A la Carta
Ich wurde von ein paar Leuten gebeten, etwas über das neue Gemeinschaftsblog Carta zu schreiben. Na gut. Schauen wir uns an, was die über sich selbst sagen. Obwohl, “sagen” darf man da nicht sagen, sondern eher: Kommunizieren.
CARTA ist ein Netzwerk-Syndikat für Analyse und Meinungsbildung. Die Online-Publikation verknüpft die Beiträge seiner dezentral organisierten Autoren mit Verweisen auf die relevantesten Inhalte aus dem Internet. CARTA ist dezentrales, digitales Op-Ed. CARTA ist Filter und Produzent, Meta- und Mehrautoren-Blog.
CARTA sieht im selbstbestimmten Öffentlichkeitszugang von eigenständig publizierenden Experten, die auf Basis von Hintergrundwissen und komplexen Weltbildern interpretieren und analysieren, eine entscheidende Ressource für die Steigerung des Niveaus aktuell-gesellschaftlicher Informationsverarbeitung.
CARTA verweist offensiv auf andere Online-Publikationen und nutzt damit den Netzwerkcharakter des Internets. CARTA ist überparteilich und unabhängig. CARTA ist den Normen des Qualitätsjournalismus verpflichtet.CARTA ist zuallererst Dienstleister für seine Autoren. Es nimmt ihnen die Unwägbarkeiten der Online-Publizistik ab und bietet ihnen den gesicherten Aufmerksamkeitsrahmen einer hochwertigen Medienmarke.
Man kann es nie wissen, aber selbst für mich, der ich qua Bildung, Tätigkeit, Interessen und Einkommen ziemlich gut in die Zielgruppe von Carta passen würde, ist mir das zu viel Anspruch in zu grossen Worten. “Ambitious”, würde der grosse englische Bewegungsphilosoph Jeremy Clarkson sagen, “but rubbish”. Anspruchsvoll, aber Mist. Ganz ehrlich: Ich will nicht so steif und förmlich angesprochen werden, so ehrfurchtsheischend und von oben heran. Allein ein Begriff wie die für Carta in Anspruch genommene “Steigerung des Niveaus aktuell-gesellschaftliche Informationsverarbeitung” trägt in seinem neologistischen Bombast ganz sicher zu diesem Ziel bei. Wenn der Link zur Profilseite einer Autorin dann noch dieses Ergebnis ausspuckt:
Nicht gefunden, Fehler 404
Die Seite, die Sie suchen, existiert nicht.
hätte man den Machern vielleicht etwas mehr Planung und Sorgfalt gewünscht, bevor sie sich mit solchen Ansprüchen zur Unzeit exponieren. “Beta” steht über dem Titel, aber inzwischen frage ich mich, was an Fehlern und Schlamperei so toll sein soll, dass man es meint branden zu können. Dass man auf der Startseite in der rechten Spalte prominent die Anreisser von Beiträgen andere Medien bringt, die optisch auf den ersten Blick auch die eigenen sein könnten, ist auch nicht gerade prickelnd. Wenn das Projekt dann auch noch genutzt wird, um Eigen-PR zu machen, wundert sich der Leser schon über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit.
Normalerweise versucht man in den Medien am Anfang, die Leser mit tollen Geschichten und aufwändigen Reportagen anzufixen und zu halten. Obwohl ich ein Freund der Länge bin, habe ich es nicht geschafft, auch nur einen einzigen Text bei Carta komplett zu lesen. Ich habe nicht den Eindruck, dass mir da jemand etwas erzählen will, und wenn ich einen Dozenten brauche, lese ich Bundestagsdebatten zu Randthemen nach. Was ich damit nicht sagen will ist, dass “Carta” schlecht ist. Ich kann einfach nichts damit anfangen und habe den Eindruck, dass ich angesichts der Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Durchführung nicht der einzige sein werde, der diesem Projekt keine Zukunft als deutsche Antwort auf Huffington Post zutraut. Faslcher Anspruch, falsche Autoren, falsche Themen, Null Spass. Bedaure. Mehr fällt mir dazu aktuell nicht ein.
Sorry, the comment form is closed at this time.
