Blogs, Medien und Wahlen
Wie manche vielleicht wissen, betrachte ich Deutschland beruflich von aussen. Meine politischen Artikel erscheinen so gut wie nie in Deutschland. Obwohl ich Deutscher bin, muss ich Deutschland als Ausländer erleben, um den Lesern in anderen Staaten und Kontinenten zu erklären, was hierzulande abgeht.
Es gibt eine – denke ich – Feststellung nach dem überraschenden Wahlen: Die Medien in Deutschland sind nicht mehr kampangnenfähig. Was die Bild schon vor drei Jahren im Kampf gegen Rot-Grün erleben musste, hat diesmal die gesamte “bessere” Presselandschaft von Stern und FAZ über Spiegel und Focus bishin zur Zeit, den Wirtschaftsgazetten und all den Nachplapperern in der Lokalpresse erleben müssen. Im Prinzip ist das nicht erstaunlich; wenn schon die Leser der Bild vor drei Jahren nicht auf die Kampagne reingefallen sind, warum sollten es dann die Leser des auf neoliberale Linie gebrachten Spiegels tun? Und wenn alle Journalisten die merkel im Duell besser fanden – die Leute draussen sehen das anders und lassen sich nicht bequatschen.
Die deutsche Gesellschaft hat sich als ausgesprochen souverän erwiesen, sie hat nicht dem hysterischen Gekreische geglaubt. Interessanterweise spiegelt sich das auch in der Blogosphäre wieder, genauer, bei dem mit vielen Hoffnungen versehenen Wahlblog. Die meisten Autoren dort, egal ob rechts, links oder was auch immer, waren kleinkarierte Vollpfosten, Westentaschen-Dieckmanns, die, sorry could not resist, F-Klasse der Blogosphäre in Ausdruck, Ãœberlegung und Achtung vor der Intelligenz der Leserschaft. Lieber die drei, vier guten Leute schreiben lassen und eventuell eine Unausgewogenheit riskieren, als irgendwelches Zeug, das beim heimischen Myblog oder Twoday auf 3 Leser am Tag käme – Blogger, Freundin und Oma. Die gewollte Subjktivität entlud sich meist in platter Propaganda. Darunter debattierten ab einem gewissen Zeitpunkt fast nur noch die immer gleichen 20 Deppen, die möglicherweise sogar dachten, damit etwas zur politischen Meinungsbildung beizutragen.
Die gleiche Bande hatte daneben auch noch dafür gesorgt, dass die Kommentare beim ungleich besseren, weil von wenigen guten Leuten geschriebenen Blog Lautgeben versaut wurden. Totale Rohrkrepierer in Text, Form und Breitenwirkung müssen die Blogs der Parteien gewesen sein – wann immer da auf mein Blog verlinkt wurde, war der Traffic minimal bis nicht vorhanden. Mehr als zur Abfütterung der eigenen Klientel und als Spielplatz der gegnerischen Trollhorden haben die nicht getaugt. Und ob die Horde der rechtslastigen Neoconnards oder linker Kader mehr erreicht hat als preaching to the converted, ist auch eine Frage, die ich mit einem klaren Nein beantworten möchte.
Ein Ergebnis in meinen Augen ist: Die bisher aktiven Politik-Blogs sind nicht kampagnenfähig, wenn sie es drauf anlegen. Noch nicht mal für sich selbst, wenn sie nicht schon a priori von Leuten geschrieben werden, die “es” können. Insofern sind Blogs just another piece of media scum. Inhaltlich so beschissen wie SPON, vom Ausdruck drunter.
Aber, und das ist das andere: Diese Blogs sind die Ausnahme. Zum Glück. Diese Blogs sind eine Ableitung der Medien und des PR-Betriebs. Aber die meisten Blogs existieren einfach so. Sie sind privat, und in dieser Privatheit politisch. Für mich waren diese Blogs ein ganz wunderbares Instrument, mir ein eigenes Bild von den Leuten zu machen, und dem, ws in ihnen vorgeht. Das kann man nicht statistisch erfassen, aber wer genau hingeschaut hat, konnte erkennen, dass unter Bloggern schlichtweg nicht die Stimmung für irgendeine klare politische Mehrheit da war. Da war sehr viel Zögern, Unwissen, Nachdenken, Unsicherheit. Keine absoluten Wahrheiten, kein Ja ohne ein aber.
So etwas hassen Medien, Demoskopen und Politiker gleichermassen, weil es sich nicht auf die dort gebräuchlichen simplen Formen und Schlagworte reduzieren lässt. Es ist – vielleicht – ein Zeichen für das Aufbrechen der deutschen Gesellschaft, für einen unverkrampften Individualismus, für eine Selbstständigkeit jenseits der Vorschriften.
