Blogbiz nach Häusler-Art oder Das Verkalkscheunen der unkritischen Masse
Es wird sein wie immer: In Berlin bei der Neuauflage der Konferenz Re:publica werden wieder haufenweise Leute auf die jüngsten Erklärungen altbekannter Blogvermarkter hoffen, wie das mit dem reichwerden mit dem Bloggen klappen kann. Und damit das auch dieses Jahr so bleibt, haben sich die Veranstalter Johnny Häusler von Spreeblick und Markus Beckedahl von New Thinking/Netzpolitik etwas einfallen lassen.
“Darf man mit Blogs überhaupt Geld verdienen?”
(http://programm.re-publica.de/2008/events/188.de.html)ist die Eröffnungsfrage des Panels zum Thema Geld, ein Jahr nach dem Start des nicht eben allzu erfolgreichen Blogvermarkters Adical, dem beide angehören Dort will man zwar Kontroversen, aber bitteschön die richtigen Kontroversen.
Also nicht: Soll man mit Blogs Geld verdienen. Sondern: Mit welchen Methoden kann man mit Blogs Geld verdienen. Ein wenig so wie in der guten, alten DDR: Nicht darüber reden, ob die DDR nicht vielleicht doch der falsche Weg sein kann, zumindest für die, die davon nicht profitieren, sondern wie macht man die DDR effektiver. Ein lustiger Kontroversenbegriff für eine Veranstaltung, die sich “die kritische Masse” nennt. Die argumentative Selbstentleibung von Häusler und Beckedahl als kritische geister kann man in ihren eigenen Worten nachlesen, als es ihnen darum geht, weitere Gesprächsteilnehmer für das Panel zu finden, und zu kritische Angebote abgebügelt werden (http://re-publica.de/08/2008/03/12/kontroverse-panels/#comments):
Häusler: Wenn wir die Meta-Diskussion führen wollen, könnten wir auch diskutieren, ob Geld verdienen mit Musik okay ist oder nicht. Ich fürchte, da kommen wir auf keinen grünen Zweig.
Beckedahl:Wie Johnny schon geschrieben hat, geht es uns in der Diskussion weniger um die Frage, ob man mit Blogs überhaupt Geld verdienen darf oder nicht, sondern eher um die Erfahrungen damit.
So richtig schön wird die Sache aber erst, wenn man bei der re:publica und ihrer Programmentstehung ein wenig hinter die Kulissen guckt. Bei keimform hat Stefan aufgeschrieben, wie es ihm bei der Konferenzvorbereitung so ergangen ist, als er etwas zum Thema Blog und Kommerz machen wollte. Lustigerweise wurde letztes Jahr oft und deutlich geklagt, es hätte keine Gegenpositionen in der Frage gegeben, und die Kritiker hätten sich nur im Internet rumgetrieben. Heute dagegen ist es laut Stefans Bericht so, dass es trotz Antrag einfach nicht gewünscht ist, auch wenn frischer Platz, Gelegenheiten oder gar im Blog kommunizierte Angebote da sind.
So kann man es natürlich auch machen, in den Kommentaren, wenn es kritisch wird, ein “Hinkommen, einmischen, mitreden” absondern und vielleicht irgendwie noch ein Plätzchen suchen, um das Thema, wenn man es schon blöderweise abgebügelt hat, alibimässig unterzubringen. Und nachher den Medienpartnern mitteilen, was die Ergebnisse dieses Grosstreffens wichtiger Blogger sind. Ein Relaunch von Adical passt vielleicht auch noch rein. Und die Freunde und Helfer werden auch wie letztes Jahr rumgeifern, dass man die Konferenz nicht kritisieren darf, wenn man nicht dort war.
Bei der real existierenden kritischen Masse.
Sorry, the comment form is closed at this time.
die frage lautet doch viel mehr: will man mit blogs geld verdienen – oder ist handtaschenraub nicht doch lukrativer
und stylischer
Ich sag’s nur ungern, da ich Johnny als Person schätze und mag: Aber leider hasst du wahrscheinlich recht.
Das “hasst du” ist ein freudscher Verschreiber, kann das sein?
Zur Person Johnny Häusler möchte ich mich nicht äussern, das wäre nicht schicklich. Hier geht es nur um die Drehs, Spins und Tricks des Werbevermarkters und Konferenzorganisators.
