Blogpleiten im Focus – eine Weihnachtsgeschichte
Weihnachten 2004. Und in der Familie B. hat man gemerkt, dassin der Nachbarschaft überall Geigen erklingen. Es ging los mit den feurigen Zigeunergeigen auf der Strasse, Csardas, Polka, viele Leute hatten ihren Spass daran, und so dachte man in der Schlossstrasse, dass so eine Violine doch eine nette Sache wäre. Manche ertrugen das aber nicht lang, weil die Weisen vor dem Fenster stets besser klangen als das, was die Zöglinge spielten. Kein Wunder, waren doch die angeheuerten Violinenlehrer selbst nur Theoretiker, die ihren Auftraggebern die gesammelten Weisheiten aus der Blogbar vorlesen, aber am Bogen nicht umsetzen konnten. Um es brutal zu sagen: Sie wussten nicht mal, in welche Hand man was nimmt.
Und so hielt man sich in der Schlossallee lange Jahre ob der kümmerlichen Streichereien die Ohren zu, bis man realisierte, dass die Violine als Soloinstrument unerträglich ist, keines der Blagen darauf Lust hatte, und kehrte zurück zum beliebten DPA-Radio mit seinen kurzweiligen Sendungen, oder nahm lieber die süssen Töne des PR-ivatradios in die Hallen auf, wie man es schon immer gewohnt war. Die fette Tante aus dem Süddeutschen, die zwischenzeitlich bekannte Geiger bekrochen hatte, doch bitte in ihrem Sälong aufzutreten, liess gar ihren nach Kadaver riechenden grafflichen Hüterhund von der Kette, damit der die Strassenmusikanten anbellte, und die eigenen Domestiken wurden solange in den Besenschrank gesperrt. Und so nahte Weihnachten 2007, mancherorts poppte noch eine weitere, drittklassige Geigenschule für untalentierte Schreibbratzen auf, wiederwoanders krächzten in matten Tagesspiegeln und zu unpassender ZEIT ein paar grauslich klingende Folterinstrumente, an die man Praktikanten und andere Aschenputtel der besseren Gesellschaft geschmiedet hatte. Überall.
Nur bei der Familie B. nicht, die eines der grössten Häuser hatte, zudem auch ein paar schicke Lakaien und Hoflieferanten. Dort hatte man sich die untalentiertesten aller Strassenmusikanten mit Namen wie “Ensemble Blogdée” oder “Die SIEBEN rohrkepierenden VorderLOADer” fest engagiert und tat so, als ob man das besser fände als die braunen Krachmacher drüben bei v. H..
Und gerade zum Weihnachtsfest 2007 also wollte der grosse Sohn des Hauses auch mal wieder Geigen probieren. Ach je. Was hatte man nicht alles versucht. Die erste Anfängergeige wurde ihm von so ein paar Strassenmusikanten der Blogbarkombo gleich wieder in sein dreistes Maul gestopft, als er mit falscher Melodie mitspielen wollte. Ein halbes Jahr später versuchte man es dann mit neuen Violinen und Gespielinnen für den Sohn, aber all die ansonsten berühmten Leute wie Müller, Leyen, Koch und wie sie alle hiessen, sie starben dem Sprössling nach und nach unter den Fingern weg. Und so ging das immer weiter, berühmte Golfgeiger, Hochsprungvirtuosen, Politikkratzer und Lobbybogenschinder, den allen war beim Sohn, dem liebe Focus Online, der mal sooooo gross wie der Spiegel sein wollte, kein langes Fiedeln beschieden. Letztes Jahr im Sommer griff man dann für ein paar Wochen nach dem angeblichen Berliner Meistergitarrengeiger Tonio Mahonio aus der berühmten Spreevistabella-Famiglia, aber nach ein paar Wochen endete auch dessen Engagement.