“Als erstes verlernst du mal das Geschwalle”, sagte zu mir einst ein Freund, von dem ich viel über das Schreiben lernen durfte.
Nicht, dass das Ganze hier von mir als Linkschleuder genutzt werden soll, aber eben habe ich von noch einem neuen Projekt erfahren, dort werden Texte von Journalisten veröffentlich, “die eigentlich gedruckt werden sollten, aber in letzter Minute rausgeflogen sind, weil irgendwo auf der Welt etwas subjektiv oder tatsächlich objektiv Wichtigeres passiert ist”: Nichterschienen, http://www.nicht-erschienen.de – Eigentlich eine gute Idee, aber leider durch die fehlende Kommentarmöglichkeit etwas leblos.
Mit Carta werde ich nicht richtig warm, ich halte es für anmaßend, sich letztlich von Nicht-Akademikern abgrenzen zu wollen: “CARTA richtet sich an die über zwei Millionen Akademiker zwischen 25 und 55 in Deutschland, die mittlerweile täglich das Internet nutzen”.
Abgesehen von semantischen fehlern (h1 tags in posts) und der im footer(!) plazierten suche und about links hätte man definitv mehr machen können.
Ebenso ist im englischsprachigem raum eine zustimmung bei externem content display (WSJ,SZ usw.) von nöten…
[…] 3. Carta (Blogbar, Don Alphonso) “Falscher Anspruch, falsche Autoren, falsche Themen, Null Spass. Bedaure. Mehr fällt mir dazu aktuell nicht ein”, schreibt Don Alphonso zum neuen Gemeinschaftsblog Carta, dass von einigen schon vorab zur deutschen Antwort auf die Huffington Post hochgejazzt wird. […]
Als erstes kam mir der Gedanke: Eine Art deutsche Huffpost.
Die Sebstdarstellung des “Netzwerk-Syndikat für Analyse und Meinungsbildung” ist grottig. Alleine die Zielgruppe “Akademiker”. Voll-Akademiker? Zählen FH-Absoventen dazu? Das hat den Mief der 50er Jahre.
Beim Blick auf die Autoren dann der Gedanke: Wieder die üblichen verdächtigen aus Berlin. Dazu aufgeblase Biographien. Was die alles so “betreiben” und machen. Nur bringt mich das als Leser den Autoren nicht näher.
Bei den Beiträgen: Zu lang. Ausnahme einer:
test tatti
21.10.2008 | 0 Kommentare
test tatti [….]
Das alles trieft nur so vor Eigen-PR. Echtes Engagement ist nicht zu erkennen.
“CARTA ist zuallererst Dienstleister für seine Autoren.”
Na, das sagt doch schon alles. Die Leser bzw. potentielle Zielgruppe ist denen egal. Das ist in erster Linie reine Onanie der Autoren.
“CARTA sieht im selbstbestimmten Öffentlichkeitszugang von eigenständig publizierenden Experten, die auf Basis von Hintergrundwissen und komplexen Weltbildern interpretieren und analysieren, eine entscheidende Ressource für die Steigerung des Niveaus aktuell-gesellschaftlicher Informationsverarbeitung.”
Haben die da nicht ein “selbsternannten” vor Experten vergessen? Klingt alles so nach Buzzword-Bingo. Mir ist schlecht!
Es sollte natürlich “die Leser sind bzw. die potentielle Zielgruppe ist heißen”…grummel.
oh je, wie schräg ist das denn? solche leute bringen mich noch soweit, das lesen meines blogs für akademiker zu verbieten. bei wiederhandlung droht ein zwangsaufenthalt in einem echten proletenzirkel.
Die Ernsthaftigkeit, mit der hier die Dinge vorgetragen werden, ist stellenweise durchaus unterhaltsam.
# kdb am 30.10.2008 13:54
“Wie glaubwürdig ist eine Sendeanstalt, in dessen Verwaltungs- und Fernsehrat über 40 Berufspolitiker sitzen, die ihre eigenen PR-Mitteilungen im heute journal versendet.”
Wie berufen ist jemand, der die deutsche Sprache derart vergewaltigt, sich überhaupt über irgendetwas schriftlich zu verbreiten?