Hillu, Handtaschenraub müsste dann aber online möglich sein. Vielleicht doch eine Renaissance von 2nd Life?
Sorry, Don. Aber da kannst Du nicht umhin Dir ein wenig selber an die Nase zu fassen. Ich glaube, die letzte Re:publica war für Dich explizit offen und diese ist es auch. Wenn Du und andere, kritische Leute da nicht hingehen, aus welchen Gründen auch immer, brauchst Du Dich auch nicht zu wundern, wenn die Sozialstruktur dort genau so ist, wie du sie darstellst. Self fullfilling Prophecy nennt man das.
Ich hab Dich auf dem Podium letztes Jahr schmerzlich vermisst und ich denke, dieses Jahr wird das nicht anders. Nicht (nur) weil Häusler und Co das gerne so wollen, sondern weil Du nicht hingehst.
Deswegen beides: Du hast recht. Und Du hast schuld.
Naja, selbst wenn Johnny Häusler die Größe hätte und DA als Gastreferenten einlüde, würde der wahrscheinlich von der “kritischen Masse” neidergebuht, weil die auf Seiten wie http://www.blog ger jobs.de/ (URL verstümmeln geht doch!) Jobs für 150 Euro im Monat annehmen wollen…
BTW: Die beiden Angebote auf der o.g. Seite, vor allem das Konkretere der beiden, sind natürlich ein gefundenes Fressen. 20 Posts pro Monat für (mindestens, was immer mindestens heißen soll) 150 Euro, da würden selbst Trigamisten abwinken. Aber wir arbeiten ja schon an einem Blogger-Prekariat…
MSPRO, es war ziemlich klar, dass der ganze Laden in eine Richtung laufen würde, die ich zutiefst verabscheue, und all die Erfahrungen des letzten Jahres haben gezeigt, dass ich nur einen wirklichen Fehler gemacht habe: Mich bei Häusler dafür zu entschuldigen, nicht zu kommen. Ich bin sehr, sehr froh und auch stolz darauf, nicht dort gewesen zu sein und abgesagt zu haben. Ich sage laufend irgendwelche PR-Kongresse ab, die re:publica ist nichts anderes, nur halt pseudoalternativ lackiert von denen, die nach einem Jahr Stillstand und Rückhalt jetzt wieder etwas Balsam für ihr geknicktes Vermarkterwesen brauchen. Ich weiss sehr genau, was ich zu dieser Zeit tun werde, es gibt genug Material und Sonnenschein auf meiner Terasse, mit dem ich mir eine schöne Zeit machen kann, die die eher nicht haben werden. Weil es vorbei ist. Die haben ein volles Jahr komplett versemmelt. Letztes Jahr sollte der Aufbruch werden, eine Rundumpleite ist es geworden. Einfluss oder die Möglichkeit, was auf die Beine zu stellen, haben die alle nicht mehr. Man hat gedacht, das wird schon, wenn man sich zusammenrottet und das Ding dreht. ist halt anders gekommen. Wie immer, wenn unfähige Leute Kommerz wollen, ohne was zu haben, was man vermarkten könnte.
Warum sollte ich Verlierer besuchen, die nochmal von Siegen träumen wollen? ich bin doch kein Psychologe. Ich denke, dass die letztjährige Kontroverse im Netz super war, und das machen wir dieses jahr auch wieder. Lobo kichert seine Don-Witze, und ich mache ein paar Rechnungen auf, und statt sich für ihre Angriffe auf diese wirklich passende Beschreibung der Probleme zu entschuldigen, werden sie weiter ins Bedeutungslose reiten.
Wer wäre ich, sie aufzuhalten? ich will, dass sie mit Adical weitermachen, so wie es ist. Und nochmal sowas aufziehen, und wieder scheitern. Und nochmal. irgendwann hat dann hoffentlich jeder kapiert, dass Werbersprüche von Serienpleitiers auch nicht besser werden, wenn es die bpb fördert und die Peergroup auf Geheiss von der Mercedes Bunz darüber bei Zoomer schreibt.
Im Jahre verlieren haben die Ãœbung.
Die Eingangsfrage, darf man mit blogs Geld verdienen, ist gar nicht blöd. Jedoch nur, wenn die Geldgeber den bloggern die Bude einrennen würden. Wenn deutsche blogs so interessant wären, dass niemand an ihnen vorbei kommt, würde das Thema sinnvoll sein.
