Wie das mit dem Bloggen geht I
Ich kann das hier ja bedenkenlos schreiben, ohne mir Sorgen um meine Marktposition machen zu müssen: Eine kleine Serie, warum Blogs von normalen Journalisten in aller Regel nicht taugen. Neben banaler Inkompetenz und der berufstypischen Ahnungslosigkeit kommt nämlich auch noch eben jenes Missverstehen dazu, das die Grundlage journalistischer Arbeit ist, wenn es etwa darum geht, in einer Krise positive Entwicklungen zu entdecken, keinen Einsatz der Nationalgarde gegen die Verbrecher der Wallstreet zu fordern oder zu behaupten, die Bundeskanzlerdarstellerin mache sowas wie Politik. Aus diesem Knick in der Optik stammt auch die erste zentrale Fehleinschätzung neubloggender Journalisten:
Bloggen hat was mit Subjektivität zu tun.
Journalisten glauben das, weil Blogger anders sind. Journalisten denken, sie wären objektiv, Blogger sind anders, also sind sie subjektiv. Also reicht es beim Bloggen, auch subjektiv zu sein, dann kommen Zillionen von Kommentaren und Trackbacks, sie werden eins mit der Szene und alles ist ganz prima, weil sie das auch können. Und nachdem Journalisten, wenn sie einmal ein Vorurteil gefassr haben, den Fehler immer wieder neu begehen, sind die meisten Blogs von Journalisten der gleiche subjektiv geschriebene Müll, den man auch bei Myblog unter anderen geistig schlecht belichteten Teenagern findet, und der dort auch die gleiche Beachtung von Grossmutti und drei Freunden bekäme.
Was Journalisten nicht kapieren – weil es ihr Selbstbild beschädigen würde – ist:
Bloggen hat was mit Charakter zu tun.
Natürlich sind Blogger subjektiv. Aber nicht aus Prinzip. Sondern weil ihr Charakter stark oder zumindest vorhanden ist, und sich in Form subjektiver Sichtweisen Bahn bricht. Niemand hat einem Blogger eingetrichtert, keinen Charakter zu haben. Genau das ist aber der Unterschied zu jenen faulen Besitzstandswahrern, die genau wissen, dass Charakter in der Inhaltebehörde nur der Karriere schadet. Man müsste mit Charakter auch mal widersprechen oder einem Kollegen ans Bein pinkeln, man müsste Instanzen übergehen und nicht lang um Erlaubnis fragen, und man dürfte keinesfalls beginnen, den eigenen Charakter am Charakter der Redaktion anzudocken. Damit kommen am Ende nur Blogs raus, die genau so gleichgepolt wie die Redaktion sind. Würden alle deutschen Chefredakteure heute für 10 Jahre in Urlaub fahren, würden sich alle ihre Zeitungen nach der Dekade ebenso lesen wie zu Beginn. Ihre Untergebenen würden schon dafür sorgen, dass nichts, keine Faser aus dem Ruder läuft.
Journalisten möchten natürlich nicht glauben, dass sie keinen Charakter und nach Jahren in der Redaktion das Seelenleben einer Amöbe haben und Angst, furchtbare Angst, nach all den Jahren der einfachen, hirntoten Anpassung nun so etwas wie Charakter neu entwickeln müssen. Umdenken! Schrecklich. Da ist es leichter zu glauben, es wäre eine Frage von Subjektivität und Objektivität. Natürlich kann ein charakterloser Mensch auch subjektiv sein. Jeder Depp kann subjektiv.
Aber Leser, die ohnehin damit rechnen, dass sie mal so und mal so angelogen zugunsten diverser Subjektivitäten werden, ist das egal. Subjektivität ist in Zeiten der INSM gar nichts mehr. Es spielt für lLeser keine Rolle, ob so jemand in welchem Format auch immer objektiv oder subjektiv tut.
Es geht um den Charakter. Blogger mit Charakter können subjektiv sein, oder sich um Objektivität bemühen: Es ist egal. Der Charakter zählt. Es kann auch ein mieser Charakter sein, solange er nur ehrlich ist, es gibt da keine Vorschriften, aber das ist es, was anspricht, interessiert und zum diskutieren anregt.
Und Journalisten noch vor dem ersten Text als Blogger zumeist unbrauchbar macht.
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Werter Don, was halten Sie eigentlich von den Blogs des Economist? Ich lese diese sehr gerne, allerdings: Individueller Charakter kann sich natürlich dort nicht finden, wo mehrere Blogger unter dem gleichen Pseudonym schreiben.
