Eigentlich hätten am letzten Montag gleich zwei grössere Medienprojekte mit Beteiligung und Einladung von Bloggern online gehen sollen, und beide haben den Termin – mal wieder – nicht eingehalten. Beide werden von Bloggern mitverantwortet, und beide sind aus den älteren und neueren Pleiten derartiger Versuche – Projekte wie bequeen und Freundin von Burda, germanblogs von Holtzbrinck, readers-edition der Netzeitung, um nur mal ein paar besonders missratene Versuche anzusprechen – offensichtlich nicht klüger geworden. Die Idee, den Bürger zum Journalisten zu machen, ist nämlich eine der Vorstellung, von der man sich mit Blogs verabschieden kann.

Zumal, wenn es darum geht, ihn an der Grenze der Sittenwidrigkeit praktisch nicht zu entlohnen und dafür bei rechtlichen Problemen im Regen stehen zu lassen, wie das in diesen Fällen wohl geplant ist. Bliebe als einzige Motivation, schreiben zu dürfen, bei einem mehr oder weniger bekannten Medium oder der de facto Verbandspostille ostelbischer Nichtmehrnazijunker, was immer das sein mag *hust*. Klingt in der Theorie der Powerpoints gar nicht mal so schlecht, wenn man nicht weiss, dass diejenigen, die es da vorne verbreiten, keine Erfahrung mit Bürgerjournalismus haben.

Es ist jedoch so, mit dieser – bisher im linken politischen Spektrum durchaus bekannten – Form des engagierten Schreibens und Radio Machens: Es funktioniert nur sehr begrenzt. Dass es überhaupt funktionierte, liegt daran, dass es praktisch keine andere Möglichkeit gab, das finanzielle Risiko eines Medienbetriebs zu tragen. Man muss sich also zusammentun, um es überhaupt zu stemmen. Von der ersten Minute an sind solche Projekte engagierter Menschen aber durch Konflikte bestimmt, die sich aus eben jenem Engagement speisen. Da geht es dann um politische Linien und Grabenkämpfe, um Qualitätsvorgaben und deren Nichteinhaltung, und alles und jeder betont, dass man ja aufhören oder gehen könne, wenn es nicht passt. Das Aufhören wäre jedoch definitiv, mangels Alternativen, also frisst man bei derartigen Betätigungen lange in sich hinein, bis man entweder resigniert, ein totalitäres Scheusal an der Spitze mit ein paar Handlangern ist, oder eine Alternative findet, die einem das Publizieren mit vielleicht etwas besserem Angebot erlaubt. Davor ist die monopolartige Stellung der Bürgermedien der Kitt, der so ein unstabiles System zusammenhält, das eben nicht die Alternative Bezahlung bieten kann oder will. Nur äusserst erfahren Alternativprojekte sind bslang in der Lage gewesen, gute Leute für lau langfristig zu halten, und dort gab es dann meistens ein paar andere positive Aspekte, Freiheit des Ausdrucks beispielsweise.

Der grosse Unterschied zum Internet ist, dass es die Bedrohung durch Publikationskosten oder die Einschränkungen durch alternative Medienbesitzer oder Mobs nicht mehr gibt. Es ist hier nicht mehr nötig, sich solchen Strukturen unterzuordnen, und wer es nicht glaubt: Es macht auch fast keiner. Man betrachte nur mal das weitreichende Blogkrepieren bei der taz, die von allen Alternativmedien in Deutschland vielleicht die besten Möglichkeiten und Plattformen haben könnte, aber eben doch nicht anzieht: Weder bei möglichen Autoren, noch bei den Lesern. Und dabei wendet sich die taz gezielt an Leute, die etwas bewegen und artikulieren wollen.

Ich kann mir auch aus meiner eigenen Erfahrung schon vorstellen, dass man gewisse Teilbereiche theoretisch bürgerjournalistisch machen kann. Beispiel Rezensionen: Immer vor Weihnachten häufen sich die Anfragen bei den Verlagen für Hochwertiges, das ändert sich auch nicht bei angeblich linken Medien. Wo es was zu holen gibt, findet sich immer einer, der zum Mitmachen bereit ist. Dunmmerweise kollidiert das aber mit den Interessen der Anzeigenabteilungen, die es eben nicht auf den Prachtband allein abgesehen haben, sondern auf die Werbung dafür, und die einen abgeschriebenen Waschzettel stets angenehmer empfinden, als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Ansonsten stehen auch Bürgerjournalisten unter dem gleichen Quotendruck wie alle anderen Medienmacher: Um als einigermassen klassisches Medum halbwegs zu funktionieren und beim Leser akzeptiert zu werden, muss ein Medium auch von Bürgern mehr liefern, Qualität, Recherche, Wissen, also genau das, was man bei einer halbprofessionellen Plattform wie Westropolis und Co. schon bei sog. “echten” Journalisten schmerzlich vermisst.

Irgendeinen besonderen Anreiz werden Medien ihren Lesern bieten müssen, um zu erklären, warum man unter ihrem Joch die Verlagskarre engagiert, verlässlich, ohne Bezahlung und Absicherung ziehen soll – wenn man nicht gerade ein anderweitig bezahlter PR-Schreiber, eine blöde Kuh oder ein Hornochse ist. Und ich wage die Prognose, dass verlagseigener Bürgerjournalismus an dieser Frage in Deutschland scheitern wird: Denn wer will, verzichtet auf Redakteure, Anweisung und Druck, und macht selbst ein Blog auf. Dann muss man auch nicht 5 Verschiebungen warten, bis der Laden endlich läuft.