23.2.2007 | 5:17 von DonAlphonso

Eine Frage der Etikette

Ich bin demnächst mal wieder auf einem Podium und diskutiere über einen Teilaspekt der Internetkultur, für den mich manche weniger qualifiziert halten werden: Etikette. Ich nehme an, man hat mich als das personifizierte Böse eingeladen, als jemand, der meint, was er sagt, und sich nicht wirklich um Konfliktvermeidung kümmert.

OK, spielen wir die Alternativen mal durch, anhand eines fiktiven Falles. So ein Fall, wie ich ihn hasse, weil er wie gerade letzte Woche in Jerusalem auf vielen Podiumsdiskussionen von Blogs kritisch betrachtenden Leuten, als Beispiel dafür gebracht wird, wie toll und sauber doch der Journalismus ist und wie unsauber Blogger agieren können, die keine Kontrollinstanz besitzen. Wir haben
a) eine Firma,
b) die durch nicht wirklich beliebte Investoren finanziert wird und
c) bei Marketingkooperationen auch mit der Mediengosse Geschäfte macht und
c) deren Gründer nicht wirklich immer die höflichsten Menschen von der Welt sind. Und die wiederum
d) versuchen erst mal vergeblich mit einer Blog-PR-Firma und
f) klar gekennzeichneten, gekauften Blogeinträgen Awareness zu bekommen.
g) Dann taucht ein mit uns nicht wirklich befreundeter Berater auf,
h) der ein virales Gewinnspiel für die Firma entwickelt, mit dem Ziel, viel Aufmerksamkeit von Bloggern zu bekommen
i) was aber nach einem kurzen Schub versandet.
j) An anderer Stelle jedoch tritt der Berater als bloggender Journalist auf,
k) und macht dort mit der Firma ein devotes Interview ohne Hinweis auf seine Beziehung
l) und andere Blogger nennen das dann noch “knallharte Fragen” und applaudieren.

m) Und ich weiss das alles. Es gibt an den obigen Punkten nichts zu rütteln.

Was wäre jetzt Etikette?

[ ] Ich sage nichts
[ ] Ich maile ihn an und weise auf das “Problem” hin, obwohl ich weiss, dass es kein Versehen ist
[ ] Ich gebe mir den Anschein des neutralen Beobachters und schreibe es pseudoobjektiv
[ ] Ich merke es mir und packe es beizeiten aus, wenn die Gelegenheit günstig ist
[ ] Ich erzähle hintenrum jedem, der es wissen sollte, dass der Typ nach journalistischen Massstäben ganz schön daneben liegt
[ ] Ich lasse es sofort raus und schreibe aus meiner persönlichen Warte, dass die Leute von Hitflip, die von den Samwers Geld bekommen und mit der BILD.t-online eine Kooperation gemacht haben, es zuerst erfolglos mit gekauften Blogeinträgen des Startups Trigami versucht haben, dass dann Oliver Gassner, den ich aus persönlichen Gründen nicht wirklich schätze und der sich für Blogeinträge bezahlen lässt, für die Firma als Berater das kurze Strohfeuer der “Blogitzeljagd” mitentwickelt hat, und er jetzt einen der Gründer beim Blog Netzstimmen gefälligkeitsinterviewed (http://netzstimmen.blogg.de/eintrag.php?id=39), ohne irgendwo auf seine Geschäftsbeziehung hinzuweisen, was der die Hitflip-Leute kennende Jochen Krisch dann auch noch als “Knallhart nachgefragt” bezeichnet. [Edit: Offensichtlich war beim Schreiben des letzten Halbsatzes mein Ironiedetektor ausgefallen] Und ich sage offen dazu, dass ich sowas für eine Schande halte, ganz gleich ob als Blogger oder Journalist, egal wie ich zu dieser Person stehe, sei es so wie bei Oliver Gassner oder so wie bei Jochen Krisch, von dem ich aus eigener Erfahrung weiss, dass er auch ganz anders kann.

Bei genauer Überlegung ist keine Alternative in Bezug auf eine einzufordernde Etikette wirklich sauber, auch wenn ich mich auf das Zitat

“Entweder man hält die Klappe oder tut Butter bei die Fische”

rausreden könnte. Und darauf, dass meine Überlegungen zu meiner Diskussion gleichgültig sind, denn es

sind sich eh alle einig dass bei solchen Events das relevant ist, was außerhalb der Sessions stattfindet

.

