Nachrichten vom Ende des Hypes
In den letzten Tagen und Wochen gab es ein paar bemerkenswerte Ereignisse, die recht schon zeigen, wie der Versuch, Bloggen als journalistische Technik in Medienkonzerne zu integrieren, nicht funktioniert.
– Vorreiter der Blogversuche der Medien in Deutschland war Gero von Randow als Onlinechef des ostpreussischen Vertriebenenanzeigers “Die Zeit”. Der ist Anfangs des Monats wieder zum Autor des Printprodukts geworden. Es wird gemunkelt, dass die Onlineabteilung in letzter Zeit wenig Erfolge vorzuweisen hatte. Die Blogs, von denen manche 2004 noch eine gewisse Bekanntheit hatten, sind inzwischen vollkommen marginalisiert.
– Chefreadkteur Ulf Poschardt von Vanity Fair macht den “Vorwortblogger-Blogger” und Ex-Chefredakteur Stefan Baron von der Wirtschaftswoche nach: Nach einigen im Blog veröffentlichten Vorworten wird das Projekt bei Vanity Fair Online beendet. Schon mit dem Medienblog unter Peter Turi hatte die VF weniger Vergnügen – unter anderem wegen einer falschen Tatsachenbehauptung und Verletzung der Urheberrechte des Verfassers dieses Beitrags.
– Apropos Turi: Der war Anfang dieses Jahres noch beim Versuch dabei, mit Medien2 ein modernes, blognahes Medienmagazin aus der Taufe zu heben. Dann kanm es zum Konflikt und Bruch mit den Mitgesellschaftern um den Verleger Dirk Manthey. Und seitdem wird Medien2 ab und zu angekündigt. Vor ungefähr drei Monaten wurde ich dann gefragt, ob ich nicht ein Interview für den bald kommenden Start geben möchte. Seitdem wartet man. Vergeblich.
– Und für alle, die gerne schreiben, dass ein peinliches Blog zum Rausschmiss führen kann, gibt es jetzt ein nicht unbedingt sachlich richtiges, aber plausibel erscheinendes Beispiel. Der etwas, nun, sagen wir mal exzentrische Herr Matussek, seines Zeichens Video”blogger” bei Spiegel Online und Kulturchef des gedruckten Magazins, wird seine avantgardistische Nebenbeschäftingung wegen Unzufriedenheit des Arbeitgebers nicht mehr lange ausführen, wie allgemein gemeldet wird.
– Aber vielleicht findet er ja wie andere gestolperte Mediengrössen ein neues Zuhause bei Watchberlin, wo sich unter der Ägide eines früher nach einem Kamerageschenk bettelnden Projektbeteiligten schon so namhafte Promis wie ein ehemaliger Kokainkonsument, ein ehemaliger Linksintellektueller und ein ehemaliger Opeltester eingefunden haben. Watchberlin sollte ja mal genz gross werden, mit Ablegern in anderen Metropolen. Aber, wie mir ein Vögelchen berichtet hat, wird es auf absehbare Zeit bei der Registrierung der passenden Domains bleiben, denn: Die Performance von Watchberlin sei nicht so prickelnd, wie man sich das gedacht habe. manche würden auch sagen: Unterirdisch. Und ich füge noch hinzu: Sollte Besitzer Holtzbrinck wirklich, wie kolportiert, die verlustreiche FTD oder die sündhaft teure Süddeutsche kaufen, braucht man das Geld an anderer Stelle.
Sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus, das alles. Bitte genau so weitermachen. Dann hat sich das Problem der bloggenden Medien Ende nächsten Jahres weitgehend erledigt.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Jo, ich schließe mich an und wünsche allen Leutchen der Schreibenden Journallien-Zunft der großen Verlage viel Glück beim Einstampfen ihrer Online-Ausgaben, fälschlicherweise von ihnen selbst oft “blogs” genannt.
Mag ja fuer Deutschland alles zutreffen, aber anderswo kann ich das Ende des “Hypes” (so es denn je ein Hype war) noch nicht erkennen.
Die Guardian Blogs laufen noch immer sehr gut und sind in der britischen “Blogosphere” soweit ich das so mitbekomme sehr gut akzeptiert. Aehnlich die BBC Blogs, gut verlinkt, besucht und kommentiert.
Scheint ja also irgendwie doch zu gehen?
Die gibt es auch hier, nur der Don hat sich ja in seinem Blog auf das Meckern und Ausblenden aller positiven Dinge spezialisiert.
Ich glaube zu wissen, dass “der Don” sich im allgemeinen nur auf die deutsche Szene bezieht und einige internationale Beispiele lobend erwähnt hat.
Aber Meckern und Ausblenden ist ja soviel leichter :)
Na ja, aber so wie er es schreibt hoert es sich eher so an als ob es per se nicht geht, nicht gehen kann und nie gehen wird.
Das einzige lobende internationale Beispiel an das ich mich jetzt so erinnern kann ist Intelligent Life vom Economist. Was wiederum witzig ist weil das Blog im grossen und ganzen eher unbeachtet geblieben ist und die “normalen” Blogs des Economist auch eher ein Schattendasein fuehren.
Ich denke, dass es zumindest hier in Deutschland so ist, dass Medienkonzerne nicht einmal die “klassischen” Online-Kanäle richtig verstehen. Die sind im Kopf alle irgendwie noch etwas offline und nehmen jetzt nur wahr, dass sie etwas tun müssen, damit ihre Deckungsbeiträge nicht den Bach runtergehen.
Aber wie sollen sie das mit dem Verstehen bei obiger Ausgangslage dann bei Blogs hinbekommen, die ja definitiv deutlich mehr sind als nur ein “Kanal” (Würde Kommunikations-Form es treffen? Wohl eher ein Gemisch aus Publizieren und Kommunizieren).