Aber es ist 2007, und Weihnachten, und deshalb versucht es B. und deren grosser Sohn nochmal. Nachdem es nicht einfach so ging, dann eben mit den Dottorae Bartolo & Cie. und ihren brandneuen, wissenschaftlichen amerikanischen Ideen. Wie man so nebenbei hört, fehlt es jetzt etwas am Geld für das begleitende Geigenquintett für der B.´s grossen, karitativen Neujahrsempfang für hungerleidende Web2.0-Adabeis namens DLD, aber da ist noch genug da, um die auf englischem gedruckten Stücke der Weltklassevilionistin Arianna Stassinopoulos Huffington auf deutsches Papier des Sohnes zu übersetzen – weil der Entscheiderhofstaat der B.s offensichtlich Musik von englischem Papier nicht lesen kann.
So, wie es aussieht, wird es aber nicht so weit kommen, dass die neuen Blogquacksalber den fetten Sohn des B. mehr schaden können, als ihn ein wenig zur Ader lassen. Und wenn das alles auch nichts wurde, darf man sich Weihnachten 2008 erneut überraschen lassen, womit man im Hause B. endlich all die wunderbaren Weisen da draussen auf der Strasse aufzunehmen gedenkt. Darf ich einen Vorschlag machen?
Das Traumensemble des schon strickcommunitygesponsorten Peter T*ri, dazu Rene Kr*est und Prof. Prof. Dr. mult. Huber als Wirtschaftsexperten, Kulturexperte wird der Süddeutschen Graff, den Kanzlerinnenpodcast syndizieren und obendrein L*bos Gastkommentare aus dem soziälchenhalbdemokratischen Beiratsbonker, nur echt mit Vorratsdatenspeicherung. Aufgelockert wird das Concerto durch ein Softporn-Zwischenspiel des hauseigenen Bequeenportals und danach Videohäppchen von TV-Gusto, und das Marketing übernimmt Trigami. Die Zukunft bei B. ist golden, es ist alles schon da, man muss nur zugreifen, und der Himmel wird voller Geigen hängen.
Ausserdem: Alles andere hat man ja schon versucht.
(A blogbar Tribute to WWWW-100000-Hal Faber)
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Oh. Heise wurde geblogbared. Deswegen ist die Seite so langsam…
Irgendwann schiesse ich den Spiegel aus dem Orbit ;-)
Sie denken unverdrossen, Bloggen müsse irgendwie schon so ungefähr halbwegs eine Form von Journalismus sein. Das ist ihre einzige Vergleichsgröße, sie haben ja nichts anderes gelernt. Blaue Augen sind bei so viel Naivetät nicht wirklich verwunderlich …
Ach so, schöner Gegenbeweis übrigens, dein Text.
Ich verkneife mir jetzt mal eine Bemerkung, in der die Worte “Nero”, “Rom abfackeln” und “neue Saiten aufziehen” vorkommen.
Und ich ein bayerisches “Lean Deitsch wannsd mid mia rädn duasdt zefix owara”.
Nein. Im Ernst. Können Sie da mal sagen, dass man die Gosse der Annika Rinschke schleunigst trockenlegt? Der Westen ist mit seinem Promi im Moment noch widerlicher als die Bildzeitung, und offensichtlich hat da keiner die Traute, die Frau auf Entzug von ihrer Gier nach Entzugspeinlichkeiten zu setzen. Ich fühle mich da nicht mehr nur gelangweilt, sondern angewidert von so viel publizistischer Abartigkeit.
… und wieso lesen Sie das dann?
Oh, wie nett. Ich bedanke mich. Offenbar hat es inspirierend gewirkt, dass der DLD-Prachtband “Book for Friends” bei deinem Besuch in der norddeutschen Tiefebene auf dem Nachttisch im Gästezimmer lag…. Und wenn man jetzt liest, das Frau Salm/Kofler im Hause B. anheuert, während die Telekom glatt eine Million für Entwicklerideen beim IPTV raushauen will, scheint weiterer Stoff für W. und B.-Geschichten da zu sein.
Weil ich mich hier schon länger mit Blogs beschäftige, und dazu auch der Betrachten weniger schöner Dinge gehört. Die Frage ist also nicht, warum ich das lese. Die Frage ist, warum Borchert und Lau diese Dreckschleudereien nicht stoppen.