Bei der Suche nach den Methoden sollte die kritische re:publica-Masse bei sich selbst anfangen. Ein Magazinlayout macht noch kein interessantes blog. Bezeichnend, dass gleich das Argument mit den blogs als Selbstvermarktungsinstrument kam. Das ist so das Niveau, auf dem diskutiert wird. Langt zum gegenseitigen auf die Schulter klopfen und sich mit twitter zutexten. Um blogs aus einer begrenzten Szene auf ein neues Rezeptionsniveau zu heben, ist das zuwenig. Da hat die selbsternannte Berliner-Blogger-Avantgarde versagt und Jahre unwiederbringlich verloren.
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Ich muss da gerade an den Fall eines US-Pharmabloggers denken, der vorgestern etwas exklusiv veröffentlicht hat und am Tag später hat ein US-Senator einen bösen Brief an einen Pharmakonzern geschickt und um Aufklärung gebeten. Das nenne ich Rezeptionsniveau. Aber dieser blogger twittert halt nicht.
ich frage mich immer warum die ganze Sache laufend wie eine Blutfede gehandhabt wird. Klar, die persönlichen Angriffe letztes Jahr auf Dich, waren ziemlich feige. Sowas macht man nicht, wenn der angesprochene keine Chance hat darauf, zu reagieren. Deswegen meine ich das auch von beiden Seiten.
Bei aller Meinungsdifferenz. Man muss doch miteinander reden können. Ich meine, Spreeblick und Adical haben verdammt viel falsch gemacht letztes Jahr, aber sie haben ja nun keine Kinder gegessen oder so. Da ist doch nichts, wofür man sich nicht auch einfach entschuldigen könnte, wenn man die Chance dafür offen hält.
Und die re:publica mag einigen PR-Krams beinhalten, aber sie ist es im Großen und Ganzen eben nicht nur. Mit Blogs Geld verdienen ist nur ein Programmpunkt unter sehr vielen.
Ich habe da aus Zeiten der New Economy eine ganz einfach Regel. Die lautet, dass Pleitiers bei ihrem Weg nach unten gerlernt haben, alles und jeden zu belügen, auch sich selbst, und dass sie beim nächsten mal nicht nicht lügen, sondern versuchen, gleich nochmal besser zu lügen. Trifft nicht auf alle zu, aber fast immer auf die, die immer gleich wieder was Neues am Start haben. Was immer Du tust – traue nie einem Pleitier. Und Adical war, angeichts der Planung und dem Ergebnis, ein vollumfängliches Versagen, voller Hilfsunwahrheiten, Beschwichtigungen und Ausflüchten. Warm sollte man solchen Leuten noch einmal über den Weg trauen? Ich habe davor lange mit einem der Macher diskutiert und ihn beschworen, es nicht mit Lobo zu machen, das würde nur Ärger bringen, und dessen Endargument war: Klar werden manche nachher abspringen und sauer sein – kann man nicht ändern, ist mir egal, damit werden wir schon fertig.
Blutfehhde? Aber nein. Zumindest nicht von meiner Seite aus. Ich nenne es Proof of Concept. Und in seinen Kommentaren zeigt Häusler ja auch deutlich, dass er nichts dazu gelernt hat.
Ganz abgesehen davon. Ich gehe ganz sicher nicht auf Konferenzen, in denen mir Leute, die laut eigenem Blog ihre nicht ehrenrührige Arbeitslosigkeit managen, mir als Berater oder Projektmanager verkauft werden. Verarschen kann ich mich kostenlos selber.
Ich finde nichts Ehrenrühriges dabei, Geld zu verdienen. Ich bin selbstständig und kann das schon deshalb nicht ablehnen.
Mein Vorschlag an die Republica war: Lasst mich einen Workshop machen zum Thema, wie man packend schreibt. Kommunikation ist mein Job. Und packend schreiben, das können die wenigsten Blogger. Wie kommt man als Blogger raus aus der Falle, nur für Kumpels zu schreiben? Wie schreibt man allgemeinverständlich und erregt nicht beim normalen, blog-fremden Publikum den Eindruck, man schreibe in krauser Sprache nur Insider-Storys?
