Sex, Blogs und Twoday.net
Ich mag, das gebe ich offen zu, den Bloghoster Twoday.net. Ich blogge zwar bei Blogger.de, aber ich habe ziemlich Respekt vor der Arbeit der New Media Agentur Knallgrau und ihrem Baby. Twoday ist eine wirklich schöne Community, mit vielen guten Autoren und einem erstaunlich hohen Niveau. Grund genug, mal mit dem Founder and Execut Knallgrau-Frontmann Dieter Rappold (hier das Company Blog) per Email über Twoday, Antville, die Sexblogger und das Bloggen im Allgemeinen zu plaudern
Dieter, wie hat sich die Agentur Knallgrau entwickelt, und welche Rolle spielt der Bloghoster Twoday bei Euch?
Wir (Matthias, Michi, Alexander und ich) haben Knallgrau im Februar 2001 gegründet. Hoch motiviert und sehr naiv. Die ersten Jahre waren hart, aber rückblickend gesehen eine gute Schule, weil Post-Hype-Zeit. Mitte 2002 entschieden wir uns das Thema ?Weblogs? zu einem Geschäftsfeld zu machen. Wir dachten, das wäre am einfachsten zu kommunizieren, wenn wir selbst eine Hosting Plattform machen würden. So entstand twoday.net. Die Plattform basiert technisch auf der Open Source Lösung Antville und wurde seither intensiv weiterentwickelt. Twoday.net ist ein für uns enorm wichtiges Projekt, weil wir dadurch glaubwürdig vermitteln können, dass wir ?Hosted Weblog Solutions? von der Konzeption, über das Design, die technische Realisierung und den laufenden Betrieb abbilden können. Mittlerweile ist das Thema Weblogs bei uns eingebettet in eine eigene Social Software Unit, die sich sehr dynamisch entwickelt. Viele Kundenprojekte haben sich aufgrund der Bekanntheit von twoday.net ergeben.
Twoday ist berühmt-berüchtigt für seine Community, in der es manchmal recht hart zur Sache geht. Kannst Du Dir erklären, warum Twoday so im eigenen Saft schmort?
Alles hat seine für und wider. Twoday ist seinerzeit mit einem Kern von 300 BloggerInnen gestartet. Das ist nun schon 2,5 Jahre her und die Zahl derer, die geblieben sind, ist erstaunlich hoch. Diese Blogger haben twoday.net stark geprägt, und gar nicht so schlecht, wie ich meine. Es gibt in der Community durchaus mal intensive Auseinandersetzungen, die sich imho auf vergleichsweise hohem Niveau abspielen. Wir setzen hier stark auf die Eigenverantwortung unserer User. Die durchschnittlichen twoday-User kriegen das alles alleine sehr gut hin. Das twoday ?im eigenen Saft? schmort, sehe ich nicht ganz so, aus unseren Erfahrungen sind es immer einige wenige Blogs, die stark nach außen wirken ? für den Rest ist eine starke Community nach innen wichtig. Im Vergleich mit anderen Bloghostern haben wir aus meiner Sicht viele bekannte, gut vernetzte und inhaltlich starke Weblogs.
In letzter Zeit sind bei Twoday eine ganze Reihe von Sexbloggern aufgetaucht – teilweise habt Ihr auch gewisse Blogs dieser Richtung entfernt. Wie steht Ihr zu dem Thema, und welche Regeln stellt Ihr auf?
Sehr schwierige Frage. Auch hier ist es eine Gratwanderung zwischen dem Wesen der Blogs, möglichst auf Eigenverantwortung zu setzen und auf der anderen Seite bestimmte Grenzen nicht zu verletzen. Als Regelwerk kann man sagen, dass wir niemals Inhalte aus dem Bereich Kinderpornografie oder Rechtsradikalität dulden würden. In anderen Grenzfällen kontaktieren wir auch User und bitten um Verständnis, dass wir twoday.net nicht wirklich als die Plattform sehen wo man auf 600×400 Geschlechtsteile abbildet.
