Hannes Stein ist Redakteur in der WELT, Abteilung “Literarische Welt”. Aus seinem Portrait auf welt.de:

Ein Jahr lang lebte er als Lehrer in Schottland; in dieser Zeit stellte er fest, daß es Spaß macht, eigene Texte schwarz auf weiß gedruckt zu sehen und auch noch Geld dafür zu bekommen.

Das ist schön für ihn.

Und ich bin mir sicher, dass die Blogger die seit einigen Wochen von Hannes Stein in der “Echolot“-Rubrik der WELT abgedruckt werden, Lyssa, Frau Julie, Kaltmamsell, Kutter, auch gerne den Spaß hätten sich schwarz auf weiß gedruckt zu sehen und auch noch Geld dafür zu bekommen.

Tun sie aber nicht. Denn weder die WELT noch Hannes Stein halten es für nötig, den zitierten Bloggern Bescheid zu sagen, die Blogger um Erlaubnis zu fragen, geschweige denn so etwas wie eine Bezahlung anzubieten, dafür dass die Texte im Print und Web verwandt werden.

Moment, das Prinzip kennen wir doch schon. Da gab es doch mal die Frankfurter Variante in Form der vermeidlichen “Blog-Rundschau” in der “NEWS Frankfurt”: “Blogs, die billige Contentmaschine“: einfach unkommentiert Blog-Schnipsel nehmen und abdrucken.

Wie auch seinerzeit bei der NEWS gibt es eine rechliche Dimension (vom Zitatrecht abgedeckt?) und eine ethische Dimension (Anstand, Höflichkeit).

Nehmen wir das Beispiel von Lyssa. Lyssa hatte letzte Woche nun die “Ehre” zum zweiten Mal von Herrn Stein ausgesucht worden zu sein.

Ende September wurde ihr Blog-Eintrag “Kaufhaussex und IAA mit Augenaufschlag” zur Hälfte im Echolot abgedruckt.

Am Donnerstag gab es dann den kompletten Blog-Eintrag “Auch ne Form von Stadtrundfahrt” in voller Länge (minus einen Satz) in der WELT abgedruckt.

Mit neuem Titel.
Ohne Permalink, nur die URL der Homepage.
Ohne den “Klarnamen” von Lyssa, der problemlos auf der Website zu finden ist.
Unter Mißachtung des Rechtshinweis auf der Impressum-Seite.
Ohne Nachfrage.
Ohne Bezahlung.

Nun kann man sich darüber streiten, ob man wegen zwei Sätzen Theater machen muss. Die FAS druckt schließlich auch seit Äonen kürzere Zitate aus Blogs ab, eher als wöchentliche Bonmots.

Und wenn Stefan Niggemeier in der FAZ ausführlich Tsunami-Blogs zitiert, dann kann man es als einmalige Dokumentation auch noch durchgehen lassen (möglicherweise hat er sogar die Blogger vorher gefragt).

Im Falle des Echolots und Lyssa reden wir aber nicht mehr über ein kleines Zitat, das einen Absatz umfasst, sondern von zwei Beiträge von über 300 Wörtern Umfang die in einer Zeitung mit roundabout 200.000 Auflage abgedruckt worden sind und auf der WELT-Website abgelegt sind. Wir reden über eine regelmäßig von der WELT angewandten Methode um zirka eine Viertelseite zu füllen. Und wir reden von einer Zeitung die in ihrem Impressum und Weblogs unter Rechtshinweise schreibt:

Alle Inhalte (Text- und Bildmaterial) werden Internetnutzern ausschließlich zum privaten, eigenen Gebrauch zur Verfügung gestellt, jede darüberhinausgehende Nutzung ist unzulässig.

Die Toleranz der WELT hört an den eigenen Grenzen auf. Gerne würde ich mehr von der WELT und Hannes Stein über ihre für mich eigenwillige Interpretation von §51 Nr. 1 und Nr. 2 UrhG, Stichwort “Großzitat“, “Kleinzitat” und “großes Kleinzitat” wissen. Vorausgesetzt Hannes Stein hat sich vorher überhaupt darüber Gedanken gemacht, als Journalist. Als “Profi”.

[Nachtrag: der Chefredakteur der WELT hat sich inzwischen bei Lyssa entschuldigt]