27.5.2005 | 8:20 von Anke Gröner

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Herr Sixtus ist schuld. Er hat nach seinem Vornamen gegoogelt und uns Kommentierende quasi moralisch gezwungen, es ihm gleichzutun. Beim Anke-Googeln habe ich mal weiter rumgeguckt, wer oder was sonst noch bei meinem Namen auftaucht. Und siehe da, ein anderes Weblog erschien auf meinem Schirm. Gut gelaunt klickte ich auf den Link, um zu sehen, was eine andere Anke so ins Netz schreibt. Und die ersten Sätze, die ich von dieser unbekannten Anke las, waren folgende:

Hallo ihr Lieben,
es gibt nichts Positives mehr zu berichten. Mein Mann wird mich/uns definitiv verlassen, denn da ist nichts mehr, was noch heilen kann. Es wäre alles nur eine Quälerei. Die letzte Hoffnung ist die, das er bald von seinem Leiden erlöst wird.

Wir sind darauf vorbereitet und haben liebe Menschen, die uns beistehen.

Auch bei euch möchte ich mich nochmal recht herzlich für die vielen Genesungswünsche und Gebete bedanken.

Ich schreibe hier nicht rein, wann es soweit ist. Das kann ich nicht. Aber ich werde mich bald wieder bei euch melden, auch wenn es länger dauern wird.

Seid behütet.
Liebe Grüße, Anke

Ich würde gerne wissen, was ihr empfunden habt, als ihr diese Zeilen gelesen habt. Ich persönlich war erstmal still. Ich habe mich gefühlt, als hätte mir jemand eine Ohrfeige gegeben, so unvorbereitet haben mich diese Sätze erwischt. Und mir ist zum ersten Mal aufgefallen, wieviel Unmittelbarkeit, wieviel schmerzhafte Nähe ein Weblog ausstrahlen kann.

Mein Weblog ist für mich ein kleine alberne Spielwiese, die mir zwar viel bedeutet und mit der ich schon viel Spaß (und viel Stress) hatte, aber mal ganz ehrlich: Ich schreibe über Quatsch. Ich schreibe über bunte Bilder auf Leinwänden. Oder über blöde Sätze, die mein Kerl gesagt hat. Ich schreibe darüber, was ich im Supermarkt mache oder wer mir im Bus begegnet. Ich schreibe schon länger nicht mehr ganz so detailliert über das, was mich traurig macht. Einerseits deshalb, weil ich netterweise nicht mehr so traurig bin wie früher, andererseits aber auch, weil ich, je mehr Leser ich hatte, immer mehr das Gefühl bekommen habe: Das ist jetzt zu nah an mir dran. Das lesen zu viele Menschen, die ich nicht kenne, die mich nicht kennen, die wahrscheinlich auch nicht nachvollziehen können, wie es mir geht oder wer ich eigentlich bin.

Umso mehr hat mich der oben stehende Eintrag berührt. So zufällig (denn ich bin eben zufällig auf die Seite gestolpert) mitgeteilt zu bekommen, dass ein geliebter Mensch bald nicht mehr leben wird, hat mich in einer Sekunde spüren lassen, wie gut es mir geht. Wie verdammt gut es mir geht, dass ich über bunte Bilder auf Leinwänden und den Kerl schreiben kann. Und es hat mir gleichzeitig gezeigt, welche Macht Weblogs haben ? über mich, den unvorbereiteten Leser, aber auch für den Autor, der mit seinen Worten so viel bewegen kann. Wieviel Trost Weblogs bieten können ? für den Autor, wenn ehrlich-anteilnehmende Kommentare hinterlassen werden und für den Leser, weil er hoffen kann, vielleicht mit seinem Kommentar ein winziges bisschen geholfen zu haben. Und wieviel Mut es manchmal kostet, ein persönliches Weblog zu führen (denn man macht sich verwundbar) oder auch zu lesen (denn man kommt jemandem ungewollt sehr nahe).

Die Autorin hat mit dem Weblog einen Weg gefunden, sich mitzuteilen und so ihren Schmerz nicht ?nur? mit Familie und Freunden zu bewältigen, sondern darüberhinaus noch von einer unbekannten Leserschaft Kraft zugesprochen zu bekommen. Ich kann nur hoffen, dass ihr das (öffentliche) Schreiben hilft, mit ihrer Situation fertigzuwerden. Ich wünsche ihr von Herzen alles Gute.

