Thomas Knüwer bedauert hier wortreich, dass die Qualitätsdebatte zum Journalismus und Blogs auf der Blogvermarktermesse re:publica in Berlin ohne blogkritische Journalisten stattfindet, und damit nur Blogbefürworter auf dem Podium sässen: Er selbst, Mercedes Bunz, die Chefredakteurin von tagesspiegel.de, und Stefan Niggemeier:

finde ich das traurig, wenn nicht gar erbärmlich, vielleicht sogar feige. Denn was hätte den passieren können? Eine harte Diskussion hätte es geben können, sicher. Aber sollten Journalisten nicht in der Lage sein, ihre Meinung öffentlich zu diskutieren, ja, kann man nicht verlangen, dass sie sogar bereit sind, für ihre Meinung zu streiten?

Niggemeier und Knüwer sind bei solchen Debatten schnell bei der Hand, wenn es darum geht, Journalisten Fehlverhalten zu unterstellen, Gefälligkeiten anzuprangern und versteckte PR aufzudecken. Und deshalb verstehe ich das Bedauern nicht, denn mit Mercedes Bunz auf dem Podium und dem Werbevermarkter Johnny Haeusler als Veranstalter sind zwei Figuren anwesend, an denen man die Erosion von Standards in Blogs und Journalismus wechselseitig wunderbar aufzeigen kann.

Für beide könnte es besser laufen. Haeuslers Blogvermarkter Adical hatte im erstebn Jahr seines Bestehens mehr als die Hälfte der Zeit keine Bannerschaltung, nachdem zuvor schon die Idee eines Blogverlags in die Binsen ging. Selbst prominente Adicalteilnehmer wie das nicht besonders ausgelastete Bildblog, bei dem Stefan Niggemeier mitarbeitet, zeigten mehrfach Werbekampagnen ausserhalb von Adical. Tagesspiegel.de ist sowas wie der lahme Gaul der überregionalen Nachrichtenseiten im Netz: Seit einem kurzen Aufschwung nach dem Relaunch der Seite bis September 2007 sind die Nutzerzahlen auf einem sehr niedrigen Niveau, und vom Boom der Nachrichtenseiten kann das Projekt nicht profitieren.

Als Haeusler über Adical Werbung für Yahoo – und damit einen Unterstützer des Regimes in China für dessen kampf gegen kritische Blogger – schaltete und die Kritik daran nicht so schnell verstummte, wie man sich das seitens Adical gewünscht hätte, wurde die bloggende Mercedes Bunz von Haeusler als beratende, kluge Frau in seiner Rechtfertigung angeführt (http://www.spreeblick.com/2007/06/13/china-und-das-internet/). Als PR-Autor für die CeBit besuchte Haeusler die Pressekonferenz zum Start von Zoomer, dem Schwesterprojekt von Tagesspiegel.de, und stellte Bunz ein paar ausnehmend gefällige Fragen, wie man das für ein PR-Projekt auch erwarten kann (http://01blog.de/2008/02/20/videocast-05-mercedes-bunz-und-ulrich-wickert-von-zoomerde/). Haeusler erklärt sein Vorgehen in den Kommentaren so:

Wenn man mit “härteren” Frsgen anfängt, machen die Leute ja auch gerne mal dicht, das will man auch nicht. Vor allem: Was wären “harte” Fragen gewesen bei einem Portal, das gerade erst gestartet ist und das im Grunde keine völlig schlechte Idee ist – ich denke, ob zoomer tatsächlich was kann, wird man erst in den nächsten Monaten sehen.

Untertarifliche Bezahlung der Mitarbeiter bei Zoomer etwa hätte man da anbringen können, oder technische Probleme, oder generell die Probleme von tagesspiegel.de, aber wer wird denn bei Freunden – die anschliessend auf dem eigenen Kongress auftreten. Und auf deren Website sich dann ein “PORTRÄT JOHNNY HAEUSLER BLOG-PIONIER” findet, das ähnlich schmeichelhaft und zuvorkommend wie die Zoomerplauderei ist (http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/;art141,2505082):

Im vergangenem Jahr gründeten Deutschlands Blogger gar eine eigene Konferenz – die „re:publica“. Zum zweiten Mal treffen sich die deutschen Chefblogger nun in Berlin zu etlichen Podiumsdiskussionen. Dabei geht es vornehmlich um die eigene Zunft, um „die kritische Masse“. Johnny Haeusler, der Blog-Pionier, ist Mitbegründer der Konferenz.

Vielleicht geht es tagesspiegel.de so schlecht, weil die Leser nicht auf Schleichwerbung scharf sind. Der gleiche Autor des Tagesspiegel hatte sich auch schon früher bereitwillig als PR-Sprachrohr für die Sicht von Adical, angeblich das Opfer einer “Schlammschlacht”, hergegeben (http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Blog;art15532,2385853).

Süddeutsche Zeitung, FAZ und Bild werden von Niggemeier und Knüwer für weitaus weniger Verbindung von privaten, kommerziellen und journalistischen Interessen runtergeputzt. Die Beziehungen zwischen Bloggern und Journalisten liegen in diesem Fall auf der Hand, eine Berliner Clique tut sich gegenseitig Gutes, es zeigt, wo kommerzielle Blogs und Journalismus heute stehen: Ziemlich weit weg von der Qualität, die sie dem jeweils anderen so gerne absprechen. Und in diesem Fall absolut zurecht. Bunz sollte heute auf dem Podium eine schwere Zeit haben – wenn da oben kein Journalist sein sollte, der nicht selbst ein gesteigertes Interesse daran hätte, dass der Vermarkter seiner Blogs medial möglichst gut rüberkommt.

Als Chefblogger der kritischen Masse.