Ihr habt mit readme.txt selbst ein Blogbuch herausgebracht und eine Lesung durchgeführt. Tatsächlich sind bei Euch einige sehr schöne, literarische Blogs dazugekommen. Werdet ihr da noch mal was organisieren? Oder Eure Blogger logistisch unterstützen, wenn die selbst eine Veranstaltung planen?
Das Buchprojekt lag uns sehr am Herzen und war eine wunderbare Geschichte. Vor allem von der Lesung schwärmen die Zuhörer bis heute noch. Es ist eine dieser Sachen bei knallgrau, die wir nicht machen, weil es kommerziell Sinn ergibt, sondern weil sie schön sind und weil wir dabei sehr viel lernen können. Sollte es User geben die in dieser Richtung aktiv werden und etwas Größeres planen, dann freuen wir uns sehr wenn wir das, in welcher Form auch immer, unterstützen können. Grundsätzlich ist es kein Geheimnis, dass auch wir sehr viel über das Thema Weblog Content nachdenken und hier hoffentlich sehr bald mehr dazu zu sagen haben werden.
Twoday ist in der Basisversion kostenlos und werbefrei – wird das beibehalten?
Das wird definitiv beibehalten. Hier werden in Zukunft auch weiterhin Features und Leistungsangebot erweitert und ausgebaut.
In letzter Zeit sind einige kommerzielle Blogs im deutschsprachigen Raum aufgetaucht. Ausserdem versuchen manche Bloghoster und Branchenfremde, Geld mit Themen wie Profiling und Überwachung zu machen. Wie steht Ihr zu diesen Ansätzen?
Die Kommerzialisierung von Weblogs mit dem Fokus Content, ob das nun ein Projekt von Johnny Häusler oder Nico Lumma ist, sehen wir sehr positiv. Wenn das die großen Medienhäuser nicht intelligent in die Hand nehmen, dann werden wir die Zeit und die Chancen nützen, ich freu mich da drüber. Wie gesagt, bald gibt es dazu auch mehr von uns zu hören.
Profiling und Überwachung, das klingt schon so böse. Weblogs sind Gespräche und bei Gesprächen sollte man zuhören und lernen. Wir versuchen Unternehmen dabei zu beraten wie sie von der Blogosphäre lernen können. Nachdem wir Knallgraue durchwegs auch selbst in dieser aktiv sind, sind wir da sehr vorsichtig. Wenn Unternehmen von der Blogosphäre und diesen Gesprächen profitieren wollen, dann sollten sie aktiv daran teilnehmen. Dann ist das kein Profiling und Überwachen, sondern einfach nur ein Mitreden auf gleicher Augenhöhe. Das fördern wir.
Twoday verwendet die Blogsoftware Antville mit einigen Modifikationen wie etwa Moblogs. Wie werden die Erweiterungen angenommen, und was ist an Entwicklungen von Eurer Seite aus zu erwarten?
Zu Beginn gab es den Versuch, sehr nahe am Antville Core weiterzuentwickeln. Nach einiger Zeit stellte sich aber heraus, dass wir mehr Unabhängigkeit und Flexibilität für die Umsetzung unsere eigenen Projekte benötigten. Daher kam es seinerzeit auch zur Abzweigung in der Entwicklung.
Wir versuchen weiterhin von unseren Usern bzw. auch von anderen Services zu lernen und unser Angebot stetig zu verbessern. Unsere Zahlen stimmen uns zuversichtlich, dass uns dies einigermaßen gelingt.
In nächster Zeit (d.h. in den nächsten 6 Monaten) sollte es, so hoffen wir, wieder mal ein größeres Update auf twoday.net geben. Wir versuchen hier ein bischen in die Zukunft zu denken (Foto, Video, Audio). Aber ich sollte hier nicht zu viel über ungelegte Eier gackern, sonst bekomm ich noch eins von den Entwicklern übergezogen und die sind massiv in der Überzahl?.
