätigung doch einige höchst reale persönliche Beziehungen entwickelt haben… ;-)
The End of Blogging
http://www.observer.com/2011/tech/end-blogging
Ich muss jetzt nochmal etwas zu diesen SPON-Blogs loswerden. Endlich weiß ich, was mich an den Spiegel Online Kolumnisten stört: Sie haben ihre beschränkte Weltsicht (Lobo: Internet ist super, Augstein: Alles ist links etc.) und versuchen sie diese jedem – am besten weltpolitisch relevanten – Thema überzustülpen. Dass das nicht funktionieren kann, bzw. extrem peinlich wirkt – weil überdies noch ganz schrecklich dumm und naiv und oftmals in einen ganz falschen Kontext gesetzt – ist ziemlich logisch. Es ist nicht mal interessant oder spannend. Mangelnde intellektuelle Fähigkeiten überdies durch falsch benutzte Zitate und Verweise aufzuwerten zu versuchen ist schlichtweg peinlich. Abschalten.
Was mich an den SpOn-Blogs störtt, ist daß man dort denen Geld und Aufmerksamkeit in den Rachen wirft, die schon genug davon haben.
Ok, könnte man über Don auch sagen, aber die “Stützen” lesen sich so, daß man die Akteure mag, bei Frau Kammerer kriegt man nur auf sie und ihre Objekte der Berichterstattung heftige Abneigung.
Lobo geht sowieso nicht, Frau Bergs ewig gleiche Stories von verpupsten Betten braucht auch niemand, ebenso hat Fleischhauer immer nur dasselbe zu bieten.
Und Basicthinking? War mir vor dem Verkaufshype unbekannt. Wie kann man – auch wenn man so heißt – ein Blog “Denken für Anfänger” nennen? :-)
Der Spiegel packt das schon eigenartig halbherzig an. Warum muss man sich erst anmelden zum kommentieren? Warum finde ich die Autoren nicht in den Kommentaren, in der Debatte mit ihren Lesern? Ãœberhaupt sind das doch schon vom Layout keine Blogs, wenn die Kommentare in der Foren-Struktur des SPON laufen.
Inhaltlich habe ich mich nur bei Dietz festgelesen. Der ist zwar ungerecht und sprachlich auch teilweise nicht ganz ausgewogen, aber wenigstens meinungsstark, mit Gespür für wunde Punkte. Lobo und Augstein war mir zu mainstream, Berg finde ich doch etwas stilschwach (meine Meinung), und Fleischhauer schafft es nicht, einen Beitrag zur These zu runden.
Hm. Für die Potenz, die eigentlich hinter dem SPON steckt, in der Tat ein Offenbarungseid.
Ãœbrigens: Hier:
http://www.pushthebutton.de/2011/02/08/im-wurgegriff-der-exklusivitat/
…wird Bezug (mit Screenshot) auf einen älteren Blogbar-Artikel genommen.
Guten Tag!
Danke an Jeeves für die Verlinkung – das ist aber nicht der Grund für meinen Kommentar.
Ich habe alle Kommentare gelesen und ganz ehrlich?
Gääääähhhnnnn – die Debatte um die Bedeutung von Blogs und das Beweihräuchern von Alpha-Bloggern, Bashen von B-Z-Bloggern, Rudelschupsen von Blogger vs. Journalisten usw., wie das hier stattfindet, ist sowas von vorgestern – geradezu provinziell-spießig.
Außer Zeitverschwendung bleibt da nix übrig.
Zonebattler – eine Bitte. Deine Beiträge sind sehr gut und sollen weiter diskutiert werden.
Schieb die Bitte 1:1 ins http://forum.istlokal.de, denn da gehören sie hin und werden von mir und anderen sofort umfangreich und vor allem konstruktiv kommentiert werden.
Beste Grüße
Hardy Prothmann
@Hardy: Don durchaus Recht: Wenn Zeitungen Blogs machen, dann ist das weder Fisch noch Fleisch. Ausnahmen mag es geben, ab und an stolpere ich mal über einen TAZ-Blogartkel oder einen in der FAZ ;-). Was natürlich daran liegen dürfte, dass Journalisten anders an Texte herangehen als Blogger. Und wenn das als Grundsatzproblem – nämlich die Frage, warum Journalisten eigentlich scheitern bzw. warum Journalisten die ach so hochgelobten Blogger nicht für die Zeitung engagieren – von seltsamen Experimenten wie dieser “Wir lassen mal Blogger eine Printzeitung machen”-Geschichte – dir als Zeitverschwendung erscheint – bitte. (Dass das der Kern des Beitrags ist wird ja leider von dir übersehen – natürlich bin ich die Debatte Journalisten versus Blogger auch etwas überdrüssig, die seit 2001 geführt wird, aber mei, ist halt wieder Frühling – kommt alle Jahre wieder…)
Ad Astra