(Und ich scheue mich, sie zu verlinken. Es fühlt sich an, als würde ich stören. Ihr wisst ja, wie ihr sie findet, wenn ihr sie denn finden möchtet.)

26.5.2005 | 7:45 von siebenviertel

Blogging can be hazardous to your job

Es ist der Stoff, aus dem schlechte Filme sind. Da kommt man Montag Morgen ins Büro und wird zum Gespräch gebeten. Wir können Sie leider nicht mehr beschäftigen, heißt es dort, wir haben ihr Blog gelesen, bitte hier unterschreiben und raus. Das passiert mitunter, denn obgleich die Zahl der hauptberuflichen Blogger nach dem Vorbild eines Nick Denton oder John Gruber stetig ansteigt, steht die überwältigende Mehrheit der Autoren anderweitig in Lohn und Brot.

Heather Amstrong (dooce.com) ist das vielleicht bekannteste Opfer und sie sagt, to be dooced (to lose one?s job because of one?s website) sei inzwischen fast zu einem Verb geworden. Delta Airlines, wie immer bemüht, ja keinen noch so miesen Trend zu verpassen, hat auch schon jemanden wegen eines Blogs gefeuert. Hier mußte eine Stewardeß, die sich Queen of the Sky nannte und ein paar mehr oder minder freizügige Bilder veröffentlichte, dran glauben. Google, Kaiser Permanente und der US-Senator Mike Dewine (siehe Washingtonette) gehören auch in die Liste der unnachsichtigen Arbeitgeber. Blogging can be hazardous to your job, schrieb man bei Swamp City und traf damit den Nagel auf den Kopf. Wenn man sich die Resultate einzelner Blogeinträge ansieht, ich denke hier an Jamba und Kryptonite, kann man die Nervosität sogar verstehen. Blogger können Firmen mit kleinstem Aufwand beachtliche Schäden zufügen und ein Mitarbeiter mit genügend Wissen hat das Potential zum medialen Totalschaden.

Dabei sind viele Blogs allenfalls an Kleinstöffentlichkeiten gerichtet. Mark Jen, der von Google gefeuerte Ingenieur, wollte nach seinem Umzug nach Kalifornien Freunde und Verwandte auf dem Laufenden halten und nicht etwa Firmeninterna ausplaudern. Daß sein Blog von Aktienspekulanten gegoogelt (whoups!) wurde, war Zufall. Weil Blogs aber in vielen ansonsten technikversierten Unternehmen noch terra incognita sind, haben die oft noch keine Regeln bezüglich des Umganges mit ihnen verfaßt. Ob es lobenswert oder unverzeihlich ist, in einem persönlichen Blog den Arbeitsalltag zu erwähnen, ist für Angestellte kaum abschätzbar. Microsoft zum Beispiel freut sich, wenn Mitarbeiter über Produkte bloggen.

General Motors gehört auch in diese Kategorie. Die Detroiter unterhalten ein Blog namens FastLane, in dem namhafte Mitarbeiter bis hin zum Vorstandsmitglied Bob Lutz selbst erstaunlich frei und häufig über ihre Ideen, Entscheidungen und Produkte schreiben. Erfrischend an der Idee ist, daß GM anstatt Beiträge erst von Marketingabteilungen kastrieren zu lassen, seine Manager direkt schreiben und auf kritische Kommentare eingehen läßt. Auf der anderen Seite senden sie damit ein Signal an ihre Mitarbeiter: blogging is good for your company. Das kann auch nach hinten losgehen.

Manch ein Blogger schreibt, meist aus Sorge um die eigene berufliche Zukunft, mehr oder minder anonym. Das bringt seine eigenen Probleme mit sich, denn ist der Autor nicht bekannt, ist eine Firma der Veröffentlichung von Gerüchten, Geheimnissen und Unwahrheiten zumindest vorübergehend ausgesetzt, ohne einen Ansprechpartner zu haben. The Doorman (Clublife) oder Property Grunt wären als Beispiele zu nennen. Auf der anderen Seite scheint der Geheime Verführer (Werbewunderland) einen interessanten Ausweg gefunden zu haben. Während er seine Identität zumindest nicht öffentlich preisgibt, ist sein Arbeitgeber über das Blog durchaus informiert.

mein deal mit meinem agenturchef lautet: nichts negatives über die kunden der agentur. dafür hält er mir gegebenenfalls den rücken frei, falls ich mich woanders in die nesseln setze. Quid pro quo, so einfach kann das gehen.