Aber wer weiss, vielleicht liegt es ja weniger an mir, sondern vor allem daran, dass wir uns zuerst über moralische Mindeststandards in der Blogosphäre unterhalten sollten, bevor wir darüber reden, was nach deren Einhaltung eine angemessene Art der Auseinandersetzung ist. Dank Schlämmerblog und Blogpay wissen wir ja leider, dass sowas kein Einzelfall ist.

22.2.2007 | 21:07 von DonAlphonso

Edelman Pioneer Shrinking

2009 wird man über die dann vielleicht gar nicht mehr so grosse PR-Firma Edelman sagen: “Ach, das waren doch die Typen, die bei den Blogs mit aktiver Bestechung, Fakeblogs und Comedyformat Bloggerbeurteilungen für viel Unterhaltung gesorgt haben… und irgendwas war noch… ach ja, sie hatten auch mal ein von Beginn an krepierendes Test-Blog für Köterfutter beraten… das alles sollte dann in eine bloggende Me2-Revolution übergehen, an der sich aber noch nicht mal die eigenen Leute beteiligen wollten… so Zeug halt, das kein halbwegs intelligenter Unternehmer haben wollte… hat sie massig Geld gekostet, deshalb sind die heute auch so fertig…”

Dann könnte man noch hinzufügen, dass es diesen Leuten bei Edelman auch nicht zu peinlich war, andauernd auf die kontroverse Werbekampagne von ihrem Kunden Dove hinzuweisen, die nur leider nichts mit Edelman, sondern mit der Werbeagentur Ogilvy zu tun hat. Aber Trittbrettfahren ist der PRler Geschäft schon immer gewesen, und warum sollte es einer Werbeagentur besser ergehen als der Blogosphäre?

Die wiederum wehrt sich mit Gerüchten: Phil Gomes, einer der Vorzeigeblogger von Edelmander Vice President ihrer Me2 Revolution, die die schöne neue Welt des Web2.0 für Edelman-Kunden nutzbar machen sollte, steht für, sagen wir mal, beruflichen Veränderungen und einem Umzug. Dankenswerterweise ha Amanda Chapel von Strumpette mal zusammengeschrieben, was in der amerikanischen Szene so vermutet wird. Besonders angenehm für meine Auffassung einer Blogospghäre, die hervorragend ohne die Edelmäner dieser Welt leben kann, ist diese Vermutung:

The economics are no longer feasible. CEO Richard Edelman has given this experiment a year to produce and has seen very little return. Few clients are buying this anti-corporate blog nonsense. Also, with the addition of Gary Goldhammer as Vice President, Interactive Solutions in the LA office, the margins are way too thin to support the redundancy two bald bloggers there.

Was in etwa auch meinen Erfahrungen (zugegeben bis vor der erfolgreichen Einführung des meines Erachtens weder sinnvollen noch schätzenswerten VW-Schlämmerwerbeblogs, das deren Werbepartner wiederum anders sehen) entspricht. Wenn ich mit Vertretern von Firmen sprach, merkte ich in letzter Zeit immer diese Ratlosigkeit, wie man “es” anpacken sollte. Selbst bei BMW, die in diesem Bereich weit vor den unter Bloggern bekannteren Opeltests vielleicht die aktivste Firma Deutschlands sind, sprechen gewöhnlich gut informierte Kreise von einer neuen PR, die ihre endgültige Form noch nicht gefunden hat und vielleicht auch nie finden wird. Es wurde sehr viel ausprobiert, wenig hatte überhaupt irgendetwas, das man als Erfolg verkaufen konnte, und wirkliche Überflieger hat es bisher nicht gegeben, vom Zufallstreffer “Group Tekkan” mal abgesehen – andere gingen mit solchen Ideen dagegen baden und tendieren inzwischen eher zum Community-Marketing.

Ob das, was jetzt statt dessen kommt besser ist – keine Ahnung. Miserabel bezahlte Beiträge oder Geldverlosung unter Blogger, die auf ein kommerzielles Blog verlinken, gehen trotz ihrer 9live-Masche tatsächlich mehr auf die reale Funktionalität der Blogosphäre als Netzwerk ein, als die alten Edelman-Ansätze mit Fakeblogs und verschenkten Laptops, die zwangsweise auffallen mussten. Aber auch diese kleinen Ansätze haben bislang keine Erfolge gebracht. Ich habe das Gefühl, dass mit dem Auftaucher dieser windigen, kleinen Klitschen aus dem Thema inzwischen einfach die Luft raus ist. Die spielen in einer Liga, in die Edelman nie hinabsteigen wird, weil es sich nicht lohnt, und sie werden das, was vom Ruf des Komplexes Blog-PR noch da ist, zuverlässig soweit ruinieren, dass es auch für Marken uninteressant wird.