# Robin Meyer-Lucht am 30.10.2008 16:37
Hallo Kdb,
ja, ich habe auch lange darüber nachgedacht, ob das gerade noch geht. Ich benutze hier “versenden”, etwa Sinne von “der Beitrag versendet sich” (bekommt keiner mit). Daraus habe ich ein aktives Verb gemacht. Versenden = etwas zu seiner Sendung machen. Ist vielleicht wirklich etwas grenzwertig. Werde ich mir demnächst verkneifen.
rml
Ich erinnere einfach mal an jene großen Autoren (und Akademiker), die, um an ihrem Stil zu feilen, zunächst der Putzfrau ihre Texte vorlasen. Der Stil, das ist schließlich das Einfache: ‘Ungewöhnliche Dinge mit gewöhnlichen Worten sagen’. Und nicht umgekehrt! Sobald du pompös klingst, machst du was verkehrt. Mit Intelligenz oder auch nur mit Universitätsluft hat dieses begriffliche Nüsseschaukeln nichts zu tun …
@ 9 hockeystick: In dem von dir zitierten Text steckt doch noch mehr, nämlich blanke Realsatire. Erst steht dort das:
“Wie glaubwürdig ist eine Sendeanstalt, IN DESSEN …”
Woraufhin dann unmittelbar dies hier folgt:
“Wie berufen ist jemand, der die deutsche Sprache derart vergewaltigt, sich überhaupt über irgendetwas schriftlich zu verbreiten?”
‘Der, die, das,
wir machen die Sprache nass.
Wieso, weshalb, warum?
Wer so was fragt, ist …’
Schon klar. :-)
[…] Andere Stimmen zu Carta: Blogbar, KoopTech, Meedia, Off-the-record. […]
[…] Meine Mama hätte einen solchen Eigenanspruch, wie ich ihn via Herrn Mayer lese, der einer a priori Selbstbeweihräucherung in eitel vorauseilendem Gehorsam nicht unähnlich ist, snobistist genannt. Typisch Berlin :) […]
Ich finde diese Diskussion hier etwas unfair und meine, dass sich das Blog erstmal entwickeln muss. Ein Problem ist sicherlich der so vor sich her getragene hohe Anspruch, aber wie es wirklich wird, weiß man doch nicht nach 10 Tagen sondern erst nach einem halben Jahr. Meyer-Luchts Pech war es quasi, dass er zu früh während des Herumfrickelns entdeckt wurde. Und das auch nur, weil er wirklich ein gutes Zitat von Mathias Harbort, als Ministerialrat für die “Initiative Nationale Printmedien” im Bundeskanzleramt verantwortlich, mit den Worten zitieren konnte:
“Wenn ich morgens ins Büro komme und mich über die Nachrichtenlage informieren will, schaue ich ins Internet. Zeitungen spielen da quasi keine Rolle mehr.”
Das war doch wunderbar.
Alles weitere wird man sehen.
Wie ich diese Putzfrauenideologie hasse, die die Leserschaft immer über den kleinsten gemeinsamen Nenner balbieren will. Realsatire wird aber draus, wenn auch noch einem Portal, dessen (oder deren, jaja) Qualität gewiss steigerbar ist, das sich aber ausdrücklich an eine akademisch gebildete Leserschaft wendet, vorgeworfen wird, dass es sich an eine akademisch gebildete Leserschaft wendet. Und dass man ihm das auch noch an der Wahl von Wörtern, Begriffen, an Abstraktionsniveau und Satzbau anmerkt. Echt: Wie blöd kann man sein wollen?
Der Fehler ist doch zuerst den Anspruch vor sich herzutragen – oder was man dafür hält. Der bessere Weg ist, den Anspruch einfach zu zeigen. Aber Bescheidenheit ist nicht die Sache des Meyer-Luchts.
Im Übrigen vergrault man damit potentielle Autoren, die die Qualatät reinbringen könnten.
@ Ekkehard Knörer:
An den gewählten Wörtern, Begriffen, am sogenannten Abstraktionsniveau und am Satzbau erkenne ich nur, dass die Carta-Betreiber in der Lage sind, bemerkenswert verschwurbelt heiße Luft von sich zu geben. Was bitteschön soll daran akademisch sein? Nicht alles, was unklar ist, ist auch akademisch. Eigentlich ist nichts, was unklar ist, im eigentlichen Sinne akademisch. Der Don hat dies vor einiger Zeit hier (oder dort?) an einem anderen Beispiel sehr schön gezeigt.
