Weblogs.com goes boink
Dave Winer dürfte zu der umstrittensten Figur der Weblogs-Szene gehören. Einerseits hat er seine Verdienste mit Radio.Userland, dem RSS-Format und dem Ping-Portal-Weblogs.com gehabt. Andererseits hat er durch seine Wankelmütigkeit, plötzlichen Ausbrüchen, gepaart mit einer Portion Autismus, die Blogosphäre gespalten wie kein zweiter.
Seit gestern/vorgestern sind von ihm nahezu alle 3.000 Blogs vom Weblogs.com-Server rausgeschmissen worden (z.B. Moorbek). Winer sah sich nicht in der Lage in 1-2 Stichpunkten gemäß des Mottos “Wer-was-wann-wie” die Situation zu schildern. Ohne Vorwarnung und mit dürftigem Verweis auf eine von Dave Winer aufgenommene Audio-Datei mit seinem von Raucherhusten durchsetzten Statement. Das Statement ist inzwischen von Bloggern transkribiert worden. Wer sich binnen zwei Wochen bei Winer meldet, bekommt die Daten seines Blogs von ihm zugeschickt.
Wen betrifft es? Was ist passiert?
Es hat rund um das “Imperium” von Dave Winer in den letzten Monaten Veränderungen gegeben, die letztendlich einen Rückzug von Dave Winer aus vielen von ihm initiierten Geschichten bedeuten. Das bzw. ein RSS-Format wurde der Harvard-Universität übergeben, Frontier wurde Open Source, die kommerzielle Software “Radio Userland” wird unter neuer Geschäftsführung vermarktet.
Weblogs.com ist ein nicht-kommerzieller Dienst, eine Art “Freundlichkeit” von Winer gewesen und bestand aus zwei Teilen.
Zum einen das Portal weblogs.com, das von Blogs bei neuen Einträgen “angepingt” werden kann. Zum anderen dem Webhosting-Part. Ich nehme an — ich sehe es nirgends explizit beschrieben — dass die geschlossenen Blogs ausschließlich gratis gehostet wurden, während die “Bezahl”-Blogs bei userland.com sind.
Dave Winer musste im Zuge des Rückzuges aus Userland mit den Weblogs.com-Geschichten auf eigene Server umziehen, die schlichtweg nicht performant genug waren. Deshalb der Entschluß das Blog-Hosting (nicht das “Ping-Portal”!) einzustellen.
Winers Hang zu Bauch-Entscheidungen die verbrannte Erde hinterlassen, haben ihn anscheinend zu einen so spontanen Entschluß veranlasst, dass die Kommunikation, gelinde gesagt, zu wünschen übrig läßt. 14tägiges Ultimatum zur Datenrettung, Schließung von heut auf morgen, kein Statement auf den handelsüblichen Winer-Sites.
Was mich am meisten erstaunt, ist die fehlende Resonanz der Großköpfe der Weblogs-Szene. Doc Searls, Vorzugshandlung geniessend — sein weblogs.com-Blog wurde nicht geschlossen — schreibt nichts zum Thema. Vom Anti-Winer Mark Pilgrim, Erfinder der “Winer Number”: nix.
Ein kleiner Denkanstoß für alle die derzeit kostenlose Blog-Hoster wie blogger.de, blogger.com, blogg.de, myblog.de, blogigo.de, 20six.de und Konsorten benützen.
(aufmerksam geworden via JC Mirus)
[Update 18.6.] Tage später mündet die Aufregung um die Schließung der Weblogs.com-Blogs in einer halboffiziösen, von Freiwilligen getragenen Übergangslösung, von Dave Winer präsentiert: Transition plan for hosted sites.
Das hätte Winer auch weniger nervenaufreibend haben können, wenn er erst kommuniziert und dann geschlossen hätte.
Sorry, the comment form is closed at this time.
[…] Wochen werden die Blogs gelöscht. Der vielbenutzte Ping-Service bleibt erhalten. Lese dazu Folgendes von blogbar.de. Habe nichts dagegen, daß die Leute et […]
ich sag dann vorher bescheid. :)
Bei Blogger.de würde ich die Hand ins Feuer legen, da gibt es eine Antvillisierung. Bei 20six würde ich mir Sorgen machen, schliesslich ist da explizit kommerzielles Interesse dahinter. Aber selbst wenn die verkauft werden sollten, dann das dürfte kaum anders sein als bei einem Email-Dienst: Runterfahren der kostenlosen Leistungen, diverse teure Hostingangebote.
Packen wir blogg.de, 20six und vielleicht auch blogigo.de beiseite, da es sich dabei um Unternehmen handelt.