Also wollte ich Inhalte aus meinen Presse- und PR-Seminaren anbringen, für lau, um ein bisschen die Suppe umzurühren und um ein bisschen der Strömung entgegenzuwirken, dass die Lektüre der meisten Blogs pure Zeitverschwendung ist. Das ist ja nun de facto leider der Fall. Entweder sie schreiben über Dinge, von denen ich nichts verstehe, oder sie schreiben in einer Sprache, die ich nicht verstehe.
Nachdem ich nach einiger Zeit nachhakte, kam eine Zwischeninfo, man denke darüber nach. Dann war Funkstille. Inzwischen fällt es mir schwer, mein Angebot aufrechtzuerhalten, weil ich nicht wirklich unter zu viel Freizeit leide und mein full-budget-engagement eigentlich meine Hauptaufgabe ist. Soll ich drei wertvolle Tage Zeit weiter blocken für den Fall, dass sich irgendwelche im Profi-Business offenbar unbewanderte Typen endlich herablassen, mir ein OK zu geben? die offenbar nicht wissen, wie dicht ein Terminkalender sein kann?
Mir scheint, als sei man bei der Republica nicht an Profis interessiert, die solides Know-how anbieten, sondern an autonomen Studenten, die mit Meinungen um sich werfen, im St. Oberholz demonstrativ Milchkaffee saufen und ansonsten am Existenzminimum daherkrepeln. Selbstfindungs-Dünnsinn.
Dabei ist ein Markt da: Ich sehe Bedarf in der Textqualität – die könnte ich in Workshops liefern. Ist nicht gewollt. Dann eben nicht, mir wurscht. Sofern ich hingehe, wird mich auf der Republica das übliche, joblose linksalternative Geseier erwarten. Nicht dass ich was gegen “links” oder “alternativ” hätte, im Gegenteil, aber Inhalte sind halt das, was den Blogs fehlt. Meinungen gibt es genug. Darum wird die Republica wieder eine Masturbation von Diskussionen um ihrer selbst willen werden. Und das ist schade.
In der Blogwelt gibt es ein paar Leute, die Talent haben. Häusler et al. bringen die Blogwelt mit ihrer überakademisierten Selbstbeweihräucherung leider nicht weiter, und ich vermute, das theoretische Gesülze und Nicht-zu-Potte-kommen bei Republica-Vorschlägen mit Substanz ist ein Hauptgrund für das Stagnieren der Blogs auf ihrem Status quo. Diese selbstreferenzielle Egomanie ist einer der Gründe, warum Blogs in Deutschland noch immer kein Gegengewicht zum Kartell der klassischen Medien hinsichtlich der Bildung der öffentlichen Meinung haben. Sie können nicht, und sie wollen auch nicht.
Insofern bringe ich weiter meinen üblichen Medienärger und meinen Cat-Content.
@THILO (#13):
Wenn man jetzt einmal voraussetzt, dass die ZIA, die bei der re:publica ja mit drinhängt, im letzten Jahr ein Buch (Passigs Lexikon) in der Spiegel Top-Ten-Liste hatte und Lobos Buch bei Amazon wochenlang in den Zwanzigern stand, dann ist es vielleicht nicht so verwunderlich, dass dort keiner auf einen “Profi” gewartet hat, dessen aktuelles Machwerk bei Amazon auf Platz 13.252 steht, der aber behauptet, zu wissen, wie man “packend schreibt”.
Das ist aber lieb, dass du mich mit dem Wort “Machwerk” zu kränken versuchst. Aber es wäre mir neu, dass es dem Wesen der Blogosphäre um Bestsellerlisten ginge. :-) Trotzdem: Netter Versuch.
Klabatermann, ich wäre sehr, sehr vorsichtig, was Amazon angeht, und zwar in beide Richtungen, oben wie unten. Amazon ist sehr anfällig für die Hilfe von Freundeskreisen, wie auch etwas lahm beim aktualisieren, wenn erst mal was oben ist. Ich könnte hier jetzt auch was über die zwischenzeitlich phä-no-me-nale Platzierung von Liquide erzählen, aber das, was das Ranking aussagt und das, was verkauft wird, sind zwei Paar Schuhe. Dass ein durch diverse Medien und ZIA-helfer gepushtes Modebuch eines Werbers bei Amazon besser laufen kann als ein gutes Fachbuch, sagt nichts, null, nada über die Qualität des Inhalts aus. Amazon hat – übrigens ähnlich die Spiegelliste – nur begrenzt mit dem zu tun, was in der Realität los ist. Gerade Amazon spiegelt eine ganz gewisse Art Käufer wieder, die in den Buchhandlungen, wo über 80% des Umsatzes gemacht werden, kaum auftauchen.
