Es gab im letzten Jahr drei ernsthafte Übernahme- und Kooperationsangebote für die Blogbar. Einmal eine Agentur, die vollkommen indiskutabel war, und zwei bekannte deutsche Qualitätsmedien. Mit denen habe ich mehrere Gespräche geführt, in einem Fall bis zu dem Punkt, an dem es nur noch um Bagatellen ging, die dann aber ausschlaggebend waren für meine Entscheidung, es bleiben zu lassen. Bezahlung, Umfeld, Ausrüstung, Ausbau und Verankerung bei den Medien als externes Angebot waren prima und durchdacht. Die Blogbar wäre vom Konzept her so geblieben, wie sie ist, wir hätten lediglich das Layout an das Medium angepasst, es im Header erwähnt und verlinkt. Keine Werbung, keine Abhängigkeit, meine Leitung, eine journalistische Spielweise, auf der das Medium auch mal journalistische Dinge austesten kann, die in ihrem Angebot nicht möglich wären. Am Rande: Eines dieser Medien kooperiert bei der Suche mit Yahoo. Es war meinen Gesprächspartnern vollkommen klar, dass sich das mit der Blogbar nicht vertragen würde, und man deshalb eine andere Lösung entwickeln müsste.

Aber im Kern waren da zwei Punkte, weshalb ich froh bin, es nicht getan zu haben. Einerseits dachten mir beide Anbieter viel zu kurzfristig. Bloggen ist zwar schnell, aber es hätte keinen Sinn gemacht, die Blogbar als Spezialprojekt mit einem Budget grösser zu machen, als sie jetzt ist, wenn die Partner nach einem Jahr kalte Füsse bekommen. Andererseits war es die Grundidee, eine Art Brücke von einem bekannten Medium in die Mitte dessen zu schlagen, was sich im Netz neu entwickelt. Ich habe die Gespräche sehr desillusioniert verlassen, weil die andere Seite nicht versteht, was sich hier entwickelt hat, und die Aufgabe völlig unterschätzt hat. Es ist normal, dass solche Pläne scheitern, und es war mit einigem Abstand betrachtet die beste Lösung.

Bei solchen Gesprächen hat man es nicht nur mit Journalisten zu tun, sondern auch mit Vertretern der geschäftlichen Seite. Ich fand es sehr spannend, mit denen zu reden, denn sie haben eine ganz andere Sicht auf Blogs. Für sie ist ein Bliog ein vergleichsweise kleines Investment, das sich nicht zwingend über Werbung oder Vermarktung refinanzieren muss. Was diese Leute suchen, sind Marken mit einem gewissen Wert. In einem der beiden Fälle kam der Impuls für das Angebot dann auch atsächlich aus dem wirtschaftlichen Bereich des Medienkonzerns, denn die haben sich überlegt, welche Marken im Internet zur Firma passen könnten. Die Idee war, grob gesagt, mit der Kooperation denen “da draussen” zu zeigen, dass man verstanden hat und bereit ist, sich auf das Neue voll und ganz einzulassen. Betriebswirtschaftlich macht es vermutlich mehr Sinn, sich innerhalb des Neuen eine Plattform zu suchen, auf der man aufbauen kann, als mal wieder die eigenen Leute mit peinlichen Blogversuchen zu versenken. Und es existiert mittlerweile auch die Erkenntnis, dass man ohne Hilfe hier draussen kaum Chancen hat, eine gewisse Bedeutung zu erlangen.

