März 2013. Securehypercontroltec Inc. hat eine Junior Consultant Stelle zu vergeben, Domestic Affairs, für Berliner Verhältnisse über Slumniveau bezahlt und dem Versprechen, dass man dabei wahnsinnig viele tolle Leute aus Politik und Wirtschaft kennenlernt, unter anderem die ganze Riege der Spezialisten für angewandte Bürgerrechtsausübungsregeln, und Nord-Süd-Treffen bis der Maschi und die Veri abwinken. Unter anderem bewirbt sich eine Person, die erst ein Jahr zuvor, von der FDP kommend, die Chefin der Piratenpartei werden wollte, und hier nur darlegt, wieso das alles gar nicht so ernst gemeint war:

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Gut, sie Piraten. Also. Dafür muss man meinen damaligen Zustand kennen: Post-Verlobungs-Depressionen, neue Senatsfraktion ohne mich, neues Leben ohne Postprivacy, der ich gerade abgeschworen hatte, schlechtes Wetter, Zukunftsangst weil der Lektor mein Buch scheisse fand, krasse Frustration über die Piraten (zu wenige sagten, ich sollte Chefin werden) und die Entscheidung jetzt doch mal was zu machen in der Partei, weil Job und Medienauftritte und ich sagte so gern dass ich Privilegienmuschi bin. Deswegen erfreute ich mich an Twitter und den Menschen, mit denen ich viel Spass hatte und mit denen ich neue Ideen und Philosophien austauschte. Vor allem die Beiträge von meinem Verlobten und meinen Kegelklubberinnen inspirierten mich meine Zielvorstellungen zu hinterfragen und über den Wert so einer Chefposition nachzudenken.

Was ist so eine Piratenchefin? (Anmerkung: Ich schreibe über diese Frage an einem Report für die FDP, also aus politikwissenschaftlicher Sicht.) Welche Rolle spielt sie in der Gesellschaft? Und natürlich stieß ich auf mannigfaltige Probleme, die mein kleines Piratenhirn erschütterten. Abgesehen davon: Ponys, etc.

Und so diskutierten wir fröhlich auf Twitter und irgendwann kam es dann zur Gründung der meiner Unterstützergruppe. Wir tüftelten an Texten, an Ideen, an Kritik gegenüber konservativen Piratenamtsinhabern, die den Krieg gegen die besseren Lösungen führten und mir immer noch vorwarfen, ich sei ein U-Boot der FDP. Soweit, so unspektakulär. (Ich war immer noch mies drauf wegen der mickrigen Hochzeitstorte) An einem Tag nun kam dann die Wahlaufstellung auf mich zu. Wut? Ich war total überfordert, überrollt und auch einfach gespannt dieses Amt zu machen. Auch hatte ich Angst den Piraten abzusagen: ich meine, das macht man doch nicht, oder? (Heute bin ich da zum Glück weiter! ;))

Die Ideen, die wir haben, sind ja bedenkenswert! dachte ich mir. Und es war eine Möglichkeit mal andere Perspektiven abseits der bisherigen Piraten aufzuzeigen. Ich kontaktierte also die Freunde und wir schrieben in einem Pad die Argumente zusammen. Ich selbst war aufgeregt, neu in der Materie und unbedarft – also gab ich stur die Meinung der Unterstützerruppe wieder, wie sie in dem Pad gesammelt worden war. Ich glaube, dass das die eigentliche Ironie an der Geschichte ist.

Die Partei, die für alles verantwortlich ist, muss sich gefreut haben, so eine naive junge Frau gefunden zu haben, die bereit ist den ganzen Verfassungsschützern(tm) den Stinkefinger zu zeigen, ohne das es ihr bewusst ist. Und das habe ich dann auch getan – einen deutlichen Kontrapunkt gesetzt gegenüber einer Welt, die ich bis dahin nicht kannte. Ich kannte diese ganzen V-Leute und PI-Blogger wie den Herre nicht, die Innenministeriums-Granden und paranoide Ausforschungsindustrie, überhaupt diese ganze Berliner Klitsche, die sich einbildet, dass das Netz ihnen gehört. Ich kannte das alles nicht. Vielmehr habe ich mich mit Internet und Politik abseits dieser Szene beschäftigt und war der Meinung, dass es doch klar sei, dass verschiedene Meinungen zu verschiedenen Themen existierten. Weit gefehlt. Achja und die Reichweite des Parteitages habe ich auch unterschätzt. Eine wirklich krude Mischung aus Dingen, die ich im Nachhinein in Kontext setzten kann, damals jedoch keinesfalls. Die Medienreaktionen sind hinlänglich bekannt. Und der Schuft von Jauch woillte mich nicht! Warum haben mich diese Idioten vom Vorstand nicht wenigstens mehr bedrängt, dass ich auf das Focus-Cover mit drauf gehe!