Ja, ich bin Akademiker (was ein elitäres Wort).
Ich muss einfach schreiben, wie großartig ich die Formulierung
finde! Das sind die Dinge, die deine Texte so lesenswert machen.
@Formwandler
Ich gebe zu: Es hat mich erst mal das Jarchowsche Wedeln mit der Putzfrau auf die Palme getrieben. In der Tat lese ich nicht alles, was im von Don Alphonso geschickt gewählten Auszug steht, ohne Schaudern.
Ich vermisse zum Beispiel den schlichten Satz “Wir sind die klügeren Köpfe”, der die Sache so selbstbewusst auf den Punkt brächte, wie sie offenkundig gemeint ist. Und der Gebrauch von Vokabeln wie “Ressource” ist selbstredend dämlicher Wirtschaftssprech, insofern aber auch kein Akademismusproblem. (Ich geben Ihnen recht: Das Problem ist eher das Pseudoakademische. Den Dreck macht aber auch die Putzfrau nicht weg.)
Die einzelnen Texte sind von dem programmatisch verzapften Herausgeberblödsinn aber recht weit entfernt, sogar, wenn nicht insbesondere derjenige der von mir in den seltensten Fällen verehrten Mercedes Bunz.
Zum Totlachen, wie hier in den Kommentaren ausgerechnet Klaus Jarchow, der Chefproduzent redundanter und nicht enden wollender Verbalpirouetten, andere mahnt, das Geschwalle zu vermeiden. Sie nun gerade, Klaus Jarchow – wirklich zum Totlachen.
In der Sache stimme ich Christiane zu (#15), jetzt gleich auf dieses Gemeinschaftsblog draufzuhauen, ist unfair. Die Selbstbeschreibung ist natürlich furchtbar, aber alles andere als entscheidend. Und ein toter Link kommt doch auf den besten Websites vor.
Schleierhaft bleibt mir, wie es im Blogeintrag auf der einen Seite heißen kann, der Anspruch, die Autoren, die Themen: das alles sei “falsch” – und wie dann gleichzeitig bestritten wird, Carta sei schlecht. Wenn das alles falsch gewählt worden sein soll, dann ist das Rezensionsobjekt doch wohl definitiv schlecht weggekommen.
Ach ja, die üblichen Quakbüdel mal wieder: Euer Irrtum ist es, dass das angestrebte ‘Akademische’ jemals in der Wortwahl liegen könne. Diese gesuchte ‘akademische Bezugsgröße’ ist aber einzig und allein in der Thematik zu finden: andere Zielgruppen, andere Interessengebiete – oder: Einen Intellektuellen ködert man eben nicht durch das Ernstnehmen von ‘Sarah & Mark in Love’. Der gute Stil aber bleibt immer gleich, weshalb sich stilistisch über die gute Sarah und ihren Beschäler dann ja auch eine Mediensatire schreiben ließe. Womit wir schon wieder mitten im ‘akademischen Bereich’ wären …
Die sozialen Systemgrenzen markiert also nicht die Grammatik, auch nicht nicht die Höhe der aufgetürmten Schachtelsätze und auch nicht ein Schnöselvokabular, das schon morgens am liebsten in ‘Palimpsesten’, ‘Modulen’ und ‘Konspikuitäten’ badet. Diese Grenzen werden durch Bezugnahmen definiert (durch die sattsam bekannten ‘symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien’), also durch begriffliche Instrumente, die einen Perspektivwechsel und neue Einsichten erlauben. Und ein Niklas Luhmann, der den Begriff dieser SGKM damals erfand, der ist nicht deshalb interessant, weil er bemerkenswert unverständlich und verknotet formulieren konnte, er ist vielmehr ‘dennoch’ interessant, obwohl er – stilistisch gesehen – nun mal überhaupt nicht schreiben konnte – und zwar ist er dies wegen seiner Inhalte und Einsichten. Also schlägt man sich als Student nolens volens durch seine Exerzitien hindurch und peitscht seinen Verstand – ebenso wie durch Derrida & Co. Solche Fälle professoral ‘erleuchteter Dunkelheit’ gibt es, nur sollten ausgerechnet diese Menschen dann eben keine ‘virtuelle Zeitung’ für eine akademische Zielgruppe verfassen. Sonst landet man bloß bei einer 200er Auflage fürs Fachpublikum à la ‘Vierteljahreshefte für Systemtheorie und Kybernetik zweiter Ordnung / Director’s Cut’. Zeitungsmacher, auch und vor allem diejenigen für eine ‘gebildete Zielgruppe’, dürfen sich gerade ihre akademischen Vorbilder stilistisch meist eben nicht zum Vorbild nehmen. Hoam’s mi?