Abgesehen davon: Das Thema ist seit rund zwei Jahren “heiss”. Nach allem, was ich weiss, sucht sich PR nach drei Jahren neue Schlagworte, und wäre ich einer von denen, würde ich Blogs als allererstes über die Reling meines absaufenden Geschäftsmodelles kippen. Weil es einfach nicht funktioniert hat. Und Second Life auf dem Cover einer schlechten Wochenpostille ist.

21.2.2007 | 13:59 von DonAlphonso

Dreist und dämlich: Trackbackspam von Webnews.de

Prinzipiell gibt es gegen sog. “Social Bookmarking Sites” wie Digg.com und all seine Kopien wie Yigg.de nichts einzuwenden. Wer partout irgendwelchen Informationskrempel für andere auszusuchen will oder sich das Zeiug von anderen servieren lassen möchte, soll das tun – auch wenn es meines Erachtens ein Rückschritt ist. Da wird lediglich über dem Gatekeeper des ursprünglichen Informatinsherstellers eine weitere Gatekeepinginstanz gesetzt. Was nach oben getrieben wird, wird von der Masse heinmgesucht, was unten bleibt, wird übersehen. In meinen Augen ist das so sozial wie ein totalitärer Volkskörper oder die Bild-Schlagzeile, die alle abschreiben, aber seiŽs drum. Der Individualismus, den ich als grossen Fortschritt des Internets betrachte, erlaubt natürlich auch dessen Aufgabe und Unterwerfung unter solche angeblich von “Wisdom of the Crowd” getriebenen Projekte.

Das wäre für die Blogbar alles kein Thema, und es ist meines Erachtens auch wirklich ausserhalb dessen, was Blogs tun und wie sie funktionieren: Sie sind meines Erachtens angetrieben durch das Individuum und eine fortlaufende Geschichte, und nicht durch zufällige Zusammenrottungen. Dass wir hier aber dennoch darüber reden sollten, ist dem Digg-Clone “Webnews.de” zu verdanken, eine weitgehende Kopie des Originals und finanziert durch Business Angels, die Gerüchten zufolge die Samwer-Brüder sein sollen, sowie ihren momentan guten Kumpels, dem Holtzbrinckkonzern, der in den letzten Monaten ziemlich viel Geld in windige Klitschen gesteckt hat. Seitdem wird Webnews auch von gewissen Holtzbrinckautoren auch mit fürsorglicher Berichterstattung versehen, was möglichewrweise auch was mit deren Pressemenschen Tilo Bonow, bestens bekannt durch Firmen wie Jamba und StudiVZ zu verdanken ist (Sorry, das war Ironie, tatsächlich ging beim grossen Journalistenandienen auf dem Digital Lifestyle Day eine ganze Menge schief, wie bestens unterrichtete Kreise mitteilen).

Wie auch immer, Webnews hat gestern einen Beitrag der Blogbar aufgegriffen. Und dafür hier automatisch einen Trackback eingetragen. Ich wüsste jetzt nur zu gern, was das bitte anderes ist als Spam. Denn Webnews verfolgt seine kommerziellen Ziele auf und den Inhalten der Blogbar. Natürlich dürfen sie zitieren, das erlaubt das Zitatrecht, selbst wenn es in so einem Fall ein klein wenig wacklig ist. Denn Webnews erbringt keinerlei Eigenleistung. Aber auch das wäre noch vertretbar. Wo es für mich aber aufhört, ist beim Trackback. Denn dieser Trackback ist nichts anderes als Werbung für ihre eigene Seite. Normalerweise sind Trackbacks dazu da, auf Inhalte zum gleichen Thema an anderen Orten hinzuweisen. Wofür sie definitiv nicht da sind, ist ein Hinweis auf die Existenz einer kopierten Klitsche, die selbst absolut nichts Inhaltliches zur Diskussion beiträgt. Es gibt keinen Grund, hier einen Trackback abzuladen, zumindest nicht aus Sicht der Blogbar, aus deren Sicht der Trackback eine Sackgasse in eine abgeschriebene Nullinformation ist. Man stelle sich vor, wenn hier Google unter jeden indizierten Beitrag einen Trackback setzen würde. Oder Yahoo. Oder wer auch immer.