Im Laufe des letzten Jahres setzte dann ein Wandel ein. Das Piratenamt würde ich so nicht mehr machen, alleine weil ich heute viel weiter bin, viel tiefer in der Debatte stecke und verstehe, das es hier um mehr geht, als nur Meinungen auszutauschen. Ich habe mich deswegen auch zurückgenommen die letzten Monate, mich bei der Partei rausgehalten, das Liquidfeedback gemieden, keine Texte mehr in die Richtung verfasst und alle Interviewanfragen seit Dezember konsequent abgelehnt. Warum? Zum einen, weil mich die Debatte nicht mehr so wirklich interessiert, wenn man nicht weniugstens einen Dienstwagen bekommt. Zum anderen, weil mir die exponierte Rolle in diesem Themengebiet unangenehm geworden ist, man hat ja berufliche Pläne, gell? Ja, ich lebe sehr piratig und sehe gar nicht mehr nach FDP Bonn aus, aber ich habe das niemals als Ideologie gesehen, zu keinem Zeitpunkt. Nun als Ideologin hingestellt zu werden ist … anstrengend, weil ich das nicht bin. Das Ganze war somit eher ein Denkprozess, der live gestreamt wurde :o)

Die Aussage “Ich will dieses Amt Ihr Schweine wählt mich gefälligst oder ich gebe der FAZ ein extrem böses Interview dass ihr alle sexistische Nazis seid” war auch niemals so gemeint, wie sie interpretiert wurde. Ich sagte noch dazu: Wählt mich oder ich verkaufe das interne Forum für Drogen an die Kripo. Leider wurde das (lacht) in dem Zusammenhang konsequent ignoriert. Und für die Aussage “Keine Macht für Ãœberwachungstaatliche Eingriffe ins Grundgesetz” habe ich mich bereits entschuldigt. Jemand, der so viel redet wie ich, redet manchmal auch Blödsinn!

Die Missverständnisse in der Debatte waren für mich so anstrengend, dass ich mich da seit der Wahl in NRW, wo sie mir auch keinen Ersatzplatz im Parlament mit Dienstwagen und so geben wollten. ziemlich konsequent versucht habe rauszuhalten. Ich habe einen Kontrapunkt gesetzt, V-Leute von Freidrich auf Hipsterpodien gebracht – next.

Das Gespräch mit Schäuble folgte einer Podiumsdiskussion im Rahmen meines Sommerurlaubs bei der Adenauerstiftung. Dort wurde ich dezent darauf hingewiesen, dass nach der BuVo-Kandidatur von mir ein neuer Weg alternativlos sei. Das erste Mal seit Monaten beschäftigte ich mich wieder mit der Frage: PR? Nochmal zur Wahl stellen? Wirtschaft? Will ich das? Am nächsten Tag folgte nun das Gespräch mit Schäuble. Wir sprachen auch über die Herausforderungen der digitalen Ära und er beschrieb, wie er den grossen Lauschangriff damals auf den Weg brachte. Und plötzlich machte es Klick in meinem Kopf und ich verstand, was Datenschutz ist und welche Rolle er in unserer Gesellschaft keinesfalls mehr spielen darf. Nicht, dass der Prozess nicht schon länger im Gang war, ich hatte mir ja schin bei Liquid Feedback so ein paar Gedanken gemacht, wie man feindliche Trolle auslöschen lassen kann – aber dieses Gespräch war nur der Tropfen, der dass Fass zum Ãœberlaufen brachte. Nun können natürlich ein paar Leute sagen “Ha, habe ich es doch gewusst!” aber .. naja, alles unter 30 und besonders der ganze Piratenscheiss fällt unter Jugendsünde, richtig? ;)

Nicht falsch verstehen: Ich denke immer noch, dass Datenschutz ein gesellschaftliches Teilelement ist, dass der Name nicht angemessen für das Ziel erscheint (aber das tut der Feminismus auch nicht :o)) und dass wir systemische Probleme haben, kein “Datenproblem”. Ich denke inzwischen auch wieder, dass privat nicht per se gut ist. Aber das Ganze hat sich ausdifferenziert. Ich denke, dass die Idee hinter Datenschutz wichtig ist, dass wir aber vorsichtig sein müssen, dass aus Liebe zum Datenschutz nicht die Rechtlosigkeit im Internet wird.

Und erst am Ende dieses Prozesses konnte ich für mich mit guten Gewissen sagen: Ja, ich will Junior Consultant werden und ja, ich kann Ihre Firma und die Überwachung mit gutem Gewissen vertreten. Ohne diesen Denkprozess, ohne das Gespräch mit Schäuble, hätte ich es niemals gewagt mich zu bewerben und mich mit einem A4 als Dienstwagen zufrieden zu geben. Siehe 2010, als ich mit der Spackeria auch schon voll auf Ihrer Linie lag.

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Achtung Satire (mehr oder weniger)! Original-180-Gradwendung der nach Eigenbehauptung Ex-FDP-Ex-Spackeria Schramm hier:

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