So, “das Netz” ist also gemein zu Herrn Gauck. In vielen Blogs steht so viel Böses über Herrn Gauck. Man kramt alte Äusserungen und Bilder hervor, man sagt, dass er nicht der Präsident dieses “man” sei, man ärgert sich über die ein oder andere Entgleisung, und so schnell, wie Apologeten des Herrn Gauck Erklärungen und Entschuldigungen bringen, tauchen neue Details auf. Manche überraschend langlebig und garstig. Naja, DDR halt: Da war einiges im Busch, und nachdem die Akte weg ist, wer weiss schon, was da noch kommt.

Kurz, während die Medien jetzt schon wieder den Kotau machen, beschweren sie sich gleichzeitig darüber, dass andere, die nicht so viel mitschnabeln können, die ein oder andere Frage haben. Die gleichen Medien, die bei der letzten Runde all die tollen Geschichten über die moderne Patchworkfamilie in Bellevue verfasst haben, haben es eben gern ordentlich: Es gibt eine Zeit zum Hochschreiben und eine Zeit zur Vernichtung. Beides mag vielleicht nicht bschön sein, aber beides bringt Auflage.

Dauernde Fragen aus dem Netz stören natürlich bei der Jubelfeier, und sind eine willkommene Gelegenheit – mal wieder – den Medienlesern vorzuführen, wie gemein und haltlos doch diese anderen da draussen argumentieren. Das Volk will Gauck, das Volk will vielleicht auch den Dreeckkübel voller Opportunisten und Speichellecker, die bei der Inthronisation jetzt erst mal die Rolle der niedrigen Priesterschaft für das Volk übernehmen, und dabei die pöhsen Ketzer benennt, die sich nicht sofort im Staube wälzen.

Dabei könnte man vielleicht auch mal darüber reden, was das bedeutet:

1. Das Amt als solches ist fraglos schwer beschädigt, wenn jedem Neuen gleich mal das geballte Misstrauen entgegen schlägt. Der eine wollte mit der Bundeswehr die Industrie füttern, der andere sich von der Industrie füttern lassen: Da wird man halt misstrauisch und verfällt nicht sofort in Verehrungsstarre. Man hat so seine Erfahrungen mit diesen Leuten. Und weil es auch diesmal so läuft wie immer, ist der Prozess für sich genommen kein Grund, die Haltung zu ändern. Und das ist nicht das Problem des Netzes, sondern das Problem der Schuldigen.

2. Der Neue wird nicht nach dem beurteilt, was Medien jetzt Nettes hofberichten (und seien wir ehrlich, das wäre bei dem redenden Geschmacksmordjäckchen aus Frankfurt nicht anders gewesen), sondern nach dem, was man hat, findet und nachlesen kann. Hätte Gauck die letzten anderthalb Jahre damit zugebracht, eine kluge Rede nach der nächsten zu halten, würde man sich vermutlich auch daran halten. Hat er nicht getan? Ja dann. Dann nimmt man, was man kriegen kann. Jeder muss selbst wissen, mit welchem Maschmeier er sich ablichten lässt.

Natürlich ist das nicht immer nett, aber so ist das nun mal in Demokratien, die mitunter undemokratisch Leute einstellen: Es gibt ein Grundrecht zur freien Willensbildung und ein weiteres zur Meinungsäusserung. Wem das nicht gefällt, sollte sich bei der Willensbildung reinhängen und nicht erwarten, dass “das Netz” auf Zuruf der Johurnaille nun den Traum des einig zu Gauck aufschauenden Volkes erfüllt. Da helfen auch keine billigen Slogans und kein öffentliches Wendehalstum zur Selbsterhöhung, wenn man 24 Stunden davor gerade noch über andere dicke Lügen über die Piraten verbreitet hat: Das Netz ist nun mal nicht netter als das, was man in es hineinkippt.

Und mit etwas Glück hilft das Netz ja auch mit seiner kritischen Haltung, den bezahlten Redenhalter da oben daran zu erinnern, dass er sich ranhalten und einen guiten Job machen soll, wenn schon das bisher Gezeigte eher nur so mittelgut war. So eine Art Kontrollfunktion, die immer präsent ist, wenn die anderen mal wieder ihren Krönungsrausch ausschlafen.