Damit wäre ich am Ende dieser Aufzählung des Status Quo angelangt. Was mich interessiert, ist die Frage, wie man mit Blogs umgehen sollte. Das ist keine Einbahnstraße. Ich glaube nicht an von einer Partei diktierte Vorschriften, sondern an informierten Diskurs. So let’s get a discussion started. Wenn Sie bloggen, schreiben Sie über ihren Arbeitsplatz? Ist professionelles tabu oder legitim? Wenn Sie Arbeitgeber sind, wie verfahren Sie mit bloggenden Angestellten?

Flame away, folks.

siebenviertel.

23.5.2005 | 11:02 von dogfood

Blogbar auf WordPress 1.5.1

Ich habe heute morgen blogbar.de auf WordPress 1.5.1 umgestellt. Soweit scheint alles geklappt zu haben, aber (ausgerechnet) bei den Feeds scheint es derzeit zu Problemen zu kommen. Ich werde mich im Laufe des Tages deren annehmen und versuchen zumindest einen schnellen Hack anzubieten.

PS: Bei Problemen, Bugs und ähnliches: entweder Kommentar hier rein posten oder eMail an dogfood@blogbar.de

22.5.2005 | 9:41 von siebenviertel

Jon Stewart on blogs, cable news, et all.

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle über ein paar amerikanische Nachrichtensender schreiben. Die nämlich haben erkannt, was man bei gewissen Bordsteinblättchen schon länger weiß: die Generation Praktikum vor einen Bildschirm zu setzen und vorlesen zu lassen, was so heute wieder in der Blogosphäre geht, ist nicht nur billig und bequem, sondern auch überaus cool, fesch, whatever. Theoretisch zumindest. Denn leider sieht dieses kleine Schauspiel fürchterlich bemüht aus, aber das hat man in den Sendezentren anscheinend noch nicht bemerkt (oder es ist den Verantwortlichen egal).

Was wir hier erleben, erinnert in ihrem Unverständnis der Materie an die “Just Say No” Kampagne der alternden Nancy Reagan und ist schon allein deswegen ein Heidenspaß.

Wie gesagt, eigentlich wollte ich jetzt, aber das wäre vollkommen unnötig. Denn als hätte er meine Gedanken gelesen, kam plötzlich der gute alte Jon Stewart daher und befasste sich mit dem Thema. Wie schön, dann brauch’ ich ja nicht mehr.

The Daily Show with Jon Stewart - Onlisareinsradar.com

(Clicking this image will result in you seeing the daily show video clip and lisa rein’s traffic being assraped, for which I apologize.)

20.5.2005 | 14:50 von dogfood

Berliner Zeitung erklärt Superschwenzel und seine Freunde

Morgen vor sechzig Jahren erschien die erste Ausgabe der “Berliner Zeitung“. Aus diesem Anlaß wurde eine Jubiläumsnummer veröffentlicht und in unzähligen Artikel die zahlreichen Facetten rund um so eine Zeitung beschrieben.

Auf Seite 64 erklärt Christoph Schultheis mit dem Aufhänger “Superschwenzel” ix dem unbedarftem Leser das Phänomen “Blogs”.

An [Eitelkeit] ist die sogenannte Blogosphäre, wie sich die Gemeinschaft der Weblog-Betreiber häufig selber nennt, nicht ganz unschuldig. Selbst wer sich nur flüchtig umschaut, wird alsbald ein Selbstbewusstsein entdecken, das kindlichem Trotz nicht unähnlich ist und Aufmerksamkeit heischt. Ob in Ermangelung anderer Themen oder zur Selbstvergewisserung – vieles kreist um sich selbst. Und wenn mal wieder eine Zeitung oder Zeitschrift oder ein Fernsehsender das Thema Weblog für sich entdeckt hat, quillt so manches Blog über vor Spott, Kritik, Selbstreferentialität [Q.E.D -dogfood] und dem Gefühl des Unverstanden-Seins. Häufig sogar zu Recht.
[…]
Immerhin wird innerhalb der Blog-Gemeinschaft Abwegiges oder allzu Falsches schnell zurechtgerückt – entweder direkt über die Kommentarfunktion, die viele Weblogs anbieten, oder andernorts. Denn unter Bloggern wird sich viel beäugt, gelegentlich scheint bei der kritischen Beobachtung sogar Kleingeist, Neid, Verbissenheit im Spiel. Das nervt bisweilen, schadet aber nicht. Denn letztlich macht das die Blogosphäre zu einem selbstregulativen System: Enttäuscht ein Weblog wiederholt, wird es vergessen oder ignoriert. Und was sich nach langen Diskussionen schließlich durchsetzt, ist erstaunlicherweise nur selten ein Kompromiss, auf den sich alle einigen, sondern das, was stimmt.