[…] Der Spott über den großen Anspruch, den Carta sich selbst setzte, der begann mit einem Verriss von Don Alphonso an der Blogbar, wo er sich vor allem das Impressum zur Brust nahm. Auch ich habe mich beim Don in den Kommentaren zu Wort gemeldet – und gleich ordentlich was über den Rüssel bekommen, ganz so, wie es in der Blogosphäre seit langem ein beliebter und geselliger Brauch ist. In einem solchen Impressum geben bekanntlich alle Medienmacher über das Woher und Wohin ihres medialen Auftrags Auskunft. Hier die zusammenfassende Kritik daran in den Worten des Don: “Anspruchsvoll, aber Mist. Ganz ehrlich: Ich will nicht so steif und förmlich angesprochen werden, so ehrfurchtsheischend und von oben herab“. […]
Aber lieber Don, Formulierungen wie “qua” und “neologistisch” sind auch ganz schön akademisch-bildungsbürgerlich…
@Klaus Jarchow
Na, so ein Schmarrn. Luhmann und Derrida sind schon deshalb große Autoren (ja, und Stilisten), weil bei ihnen die Form des Schreibens Inhalt und Form ihres Denkens ganz genau angemessen ist. Sie sind darum – neben Adorno zum Beispiel – die glatte Widerlegung dieses “Das kann man auch verständlich ausdrücken”-Blödsinns, den nicht nur, aber sehr verhängnisvoll auch der schlimmste aller Journalismussprachverderber Wolf Schneider verbreitet.
Luhmann, Derrida und Adorno mögen große Autoren sein. Journalisten sind sie nicht. Insofern tut ihr Treiben wenig zur Sache.
“Das kann man auch verständlich ausdrücken” würde Wolf Schneider niemals sagen. Sondern: “Das muss man verständlich ausdrücken.”
Und er hat selbstverständlich recht.
Flohma, dass solche Begriffe bei diesem Spezifikum ähnlich wie der “Bewegungsphilosoph” ironisch überspitzt gemeint sein könnten, hätte ich natürlich auch konnoterialiseren können.
@formwandler
Selbstverständlich tut es was zu Sache – die hier nämlich “Carta” ist. Denn “Carta” sollte selbstverständlich auch Texte von Nicht-Journalisten veröffentlichen, die – hoffentlich im Guten, zur Not auch im Bösen – auch nicht wie Journalisten schreiben. Sondern zum Beispiel wie Akademiker. Das ist genau der Punkt.
@ Ekkehard Knörer: Jaja, von allen unverstanden zu sein, das gibt dem wahren Jünger erst den ganz rechten Kick: Siehe Freimaurer, siehe George-Kreis, siehe Jung-Hegelianer, siehe auch die Adörnlinge. Für mich ist es Wagalaweia …
@Klaus Jarchow: Nein, es geht nur darum, unterschiedliche Schreibweisen, Abstraktions- und Begriffsniveaus zuzulassen. Es geht nicht gegen Verständlichkeit, sondern gegen den *Fetisch* Verständlichkeit. Es geht darum, dass sich manche Erkenntnis nicht auf dem Wege der Vereinfachung erlangen lässt. Ja, es geht sogar auch darum, dass es eine ganz eigene Schönheit des Schwierigen, nicht nur Schönheiten des Einfachen gibt. Und vor allem darum, dass der Journalismus für all das Platz haben sollte.