Ein toller Text. Ich würde sagen, viele Blogger, die im privaten Bereich bloggen und denen es eigentlich egal ist, ob sie gelesen werden oder nicht, motivieren sich ganz anders. wenn man das herausliest, dann bleibe ich bei diesen Blogs. Journalistische Blogs… ich weiß nicht. Ich lese sie auch. Aber ehrlich gesagt denke ich nicht weiter darüber nach, was sie schreiben. Das Kratzige, was sie teilweise präsentieren, das ist streckenweise so scheinheilig und von Arroganz geprägt.
“…und nach Jahren in der Redaktion das Seelenleben einer Amöbe haben und Angst, furchtbare Angst, nach all den Jahren der einfachen, hirntoten Anpassung nun so etwas wie Charakter neu entwickeln müssen.” — Sagt man ja der Schirrmacher-Diktatur nach.
Nun, es gibt da draussen auch einige Lügner, die mir nachsagen, ich würde Studenten mit dem Rechtsanwalt bedrohen…
Wie auch immer: Als ich bei der FAZ Im Ressort von Herrn Schirrmacher angefangen habe, war der erste Text, den ich schrieb, meine Kündigung. Ist als Draft gespeichert, kann in einer Sekunde abgeschickt werden. Nicht als Ausdruck des Misstrauens, sondern weil ich glaube, dass man mit dieser Möglichkeit im Hinterkopf frei und ehrlich bleibt. Es ist meine Option der Freiheit. Dazu kommt, dass ich nach Masstäben des Journalismus sehr ordentlich, nach meiner sonstigen Betätigung aber eher schlecht bezahlt werde. Ich mache das nicht des Geldes wegen, woanders bekäme ich weitaus mehr, sondern allein für den Sport. Ich bin da nicht hingegangen, um auch ein Blog zu schreiben. Ich bin dort hin, weil ich das Ziel hatte und habe, das Blog zu schreiben, das es allen zeigt. Ich kam nicht in Frieden. Mir ist durchaus klar, dass da draussen Dutzende nur darauf warten, dass es mich derbröselt. Macht mir nichts. ich warte ja aiuch darauf, dass die Cretins aus PR und Werbebranche aus der Blogosphäre verschwinden.
Abgesehen davon habe ich sicher kein devotes Blog geschrieben. Eher das Gegenteil. Ich habe das Konzept selbst bestimmt, und keinerlei Einschränkung erlebt oder bekommen.
Kurz: Ich kann dieser Nachsage einer angeblichen Schirrmacher-Diktatur nicht zustimmen.
Eine Frage sei erlaubt: Ab wann ist ein Journalist fürs Bloggen verbrannt? Gibt er bei Redaktionsantritt seinen Charakter an den Beelzebub der schreibenden Zunft ab, der nur im Zweitjob auch Seelen sammelt? Ist es schon die Entscheidung “ich will Journalist werden” die unwiederruflich korrumpiert? Oder gibt es vielmehr eine in der Tretmühle verloren gegangene Generation von Journalisten, die sich ihrem Joch nicht mehr entziehen können?
Ich bekomme bei so viel Polemik manchmal Angst, wenn ich mein Selbstverständnis als Autor, Blogger, Journalist oder was auch immer in einigen Teilen nach hehren Codizes einer ehrwürdigen Pressetradition forme. Naiv wie ich bin, schätze ich die Wirkmacht und Legitimation dieser Tradition höher ein, als das korrumpierte Gebaren ihrer zeitgenössischen Vertreter. Weh mir! Nicht, dass ich auch schon verloren bin?
Es könnte alles so einfach sein mit einem einzigen Instrument für Journalisten wie Blogger: dem Spiegel, in dem man sich am nächsten Morgen noch anschauen möchte.
Wie so oft im Leben, sind auch hier die mono-logischen Kausalitäten sehr volksnah und selten falsch. Leider haben sie auch die Eigenschaft, wesentliche Aspekte gewollt und unbewußt auszuklammern. In gewisser Weise erfüllen die seelenlosen (Ab)Schreiber die Leseerwartungen der seelenlosen Leser. Man kann das sehr gut an Verkaufszahlen erkennen. Sie laufen mit Ockhams Messer durch die Welt und inflationieren längst Geglaubtes mit der Simulation von Objektivität oder mit der quitschbunten Fassade dröger Interessenvertretungs-Rhetorik. Ob Authentizität und Charakter nicht Ende eine ähnlich gelagerte Simulation ist, die uns seinerzeit eigentlich nur vor der Hybris der Kerikalen retten sollte, stelle ich mal zur Diskussion. Wer mir recht gibt, kann erkennen, dass es nun Zeit wäre für eine post-individuelle Erschließung der Kontingenz. Ich glaube der intersubjektive Austausch über Blogs kann ein Werkzeug sein, die arrogante Schnalle namens Konsens in eine gute Dame Gesellschaft namens Respekt zu wandeln. Wenn das gute Blogger schaffen, Respekt vor guten Inhalten und Verachtung für Dahergeseihertes über mehrere Blogs zu verankern, können sich die klassischen Medien schon mal nach einem Leichenbestatter umsehen.
