Ich finde, dass vieles von dem, was Martin Schoeb im weiteren Zusammenhang mit der Bloggerkonferenz Re:Publica in der FAZ formulierteund in seinem Blog präzisierte, durchaus richtig ist oder zumindest wahre Punkte anspricht. Zum Beispiel seine Kritik an den paar deutschen Blogpromis (Disclosure: Der Verfasser gehört, wenngleich nicht auf der Re:Publica vertreten, auch dazu):

Was die deutschsprachige Blogosphäre nicht nur für Werbetreibende uninteressant macht, ist ihr beklagenswerter und in erster Linie selbstverschuldeter Zustand: Neben der Menge weitgehend unbekannter, nicht selten lesenswerter Blogs gibt es eine zweistellige Zahl prominenter A-Blogs. Diese drehen sich derart raumgreifend um sich selbst, dass für die anderen kein Vorbeikommen ist.

Das ähnelt jetzt erstmal dem Blödsinn, den ein gewisser Prof. Neuberger mal im ZKM auf Basis amerikanischer Studien (sic!) über die deutsche Blogosphäre von sich gegeben hat: A-Blogger würden nur A-Blogger verlinken. Völlig Gaga: Ich habe bei Rebellen ohne Markt 38 Blogs dauerhaft verlinkt, davon sind 3 inzwischen in den Toplisten: Die Blogbar (schon immer), Thomas Knüwer (von Anfang an) und Boocompany (von Anfang an). Bei den meisten anderen grossen Blogs ist das ähnlich.

Aber mal losgelöst vonm solchen Verschwörungstheoretikern: Wenn man als A-Liste den Grad der Verlinkung und in der Folge die Besucherzahlen hernimmt, erlebt man ein interessantes Phänomen. Die allerschönste Geschichte über das Leben und Darben einer geschiedenen Freundin mitsamt ihren gehässigen Bemerkungen, von der ich weiss, dass sie gerne gelesen wird, wird nie denn Grad der Verlinkung erreichen, den ein Beitrag über das Metabloggen erhält. Es gibt Themen, die gehen immer ab: Medien totreden, über das Fernsehen beschweren, A-Lister dissen, nachplappern, was ScobleRubelbeliebigerandererUSPR-olet vorgeplappert hat. Meines Erachtens ist vielen Bloggern gemein, dass die “schönen Geschichten” gern gelesen, aber ungern verlinkt werden. Das ist wohl einer der Hauptgründe, warum sich unter den sog. “Top 50” so unglaublich viel männlicher Bullshit, Egoscheisse und Gebrabbel von Typen befindet, die man angesichts ihrer Blogeinlassungen in der Bar nicht neben sich sitzen sehen möchte.

To make things worse, gibt es tatsächlich einen Awareness-Sog, den die Blogbar gerade mitmacht. Seit StudiVZ sind wir in einer Liste relativ weit vorne (der anderen verschliessen wir uns nach Absprache bewusst), und tauchen dadurch in vielen Blogrolls als Favorit auf. Das freut erst mal, aber mitunter sieht man dann, dass ein Blogger einfach die Top10 verlinkt. Sorry, aber aufgrund der Verschiedenartigkeit der Top10 mit ihrer Spannweite von Medienkritik bis purem Nonsens wage ich zu bezweifeln, dass diese Blogrolls etwas anderes sind als Herdentrieb. Das mag anderen am A-Lochist vorbeigehen, aber es nervt mich persönlich insofern, als ich seit dem Druck des Buches betone: Die paar grossen Blogs sind irrelevant. Es ist völlig gaga, diese unendliche Freiheit der Blgosphäre zu haben, die auch eine Freiheit von jedem Stargewürge, jeder Mache und aller aus den Medien bekannter Abhängigkeiten bedeuten kann – und dann an den paar bekannten Bloggern zu kleben, die eh jeder liest, als wäre es die Bildzeitung. Das Grosse am Bloggen ist die Freiheit und Selbstverwirklichung des Einzelnen in seinen Texten. Und jedes eigene Wort ist grösser als alles, was man von angeblich wichtigen Bloggern zitiert. Die Folge sind dann genau solche Geschichten:

Man sollte sich unterhalten fühlen, wenn ein bärtiger untersetzter Promi-Blogger auf einer Bloggerkonferenz einen großen schlanken Promi-Blogger mit zu kurzem Sakko filmt und dabei wiederum von einem Blogger gefilmt wird, der außerhalb der Szene genauso unbekannt ist wie seine beiden Filmpartner.

Manche finden sowas ja lustig oder ironisch, aber ich hatte auch schon mal das Vergnügen, dass mir welche am Toilettenausgang die Kamera ins Gesicht hielten, nur um ein Bild zu bekommen. Und in all den Jahren hat noch kein einziger Blogger zu mir gesagt: Ich hätte gern ein gutes Bild von Dir, nicht so einen schnell geknipsten Scheiss mit roten Augen und Schatten, setzt dich doch mal bitte hin und dann komponieren wir was. Dieses Benehmen steht exemplarisch für vieles, was sich in der Blogosphäre – ähnlich wie in den Medien – abspielt. Und es ist leider so, dass man mit genau der Sorte Crap “Erfolge” bei der Verlinkung feiern kann. HuschHusch, SchnellSchnell, kurz und billig und dann noch zwei Links, die das für Insider und nur für diese Insider belegen. So sieht das Qualitätsproblem der Blogosphäre aus. Dass die Blogbar für Aussenstehende ein wenig kryptisch sein mag, geht in meinen Augen wegen ihrer Fachblogfunktion in Ordnung.

Der Kreis jedoch schliesst sich dann wieder bei den Medien, die exakt diese Blogger rausgreifen und immer wieder zitieren. “Wir machen was über Blogger, ruf mal den Johnny, den Don und den Knüwer an”. So muss das laufen, anders kann ich mir das nicht erklären. Und dann gibt es tatsächlich noch Deppen, mit Verlaub unter den Bloggern, die sowas Relevanz zusprechen. Das kann in wenigen, berühmten Einzelfällen wie Jamba, StudiVZ und Transparency so gewesen sein, aber ich wage es zu bezweifeln, dass normale Beiträge über Blogger in den Medien grosses Interesse verursachen. Ausser bei den Bloggern, die das verlinken, als wäre die 5. Eiszeit ausgebrochen, der Säbelzahntiger hätte alle Freunde gefressen und es gäbe in der Höhle sonst nichts zu schreiben.

Es kann nicht ganz falsch sein, als Blogger im Sinne Marinettis jeden Tag auf den Altar der Autoritäten zu spucken. Medien gehören fraglos dazu. Und Blogger, die gezielt deren gossigste Mechanismen kopieren, sollte man auch nicht ausnehmen. Danach kann man mit Recht über Medien sagen:

Sie werden uns lärmend umringen, vor Angst und Bosheit keuchend, und werden sich, durch unsere stolze, unbeirrbare Kühnheit erbittert, auf uns stürzen, um uns zu töten, und der Hass, der sie treibt, wird unversöhnlich sein, weil ihre Herzen voll von Liebe und Bewunderung für uns sein werden.

Aber nicht wegen dieses FAZ-Artikels, der da hinblogt, wo es den Medienmechanismenbloggern weh tut.