Antort: Die unterste Gosse wird nach wie vor, auch in sogenannten Qualitätsmedien, als Quotengarant angesehen, oft auch als “unterhaltend”.
Sie halten es für: Good Clean Fun.
Danke Don. Wegen Dir war ich neugierig und habe nach Annika Rinsche beim Westen gesucht (ohne k). Darf ich die verschwendete Lebenszeit beim Lesen ihrer Beiträge bei Dir in Rechnung stellen? (Kostet ein regionales Dunkles).
Nein. Du hast was für Dein Leben zum Thema “Qualitätsmedium” gelernt. Das war es wert.
Zu Weihnachten kriegt ein Jeder sein Päckchen.
Und mancher gleich eine ganze Packung.
Sicher ob der Fiedler ein Pressefuzzi ist, bin ich noch nicht.
Genauer lesen, schallt es aus dem Off.
So sieht´s aus, mit Marzipan noch mal von vorne ran.
An den Speck.
Viva Rebellmarkt,Zum Wohl und wo sind die Freigetränke?
[…] Sie lesen einen Artikel einer Serie | Inhalt:Wissenschaftsblogs in Deutschland » Status quo und die Professionalisierung der wissenschaftlichen BlogszeneZwischen Anspruch und Wirklichkeit » Scienceblogs.de und das Potential wissenschaftlicher BlogsStartaufstellung der Scienceblogs » Licht, Schatten und viel NachholbedarfDie Tücken des Objekts » Das Scienceblog-Portal sucht nach seiner Form» Voriger Artikel Und man sollte nicht vergessen: mit dem Scienceblog-Portal soll Geld verdient werden. Allzu viele Pannen, sollten also nicht unterlaufen… [↩]Das Ganze funktioniert dann nach dem Matthäus-Prinzip – "Wer hat, dem wird gegeben." ;-) [↩]Das aktuelle Zitat ist schon bald 14 Tage alt und das vorige "Zitat der Woche" brachte es fast auf 4 Wochen… [↩]Jeweils von den Bloggern selbst gestaltet und insofern erst recht Geschmackssache. [↩]Wenn man hier Kritik übt, so hat sich die ja auch daran zu orientieren, wer hinter dem Projekt/Website steht: wenn eine Einzelperson einen Blog aufbaut, das mit viel Idealismus betreibt, dann sollte man über Fehlerchen hinwegsehen. Meine eigenen Blogs versuche ich im Rahmen meiner Möglichkeiten zu gestalten, aber ich bin kein Profi und verdiene kein Geld damit. Bei Scienceblogs/Burda ist das etwas anderes. Hier darf man deutlich höhere Maßstäbe anlegen! [↩]Und auch inhaltlich ist Robert nicht gerade begeistert: "Der erste Scan fördert rein deskriptives Wiedergeben aber nicht Weiterdenken von teils wissenschaftlichen Ergebnissen zu Tage, sprachlich passiert auch nicht viel…" [↩]Wenn ich meinem WordPress glauben darf und das ist meist recht zuverlässig. [↩]Und Randbemerkung: umgekehrt funktioniert es auch nicht. Meine Wissenswerkstatt wurde bereits einige Male von Sciencebloggern verlinkt und nie schlug hier ein Trackback auf… [↩]Ganz offensichtlich wird den einzelnen Bloggern zugemutet, die Kommentare manuell freizuschalten; daß diese nicht ständig am PC sitzen können, versteht sich von selbst… [↩]Beatrice Lugger verteidigt sich und weist darauf hin, daß es eben nicht unendlich viele talentierte Wissenschaftsblogger am Markt geben würde. Ich gestehe gerne zu, daß einem die tollen Blogger nicht von alleine zufliegen, unmöglich wäre es aber nach meinen Erfahrungen nicht, weitere spannende Autoren zu finden… [↩]Im Falle von Scienceblogs würde ich es nicht begrüßen, wenn Don Alphonso in seiner Blogbar einen Abgesang auf eine neue Blogpleite anstimmen müßte. [↩] […]