Webnews ist in meinen Augen ein Parasit, der versucht, die Arbeit anderer Leute in eigenen Profit umzumünzen. Können sie versuchen. Aber nicht, indem sie hier einen Trackback reinsetzen, wie es zigtausend Vertreter der Viagra-, Dildo-, Medikamenten- und Penisverlängerungswirtschaft versuchen. Die operieren aus dem sicheren Ausland heraus, da kann man hier nichts machen. Aber Webnews macht das von deutschem Boden aus, und die Flinte, vor die sie damit laufen, ist jetzt schon mit Pulver und gehackten Sauborsten gefüllt, und meine kleine Schwester übt das Zielen – nur für den Fall, dass ich mal so einen Spamversuch beim GTBlog entdecken sollte.

Ich hoffe, man versteht das bei Holtzbrinck.

20.2.2007 | 9:41 von DonAlphonso

Katrin und Ehrensenf haben ein Problem

Und das Problem heisst ehrensenf.de, der bekannteste deutsche Videopodcast, von Spiegel Online syndiziert und von diversen Ahnungslosen mit Preisen überhäuft. Ehrensenf ist nun bei der Blogsuchmaschine Technorati schon etwas länger auf dem Weg nach unten, und auch laut Alexa scheinen die Zeiten des unbegrenzten Wachstums erst mal vorbei zu sein. Natürlich muss man sehr, sehr vorsichtig mit solchen Zahlen sein, aber es scheint, als seien Moderatorin Katrin Bauernfeind und die Agentur Ravenrocker an eine Grenze gestossen, trotz der hohen Aufmerksamkeit, derer man sich durch die Medien von FAZ bis Raab erfreute.

Nun könnte man dennoch zum grossen Erfolg gratulieren, den Ehrensenf laut Pressemitteilung mit 800.000 Visits und 2,5 Millionen Page Impressions pro Monat eingefahren hat. Ob das “harte Zahlen” wie etwa bei Blogscout oder weiche Zahlen wie die eigene Serverstatistik sind, weiss ich nicht, nach Eigenangaben war auch schon mal von 3 Millionen Page Impressions die Rede, aber für Blogverhältnisse ist Ehrensenf gross. So, wie es jetzt mit Kathrin ist.

Letzte Woche war Berlinale, und da war Ehrensenf anders. Vor der Kamera war eine gewisse Saskia Delando, und damit ein weiterer Versuch, die altbekannte Moderatorin kurzfristig zu ersetzen. Denn Katrin Bauernfeind miderierte aus Berlin die 3Sat-Zusammenfassung und gleichzeitig den Podcast zur Berlinale. Zum ersten Mal konnte man also vergleichen, was Ehrensenf ohne seine berühmte Moderatorin und dieselbe ohne das bekannte Sendeumfeld ist. Und das Ergebnis ist nicht gut.

Denn “die Neue” hat eben genau nicht den typischen Ehrensenfeffekt. Allein schon, weil die meisten Zuschauer ohnehin nur gucken, weil sie zur bekannteren Moderatorin ein Verhältnis haben, das man am besten mit psychoanalytischem Vokabular umschreiben sollte. Zumal es der Ersatzmoderatorin, wie schon ihren erfolglosen Vorgängerinnen, an der extensiven Mimik und Gestik fehlt, mit der Frau Bauernfeind zur Marke geworden ist. Zu steif, zu nüchtern, keine Rampensau, es fehlt die Anmache durch die Kamera, die meines Erachtens der Hauptgrund für die männlichen Zuschauer ist, täglich wieder reinzuschalten. Ein wenig so, als hätte man Charlotte Roach Roche durch Sabine Christiansen ersetzt.

Umgekehrt bleibt von Katrin Bauernfeind auf 3Sat nichts übrig, als eine durchschnittliche Moderatorin: Dröge Interviews, die Kamera viel zu weit entfernt vom gesicht, keine spielerischen Elemente. Das geht, aber es funktioniert nicht richtig. Ich wage zu behaupten, dass sie letztlich allein von dem knappen Wortwitz und der direkten Zuschaueransprache, der rauchigen Stimme, der hochgezogenen Augenbraue und dem Muttermal lebt – geht man weg vom Close-up und gibt ihr einen normalen Moderationstext, bleibt von der gesamten Marke “Katrin” nur die Stimme übrig, und selbst die ist von ihren Ausdrucksmöglichkeiten a la Ehrensenf deutlich unterfordert.