Als Beobachter mit einem Chefredakteur im Rücken, der wissen will was da abgeht, ist das eine sehr seltsame Situation. Ich kann schlecht in New York anrufen und sagen, keine Ahnung, aber ganeu dieses Gefühl hat mich beschlichen, und genau dieses Gefühl war richtig. Die Gesamtheit der Blogs bringt genau das Unentschiedene, Schwebnde zum Ausdruck, washalb ich denke: Wenn es irgendeine Form von Publizität gegeben hat, die der Realität dieses Wahlkampfes gerecht wurde, dann waren das die Blogs.
Abzüglich der oben aufgeführten Vollpfosten, die sich jetzt hoffentlich wieder in ihre Privatblogs, PR-Klitschen und Parteiorgane
VERPISSEN. wow. es hat gut getan, das zu sagen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Ich mach sowas eigentlich ungern, aber hier gibt’s eigentlich nur (laut und deutlich) zu sagen: ME TOO!
Hmmm… damit’s doch etwas mehr als ein Me2-Posting ist: die “privaten” Schreiber würde ich von der sehr strengen Kritik etwas (nicht vollständig) ausnehmen, denn an diese lege ich nicht die Maßstäbe, die ich an die “Profis” (Ob Journalisten oder Politiker oder PR-Leute) lege.
Letzteren aber gebührt tatsächlich der absolute Nixblickerpreis – gerade im Wahlblog fiel mir das extrem auf, als da die “Profis” (und die Möchtegernprofis) auftauchten, was leider sehr/viel zu früh passierte, war das Ding fast nicht mehr lesbar vor lauter Parolen, platter Polemik und Unfähigkeit zu “echten” Diskursen, aus argumentativer Unfähigkeit heraus ebenso wie aus der, sich auf die Augenhöhe des “normalen” Menschen zu begeben – entweder blieb man auf unterstem Stammtischniveau oder behandelte Leute von oben herab wie kleine Würstchen – die Leute, die man ja eigentlich für die eigenen Argumente einnehmen wollte. Mächtig großer Fehler. Aber symptomatisch – “So ist halt die Politik” – muss sie aber nicht sein. Und weil das Wahlvolk das eben auch nicht so haben will hat es so gewählt wie geschehen. Und die “Das ist halt so”-Trottel gucken blöd.
Aber kapiert hat’s immer noch keiner, fürchte ich…
[…] Ich mach sowas eigentlich ungern, aber hier gibtâ??s eigentlich nur (laut und deutlich) zu sagen: ME TOO! Hmmmâ? damitâ??s doch etwas mehr als ein Me2-Posting ist: die â??privatenâ?? Schreiber würde ich von der sehr strengen Kritik etwas (nicht vollständig) ausnehmen, denn an diese lege ich nicht die Maßstäbe, die ich an die â??Profisâ?? (Ob Journalisten oder Politiker oder PR-Leute) lege. […]
Etwas was ich den Ausführungen noch hinzufügen würde, ist dass die “tiefe Spaltung” die den Bürgern jetzt angesichts des Wahlergebnisses unterstellt wird, keineswegs bei den Wählern/Bürgern vorhanden ist. Vielmehr sind es die Parteien die tief gespalten und “radikalisiert” sind (und eben die Partei”soldaten” die mit stark gefärbten Brillen durch die Landschaft laufen). Wenn ich mir zum Beispiel den Tenor der Leute anschaue, die bei Sendungen wie “hart, aber fair” dran kommen, dann ist es meistens etwas in der Richtung von “Jetzt stellt euch nicht so an, und macht eine Koalition” – während die Parteien laut schreien “Unmöglich! Der Regierungsauftrag der Wähler sagt…”. Natürlich ist da auch viel Verhandlungspokern dabei, dennoch sind die Fronten zwischen den Parteien sicher verhärteter und gegensätzlicher, als das im Volk der Fall sein dürfte.
wenns die Parteien wären. Es sind die Politiker. Die benehmen sich alle ausnahmslos wie kleine Kinder. “Der is nich mehr mein Freund! Dem leih ich niiiee wieder mein Schäufelchen!” “Und du bist blöd” “Nein Du” “Nein Du” “Du bist immer eins blöder als ich” “Und du immer zwei” “Geht nicht!” “Doch” “Nein” Doch” “Maaamiiii” (ab)
Man möchte sich beim Lesen dieser Zeilen geradezu abkugeln: Lästern auf hohem Niveau, ein gerüttelter Watschenbaum á la chef alias DonAlphonso, und das auch noch mit jener Faktenbasis, die es einem selbst bei vorhandenem Wollen schwer macht, den Rüffel als unberechtigt darzustellen.