Bei blogger.de und myblog.de “reduziert” sich die Zukunftssicherheit in das Vertrauen der persönlichen Integrität, weil es sich dabei um “one-man Basteleien” handelt. So jemand kann abseits von Business-Plänen mehr Verve in die Umsetzung reinstecken, aber umgekehrt von heute auf morgen sagen “danke, war nett, kein Bock”.
Blogger pflegen eine ganz eigene Beziehung zu ihrem Blog zu haben. Aus Besuchterstatistiken werden Lust und Launen abgeleitet. Ist es nicht kurios, wie blauäugig man sich einem kostenlosen Dienstleister mit allen Risiken hingibt?
Im Grunde genommen ist es ein GAU der darauf wartet zu passieren. Ein Dienstleister der keine Lust mehr hat, oder dem die Server ohne Backups abrauchen und mit einem Mal ist ein Viertel der deutschen Blog-Landschaft weg.
Doc Searls hat nun einen Kommentar vorgelegt, der aber immer noch nicht schlüssig erklärt, wieso Winer den umständlichen Weg des händischen Exports geht, statt die Weblogs noch zwei Wochen zum Download offen zu lassen… Wo Server zehn Tage lang qualmten, können sie es auch noch 14 weitere Tage…
Es bleibt das Geschmäckle der egozentrischen Handlung.
Hmja, ich hatte mit Dirk Olbertz ein paar mal einen sehr netten Kontakt, und denke, dass er sowas wirklich nicht machen würde. Man kann es nie wissen, klar, but he survived Suma, hat ein wirklich nettes Buch geschrieben, und gibt sich Mühe, ohne mit Blogger.de anzugeben. Das ist einiges. Viel sogar.
jetzt wollen wir mal keine panik machen, nur weil in den usa ein für deren verhältnisse kleiner anbieter so eine nummer durchzieht.
myblog.de bleibt. ich bin student, habe also genug zeit mich um die seite zu kümmern. nico (der von myblog.de)
Um es klarzustellen: ich kenne weder Nico/myblog.de noch Dirk/blogger.de und meine Kommentare zielten nicht auf konkrete Beispiele und ich besitze auch kein “Hintergrundwissen” dass demnächst irgendein Hoster das Zeitliche segnet.
Die Ausführungen meines vorigen Kommentars sind “abstrakter” Natur.
Das Problem bleibt aber. Als artverwandtes Beispiel führe ich z.B. das im April dicht gemachte Friendity.de an.
In dem Maße wie bestimmte Kreise Blog-Inhalte als wichtigen Content anpreisen, stellt sich die Frage wie sicher dieser Content ist (siehe auch Heiko Hebigs Anmerkungen). Mir ist momentan z.B. nicht geläufig, dass irgendeiner der Bezahl-Blog-Hoster “Backup-Feature” prominent bewirbt. Und ich bezweifle, das viele User dafür zahlen würden. Den Schmerz würden sie erst entdecken, wenn es zu spät ist.
(BTW: auch mal eine Idee: ein einheitliches, produkt-unabhängiges “Blog-Format” zum Ex- und Importieren von Blogs aus Blog-Software.)
Es ist, zugegeben, natürlich ein etwas kribbeliges Gefühl, wenn man kommt, und der Blogservice ist gerade abgeraucht – bei blogger.de ist das aber längst vorbei. Und was wäre das Leben ohne Risiko…
HI,
First off, vielen Dank für die Info. Ich wälze mich berufsbedingt jeden Tag durch die US-Blogs, habe aber bisher keine auch nur annähernd so gute Darstellung des Sachverhaltes gefunden.
Bisher ist nach meinem Kenntnisstand nirgendwo davon explizit die Rede (von JD Lascia bis xyz).
Ich bin erschrocken, dass erst zwei deutsche Blogs auf die Sache richtig eingehen.
Ich habe früher hier auf der site einen Verweis auf einen Vergleich der gängigen Blog SW gefunden, habe aber — ohne dass ich Karten darin hätte — keine Erwähnung von Blogware vom ACcordion Guy gefunden. OK, ist erst 1.0 und ich bin beim competitor Typepad, aber das sieht superlecker aus. Kommt der Vergleich noch?
Warum hat blogger.de nicht früher einen festen Bezahlservice eingerichtet? Jeder, dem beruflich etwas am Bloggen liegt, sind doch 10 Euronen pro Monat völlig gleichgültig. Hauptsache, das geht schnell, sicher und klar. So bin ich — wie viele andere germans — zu Typepad gelaufen. Eigentlich schade.
Gruss
PT
PS. Mit Verständnis um die Anonymität.