Das Abstraktionsniveau verlangt doch keine Unverständlichkeit. Gibst du mir vielleicht zu, dass die deutsche idealistische Philosophie von der intellektuellen Flughöhe und ihrem ‘Abstraktionsniveau’ her eine ganz schön anspruchsvolle Angelegenheit ist? Trotzdem haben wir mindestens drei deutsche Autoren, die auch sprachlich dieser Art zu denken durchaus gewachsen waren, allesamt große Stilisten: Ich rede von Schiller, ich rede von Schopenhauer und ich rede von Nietzsche: Alle Texte sind luzide und einsichtig, alle sprechen sie eine simple Sprache ohne hermetisches Schulvokabular, alle Sätze sind wohlgeordnet. Allenfalls ein wenig ‘Zeittypisches’ müsste heute näher erläutert werden. Das alles ist ja schließlich schon eine Zeit her.
Ob einem das, was da gesagt wird, dann inhaltlich in den Kopf will oder überhaupt sinnvoll und relevant erscheint, das ist wiederum eine ganz andere Frage. Der Dummkopf und geborene Ignorant – siehe z.B. ‘Klimaskeptiker’ – die zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie das Große, überhaupt ‘letzte Fragen’ und ‘Existenzprobleme’, nicht sehen, und wenn sie sich die Nase dran stoßen. Die gucken eben nur maximal von hier bis zu ihrer Rente, falls ihnen das nicht schon zu weit ist. Niemand aber, der halbwegs helle ist, wird sagen können, dass er Schopenhauer oder Nietzsche sprachlich nicht ohne weiteres verstehen könne.
Bei den Neueren nimm Heinz von Foerster, auch Vilem Flusser oder Ernst von Glasersfeld – zwei davon reden über die gleichen Themen mit ähnlichem Ergebnis, zu dem auch Luhmann mit seiner Systemtheorie kommt, nur dass sie eben unmittelbar verständlich sind, weil sie sich nicht in eine ‘Schulsprache’ für die Happy Few irgendeines Universitätsseminars flüchten …
Jetzt entfernen wir uns wirklich vom Thema, aber niemand hindert uns, denke ich mal, im Dunkel dieses weit in die Tiefe vorgetriebenen Blogkommentarstollens.
Ich verlange doch keine Unverständlichkeit, von niemandem. Allerdings gebe ich zu, dass ich persönlich die Dunkelheiten (wenn es welche sind; eher sind es Überhelligkeiten) des Stils von zum Beispiel Friedrich Schlegel oder Jean Paul nicht nur nicht verwerflich finde, sondern den (vermeintlichen) Luziditäten Schillers & Schopenhauers vorziehe. Nietzsche ist ein Fall für sich und seine Verständlichkeit weiß Gott nur oberflächlicher Anschein.
Flusser, Foerster, von Glasersfeld: alles keine Systemdenker. Keiner von ihnen hat Kathedralen gebaut. Luhmann schon. Und für den Kathedralenbau braucht es, will mir scheinen, auch diese für sich hässlichen Blöcke aus schierer Abstraktion. In der Gesamtkomposition entwickeln sie ihre eigene Schönheit.
Ich will immer wieder nur dasselbe sagen: Es gibt mehr intellektuelle und sprachliche und stilistische Möglichkeiten und Schönheiten und Wahrheiten – und manchmal, ach, auch Wahrheiten ohne Schönheit – als die Putzfrauenweisheit sich träumen lässt. Es ist eine Verarmung, wenn im Journalismus alles immer einer nivellierten Idee von Verständlichkeit folgen soll. Diese Verarmung wird aber gelehrt (vgl. Wolf Schneider) und die Folgen der Lehre sieht man täglich.
In akademischen Kontexten argumentiere ich übrigens immer genau umgekehrt, und zwar, weil es nötig ist. Natürlich ist auch der Jargon, der nur noch Versatzstücke (re)produziert, eine sprachlich-stilistische Verdummung und Verarmung. Letztlich aber nur die Inversion des Fetischs Verständlichkeit. Jargon ist ebenso brutale Einzäunung von Sprachgebrauch aufs – in diesem Fall: in der Community – unmittelbar Bekannte wie die ewige journalistische Mahnung, bloß nicht über die Köpfe (übrigens auch: unter den Oberkörper) eines imaginierten Durchschnittspublikums zu zielen.