Manche – zu viele – haben offensichtlich noch nicht verstanden, dass das Schreiben eines Blog-Artikels keineswegs die Manifestation unumstößlicher Wahrheit ist, sondern eine Meinungskundgebung, die dazu aufruft, modifiziert, eingeschränkt, bestärkt, dementiert oder ergänzt, sprich: von anderen Meinungen reflektiert zu werden. Bei so manchen Wahlblogs, in denen die immer gleiche Klientel sich der öffentlichen Gemeinschaftsonanie hingibt, fragt man sich, ob die Schultern nicht langsam Dellen vom ständigen, selbstinszenierten Draufklopfen haben – und ob dazwischen tatsächlich Köpfe oder nicht doch einfach irgendwelche binären Reflexchips sitzen.
Hast Recht. Kampagnenfähig sind weder die “Wahlblogs”, die gnädigerweise wieder ihre Pforten schließen, noch die privaten Blogs, weder lautgeben noch die Muppetidioten noch irgendwer anders.
Ich freu mich aber trotzdem wenn die privaten Politblogs bleiben. Sie sind Stammtisch, welcher Sorte auch immer, sie sind das elektronische ßquivalent zum “Ich brüll die Idioten im Fernseher an”. Und das sollen sie auch bleiben.
Ich weiß, daß auch wir uns des “seriösen Tones” schuldig machen, und ich will versuchen es besser, eigener zu machen, aber ich lass es mir ganz sicher nicht, auch nicht von erwiesener Sinnlosigkeit, vermiesen.
(Und jetzt pack ich noch die private BlogURL rein, damit da kein Selbstpromovorwurf kommt.)
Darf ich jetzt “Vollpfosten” in meine d2d-gestählte Sammlung “Zitate über mich” aufnehmen? So neben “Nazi”, “Kommunist”, “Extremsozi”, “Linker Christdemokrat”, “Westentaschen-Faschist” usw.usf. kommt das gut. ;)
Jens, für mindere Sünder hat der Don schon vor einer Weile den Begriff “Halbpfosten” geprägt ;O)
na ich weiß nicht – Lautgeben da so mirnixdirnix zu subsummieren fällt mir schon schwer, denn für Kommentartrolle können die ja erstmal nichts, und dort sind ebenjene hauptsächlich das Problem, finde ich…
für Kommentartrolle können die ja erstmal nichts
Das sehe ich ein wenig anders. Zum einen gehören zu Kommunikation immer zwei. Wenn sich dämliche Kommentatoren herausgefordert fühlen, dann liegt das auch an der Diktion im Artikel.
Zum anderen muss man ein Konzept haben, wie das blog funktionieren soll und welche Stimmung man bevorzugt. Stammtisch, Salon oder irgendwas dazwischen. Wenn das klar kommuniziert wird, dann kann man auch Leute, die dies missachten zurechtweisen oder rauswerfen.
Ohne das werden Politblogs oder andere “Tendenz”-blogs nie laufen, sondern immer Sammelplatz von Besserwissern, Streithanseln und Hobby-Ideologen bleiben.
strappato: Mit Diktion hat das imo wenig zu tun. Ausser vielleicht, wenn man auf Randale aus ist, Wahlkampf via Blog betreibt/missionieren will oder nicht anders kann.
Politik polarisiert. Immer. Sobald man etwas über Beckstein, Trittin, Eichel, Lafontaine oder Gysi schreibt, wird’s schon automatisch kontrovers. Da hat Mensch einfach Feindbilder aufgebaut, da will er sich echauffieren. Manche zivilisiert, andere eben nicht.
Sehr schön gesehen hat man das zum Beispiel schon bei der simplen Feststellung, dass CDU und CSU tatsächlich zwei Parteien sind. Da genügt schon ein kleiner Impuls und viele verkriechen sich in ihren argumentativen Panzer. Oft aus Selbstschutz.
Eine Diskussion, gar mit eigenen Argumenten, ist nunmal anstrengender und aufwändiger, als den vermeintlichen Gegner (Den auszumachen ist ja schon schwer genug ,) mit Wahlkampfphrasen und Kampagnenvorwürfe zu befeuern. Das sind ja von den eigenen Ideologen geprüfte Fakten, da kann man nix verkehrt machen.
Daneben gibt es dann noch hauptberufliche Strategen und Kampftrolle, die sehr wohl wissen, dass sie nur massiv mit Menge Dreck werfen müssen (Behaupten geht schneller als Beweisen/Nachweisen), um Arbeitskraft zu binden. Siehe Heiseforum, siehe diverse Hochstapler. Drei/vier davon und du brauchst einen Vollzeitmoderator (oder eine große Keule).