Ich wäre also dankbar, wenn die Argumente ein wenig zielgerichteter wären. Um es mal nett zu sagen, zu später Stunde.
(Abgesehen davon gab es 2003, als Liquide rauskam, einen, der sein Buch bei Amazon massenhaft bestellen liess, um Erfolge vorzutäuschen, und andererseits viele gute Autoren, die grandiose Bücher geschrieben haben, die es in jeder Hinsicht verdient hätten, gut zu laufen.)
Und bevor ich nach einem langen Abend endlich schlafen gehe, möchte ich nur noch kurz anmerken, dass ich vor allem die offene Auseinandersetzung sehr schätze, werter Klabatermann. Aber da du dich ja ohne URL darstellst, scheinen deine Bücher ein noch mieseres Ranking zu haben als meine. ;-) Also Visier runter, okay? Sonst kann ich leider nicht mehr auf deine Bemerkungen eingehen, das verstehst du sicher.
Gute Nacht alle zusammen.
PS: Wie wichtig sind Bücher? Ich finde gar nicht. In meinem Leben spielen sie keine Rolle.
in meinem Leben spielen Bücher eine große Rolle, nicht nur beruflich. Aber ich schreibe keine Bücher, Thilo, ich verlege sie. (Ja, haha, deshalb kann ich sie nicht mehr finden.) Aus diesem Grund habe ich auch viel zu oft mit Zeitgenossen zu tun, die behaupten, “interessanter”, “packender” oder wie auch immer besser zu schreiben. Anbieter von Creative-Writing-Workshops, Scharlatane, Gurus. Vielen Dank, kein Bedarf. @Don: Ich weiß um die Aussagekraft von Amazon, kenne die Zahlen, auch die von Liquide, aber, da sind wir uns einig, ein Platz in den Sechzigern ist aller Ehren wert, da muss man sich nichts vormachen.
Das Interessante ist doch, daß das wirklich Interessante im Netz von denen verfaßt und aus- oder eingestellt wird, denen dabei nicht gleich die Euro- oder Dollarzeichen in die Augen springen. Der Ruf nach immer neuen Möglichkeiten, ein Goldkalb durch Kleinbloggersdorf zum Schlachter zu treiben, kommt doch offensichtlich in erster Linie von denen, die den Begriff Bohéme aufs übelste mißbrauchen, ihn zumindest heimat- und bedeutungslos machen. Nun gut, die Heimatlosigkeit hatten sie sich ja ohnehin freiwillig begeben, diese fahrenden Böhmen, um in fernen Landen ihren fröhlich-kulturellen Trieben frönen zu dürfen. Diese wirklichen Bohémiens findet man im Netz allerdings nur, wenn man sich auch auf die Suche nach neuer (Geistes-)Nahrung begibt und nicht einfach auf der Stelle sein alltägliches Kraut tritt. Denn sie bewegen sich da verborgen in irgendwelchen Nischen und singen, musizieren und schreiben oder publizieren still für sich hin — wie früher (und ein wenig nach wie vor!) in den Kleinverlagen, die das veröffentlichten, was andere verschmäht hatten, da es zu wenig nach güldenem Urin duftete.
Sich einfach nur so zu nennen, weil’s schnieke klingt und/oder weil außer Hartz IV nichts gewesen, aber jedwede eigentliche Bedeutung frei von Wissen draußen vor der Tür zu lassen und dann auch noch einen tiefenphilosophischen Bloggergewerkschaftskongreß dazu zu veranstalten, das dürfte doch wohl kaum ausreichen, um sich der Avantgarde zuzurechen. Avantgarde: allen voran, und sei’s drum, daß man dabei draufgeht.
In meinem Leben schon, ich habe ein paar tausend davon. Aber ich unterscheide auch zwischen Wichtigem und Unwichtigem.
@ Martin Emmerich und @ Klabatermann: Ja, sicher, so gesehen klar. So meinte ich das nicht. In meinem Leben sind Bücher insgesamt auch sehr wichtig, ich verschlinge sie (“Wir nennen es Arbeit” habe ich gekauft wie viele andere, aber nach einer halbe Stunde Querlesen aufs Altpapier geschmissen). Nur die Bücher, die ich selbst schreibe, entstehen bislang eben eher nebenher, und sie sind nicht meine Hauptprojekte.