@Bastih: “Das Kratzige, was sie teilweise präsentieren, das ist streckenweise so scheinheilig und von Arroganz geprägt.”
Stimmt; der Satz trifft allerdings auch auf allerlei (nicht-journalistische) Blogger zu.
[…] Ich finde, Don Alphonso rockt heute mal wieder richtig, wenn er den Journalisten das mit dem Bloggen erklärt… […]
Hallo Don Alphonso,
mein Problem bei diesem Thema ist, das ich nicht weiß, was ein Charakter ist bzw. was Sie darunter verstehen:
Was ist Charakter? Was ist seine Natur und seine Funktion? Woran erkennt man ihn und worin unterscheidet er sich gegenüber Nicht-Charakter?
Könnten Sie darin mal ein bischen Licht bringen – Vielleicht einen Artikel?
…und schön lehrreich und unterhaltsam wie überhaupt alles aus Ihren Blogs. Das könnten sich die Damen und Herren “Qualitätsjournalisten” dann gleich mal einrahmen und auf den Schreibtisch stellen :-)
…und mein Problem ist noch, dass ich immer die Rechtschreibung vergesse – eine Editierfunktion wäre sehr hilfreich :-D
[…] 5. “Wie das mit dem Bloggen geht” (blogbar.de, Don Alphonso) Don Alphonso eröffnet eine offenbar längere Serie, in der er Journalisten das Bloggen erklärt. In der ersten Folge lernen wir, dass es nicht um Subjektivität geht (”die erste zentrale Fehleinschätzung neubloggender Journalisten”) – sondern vor allem um Charakter: “Genau das ist aber der Unterschied zu jenen faulen Besitzstandswahrern, die genau wissen, dass Charakter in der Inhaltebehörde nur der Karriere schadet.” […]
Ich würde von mir behaupten doch ein recht engagiert und subjektiv denkender und schreibender Journalist zu sein. Mag vermutlich auch am Ressort liegen. Glück muss man halt haben! Meinen Charakter habe ich bewahrt, wenn ich unter “Charakter” meinen Gerechtigkeits- und Wahrheitssinn ohne Verfärbung durch die Doktrin der Obrigkeit der Chefetage verstehen darf. Alles in allem finde ich den Beitrag von Don Alphonso einfach imponierend, ehrlich und einfach nur WAHR!
Es gibt durchaus viele Journalisten, die das haben, was hier als “Charakter” bezeichnet wird. Die Probleme liegen doch woanders: in der Qualität und in der Bereitschaft, eigene Fehler (jedweder Natur) zu korrigieren.
(Ich verstehe es übrigens wieder nicht, warum so viele der Beiträge in der Blogbar derart hingeschmiert werden – die Texte sind mitunter kaum lesbar vor Fehlern hier. Wenigstens die auffälligsten ließen sich doch korrigieren…)
ich finde, man kann die charakterlosigkeit ganz gut an den faz-blogs nachvollziehen.
beispiel netzökonom: ein hochspannendes ressort. das thema internetanwendungen und deren wirtschaftlicher impact allein gibt schon viel her: die anzahl der leser dieses blogs – also das generelle interesse an den themen – ist hoch. das leser/kommentar-verhältnis – also die userbeteiligung – allerdings ist extrem schwach. denn was macht holger schmidt aus der hohen grundaufmerksamkeit? nun, es scheint, er reicht mehr oder weniger ungefiltert irgendwelche presseverlautbarungen weiter, garniert mit dem ein oder anderen graphen, der immer wieder den allgemeinen trend darstellen soll. wie gesagt: das thema an sich reicht schon, um zumindest leser zu akquirieren. jedoch die verwandlung in wirkliche leserbefriedigung und daraus folgendes echtes commitment scheitert, denn der autor verzichtet gänzlich auf einen eigenen stil, eine starke meinung, eine diskussionsanregende auffassung. nix, null, niente. es ist die unfähigkeit mit etwas persönlichem an die öffentlichkeit zu treten. die schiere angst vor etwas eigenem. keine persönlichkeit. einfach charakterlos.
und so sind viele der blogs: klassische verlautbarungsorgane im zeitungsstil statt digitale kommunikation. die meisten dieser leute sind einfach überhaupt nicht geeignet als blogbetreiber.