Man kann (und will) einen Eintrag aber auch gar nicht immer so schreiben, dass die Trolle gelangweilt einschlafen. Alternativ müsste man auf viele Themen schlicht verzichten. Das kann es aber auch nicht sein.
Ich rede mir gerne ein, dass wir bei lautgeben inzwischen ein durchaus akzeptables Klima haben. Ein Salon ist es nicht, das wäre mir auch zu elitär, aber man muss auch keine tief fliegenden Bierflaschen fürchten. Keine Ahnung, wie es wäre, wenn wir soviele Leser hätten, wie z.B. das Bildblog.
Die Frage ist aber auch, was man will. Wenn ich Dons beiden Artikel zum Thema Wahlblogs lese, habe ich das Gefühl, er hätte gerne irgendwas zwischen Salon und Thinktank. Auf jeden Fall etwas deutlich elitäreres, als wir bieten können und wollen.
Solange es nicht zu Ausschreitungen wie im blog4berlin kommt, könnte ich mit ein paar Bestandstrollen recht gut leben. Ist doch amüsant, wenn sie auf Zuruf tanzen. Solange es nicht eskaliert, mein Gott, wir sind ja doch keine Mädchen …
Die Besserwisser, Streithansel, Hobby-Ideologen und Hypehuren wirst du ohnehin nie vollständig los.
Mir reicht es schon (erstmal), wenn ein paar normale Menschen ihren Kopf benutzen, Dinge hinterfragen und evtl. Mechanismen durchschauen. Die müssen auch nicht unbedingt meiner Meinung sein, aber überhaupt eine eigene Meinung zu entwickeln wäre klasse. Wenn Politikblogs das leisten können, ist schon viel erreicht.
Schaun ‘mer mal, wie sich die Sache entwickelt.
German Elections and Samoan Sex Life
Eversince our recent federal elections they beat the livin’ jesus out of those opinion poll institutes. Well true, this time the surveys really were off track …
[…] Dabei ist mir gestern recht deutlich geworden, was erfolgreiche von weniger erfolgreichen Bloggern unterscheidet. (Erfolg: gewollt oder ungewollt). Die Blogger, die eine große Leserschaft finden, wie eben Don, aber auch eine Menge Anderer, verfolgen ja gerade einen journalistischen Ansatz. Nur halt einen extrem subjektiven und oft auch unausgegorenen. Dazu würde ich eben auch Alltagsbeobachtungen (siehe Shopblogger) zählen. Nur, dass sie so gut und unterhaltend beobachtet sind, dass sie eine Bedeutung für Andere gewinnen. ßbrigens ist das auch das Ziel einer guten Reportage, wie sie einer Zeitung aus Papier zufinden sein sollte. Selbst boulevardeske oder â??das-ist-jetzt-witzigâ??-Dinger würde ich jetzt mal zu den journalistischen zählen. ßber den Unterschied zu der alten Journalistenwelt bei der letzten Wahl hat sich Don Alphonoso hier Gedanken gemacht. Und selbst eine Qualitätskontrolle findet in Blogs statt, nur halt eine, die die Persönlichkeit des Bloggers wiederspiegelt. […]
@ jo: Ich finde lautgeben sehr gut, nur eben einen Teil der Kommentare nicht. Gezielt genau diejenigen, die in den letzten Wochen nichts anderes zu tun hatten, als alles sofort umkippen zu lassen. Beim Wahlblog kam halt noch dazu, dass es oft auch intern Hakeleien zwischen den Autoren gab, sprich, da begann das Getrolle schon im Kopf des Beitragschreibers.
Ich sage hier nur meine Meinung, mein subjektives Empfinden, was ich gesehen habe. Wollen tu ich gar nichts, der Markt der Eitelkeiten und Aufmerksamkeiten wird das alles von selbst regeln. Lautgeben ist meines Erachtens auf einem guten Weg.
[…] Blogger sind immer einen Schritt weiter. Auch wenn viele diese Tagebücher nur als “2te Klasse Journalismus” oder als “Form zum Ausgleich eines Selbstdarstellungsdefizites” ansehen, gibt es in der Blogosphäre vieles was doch auf die Geselschaft zutrifft: Blogs! Buch Blog » Blogs, Medien und Wahlen Für mich waren diese Blogs ein ganz wunderbares Instrument, mir ein eigenes Bild von den Leuten zu machen, und dem, ws in ihnen vorgeht. Das kann man nicht statistisch erfassen, aber wer genau hingeschaut hat, konnte erkennen, dass unter Bloggern schlichtweg nicht die Stimmung für irgendeine klare politische Mehrheit da war. Da war sehr viel Zögern, Unwissen, Nachdenken, Unsicherheit. Keine absoluten Wahrheiten, kein Ja ohne ein aber. […]