@ Klabatermann: Für einen Verleger hast du einen recht seltsamen Kommunikationsstil, die wesentlichen social soft skills scheinen dir fremd zu sein. Wenn deine kaltschnäuzige Rotzigkeit aus Kommentar 14 mit ihrer despektierlichen Arroganz gegenüber den Leistungen anderer (“Machwerk”) der Stil der Meinungsführer bei der Republica ist, dann sollte man da vielleicht sowieso nicht hingehen.
Geht es ums bloggen und Netzkultur, oder darum, wer am meisten totes Holz verkauft?
@ Klabautermann: Der Amazonverkaufsrang entscheidet also über Qualität?
Darum sind ein Grisham und eine Gabaldon qualitativ natürlich auch hochwertiger als bspw. ein Roth.
Nun denn, solltest du wirklich Verleger sein, möchte ich ehrlich gesagt gar nicht wissen, welche Art Bücher du verlegst.
Grundsätzlich stimme ich Thilo zu bei seiner Kritik. Ich kenne das von früher aus anderen zusammenhängen. Man hat wenig Zeit, ist trotzdem bereit, sich einzubringen (sogar kostenfrei), hat auch etwas Konkretes beizutragen – doch die Veranstalter zieren sich. Warum? Seilschaften! Pfründe! Angst vor echter Professionalität.
Ich ahbe letztes Jahr in meinem blog diese Möchtegernveranstaltung durch den Kakao gezogen (na eigentlich eher die ganze Sichtweise derer, die diese Veranstaltung hochzogen, von wegen Profi-Bloggen, Katzencontent vermeiden usw.). Dieses Jahr verzichte ich drauf, da es die Aufregung nciht wert ist. Wie Don schon sagt: da treffen sich ne Menge Loser, die sich selbst beweihräuchern. Nein danke.
Ach ja, noch ein Wort an mspro: wenn du Don vorwirfst, er sei mitschuld, da er ja nicht da hin ginge ist es das gleiche, als würdest du den paar Linken in der SPD vorwerfen, daß sie aus der SPD austreten.
Manchmal ist Austritt bzw. Rücken zudrehen und aus der Distanz kritisch zu kommentieren tatsächlich das beste, was man tun kann.
“Kritische Masse”? Das war mal ich.
Das mit dem “Nicht hingehen” kommt, nebenbei erwähnt, zwei Jahre zu spät. Mal ehrlich, was wir heute an Kommerz haben, ist wüster und bescheuerter als alles, weswegen einer wie Klaus Eck vor vier Jahren noch geschnitten wurden – von den gleichen, die ihn heute überbieten. Wir haben eine irrwitzige Erosion bei den Grenzen dessen, was man tun würde – Trigami, Linkstrichereien, Schleichwerbung – und gleichzeitig den kompletten Niedergang der Kaste, die dachte, sie könne das machen und gleichzeitig vorne dran und respektiert bleiben. Und wie es bei einem Meltdown nun mal so ist: Am Ende steht eine verhärtete Schlacke, die kaum aufzubrechen ist. Berliner Freundeskreise feiern sich selbst, das ist das eigentliche Motto der Veranstaltung.
@Thilo (13) Ich kann gut verstehen, wenn die Veranstalter einen leicht arroganten und etas überheblich klingenden PR-Trainer nicht dabei haben wollten. Aber lustige Fotos auf Deinem Blog, hat was von Motivations-Trainern.
An der Haltung und Veranstaltung kann man eigentlich nichts kritisieren. Das spiegelt nur den Zustand der derzeitigen deutschen Blog-Szene wieder. Wäre kein Thema, wenn es von Leuten veranstaltet und getragen werden würde, die daran unschuldig sind.
War eine fatale Entwicklung, die nicht so einfach umkehrbar ist: Die re:publica kam zu spät. Ideen und Planungen für eine solche Tagung gab es ja schon 2004/2005 – als Eck noch geschnitten wurde. Dann kam 2006 mit Opel-Blogs, Brause-WG und WAZ-Euphorie, mit Second Life und Podcasting. Auf einmal glaubte man, da ginge was und Eck & Co hätten doch recht. Und prompt wurde aus dem Blogger-Treffen, das eigentlich als Forum für web2.0-Netzkultur gedacht war, eine Art Klondike, das allerlei Glücksritter anzog.