Deutsche Medien verstehen das Akzeptanz-Prinzip im Web 2.0 grundsätzlich nicht: Sie müssten ERST EINMAL etwas Gutes auf die Beine stellen, was sich VIELLEICHT später mal rentiert. Sie belämmern uns aber ständig mit Dingen, die sich ERST EINMAL rentieren sollen, bevor später VIELLEICHT mal etwas Brauchbares daraus werden kann. Lauter Kurzstreckler …
das netz ist nicht dazu geschaffen, um darin geld zu verdienen. ausnahme: waren und dienstleistungen mit eindeutigem offline-bezug, für die gebühren in irgendeiner art durchsetzbar sind.
ansonsten faustregel: ein rein werbefinanzierter break-even ist bei personalkosten nur mit hervorragenden traffic-zahlen und einem außerordentlich überzeugenden bannervertrieb möglich.
print wird untergehen und durch online auf sparflamme ersetzt.
Ganz besonders schwer ist es halt auch, mit intelligenten Texten die “kritische Masse” zu erreichen, so dass es für ein Leben von den Werbeeinnahmen reicht. Denn solche Texte interessieren schon ihrer Natur nach immer nur eine Minderheit. Und die Leute, die was können, müssen, sofern sie nicht Erben oder endgültig aus dem Erwerbsprozess rausgefallen sind, eben gucken, dass sie dieses zu Geld machen. Ist auf einem Markt von 400 Millionen Englisch-Muttersprachlern halt auch noch was anderes als in Deutschland. Ich persönlich stelle jedenfalls an mir fest, dass ich (außer dem hier) mir keine blogs mehr anschaue, weil ich es einfach satt habe, mich durch die 98 Prozent Müll zu wühlen. Da ist mir meine Zeit zu schade. Deshalb vertraue ich eher wieder den Selektionskriterien der Redakteure/Lektoren. Sie stellen in meinen Augen das kleinere Ãœbel dar. Ich denke, viele sehen es unbewusst ähnlich, deswegen auch der Boom auf Buch- und Zeitschriftenmarkt.
“Lauter Kurzstreckler …”
Das trifft es wohl am besten, zumindest ist das auch meine Erfahrung. Ich kenne große Websites, auch Verlage dabei, die ihre Communities 2001 abgeschaltet oder alleine gelassen haben. Nun schalten sie sich wieder ein und wundern sich, dass sich die Menschen da längst emanzipiert haben. Na dann eben Blogs, schnell hochgezogen, “bei unserer Marke und Power muessen die Menschen ja in Scharen kommen”, sieht doch soo schön aus auf den ppt-Folien. Wenn dann nach einem Jahr keine kritische Masse erreicht wird – beim Umsatz – dann werden auch schöne Ansätze wieder eingestampft, oder im besten Fall wieder sich selbst überlassen.
Es zeigt sich hier einfach die “Respeklosikeit” der Internetnutzer. Denn nur weil ein Chefredakteur glaubt seine geistigen Ergüsse in einem Blog kundtun zu müssen, heißt es noch lange nicht dass der einfache Leser in Euphorie ausbricht und den Blog auch stündlich besucht oder Jubelkommentare hinterläßt.
Nein, das schöne an der Welt der Blogs, nicht der Name ist entscheident, sondern das was veröffentlicht wird. Und als Blogger muss man durch Dursstrecken mit Tagen mit wenig Besuchern bzw. mit irgendwelchen Kommentarlinkspammern.
In der Medienwelt ist dies für die Herren in den oberen Etagen Majestätsbeleidigung. Denn wie kann es der Leser wagen, einen Blog des Chefredakteurs zu ignorieren. Dies hat ja schließlich studiert und sich im Haifischbecken der Medienbranche an die Spitze geboxt. Frechheit! ;)
Ich bin zunehmend bereit meine einstige These von den Bloggern das Wasser abgrabenden Verlagen zu widerrufen. In den meisten Verlagen fehlt es vor technokratischer Denke an Fantasie – um nicht zu sagen – Visionen, um einmal über die Quartalszahlen hinauszudenken. Chatatkins schreibt zurecht von Kurzstreckenläufern. Diese Sprinter (wenn sie den Blogs überhaupt verstehen, weil sie nicht über eine SZ-bilderstrecke hinausdenken können) haben aber nur die passenden Zahlen für ihre nächste Karrierestufe im Kopf. Um mit Blogs als Verlag zu reüssieren (und letztlich ein wenig ROI zu erhalten) ist aber der Marathon angesagt. Stattdessen hampeln alle herum wie der Hase im Wunderland: “keine Zeit, keine zeit”. Aus dem gleichen Grund wird ja auch alles an Communities aufgekauft, das eine Powerpoint-Folie vorzeigen kann. Dafür ist dann Geld da. Weil es in der Vita toll was her macht, dem Controlling schön vorgerecht werden kann und man zur Not einen schönen Verlustvortrag herstellen kann.
… und man zur Not einen schönen Verlustvortrag herstellen kann.
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Da ab einer bestimmten Firmengröße die Entscheider ihre Firma, ihre Kunden und den Markt nur noch in Tabellen und Kraftpunkt-Präsis wahrnehmen können, ist denen ein schön dokumentierter Ruckzuck-Flopp tausend Mal lieber als jemand, der seltsame, unverständliche Projekte mit geringen Gewinnspannen und Laufzeiten über x Quartale vorstellt.
“Der ist Anfangs des Monats wieder zum Autor des Printprodukts geworden” : Quatsch.