Sorry für die Rechtsschreibfehler. Ist Halbzeit D vs. NL.
re: Blogware
Der Blog-Software-Vergleich ist bei Asymptotic.net. Er hat nur Blog-Software und keine Blog-Hoster gelistet. Blogware ist in einer noch merkwürdigeren Zwitterposition, da es über Tucows nur an Dienstleister “resellt” wird.
Blogware wird im Buch nicht erwähnt, da es derzeit in der “Blogosphäre” keine Rolle spielt (was nicht für den Partner Tucows spricht!) und zudem nicht in Deutschland vertrieben wird. LiveJournal hat es auch nur zu zwei Absätzen gebracht, und das obwohl es übersetzt ist und Alleinstellungsmerkmale besitzt.
re: blogger.de
blogger.de war und ist von Dirk Olbertz nur ein “Hobby”. Er kann/will keine Vollzeitbeschäftigung daraus machen und wenn man sich überlegt was da auf einem in Sachen Abrechnung und Steuer an Aufwand zurollt… Wer für sein Blog bezahlen will, findet auch in Deutschland und ßsterreich hinreichend viele Blog-Hoster.
Projekte von einzelnen sind immer vom schellen Tod bedroht. Die Integrität und Zuverlässigkeit ist eine Sache. Auch wenn es junge Leute nicht wahrhaben wollen, jederzeit können sich durch Unfälle und andere einschneidenden Dinge die Lebensumstände ändern. Wir haben für alles und jedes Versicherungen, aber vertrauen beim blogg-hoster darauf, dass er seine Versicherungen nicht in Anspruch nehmen muss…
.com egal, is internetz.
faellt mir da jetzt so spontan zu ein.
als ich das gestern gelesen habe, natuerlich ersmal schnell bei meinen editthispage-weblogs vorbeigeschaut, aber die leben noch, scheinen unkaputtbar.
was aber wuerde mir ein backup von denen nuetzen?
weblogkonserven schmecken nicht.
und dieses “sich blauaeugig in die haende von kostenlosen hostern begeben”-zeug…
ja, und. was solls, sind nur daten. und zwar keine, die die welt uebermorgen noch braeuchte.
momentaufnahmen, auch nur einen moment interessant, vielleicht, wenn einem langweilig ist, kann man noch mal bilder ansehn oder ein treffliche formulierung nachlesen, aber wenn nicht, dann ist auch ok.
weblog ist kein backupbrain(sorry to dori for using your blogs name in this stupid wortspiel).
@mutant: du solltest nicht von deinen Weblog-Inhalten auf andere und ihr Verhältnis zu ihrem Content schliessen.
Weblogs sind nicht für jedermann ein “Instant-Medium”.
> sind nur daten. und zwar keine,
> die die welt uebermorgen noch braeuchte
Sie braucht sie auch heute nicht und wir produzieren sie trotzdem.
Diese Haltung mag der Antville Style of Blogging sein, meiner nicht. Mein Blog ist kein Chat, sondern auch ein Tagebuch. Ich blättere gern mal zurück und möchte das auch in ein paar Jahren noch tun können.
Ja, aber aus genau den Gründen gibt es doch die unterschiedlichsten Reaktionen auf diese “Blog-Kündigung”
Jemand, der nicht an seinen Inhalten hängt, wird sich bedanken, für die schöne zeit und den kostenlosen Service. Jemanden, dem die Inhalte wichtig sind, trifft es vielleicht wie ein Schlag.
Ich persönlich würde auch sagen .com egal, wie gewonnen so zerronnen, aber für die Abschaltung ohne Ansage wären dennoch ein paar “nette Worte” fällig, das ist schlechter Stil und vernichtet die durch das kostenlose Hosting gesammelten Punkte.
Aber vielleicht hat es eine gute Wirkung auf die aktuellen Blogger, denen ihre Daten wichtig sind, vielleicht haben sie gesehen, was passieren kann und denken ein bisschen um.