Die Sache mit dem ‘Charakter’ ist schwer zu definieren, vor allem dann, wenn’s auch ein ‘mieser Charakter’ sein darf. Dem Heine zum Beispiel wurde im Streit mit dem ‘redlichen’ Börne damals sein Charakter ganz aberkannt – “ein Talent, doch kein Charakter”.
Ich rede lieber vom ‘Autorentum’ oder von einer ‘Autorenpublizistik’. In dem Sinne, dass jemand als ‘Autor’ ein unverwechselbares Gepräge haben sollte, ein Gesicht also, und zudem noch die Tastatur (früher: Feder) zu führen wissen muss. Er schreibt dann nicht länger als Marke – also als austauschbarer Schreiberling von ‘Spiegel’, ‘Stern’ oder ‘Bunte’, der es redaktionell rundgelutscht bestenfalls auf Mattusek’sche oder Jörges’sche Höhen schaffen kann – sondern als ein Individuum mit einem wiedererkennbaren Gesicht und einer klaren, oft auch mehrheitsfernen Meinung. Schulbeispiele vielleicht Wiglaf Droste, Max Goldt, auch Wolf Biermann oder Matthias Beltz. Natürlich wären das nur Ideale, die nicht jeder erreichen kann, aber die Richtung stimmt dann …
[…] Was Bloggen mit Charakter zu tun hat Nicht jeder Blogger hat einen journalistischen Anspruch. Und nicht jeder Journalist das Zeug zum Blogger. Don Alphonso erklärt in seiner unverwechselbar liebenswürdigen Art, warum das so ist. Wie das mit dem Bloggen geht I […]
G.K. Chesterton, der “Erfinder” von Pater BROWN, meinte einst über die Journalisten, dass sie stets in Eile seien, da sie ja jeden Tag “Neues” schreiben müssten. Da sie aber stets in Eile sind, können sie sich nicht weiterbilden, müssen also auf ihre vor Jahren und Jahrzehnten erworbenen Denk- und Urteilsmuster zurückgreifen. Das Fazit von Chesterton: Alles, was in Eile geschieht, ist bestimmt überholt.
@mark s
mir geht es vor allem um den umgang in den kommentaren. ob ein blogger kratzig schreibt ist mir egal. es sei denn, es handelt sich um huren-neopop-alles-was-dreckig-ist-muss-geil-und-fancy-sein-content. den finde ich höchstpersönlich zum kotzen. aber egal.
wenn man mit seinen lesern zynisch und arrogant ins gericht geht, dann sorry, sind diese autoren zu nichts zu gebrauchen. außer für das angucken. wie kunst eben. super.
Das Besondere am Web ist ja- im Gegensatz zu Print – dass dort Menschen schreiben, die sonst niemals abgedruckt werden würden. Jeder sucht sich das was passt oder setzt sich mit dem auseinander, was eben nicht passt. Ganz schlimm sind stromlinienförmigen Auswüchse der Magazine und Zeitungen der letzten Jahre. Das macht Blogs keinen Deut besser, dass die schreibenden Profis so gleichgeschaltet sind. Aber manche sind einfach spannender oder leserfreundlicher, weil sie nicht einfach Meinungen oder “Fakten” inflationieren, sondern Stellung beziehen. Die kann man revidieren, aber dazu muss man sie erstmal einnehmen und verteidigen. cultura eben.
Ein schöner Text (von diversen Drehern und Vertippern mal abgesehen) – tja, Charakter ist wohl nicht so einfach zu definieren. Böse Zungen behaupten, Charakter sei nichts weiter als das reflexionslose Ansammeln von Vorurteilen. Trifft auf nicht wenige wahrscheinlich auch zu. Aber darüber brauchen wir wohl nicht streiten in diesem Kontext. Da wird Charakter wohl mit Mumm, Unabhängigkeit, Traute, Wagnisbereitschaft etc. gleichgesetzt – und das fehlt wohl in der Tat zu vielen Journalisten (besonders bei denen, die entweder fest angestellt sind oder für ein unbeschreiblich niedriges Salär sich verdingen, um überhaupt einen Fuß in die Türe zu setzen). Mittlerweile habe ich zudem oft den Eindruck einer sehr mangelhaften Allgemeinbildung bei diesen Schreiberlingen. Und ein beliebtes Motto bei den etabliertzen Medien scheint zu sein: recherchieren brauchen wir nicht mehr. Denn, selbst wenn es Mist ist, was wir schreiben und dann darüber diksutiert wird, sind wir im Gespräch und bekommen so Stoff, um daraus noch ein paar weitere Artikel aufs Papier zu schmieren.