[…] Weblogs wissen ihrem Wesen nach nichts vom traditionellen Umgang mit Informationen, sie kennen kein Tabu, kein Niveau, keine Standards, keinen Chefredakteur. Stattdessen wildern sie in vermeintlich angestammten Territorien und erschließen neue. Sie kontrollieren andere und kommentieren andere […] Die dezentrale Struktur der Blogosphäre, die Unberechenbarkeit in Themenwahl und Engagement, mit der ein Weblog ohne großen Aufwand Öffentlichkeit sucht und herstellen kann, mag dennoch für Beunruhigung sorgen […]

Jeder der sich ? aus was für Gründen auch immer ? damit abkaspern muß, auf begrenztem Platz einerseits Blogs für absolute Laien zu erklären, andererseits aber auch so hochwertig dass man nicht von der Blogosphäre mit den Worten “trivial, trivial!” splitterfasernackt durch die Gegend getrieben wird, weiß wie schwer es ist, solche Artikel zu schreiben. Insofern Glückwunsch nach Berlin für einen runden und nicht zu trocknen Artikel.

(Christoph Schultheis ist einer der vier Journalisten von bildblog.de, Link gefunden via ix von wirres.net)

Wie man es anders machen kann, zeigt Anne Vorbringer, die schnarchend langweilig über den Online-Auftritt der Berliner Zeitung referiert. Die Überschrift adäquat dröge: “Mit der Zeitung im Netz“. Bitte fünf Euro ins Phrasenschwein.

Dierk Spreen fabuliert in “Cyberspace und Hyperraumrevolution” von der Rolle der Tageszeitung in der Science-Fiction-Literatur. Darauf muss man erst mal kommen. Das gibt einen hohen Wert in der B-Note.

Ralf Mielke betrachtet die Zukunft der Zeitungen und bürstet E-Paper rüde ab (“Kaffee zur Zeitung“):

Der E-Paper-Pionier Rheinische Post hat seit 2001 rund 800 elektronische Abos verkauft. Zum Vergleich: Die gedruckte Auflage liegt bei über 400 000 Exemplaren täglich. Die beiden Überregionalen Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine verbuchen 743 beziehungsweise 732 Online-Abonnements, die Abendzeitung in München gar nur 38. Damit ist klar: Das Heil kann nicht allein im Internet liegen.

Ich persönlich bezweifle, dass die Zukunft der Tageszeitung in der “Einschaltquote” liegt, die Hendrik Munsberg in “Quotentest für Schreiber” vorstellt. Mit einem elektronischen Stift fahren die Probanten eine Zeitung ab, markieren die Passagen die sie Lesen. So kann z.B. der genaue Ort ermittelt werden, an dem das Interesse an einem Artikel erlahmt und man ein gepflegtes “SCHWANZVERGLEICH” einwerfen sollte.

Am interessantesten ist das Magazin dort, wo die Artikel auf das Spannungsfeld zwischen Ost/West eingehen, auf die Geschichte der Berliner Zeitung in der DDR und hierbei besonders das Interview mit ehemaligen Chefredakteuren aus alten Tagen: “Zwischen wollen und dürfen, können und wagen

Alle(?) Artikel des Magazins sind derzeit im Web abzurufen unter http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/magazin/index.html

20.5.2005 | 1:53 von DonAlphonso

RSS-Leser haben kurze Schwän…

Na was wohl? Richtig, genau das. Oder eigentlich auch nicht, denn eigentlich ging es mir mit der Überschrift darum, eben jene RSS-Leser zum Anclicken des Beitrags in ihrem Reader zu bekommen. Um ihnen zu zeigen, was für Idioten sie sind. Auf was für dämliche Reize sie abfahren. Welche Wahrnehmung von Texten haben. Die ich nicht leiden kann. RSS mag einem ja einen schnellen Überblick verschaffen, ist aber ansonsten die Fernbedienung für die Blogs und eine echte Pest.