Aus meiner Sicht ist das Ding gegessen. Teilnahme oder Nicht-Teilnahme würde nichts ändern.
Frederic, wenn man alle leicht arrogant wirkenden Blogger ausschliessen wollte, gäbe es auf der re:publica eine Peter-Glaser-Oneman-Show – dann würde ich aber sicher kommen. Tatsächlich scheint es mir etwas arrogant, über so ein Angebot mal eben zu urteilen. Ich würde nicht behaupten wollen, dass es beim Schreiben keine Verbesserungsmöglichkeiten gäbe, ganz im Gegenteil.
Das generelle Problem der sog. Professionalisierung war der Versuch, es mit der Brechstange zu tun, ohne Rücksicht auf Verluste, Bedenken und Widerstände. Es ist nicht blöd, sich mal alte Aussagen der Player durchzulesen, um zu verstehen, welche Kräfte sich jetzt als kritische Masse geben wollen. Meines Erachtens wird dort versucht, einen Schritt zurück in die “Wir sind anders, wir sind die Guten” Gesellschaft zu gehen, sich nochmal ein wenig Unterstützung bei den Helfern zu holen, und dann durchzustarten.
Insofern ist es für mich ohnehin schwer verständlich, warum viele Leute, die an und für sich kritisch zu Werbung und Indoktrination eingestellt sind, plötzlich kuschen, wenn ein Werber aufläuft, dessen Firma für “in 30 Tagen Online zum besseren Lover werden”- Kurse pleite gegangen ist.
@ Fredric: Danke für das Kompliment, meiner Erfahrung nach gehören zur Arroganz jeweils zwei. ;-) Nein, ich stehe zu den Dingen, die ich mache und sage, und dass das selten ist heute und solche überzeugten Leute wie ich deshalb manchmal merkwürdig wirken, ist mir auch klar. Ich habe was anzubieten und gehe damit raus. Übrigens habe ich keine Ahnung, ob die mich nun dabei haben wollen oder nicht, es gab bislang keine Antwort. Insofern ist das Republica-Management vielleicht sowas wie die BfA oder der Kundenservice eines Mobilfunk-Unternehmens. Und ich pflichte Don bei: Die vergangene Republica war so ziemlich die größte Narzissten-Liveshow, die ich jemals ertragen habe. :-)
und Handtaschenraub online, das heisst immer noch Phishing.
[…] Ich gucke mir gerade das Programm der re:publica an. WTF?! Draußen geht die Welt unter und in Berlin treffen sich die belanglosen Labertaschen zum gemeinsamen Synchron-Twitter-Wichsen mit eigener Flickr-Group? Ich komme aus dem Facepalmen gar nicht mehr raus!Ich will da mal nicht alle schlecht machen, ein paar Freunde von mir sind da auch am Start, aber nachvollziehen kann ich das nicht. Meine Güte. Von der lupenreinen Kerner-Betroffenheitsschiene bis hin zu “Wenn Frauen bloggen: Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone.” ist da echt alles dabei. Lauter “wir sind doch wichtig” Talks, warum Blogger Einfluss haben, wie Bloggen gegen den Welthunger hilft, warum das der neue Journalismus ist (!1!!), “Die Welt verändern in 60min.” und zwischendurch schimmert sogar noch vereinzelt Hoffnung durch, mit seinem Blog Geld verdienen zu können. Ich bin doch ehrlich erschüttert, wie sehr diese Veranstaltung nach Verlierer-Händchenhalten und Alternativen-WG-Group-Hug klingt. Wenn das die erste re:publica wäre, könnte man ja noch schuldmildernd von “naja, musste man mal testen, ob es nicht doch positive Seiteneffekte hat, sowas” reden, aber so? Alles schon mal dagewesen, und hat schon damals nichts gebracht. Und dazwischen dann so erbärmliche Brigitte-Style Dinger wie “Die Sieben Todsünden im Blogdesign” oder gar “Wie persuasives Webdesign uns beeinflusst und wie wir es nutzen können”. OH MEIN GOTT!!! Eine Runde Rumgefurze über “Nomaden” und Microblogging darf natürlich auch nicht fehlen. Und ein paar pseudokontroverse Podien über Evergreens wie die Kulturflatrate. Man