Das Amüsante ist nun der Vergleich zwischen journalistischer und wirtschaftlicher Leitung. Für die Journalisten ist so ein Blog einerseits die Basis, auf der sie expandieren und neue Wege erproben wollen. Weil ihnen diese Basis aber nicht sicher genug ist, wollen sie Mitspracherechte und Kontrollen. Die Konzernleute dagegen sehen es anders: Die sehen die Marke, bewerten und bezahlen sie und wollen keinesfalls, dass irgendjemand daran rumpfuscht und schon wieder ein Debakel verursacht, nachdem die Redaktion schon mal ziemlich viel Geld mit anderen gekauften und falsch integrierten Marken versenkt hat. Integrieren oder entwickeln, Kontrollieren oder wachsen lassen war die Frage, und man fühlt sich dann wie der Baum, bei dem Gärtner darüber reden, ob er bonsaimässig abgekniffen oder im Park gepflanzt werden soll. man ahnt es: Dass die parkliebenden Manager zwar konzeptionell die Freiheit der Marke Blogbar durchgesetzt haben, die bonsaischnibbelnden Journalisten aber letztlich die Umsetzung betreut hätten, war in einem Fall der Punkt, an dem klar wurde, dass es so nicht geht. Man macht die Kluft zwischen Journalismus und dem hier draussen nicht dadurch kleiner, dass man die Marke über den Abgrund zieht und hofft, dass man damit leichter rüberkommt und das Ding schon irgendwie fliegen wird.

Denn das Ding fliegt nicht. Wir sehen gerade an den diversen Debatten um Werbung für Yahoo und den Grimmepreis, wie sensibel Blogleser und andere Blogger auf Verschiebungen des Gesamtgefüges reagieren. Wähend medien erfolgreich alles versuchen, vertikale Marken zu sein, ist die Blogosphäre eine Netzwerkstruktur. Die Blogbar ist erst mal nur ein Buch, eine Website und Texte. Sonst nichts. Die Marke Blogbar machen die Leser aus, die Reichweite, die Struktur dieser Reichweite, der Einfluss, die Kommentatoren und auch die Feinde. Um mal ein Beispiel zu bringen: Es ist für die Marke und ihren Wert überhaupt kein Problem, wenn man einen abfälligen Kommentar bei einem Koofmich findet; das Geschrei der mit Werbung vollgeklatschten Feinde wegen der kommerziellen Unabhängigkeit ist eher Auszeichnung denn Verlust der Reputation.

Die Markenbildung ist also zentral abhängig von dem, was die anderen tun und schreiben. Das ist meines Erachtens auch das, was der Spreeblick, Stefan Niggemeier, felix Schwenzel, René Walter und andere wie Flickr im Moment erleben und noch lange Zeit erleben werden: Wenn man ein Blog als Teil einer Netzwerkstruktur plant und aufbaut, kann man sich nicht mehr völlig frei und unabhängig bewegen. Entweder man schafft es, die Nutzer an einen Wandel zu gewöhnen oder ihn nachvollziehbar zu erklären. Das ist eine Kunst. Oder man ändert die Grundausrichtung und glaubt, dass man schon irgendwie damit durchkommt. Das ist die Realität. Die Nutzer, oder zumindest manche Nutzer wissen sehr genau, dass sie mehr sind als nur dummes Klickvieh oder blinde Fans, auf deren Vermarktung sich Adical nach eigenen Worten spezilisiert hat. Fans sind nur ein kleiner teil des gesamten Sozialgefüges der Blogs; ich persönlich hätte weniger Angst vor dem, was kritisiert wird, als vielmehr vor denen, die nichts mehr sagen. Genauso, wie sich momentan manche ärgern, jemals Flickr eingebunden zu haben, würde ich heute nicht mehr Nerdcore verlinken, selbst wenn er ein Video von das Bundeskanzler bei der Annahme eines Briefumschlages von der INSM hätte.

Die klassische Antwort der Blogmarken auf solche fundamentalen Verwerfungen ist: “Ist mir doch egal, auf die paar Meckerer kann ich prima verzichten. Und wer sagt, dass er mich aus dem Feedreader schmeisst, kommt dann eben so vorbei und guckt Werbung.” Im zweiten Teil schauen wir uns ein paar historische Fälle an und überlegen uns, ob man sich das tatsächlich leisten kann.