Kurz – Ehrensenf und ihre Moderatorin funktionieren nur miteinander. Sie sind eine Marke, ein selbst geschaffenes Genre und eine festgefahrene Rolle. Die nicht mehr so toll wie früher läuft. Der Tag, an dem sich ihre Wege trennen, wird sicher auch der Tag sein, wo neuer Ersatz bei Ravenrocker und die Öffentlich-Rechtlichen bei der Moderatorin Schlange stehen werden – und ich wage vorherzusagen, dass es auch der Tag der Entzauberung von Beiden sein wird.

18.2.2007 | 16:25 von DonAlphonso

Dachpfeifende Spatzen bei Holtzbrinck zu StudiVZ

Uh-oh, wenn das stimmt, dann rauscht Holtzbrinck gerade in eine nicht zu unterschätzende Krise hinein. Sollte dem Konzernboss eine pornoverseuchte Datenmüllhalde wie StudiVZ und eine Gründungspersonality wie ein gewisser Nazistileinlader näher sein als der altgediente Geschäftsführer, würde ich mir als normaler printlastiger Mitarbeiter langsam Gedanken machen, wo ich beruflich meine Zukunft sehe.

18.2.2007 | 16:03 von DonAlphonso

Der Preis des Bloggers

In den letzten Wochen gab es mal wieder ein paar Angebote an einige Journalisten, als Blogger aufzutreten. Ich darf hier keine Namen nennen, aber es ist immer das gleiche: Medien und gewisse mediennahe Konzerne haben noch immer nicht kapiert, wie das Spiel läuft.

Der Klassiker der Dummheit, nennen wir ihn mal “taz-Ausbeute” nach den Blogs einer bekannten, ehemals linksalternativen Regierungszeitung, ist immer noch der “Geldwerte Vorteil”. Geboten wird da der Eintritt zu der zu bebloggenden Veranstaltung, ein wenig Unkostenzuschuss und mitunter “sogar” eine Tagesgage, die bei einem Messebesuch 1/3 der Hotelkosten abdeckt. Tägliche Kosten für den neuen Blogger: Irgendwas mit mittleren zweistelligen Eurobereich.

Dann haben wir die Restbudgetanbieter. Es gibt Firmen an Deutschlands Börsen, die etwas zu viel Geld und etwas zu wenig Hirn haben. Die haben einen festen, nicht hohen Betrag und versuchen dann, damit soviel Bloggerei wie möglich zu bekommen. Die Einnahmen der Blogger wären dem oberen Beispiel vergleichbar.

Besonders dreist ist ein Medium, das einen Blogger mit dem Argument schanghaien wollte, dass die “Presse”, Österreichs rechtsreaktionäres Katholizistenorgan, ja gar nichts zahlen würde, bei ihnen käme wenigstens eine Art freie Mitarbeit rüber und der Angesprochene könnte sich dann einen Presseausweis besorgen, der das Leben erleichtern sollte.

Und dann ist da noch das Haus, das im Bereich Buchblog etwas plant und potentiellen Autoren eine Vergütung hauptsächlich durch die einzuheimsenden Rezensionsexemplare verspricht, als Zusatz zu den 10 Euro, die sie für jeden veröffentlichten Beitrag zahlen wollen.

Freunde der Blasmusik: So wird das nichts. Es ist ja durchaus nett, dass Ihr Euch inzwischen ernsthafter mit Blogs auseinandersetzt, als Ihr das in Eurer Trotzphase getan habt, als Blogger in Euren Augen nur exhibitionistische Tagebuchschreiber waren. Ich will nicht ausschliessen, dass es in dieser Welt Leute gibt, die sich auf Eure Vorschläge einlassen – aber das endet nur im Debakel, siehe Süddeutsche.de, Freundin-Blogs, FTD-Blogs, und so weiter. Das wurde alles schon probiert, am Ende landet sowas dann als Pleite hier an der Blogbar.