kann den Veranstaltern zu Gute halten, dass sie da durchaus internationale Gäste von Rang und Namen haben, aber will wirklich noch jemand Lawrence Lessig über die Zukunft reden hören? Will wirklich jemand einen Vortrag namens “Vom Konsumenten zum Gestalter – eine eigene TLD im Internet” hören? Oder wie wäre es mit dem “IBM InnovationJam (R)” (IBM ist Sponsor und hat sich da offenbar ein paar Slots gekauft, u.a. auch “Clients der Zukunft und das Microsoft-freie Büro”)Na macht ihr mal alle. Man hört ja, es sei ausverkauft. Nicht dass ich mir hier groß Illusionen mache, was ich mit meinem Blog ausrichten kann, aber ich versuche es immerhin. Hoffentlich gibt es da wenigstens leckere Schnittchen. […]
Inhalte hin, Inhalte her. Was IHR ALLE hier meiner bescheidenen Meinung nach bislang noch überhaupt nicht richtig kapiert habt ist doch folgendes neues KOMMUNIKATIONs-Szenario:
Bei den klassischen Medien existieren immer irgendwelche Leitwölfe. Zeitungen/Zeitschriften haben neben eine Redaktion und einen Chefredakteur. Fernsehsender haben ihre Redaktion und einen CHEF-Intendaten. Ihnen allen gemein ist die 1:N Kommunikation.
Bei den neuen Medien (Internet im allgemeinen), sei es eine Website, Portal, Blog oder was auch immer herrscht die N:N Kommunikation. Erlaubt ist was gefällt – jeder kann (NEIN, SOLLTE) Sender & Empfänger zu gleich sein.
Was ich damit sagen will, ist ungefähr folgendes: Ihr werdet keinen Dönerliebhaber überzeugen können einen Gourmet-Blog zu besuchen, nur weil das Design, der Schreibstil und der Inhalt SO TOLL sind! Wozu also das ganze Gelaber?
In diesem Sinne – macht doch einfach alle was Ihr wollt. Macht doch sowieso schon normal jeder.. schaut Euch nur mal bei den Managern & Politikern in diesem Land um :-D
SAD BUT TRUE – TRAURIG ABER WAHR
[…] Ich will da mal nicht alle schlecht machen, ein paar Freunde von mir sind da auch am Start, aber nachvollziehen kann ich das nicht. Meine Güte. Von der lupenreinen Kerner-Betroffenheitsschiene bis hin zu “Wenn Frauen bloggen: Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone.” ist da echt alles dabei. Lauter “wir sind doch wichtig” Talks, warum Blogger Einfluss haben, wie Bloggen gegen den Welthunger hilft, warum das der neue Journalismus ist (!1!!), “Die Welt verändern in 60min.” und zwischendurch schimmert sogar noch vereinzelt Hoffnung durch, mit seinem Blog Geld verdienen zu können. Ich bin doch ehrlich erschüttert, wie sehr diese Veranstaltung nach Verlierer-Händchenhalten und Alternativen-WG-Group-Hug klingt. Wenn das die erste re:publica wäre, könnte man ja noch schuldmildernd von “naja, musste man mal testen, ob es nicht doch positive Seiteneffekte hat, sowas” reden, aber so? Alles schon mal dagewesen, und hat schon damals nichts gebracht. Und dazwischen dann so erbärmliche Brigitte-Style Dinger wie “Die Sieben Todsünden im Blogdesign” oder gar “Wie persuasives Webdesign uns beeinflusst und wie wir es nutzen können”. OH MEIN GOTT!!! Eine Runde Rumgefurze über “Nomaden” und Microblogging darf natürlich auch nicht fehlen. Und ein paar pseudokontroverse Podien über Evergreens wie die Kulturflatrate. Man kann den Veranstaltern zu Gute halten, dass sie da durchaus internationale Gäste von Rang und Namen haben, aber will wirklich noch jemand Lawrence Lessig über die Zukunft reden hören? Will wirklich jemand einen Vortrag namens “Vom Konsumenten zum Gestalter – eine eigene TLD im Internet” hören? Oder wie wäre es mit dem “IBM InnovationJam (R)” (IBM ist Sponsor und hat sich da offenbar ein paar Slots gekauft, u.a. auch “Clients der Zukunft und das Microsoft-freie Büro”) […]