Warum? Nun, weil verdammt viele der RSS-Leser hier sind. Die sehen, dass sie kürze Schwän…. haben sollen, denken – WAS IST DAS?, das Ding übt einen knalligen, starken Reiz aus und sie kommen. So kriege ich sie. Ich muss ihnen in den ersten paar Worten etwas Hartes, Anziehendes, Unwiderstehliches liefern, wenn sie kommen sollen. Kurzb und prägnant, Deppensprache. Hätte die Überschrift durchaus zutreffend “Die möglicherweise negativen Folgen des RSS-Readers auf die Gestaltung von Internetinhalten” geheissen, wären sie wohl kaum gekommen. So, wenn ich ihnen was LAUT und DRASTISCH um die Ohren prügle, kommen sie. Hey, wenn ihr so tickt, holt Euch ein Bild-Abo, Ihr seid volle Kanne Zielgruppe.

So ein RSS-Reader kmipst alles aus ausser dem Anfang meines Textes. Meine Bilder, mein Layout, meine Besucher und die vielleicht wirklich witzigen Kommentare, die in der Seitenleiste stehen, bekommt so ein RSS-Leser erst gar nicht mit. Dabei macht das alles auch mein Blog aus. Der RSS-Leser ist wie ein Gast, der zur Eröffnung des Bufffets kommt, das Fleisch nimmt und die Beilagen ignoriert, wenn ich Glück habe. Wenn ich mein Fleisch weniger marktschreierisch anpreise, holt er es sich beim Nebenmann. Er ist unersättlich, er frisst, er stopft Infos in sich rein, er kaut wahrscheinlich noch nicht mal richtig und kommt kaum zum Schlucken, denn gleich meldet sein Reader, dass irgendwo die nächste Platte aufgefahren wird. Kurz, er ist eine Gourmand, ein Rüpel, den man billig bewirten kann und muss. Er weiss es ohnehin nicht zu schätzen, hauptsache der Krempel ist neu und intensiv.

Wenn ich eine Geschichte langsam aufbaue, nicht sofort einen Knaller bringe, Wendungen einbauen will und keine Sensationen in den ersten vier Sätzen unterbringe, wenn ich vielleicht noch auf den Kontext meines Blogs anspiele, dessen Fragment der Text im Reader eigentlich ist, dann wird es den RSS-Leser nicht interessieren. Der hat seine selbstgebastelte Blog-Bildzeitzung und liest nur, was ihm auf den ersten Blick wichtig erscheint; es reicht dann eine Spielerei mit der Überschrift, etwas kryptische Formulierungen, oder vielleicht auch nur eine das Problem beispielhaft skizzierende Einleitung, und er wird es nicht lesen. Er kann auch nicht mal schnell nach unten gehen, reinlesen, begreifen, hochgehen und weiterlesen – das steht nicht in seiner Steuerzentrale. Wenn ich RSS-Leser will, muss ich einen Cliffhanger setzen, scoopen, ein Hooker werden, mit den billigsten aller Tricks arbeiten, die journalistische Gosse bemühen, eine Wortnutte auf ihrem RSS-Strich, die sofort zeigt, was sie alles zu bieten hat.

Deshalb verursacht RSS Wortprostitution. Zu jeder Hure gehören auch die kleinen, glatzköpfigen Freier mit Schmerbauch, die sie für die vulgäre Wortwerbung mit Awareness bezahlen, und die haben nun mal oft kleine Schwänze. Fickt Euch selbst, ich habe keine Lust auf Eure miesen, kleinen 4-Zeilen-Quickies. Ich mag Texte, die mich überraschen, Nutten und Strichjungs und Zuhälter und PR-Arschhinhalter gibtŽs in der Medienwelt für RSS-Leser in Hülle und Fülle, aber ich will das andere lesen und schreiben, das Euch nicht nach ein paar Worten sagt, wo es garantiert langegeht. Ich will geile Texte die ganze Nacht bis zum Frühstück, ich will, dass die Texte nicht nur Infobrocken sind, man soll sich darauf einlassen, es soll erotisch sein, und nicht eine Textthumbnail-Preview wie aus dem Pornobereich.Es ist noch nicht mal ein Gang Bang, es ist einfach nur Extremes Saugen. Dabei erzählen viele Leute lange Geschichten, da entsteht ein grösseres Ding, das mehr ist als die Summe der einzelnen Textinfos, aber das bekommt so ein RSS-Heini mit seinen arschgeilen 800 Feeds – wo sowieso jeder versucht, den längsten zu haben – erst gar nicht mehr mit.