Es gibt nur einen Weg, und noch nicht mal der verspricht Erfolg: Gute Leute gut bezahlen. Das garantiert wenigstens konstante Leistung. Es heisst nicht, dass sich die Leserschaft des Bloggers sich im Umfeld der Konzerne dann problemlos skalieren lässt, und falls es klappt, gibt es keine Garantie, dass der neue Star dann nicht zu einem besseren Angebot abwandert. Tendenziell müssen Verlage damit leben, dass auch ihre neuen Angestellten genauso zynisch mit ihnen umgehen, wie umgekehrt. Aber den nächstbesten Prakti von der Strasse holen oder einen beliebigen Typen mit Blog aufbauen – wenn man da an Erfolg glaubt, glaubt man auch an den 8er im Lotto. Wer überprüfen will, ob es den gibt, kann ja den Tippschein ausfüllen. Ist auch nicht teurer als die geplante Bezahlung der Blogger.

16.2.2007 | 17:36 von DonAlphonso

Nicht mehr interessierendes Geschwätz von Gestern bei der Welt

Als “freie Erfindung” bezeichnete Peter Schink, Projektentwickler der reaktionären Springerpresse “Die Welt” im Juli letzten Jahres diesen meinen Artikel in einer Mail – weitere Blogs seien bei der Welt nicht geplant.

Nun, inzwischen haben die Freunde aus dem rechten Schmierensumpf nicht nur einen Teil der etwas teuren Belegschaft kostenschonend in eine “Entwicklungs-GmbH” ausgelagert. “Launchtermin, munkelt man in informierten Kreisen, 6 bis 9 Monate” schrieb ich damals über ein Weichbild von Bloggern, jetzt haben wir etwas mehr als 6 Monate später, und wie man jetzt sieht, habe ich entweder sehr gut wahr und frei erfunden –

oder der Ex-TAZ-Kolumnist Peter Schink hat inzwischen ein paar Charaktereigenschaften, die ihn bestens zu einem Job beim Bild-Schwesternblatt qualifizieren.

16.2.2007 | 10:55 von DonAlphonso

Die bisher beste Konferenz.

Meine momentane Reise nach Jerusalem hatte einen Grund: ich war eingeladen zu einer Konferenz am Van Leer Institute zum Thema “Boundaries of free speech”. Inzwischen ist es “business as usual”, alle ein, zwei Monate bin ich auf irgendwelchen Konferenzen, Workshops, Seminaren und Lesungen. Und ich nehme mir durchaus die Freiheit, derartige Angebote auch bei bester Vergütung abzusagen, wenn mir Veranstalter und Themen nicht zusagen.

Bei dieser Konferenz hatte ich schon bei der ersten Mail ein wirklich sehr gutes Bauchgefühl. Ich wusste so gut wie nichts über Ziel und Zweck, als ich kurz nach deren Eintreffen etwas anderes absagte und dort vorbehaltlos zusagte. Und es zeigte sich, dass mein Bauch recht hatte. In meiner internen Topliste der Blogkongresse war die ZKM.Tagung vor anderthalb Jahren zusammen mit Johnny bislang der Höhepunkt. Damals waren wir die lauten Punkrocker in einer Konzerthalle, das war wirklich grandioser Spass, eine perfekte Organisation – aber Van Leer und die Organisatorin Charlotte Misselwitz (siehe unten) haben das nochmal getoppt.

Im Prinzip war die Konferenz zweigeteilt. Den ersten Tag dominierten die alten Medien – besonders die deutschen Israelkorrespondenten und ihre Probleme im Umgang mit dem israelisch-palästinensichen Konflikt – und die Wissenschaft. Was mir sehr gut gefallen hat: Derartige Veranstaltungen rutschen schnell ab in die ausgetretenen Wege der Gemeinplätze zu diesem Thema. Genau das ist aber nicht geschehen, man bekam eine sehr gute Rundumsicht zu diesem nicht leichten und mitunter riskanten Thema des Journalismus. Am Ende hatte man einen sehr guten Eindruck davon, wo die Medien die Grenzen zu spüren bekommen, wie sie damit umgehen und wieweit sie sich dessen bewusst sind. Seien es Neoconnards mit ihren Mailinglisten und Netzwerken, die Regierungen und Behörden vor Ort, der Druck von Konzernen oder die Feigheit der eigenen Leute – alles kam zur Sprache.