Stichwort “Social Software” – wo siehst Du die Zukunft der Blogs?
Social Software spannt einen extrem weiten Bogen und bietet großen Interpretationsspielraum, was das nun eigentlich ist. Wir finden sehr viele Dinge spannend, fast zu viele. Da ist es nicht immer einfach den Fokus zu bewahren, aber wir tun unser bestes. Aber egal, ob wir nun von Social Bookmarking, Social Networking, Wikis, Photoblogs, MoBlogs, Vlogs, oder klassischen Weblogs sprechen ? aus unserer Sicht geht es ganz entscheidend um das Potential, das hinter personal publishing steht. Wir stehen erst am Beginn dieser Entwicklung und ich persönlich erwarte Ihren Peak in Mitteleuropa in frühestens 3-5 Jahren. Auch wenn sich in Zukunft viele Innovationen abseits von Blogs abspielen werden und Weblogs dann nicht mehr so im medialen Mittelpunkt stehen werden, so stehen Weblogs als ?personal publishing for the people? immer im Zentrum dieser Idee. Wir versuchen die Materie Social Software integriert und ganzheitlich zu sehen und sind selbst gespannt, was sich rund um den Ausgangspunkt Weblog noch alles entwickeln wird.
Dieter, vielen Dank für das Gespräch.
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Danke dafür
Jupp, das war ein sehr gutes und interessantes Interview, danke. :)
Bitte, mit allergrösstem vergnügen :-)
Und ich bin flitzegespannt auf die Updates. Ich glaub ich muss Dieter mal ne Wunschliste schicken, die er den Entwicklern unter der Tür durschieben kann ;)
Ihnen ist bestimmt eine sehr gute Zukunft beschieden,wenn man die Entwicklung beobachtet.Und Sie haben es sich auch wirklich verdient,wenn man so hart dafür mit Herzblut arbeitet.
Viele Glück weiterhin und lasst euch nie von eurem “eigenen” Pfad abbringen ;-)
Am tollsten finde ich diese merkwürdige Spiegel-Journalisten-Attitüde, am Ende des E-Mail-Interviews zu schreiben “Dieter, vielen Dank für das Gespräch”.
Das nennt man im allgemeinen Sprachgebrauch “Höflichkeit”. Und es ist im Journalismus weit verbreitet, auch wenn das gespräch per Mail stattfand.
Gutes Interview und spannende Aussagen vom twoday-Frontmann. Insbesondere wenn er über Video, Bilder, Bookmarks etc. spricht, frage ich mich aber, was die Entwickler eigentlich vorhaben? Dafür gibt es doch in jedem Bereich etablierte Anbieter. Sicher wäre es gar nicht schlecht, alles bei einem Hoster zu vereinen – manche machen das sogar schon. Doch werden die nie mit Hostern wie z. B. flickr konkurrieren können. Ich bin gespannt.
Wenn dieses dämliche Bedanken am Text-Ende aus Höflichkeit geschehen ist, dann ist der Interviewer aber ein sehr unhöflicher Mensch. Er hat seinen Gesprächspartner ja nicht mal begrüßt. Aber vielleicht ist es ja gar keine Höflichkeit, sondern nur blassiert Spiegel-Dummheit. Die machen das nämlich auch genauso.
Es gab hier auch schon Leser mit dümmeren Kommentaren, Karsten. Auch wenn man das vielleicht im ersten Moment nicht glauben möchte. Hoffentlich machen das hier nicht viele genauso.
@Karsten: Das Nicht-Begrüßen bei einem Interviewbeginn ist übrigens auch üblich – außer im Rundfunk.
Lieber Don Alphonso!
Kann mich nur anschließen – auch ich sage “Danke” für das gute und informative Interview!!
Gruss
LuLu