Mehr Licht? Mehr Dunkelheit? Beides!
Süsstewoll – so is dat midde Könichkinners – man findet allmählich doch zueinander: Zum Thema Luhmann verweise ich aktuell noch auf einen Tönnies-Artikel, den ich in der ‘Schmiede’ verlinkt habe: Luhmann gilt ihr dort als Mentor aller neoliberalen Denkfiguren. Zumindest bedenkenswert.
Jean Paul ist zwar großartig, die Lektüre kostet aber auch Nerven. Denn er war nun mal kein ‘Satzbändiger’, sein Stoff quoll ihm unter der Hand immer derart an von allerlei Digressionen, Abschweifungen und gelehrten Metaphern, dass der Sinn dunkel wurde, weil diese ‘Mauern aus Satzfett’ so viel Schatten werfen.
Mach’s gut.
Ich hoffe, die Knörer-Jarchow-Achse hat sich nun hinreichend gegenseitig ihrer überaus virtuosen Sprachgewaltigkeit versichert und schreibt fürderhin bei Carta mit.
“An den gewählten Wörtern, Begriffen, am sogenannten Abstraktionsniveau und am Satzbau erkenne ich nur, dass die Carta-Betreiber in der Lage sind, bemerkenswert verschwurbelt heiße Luft von sich zu geben.”
Das und ähnliches erinnert mich die ganze Zeit an jemanden…
Ah, ja, ich hab’s: Diederichsen! Der schreibt doch sicher auch bald (oder schon) dort.
Na kiek – eben hattest du dich noch in den Klotten, und schon bist du ‘ne ‘Achse’ …
;-)
@nacky luke + jeeves
q.e.d.
Einige Texte habe ich zu lesen versucht, habe sie aber, wie Don, nicht fertig lesen wollen, weil sie langweilig waren.
Mit Verstehen hat das nichts zu tun. Ich bin durchaus bereit, mich durch langatmig verschwurbelte Texte durchzukämpfen, wenn sie wenigstens eine neue, originelle Sichtweise oder Idee vermitteln. Dies nun ist aber genau bei jenen Carta-Texten nicht der Fall. Es ist alles das sattsam bekannte, gähnendlangweilie Mainstreamzeugs – nur auf akademisch getrimmt.
Ich kann meine Zeit weitaus sinniger verplempern.
Dieser kleine Rant hier hat es immerhin in die c`t geschafft, wo eigentlich das beschimpfte Objekt vorgestellt werden sollte.
Herzlichen Glückwunsch!
[…] (Eine Bemerkung am Rande: Gestoßen bin ich auf den Artikel nicht etwa beim Spiegel selbst, sondern bei Carta – dem “Mehrautoren-Blog für Politik, Medien und Ökonomie”, ein Projekt Robin Meyer-Luchts, das bislang gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen hat: von der Sehnsucht nach einer deutschen Huffington Post bis zur Ablehnung des dort zu findenden “neologistischen Bombastes.”) […]
[…] Nein, das steht da nicht mehr drin. Don Alphonso hat früh über Carta geschrieben und über unsere Selbstbeschreibung gelästert. Auch über solche verschrobenen Formulierungen wie â€Wir nehmen unseren Autoren die Unwägbarkeit der Online-Publizistik ab.” Das haben wir natürlich mitbekommen, weil plötzlich die Seite ganz viel gelesen wurde. Dann haben wir uns den Text angeguckt, uns für die kritischen Hinweise bedankt und die Seite entsprechend geändert. Worauf wir dann wieder ein positives Feedback von Medienlese bekommen haben. Ein typischer Fall von Lernprozess. […]
Bin nur ein einziges Mal bei “Carta” gestrandet – und hab’ mich entsetzlich gelangweilt – und umgehend das Weite gesucht.
Die Klippe “Carta” habe ich seitdem erfolgreich umschifft. Da ist nirgendwo ein Lotse in Sicht, der mich überzeugen kann, dort an Land zu gehen.
Wenn ich als Autorin das, was ich beschreiben will, vorerst selbst nicht durchdacht und verstanden habe, nützen auch die “geschwurbelsten” Verlautbarungen nichts, um von LeserInnen wenigstens ein Auge zu bekommen.