Slashdot bringt es jetzt erst:
Posted by timothy on Tuesday June 15, @10:34PM
from the and-such-small-portions dept.
marmoset writes “Citing the high costs of running the free service, performance concerns, and health problems, Dave Winer closed down the weblogs.com hosting service without any prior notice. As many as 3000 sites are now inacessible, and the users who want to transfer their data elsewhere have to ask (politely) for it to be exported. As might be expected, reactions range from understanding to enraged. Netcraft has a report, too.”
http://slashdot.org/article.pl?sid=04/06/15/2354258
Weblogs.com: Die Hintergründe
Es ging gestern schon über Slashdot; das bei weblogs.com ohne Vorwarnung oder ErklßÂrung 3000 Blogs gelöscht wurden. Nun beleuchtet Blogs! die Hintergründe. [Blogs!]
also ich versteh die ganze Aufregung nich…
da bietet jemand etwas umsonst an und die, die das Angebot annehmen, müssen doch wissen, daß so etwas immer von der Entscheidung des Anbieters abhängig ist
was ich nich verstehe: selbst Leute, die eine eigene Domain haben, nutzen Billig- oder Frei-Angebote von irgendwelchen Bloghostern, Counterhostern etc..
ist doch klar, daß dann entweder persönlicher Enthusiasmus dahintersteckt, der entweder nicht ewig dauert, oder Profit- oder anderes Verwertungsinteresse…
und sagt mir nicht, die Leute mit eigener Domain seien zu dusselig, selbst ein Blog aufzusetzen auf ihrer Domain, ne Leute, gibt auch solche ohne Datenbank etc., die ganz einfach zu installieren sind und und und
wie gesagt, ich versteh das nicht
is doch immer so: wenn ich was geschenkt kriege, habe ich kein einklagbares Recht und keine Sicherheit und und und… oder ist im Bloggerland die Welt anders als im real existierenden Kapitalismus?
Gruss, Connie
Keiner beschwert sich, dass Weblogs.com dicht macht, aber über die Art und Weise wie es geschehen ist.
Neben Gesetze und Verordnungen gibt es in der Gesellschaft Dinge wie “Anstand” und “soziale Verantwortung”.
Die sind nicht einklagbar, aber an ihnen werden Menschen nicht nur in der Bloggerwelt gemessen. Siehe auch das “Cluetrain Manifest”, von Dave Winer mit-initiiert.
Mit zu der Aufregung trägt die Person Dave Winer, dessen Verhalten es leicht macht, ihm in regelmäßigen Abständen Hypokrisie vorzuwerfen.
“und sagt mir nicht, die Leute mit eigener Domain seien zu dusselig, selbst ein Blog aufzusetzen auf ihrer Domain“: doch, das behaupte ich. Es gibt in der Tat Domain-Besitzer die keine Datenbanken aufsetzen können und kein HTML oder CSS können. Meine Kunden. Meine Freunde. Meine Verwandten. Genügend Leute da draussen, die nur bloggen wollen, aber keine Web-Designer sein wollen.
Hei Dogfood,
wenn du soviele solche Leute kennst, was machst du dann? Richtest du ihnen ein CMS direkt ein oder steckst du die auch auf Fremd-Anbieter-Server?
Die dusseligen Leute finden doch immer wieder gutmütige Freunde (oder Dienstleister), die das Nicht-Dusselige dann erledigen…
Gruss, Connie
Die übertreiben alle maßlos. Von den 3000 Weblogs sind die meisten tote Testsites. Ich bin gespannt, wie viele Weblogs ein Backup fürs Heimarchiv wollen und wie viele überhaupt noch aktiv weiterbloggen.
Ich verbitte mir, Leute dusselig zu nennen, weil sie kein weblog auf ihren webspace packen können. Ich habe 4 Domains, aber ein blog bei antville, und traue mir nicht zu, ein weblog einzurichten. Ich möchte mich auch nicht mit PHP, mysql, RSS, trackbacks oder css-templates beschäftigen. Ich will bloggen. Statt gutmütiger Freunde suche ich eher einen Anbieter, der das für mich macht. Ich habe bisher noch keine überzeugenden Angebote gesehen. Und ich habe weder Lust noch Zeit webdesigner reihenweise abzuklappern. Es wird immer vom business rund ums blogging geschrieben, aber es ist nicht viel zu sehen. ßbrigens habe ich gestern twoday angemailt, wegen eines individuellen Angebots. Am Geld liegt es sicher nicht.
Man sollte vielleicht nicht übersehen, dass das Bloggen bei einem Hoster wie Blogger, Lifejournal und Antville auch gewisse Vorteile durch die Community hat. Bei Myblog und Lifejournal, die weitgehend eigene Blog-Galaxien sind, ist die Anwesenheit von bekannten sicher ein Grund des Erfolgs. Und tatsächlich wollen die leute bloggen, sonst nichts. Solange es die Anbieter korrekt und mit einer gewissen Verpflichtung machen, ist es m. E. grossartig.
Andererseits: Viele Blogs von WasweiRSSichCodern, die in Sachen Software nicht dusslig sind, lesen sich für mich grauenvoll. Aber die Dussel wiedrum sind deren Geschäftsmodell, und damit sind eigentlich alle glücklich..