Und sorry, dass dieser Text so straight war, so gar nicht zu meiner eigentlichen Vorstellung passt, aber ich will es Euch genau so sagen, dass Ihr das noch begreift, bevor die nächste affengeile WOWDASMUSSICHGLEICABCHECKEN-News in Eurem Reader mit einem jambamässigen Klingelton aufschlägt. Macht er gerade, aha. Na denn, schönen Tag auch, und nein, nett ist der Text nicht, auch nicht netter als die Grosskotzattitüde, nach ein paar Wortschnipseln über Texte zu urteilen.

17.5.2005 | 18:11 von dogfood

Gesetzlich vorgeschriebener Premium-Content

Ein Kommentar bei Anke Gröner macht auf eine Info der Kanzlei Dr. Bahr aufmerksam, über einen vorliegenden Entwurf eines neuen Telemediengesetzes (PDF).

In den letzten Tagen entbrannte die Kritik vorallem an Lockerungen im Bereich des Datenschutzes.

Die Kanzlei Dr. Bahr weist aber darauf hin, dass es von Seiten der Länder einen Entwurf für Änderungen des Rundfunkstaatsvertrages gibt, die auch auf Weblogs und Geistesverwandte zielen. Im §54 Abs. 2 lautet der Entwurf:

Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, und vergleichbare Telemedien haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Nachrichten sind vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.

Wenn dies in meinem naiven Verständnis wortwörtlich zu verstehen ist, werden hier höhere Maßstäbe angelegt als ? beliebter Prügelknabe ? bei der BILD-Zeitung.

Noch sind das “nur” interne Diskussionspapiere, aber man hat so in den letzten Jahren ja seine Erfahrungen mit Politikern gemacht.

17.5.2005 | 13:22 von dogfood

Zurück in die Zukunft

Die New York Times hat gestern bekanntgegeben in Zukunft seine kostenpflichtige Angebote auszubauen und einige seiner Inhalte nur noch gegen Bezahlung zugänglich zu machen. Gegen 50US$ Jahresgebühr kann man “TimesSelect” abonnieren und Zugriff auf exklusiven Content bekommen (Abonnenten der Papier-Ausgabe bekommen Times-Select-Zugang umsonst). Im Preis inbegriffen sind weitere Dienstleistungen wie Zugang zum Archiv, Multimedia-Inhalten und einem Werkzeug zum Archivieren von Artikeln.

In einem Interview mit paidcontent.org erklärt Senior Vice President of Digital Operations Martin Niesenholtz, dass die NYT das Internet als zweite Einnahmequelle ausbauen will.

Interessanterweise will die New York Times u.a. seine Blogger Kolumnisten aus dem frei zugänglichen Bereich der NYTimes-Website rausnehmen, während ein Großteil der Artikel wie bisher zumindet einige Tage lang frei “surfbar” bleiben. Niesenholtz: “The vast part remains open and free but our distinct voice is now a pay product.” (Hervorhebung von mir)

Sogar Kolumnisten Blogger sollen in der Verbreitung des Blogger Kolumnisten-Content einbezogen werden:

We also hope to roll out an affiliate program so the long tail can create a revenue stream for itself. If you’re a blogger who uses a lot of Times Op-Ed content in your blog you can continue to (by subscribing to TimesSelect)… and, through an affiliate network, extend that to their base and they can make money on the backend off that. We think the blogosphere needs more revenue streams.

Die NYTimes ist also so freundlich und verhilft Bloggern mit ihren Kolumnisten und Verlinkung zu höherer Reichweite und damit mehr Geld (“more revenue streams”). So einfach is dat according NYTimes.

Skeptiker gibt es hinreichend viele. So haben CNN und die LA Times in den letzten Wochen ihre kostenpflichtigen Angebote zurückgefahren oder planen es dies zu tun.

Ich bin ziemlich baff, dass die NY Times so große Stücke auf ihre Kolumnisten hält, das diese als Hauptargument für “TimesSelect” dienen müssen. Wenn etwas gratis im Web, dann Meinung, noch und nöcher. Man muss aber der NYT zu Gute halten, dass sie in den letzten Monaten ziemlich viel um die Kolumnisten herumgebaut haben. So stellen sie sich inzwischen regelmäßig in den NYT-Boards und Chats den Fragen der Leser.

(Hat tip an Ars Technica)