Daher stimme ich Don im Wesentlichen zu – auch wenn die Thematik eigentlich ein alter Hut ist.
Es lebe, werter Don, das Vorurteil:
Blogger haben also Charakter, Journalisten hingegen das Seelenleben einer Amöbe. Das kann selbstverständlich nur ein Insider ganz objektiv subjektiv beurteilen, der kein Journalist ist, denn die möchtens ja nicht glauben. Eine wahrhaft stringente Argumentation. Schön, dass Sie gleich zu Beginn betonen, dass sie bedenkenlos schreiben, obwohl das dem aufmerksamen Leser schnell selbst aufgeht. Immerhin unterscheidet sich diese kleine Philipika damit von manch anderem wohlformulierten und durchdachten Text Ihreres unermüdlichen und oft pointierten Schaffens.
Zugegeben, ich lese Ihre positionsstarken Meinungsergüsse oft und gerne. Nur die Phalanx Ihrer Claqueure geht mit mitunter auf den Geist. Der Nimbus der unbeholfenen, oft aber trefflich formulierten Co-Beiträge lässt großbürgerliche Etikette zu kleinbürgerlichen Etiketten verkommen. Ich auch, gehöre auch dazu, bin adabei steht auf den Pickerln, die sich Hinz und Kunz anheften. Sehr schön, sehr dekorativ, sehr nichtssagend. Doch genug vom schreibenden Publikum.
Was aber die Journalisten betrifft, so mögen Sie durchaus recht haben: Im Hinterkopf regiert die tägliche Erwartung, Zusammenhänge möglichst wertfrei zu vermitteln. Meinungen gehören in Kommentare. Das hat Tradition. Bloggs haben keine. Und das ist gut so. Dass aber mancher Kollege an der neuen, unterhaltsamen und dynamischen Verquickung scheitert, die Blogs so lebendig machen, liegt mitnichten an fehlendem Charakter, sondern am anderen Stil. Solange wir aber das Bloggen nicht zur Kunstform erheben, ist eine Stildebatte überflüssig. Mag doch jeder schreiben, wie er will, so wie jeder lesen kann, was er will.
Wenn Sie also – expressis verbis – der subjektive Müll Facebooks geistig schlecht belichteter Teenager stört, so wundert es mich, dass Sie ihm Beachtung schenken. Ich kenne ihn nicht und kann in diesem Fall leider nicht mitreden. Was aber die eingeforderte Charakterstärke betrifft, zu widersprechen und Kollegen zu kritisieren, so finden Sie diese durchaus im Netz, von Henryk M. Broder bis Stefan Niggemeier. Allerdings wundert es mich ein wenig, dass Ihnen bislang keiner meiner Kollegen widersprochen hat. Ursache könnten Charakterschwäche oder Desinteresse sein. Entscheiden möchte ich dies nicht. Ob aber die durchgängige Zustimmung der Anderen tatsächlich von irgend einem Charakter zeugt, ist zumindest unbewiesen. Doch im eigenen Saft köchelt man gar am besten.
(Disclaimer: Ich bin Journalist)
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[…] Immerhin beruhigt es mich, dass Bloggen kein reines Jugendvergnügen ist. Im deutschen Blogverzeichnis “Blogoscoop” hat eine Altersabfrage unter 1.771 Bloggern eine ausgeglichene Verteilung ergeben. Grob ergibt sich, dass ein Drittel unter 30 Jahre, ein Drittel zwischen 30 und 40 und ein Drittel über 40 Jahre alt ist. Dazu kommt, so ist beim Blogger Don Alphonso zu lesen, dass eine gewisse menschliche Reife – er nennt es Charakter – dienlich wäre. Einverstanden, etwas komplexer als Twitter-Botschaften oder die gute alte SMS und weniger glatt als die Mehrzahl der Hochglanzbroschüren sollte es schon sein. […]
[…] Nein , wir hier draussen benötigen keinen redaktionellen Tagesbefehl , sondern wir lesen , schreiben und notieren die Zeitzeichen auf ebenso wie ihr – nur eben auf unsere Weise . Friedrich Hölderlin hat die Parole geformt . Und sein Ruf “Komm ! ins Offene , Freund !” ( Der Gang aufs Land ) bleibt hier draussen keine Plein- Air- Nostalgie . Es gibt uns . Wirklich . Auch wenn ihr uns demonstrativ ignoriert oder kaum einer unserer täglich eintausend Leser ( m | f ) sich je outet oder gar kommentiert . Man könnte sich ja mit diesem Aufwand ohne Entschädigung selbst schädigen in einer nach wie vor feodal organisierten Lebenswelt . […]