10% Wachstum im Jahr? fragte der Journalist, der wissen wollte, wie schnell sich das Bloggen ausbreitet. Man muss dazu sagen, er kommt aus der Wirtschaftsecke.

10% Wachstum pro Monat, sagte ich. Vielleicht auch mehr.

Der Journalist hat es im Moment nicht leicht. Anzeigenkrise, Auflagenschwund, interne Vertrauenskrise. Keine guten Zeiten. Alles schrumpft, alles bröckelt. 10% pro Monat sind die goldene Verheissung, in deren Augen. 10%, an denen er und sein Haus nicht beteiligt sind. Er meinte spontan, ob da auch was für die normalen Medien drin wäre, wie man in den Markt kommt.

Interessante Frage. 3 mögliche Strategien und Vermutungen, warum es kaum klappen wird.

1. Selber bloggen als Teil des Mediums (Zeit Blogs, Tagesschau)
Nachdem Heise ja kein Blog sein will – möglich ja, erfolgversprechend nein. Man bekommt zwar sicher eine Menge Awareness durch das eigene Medium, es kann gepusht werden, aber:

Wie bekommt man Journalisten dazu, ihr Handwerk über Bord zu werfen, Meinung zu haben, glaubwürdig zu werden? Auf der anderen Seite – wie hält man dabei die “Qualität” hoch, und wo sind dann ausser der Geschwindigkeit die Vorteile gegenüber der normalen Website? Bloggen ist mehr als nur Texte produzieren. Wer gelinkt, gelesen werden will, muss auch selbst rauslinken und als Person irgendwie fühlbar sein. Klar kann ein Broder bloggen. Klar kann ein Praschl bloggen. Aber ein normaler Journalist, dessen Haus nur darauf aus ist, die User so lang wie irgend möglich auf dem eigenen Angebot zu halten? Das widerspricht im Kern den Lesegewohnheiten der Heavy User, und ohne die wird es kaum gehen. Da könnte die 2. Lösung helfen.

2. Selber extern bloggen (Das gerüchteweise geplante Spiegel Netzwelt-Blog)
Das Gute daran: Man entgeht der Problematik des Mutterschiffs. Man ist zwar verlinkt, kann aber quasi frei rumwuseln. Mag in der Aussenwirkung vielleicht gut kommen, hilft auch etwas, schnell auf Kritik an der Arbeit des Mama reagieren zu können, weil man oft was nachzulegen hat – man denke an den auch hier ausgetragenen Streit zwischen FAZ und NZ. Für diese Kleinkriege, die oft erst durch das Netz entstehen, wäre ein Blog die Weapon of Choice. Print ist dafür zu langsam.

Das Problem: Ein ständiger Spagat zwischen der publizistischen Freiheit und den Ansprüchen des Mutterblatts. Eine weitere Investition. Kosten ohne erkennbaren Nutzen, denn wie misst man Credibility? Das einzige Argument, das gegenüber dem Controlling zieht, wäre das Blog quasi eine Angel, um die Blogosphäre abzufischen – aber das ist schlecht für die Glaubwürdigkeit. Und wenn so etwas gemacht werden soll, muss es auch gut = teuer sein, um im Netz bestehen zu können – da draussen sind schon genug Profis unterwegs. Kleines Beispiel: Metamac von Ben Schwan ist vorzüglich – aber gelesen wird ITW. Und da kommt die 3. methode ins Spiel:

3. Premium-Blogger kassieren (Neon, Blogsalon der Zeit(?), Spiegel mit Perlentaucher)
Warum selbst mühsam sowas aufbauen, wenn es im Netz schon vorhanden ist? Neon hat mit hunderten von Emails versucht, Blogger zu Schreiber für Neon.de zu machen – und ist damit gescheitert. Trotzdem ist es verlockend: Blogger bringen nicht nur ihre kostenlose Arbeit, sondern ghleich auch noch ihre Leser mit. Spiegel.de hat schon den Feuilletonüberblick der Perlentaucher, der so was ähnliches wie ein Blog ist.

Problem – sind die Blogger so doof, sich für lau ausbeuten zu lassen, noch dazu diejenigen, die den Job schon lange machen? Zieht bei denen das Argument, dass sie dadurch berühmt werden und mehr Leser bekommen? Vermutlich eher nicht. Bliebe noch die bezahlung – aber rechnet sich das? Und wenn ja, bis wann? Aus meiner Erfahrung mit Online-Content würde ich vermuten, dass man den Bloggern höchstens ein kleines Zubrot zugestehen würde, in Verbindung mit dem Hinweis, dass es noch Zillionen andere gibt, und sie zudem unter Schreibzwang setzt. Aber wie bewertet man das? Wer kontrolliert das? Welcher Redakteur geht da drüber?

Conclusio: Es käme auf den Versuch an. Aber welcher Blogger hat Lust, als Versuchsblogger zu krepieren? Wer will die Versuche bezahlen? Und vor allem – wird das dann noch respektiert, oder muss man sich in diesen Fällen die Blogleser erst selbst züchten? Das einzige Beispiel, das m.E. einen Weg zeigen könnte, ist das Bildblog – in die Richtung könnte das, sagen wir mal, mediennahe Bloggen klappen. Aber ob das den zwar wachsenden, aber jenseits der üblichen Medienthemen liegenden und fragmentierten Markt der Blogs abdeckt? Wohl kaum.