Noch ein Nachtrag zu diesem leidigen Thema, oder besser, zu dessen leidigen Protagonisten, die daran arbeiten, einen banalen Kanal wie das Internet und seine schnelle Kommunikation zur Ideologie zu erheben:

Ich sitze hier gerade in Rom und arbeite an einem mittellangen Beitrag über die Frage, was heilige Orte ausmacht, ab wann man Ehrfurcht empfindet und wann das geplant Heilige als Parkplatz endet. Es geht um eine bestimmte Kirche in Siena, und es ist ein Text, den ich nicht mal einfach so aus der Hand schütteln kann. Ich kann ihn auch nicht bei Wikipedia recherchieren, oder sonstwo im Internet, denn die Quellenlage ist reichlich dürftig. Einen Grossteil des Wissens bringeich selbst mit, und das habe ich mir über Jahre angelesen. Einen anderen Teil nehme ich aus Büchern, die ich mir gekauft habe. Nur die Form der Kommunikation, die Aufbereitung, ist letztendlich das, was man als Kulturtechnik des “Bloggens” bezeichnen könnte. Aber es ist 48 Stunden her, da ich vor dem Dom in Siena stand. Es ist nicht möglich, das Thema zu twittern oder auch nur schnell runterzuschreiben. Es ist blogtauglich, aber es braucht Zeit. Und Ruhe.

Und damit zwei Komponenten, die es meines Erachtens in der deutschen – woe auch internationalen, soweit ich sie kenne – Blogosphäre nicht gerade leicht haben. Weil es darum geht, der erste zu sein, die theoretischen Vorteile von Twitter und Blogs auszuspielen, bevor es ein anderer tut, Themen zu verkürzen und die heisse Infosuppe so schnell wie möglich durch die Kanäle zu pumpen.

Der Eindruck, der bei dieser Berliner PR-Konferenz entstanden ist, liegt sicher auch an der Unfähigkeit, WLAN bereit zu stellen. Aber die Twitteräusserungen, die man in den Medien so liest, zeigen diese Haltung überdeutlich auf. Das kommt reichlich hektisch rüber, unreflektiert, laut, wie Kommunikation auf 140 Zeichen nun mal ist. Aber es ist eben auch der Stil einer bestimmten Gruppe von Leuten, das exakt so zu tun, es reicht ihnen, es entspricht ihrer Art.

Man wird nicht umhinkommen zu akzeptieren, dass es nicht die Art aller Menschen ist. Es ist eine kleine Schnittmenge aus Extrovertiertheit und Sucht nach schneller Kommunikation, die hier zusammenkommt. Das ist nicht per se schlecht oder übel, genauso gibt es Leute, die die Kombination von Salat und Cola mögen. Oder von Kabeljau und Blick in die Berge. Nur würde da keiner so tun, als sei das avantgardistisch, vornedran, und alle anderen müssten sich nun anstrengen, hinter diesem Ideal hinterher zu hecheln, sonst sei der Zug abgefahren, das Medium pleite und die Zukunft für immer verbaut.

Gerade die Geschichte der deutschen Blogs vom ungepflegt wirkenden Schwenzel im Opel über Lyssas Ende in der Cola-WG und ihre Wiedergeburt als Chefin eines missglückten Onlineprojekts bis zu den grossmäuligen Sprüchen zu einem Medienwandel, der für die selbsternannten Wandler nicht mehr als ein schäbiges Büro in Berlin bereit hält, zeigt doch, dass es der grossen Masse nicht reicht, arrogant und von oben herab mit einer Zukunft befaselt zu werden, die selbst bei denen nicht durchgehend akzeptiert wird, die mit neuen Kanälen durchaus umgehen und sie gestalten können. Es sind Anführer, denen die Masse nicht folgt. Es gibt da ein Schützengrabensymptom, das jeden kritischen Medienbericht mit Spott überzieht und dem Journalismus das Ende voraussagt. Weil man sich im Glauben versteift hat, so und nicht anders sehe die Zukunft aus. Netz, Internet, verdrahtet, gefollowed, Echtzeit. Selbst wenn es die Zukunft wäre: Man müsste erst mal erklären, warum das ausserhalb einer Peergroup Bedeutung hat. Lohnt nicht, muss nicht sein, die Peergroup findet allein die Attitüde prima, wenn es alle sagen, wird es schon stimmen.

Und es entbindet von der Unannehmlichkeit sich zu überlegen, ob man wirklich vorne dran ist – oder nicht vielleicht von der Mehrheit auf ausgestreckter Armeslänge entfernt verhungert, wie die anderen Berufsjugendlichen, die allein deshalb auf Zukunft setzen, weil sie keine vorzeigbare Vergangenheit und Gegenwart haben. Zeit und Ruhe natürlich auch nicht. Was bleibt, ist das Infowechselgeld, die kleine Form, das Rausblasen. Nett. Aber nicht die Zukunft.