Am zweiten Tag kamen die Blogger. Es ist Charlotte gelungen, drei bekannte und nicht ganz einflusslose Köpfe der jüdischen Bloggerei an einen Tisch zu bringen: Dan Sieradski von http://jewschool.com, Amitai Sandy von Dimona Comix Publishung und vom Jewish Antisemitic Cartoon Contest, und meine Wenigkeit. Normalerweise ist man als Blogger nur als der “junge Störenfried” eingeladen, der die Vertreter von Firmen und Medien mit bissigen Bemerkungen anstacheln soll, aber diesmal war es durch die Menge der Ideen und vorgestellten Projekte ganz anders. Kann sein, dass es in der ähnlichen Ausrichtung der Leute begründet ist: Jung, eher links, und da draussen im Netz mit dem Ziel, den anderen zu zeigen was eine Harke ist und Dinge zu tun, die woanders nicht gehen. Es war einfach nicht nötig, über unsere Grenzen zu reden – denn wir haben keine Grenzen unserer freien Rede.

Wir wissen nicht mal, was das sein soll.

Da ist niemand, der uns sagt, so und so müssen wir das machen und das und jenes berücksichtigen, und solange wir den Anschein von Objektivität wahren, dürfen wir das letzte Charakterschwein, Bild-Mitarbeiter oder sogar nebenbei Astrologieabzocker sein. Das alles gibt es hier draussen nicht mehr. Natürlich versuchen wir, die Agenda zu setzen, natürlich wollen wir ein Stachel im Fleisch der Medien sein und ja, wir wissen auch um all den Dreck da draussen und den Abschaum der Rechtsextremisten – aber die kriegen wir schon klein.

Ich habe noch nie bei einer Konferenz den kulturellen Bruch zwischen Medien und Bloggern so gefühlt wie auf dieser Konferenz. Ich kenne beide Seiten sehr gut, aber inzwischen weiss ich genau, was ich bin und wo ich stehe, und wohin ich nie mehr zurück will: In die Gatter der klassischen Medien, mit mehr oder weniger Freilaufhaltung und klaren Schlachtterminen. Das ist keine Absage an Medien als solche, aber eine Absage an deren alte Denke. Es ist immer noch so gut wie unmöglich, den Jorunalisten den enormen Wert von kommentierenden Lesern und den Diskussionen mit ihnen nahe zu bringen, aber was die nicht mehr kennen und auch nicht mehr lernen werden, bleibt eben den Bloggern vorbehalten. Wir nehmen das gerne.

Da sassen also welche, denen man das alles gar nicht erst erklären musste, was wir tun, und andere, die Probleme haben zu verstehen, was sich momentan radikal verändert. Für manche Leser meiner Blogs mag es amüsant sein, dass ich solchen Situationen rede wie ein Web2.0-Jünger, weil ich tatsächlich das Internet für die grösste Erfindung zumindest seit dem Buchdruck halte und der Backchannel uns alle für alle Zeiten auf die gleiche Stufe und an den gleichen begrenzten Bildschirm bringt. Das Internet löst nicht nur die Grenzen der freien Rede auf, es macht, Zugang vorausgesetzt, alle Grenzen nieder.

Keiner von uns weiss, wo das alles enden wird. Aber wir, die wir diese Verändeung vorantreiben und ausprobieren, wir, die wir auch nicht wissen, was kommen wird, wir alle fühlen: Dass etwas kommt. Und dass es gross sein wird, grösser als alles, was sich die Besitzstandswahrer der Medien je werden vorstellen können oder wahr haben wollen. Ich bin nicht Optimist genug zu glauben, dass es aus der Welt mit ihren grossen Problemen wie Kriegen, Übervölkerung, Umweltzerstörung und der immer gleichen Dummheit einen besseren Ort machen kann – aber das Internet gibt jedem eine Waffe in die Hand, zumindest die Meinungsbildung zu beeinflussen. Nicht jeder wird das tun, viele werden auch weiter brav weiterdackeln, aber: Freedem is a road seldom travelled by the multitude, und entscheidend ist nie das, was die anderen nicht tun, sondern nur das, was man selber macht.

Es wird ein langer, harter Weg, sicher auch mit Irrwegen, Frustrationen und Rückschlägen, man weiss nie, ob man mit dem Zug losfährt und am Ende doch das Taxi nehmen muss. Aber da waren gestern welche auf dem Podium, die den ganzen Weg gehen werden. Und natürlich auch manche, die rufen, dass es gefährlich wird und wir am Ende der Reise kein Hotel mit Vollpension und organisierten Fahrten zu den alten Ruinen gebucht haben.

So what.